Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
[Initial A] An meiner Wiege in der Wollenweberstraße zu Brandenburg a. H. ist es wahrhaftig nicht gesungen worden, daß ich einmal mitten in Indien in einer goldenen Sänfte auf einem Elefanten reiten sollte, ausgerufen als Akbar der Großmogul, und eine richtige, lebendige Prinzessin von Birma im Arm.
Und doch ist es so gekommen, und ich will es erzählen.
Freilich die Geschichte selbst ist ganz klein und unbedeutend. Wenn sie überhaupt für andere Leute einen Reiz hat, so kann der nicht eigentlich in den Ereignissen liegen, sondern, ähnlich wie bei den indischen Miniaturen, in dem fremdartigen und farbenflimmernden Hintergrund des Ganzen. Und vielleicht auch in dem Hauch von Tragik, der den Untertan all des Heiteren bildet, das ich berichten will.
Um das recht klarzumachen, muß ich zuerst von der Stätte sprechen, wo mir dies Fremdartige und dies Tragische am eindringlichsten zum Bewußtsein gekommen ist.
Im Herzen von Birma, sechs Tagereisen Stromfahrt den Irrawaddi aufwärts von der Hafenstadt Rangun, liegt die letzte Hauptstadt des ehemaligen birmanischen Königreichs, liegt Mandalay, die seltsamste, traumhafteste Stadt von Asien. Ich sah sie im März 1911 auf einer Reise nach Oberbirma, die ich an meine Fahrt mit unserm Kronprinzen durch Vorderindien anschloß. Noch heute zählt Mandalay weit über hunderttausend Einwohner, es hat elektrische Straßenbahnen und moderne Markthallen, erfüllt von geschäftigem Getriebe. Und dennoch hatte ich das Gefühl, als sei die Stadt bereits in Wirklichkeit verschwunden, weggewischt vom Erdboden wie ihre verschiedenen Vorgängerinnen, eigentlich nur noch eine Fata Morgana, ein altes Lied, ein orientalisches Zaubermärchen. Im Jahre 1857 erst gründete König Mindon diese Riesenstadt, die an Pracht alle früheren noch überragen sollte. 1878 kam sein brutaler, anscheinend cäsarenwahnsinniger Neffe Tibo zur Regierung, der, ganz in den Händen seiner ehrgeizigen, leidenschaftlichen Hauptfrau Supaya Lat, seine Herrschaft zunächst mit einem grausamen Massenmord unter seinen nächsten Verwandten begann, den Königspalast mit noch gesteigertem Luxus erfüllte und dann in törichter und ganz undiplomatischer Weise mit den Engländern aneinandergeriet. Diese nutzten die Gelegenheit, drangen 1885 rasch mit einer Armee den Irrawaddi hinauf, eroberten im Handstreich Mandalay und nahmen den Übermütigen, der so etwas nicht entfernt für möglich gehalten hatte, inmitten seines goldenen Palastes gefangen. Dem birmanischen Königtum wurde ein Ende gemacht, das Land dem britisch-indischen Kaiserreich als Provinz einverleibt, und um allen Verschwörungen und Aufständen vorzubeugen, wurden nicht nur König Tibo und seine Gattin selbst, sondern auch die einflußreichsten Mitglieder der königlichen Familie aus Birma verbannt und nach verschiedenen Orten Vorderindiens ins Exil geführt.
Noch stehen heut die großen Prunkbauten der letzten Könige aufrecht: noch geben uns die Paläste, die Tempel, die Klöster, die zahllosen Pagoden Mandalays inmitten der leichten Bambushäuschen der Bewohner eine Vorstellung davon, wie einst auch die älteren Hauptsitze dieser schwindenden Kultur aussahen.
Wunderbar schön noch heut, zum Feinsten gehörig, was die Kunst Asiens hervorgebracht hat, ist zum Beispiel das Goldene Kloster der Königin Supaya Lat mit den unvergleichlichen Schnitzarbeiten an seinen Wänden, mit den wie züngelnde Flammen gen Himmel steigenden Giebeln und Spitzen, mit der gerade durch ihre Verwaschenheit heut so unsagbar künstlerisch wirkenden Vergoldung des alten braunen Holzes. Aber schon jetzt ist es so gebrechlich, daß mich, als ich es zum letztenmal sah, übergossen vom Strahl der untergehenden Sonne, das Gefühl nicht losließ, als sei es heute nur noch eine goldene Vision und müsse mit diesem letzten Sonnenstrahl selbst sich auflösen und verschwinden.
Nicht anders auch der eigentliche Wohnsitz des Königs in Mandalay, das riesige Mauerviereck im Mittelpunkt der Stadtanlage, das einst außer dem Fürsten und seiner Familie selbst den ganzen Hofstaat und die großen Würdenträger des Landes mit ihrem Gesinde, eine Bevölkerung von vielen Tausenden, in sich barg. Schweigend, mit trägen Wassern, ziehen sich die breiten, schnurgeraden Gräben rings um diese Königsstadt, von Lotos überwuchert, von weißen Brücken überquert. Verschwunden sind die goldenen Prunkbarken, die einst, mit Seidenstoffen behängt, hier wettruderten; über die Brücken ziehen nicht mehr die Kavalkaden glänzender Hofleute und schmuckbeladener Elefanten. Alles ist still, todeinsam.
Ich dachte auf dieser Stätte an all dies unwiederbringlich versunkene Leben. Und – dachte daran, daß ich doch selber kurz zuvor Menschen kennengelernt hatte, die ebendieser Umgebung entstammten, ja die zum Teil noch selbst in diesem Glanze gelebt hatten!
Es war während der Kronprinzenreise in Indien gewesen. Die Offiziere der britischen Garnison von Allahabad, der Hauptstadt der Provinz Agra und Audh, gaben – am 25. Januar 1911 – dem Kronprinzen einen Ball in ihrem Kasino. Durch die weitgeöffneten Fenster drang der laue Hauch bei indischen Nacht in den großen, von fliehendem Lichtdämmer erfüllten Saal. Rings an den Wänden und in den Nebenräumen drängte sich die dichte Menge der Geladenen in höchstem Glanz, den die anglo-indische Gesellschaft entfalten kann: schlanke, sportgestählte Offiziere in den starkfarbigen, goldfunkelnden Uniformen der britisch-indischen Armee; hohe Zivilbeamte vom vizeköniglichen Hof in Kalkutta mit weißen und hellblauen Aufschlägen auf den dunklen Fräcken; die Damen in großer Gesellschaftstoilette, englisch tief ausgeschnitten, mit blitzendem Schmuck. Die Regimentsmusik ließ die neuesten europäischen Tanzweisen aus der »Lustigen Witwe« und der »Dollarprinzessin« erklingen, und nach ihnen wirbelten die Paare durch den Saal. Heut war alles ganz europäisch; man war unter sich; farbige Gesichter, indische Turbane und Kaftane wie sonst so oft sah man nicht. – Mit einer Ausnahme! Zwei kleine zarte Figürchen bewegten sich durch die Menge, exotisch gekleidet und wie fremdartige Blumen anzusehen; zwei junge Mädchen in einer mir damals noch unvertrauten Tracht: kurzen Jäckchen von leichter gelbrötlicher Seide, darunter eng um die Hüften schließenden, glattfallenden Röcken in Form des malaiischen Sarongs aus orangefarbener, zart gemusterter Seide, große Blüten in dem tiefschwarzen Haar, das die lichtbraunen, hochstirnigen Gesichter enganliegend umschloß. Eine von ihnen holte jetzt der Kronprinz zum Tanz und walzte mit ihr durch den Saal. Es sah nicht gut aus; sie kamen nicht recht in Takt. Und das lag sicher nicht am Kronprinzen, der ein vollendeter Tänzer ist. Es lag an dem kleinen Persönchen, dem der europäische Rundtanz offenbar etwas Fremdes war. Trotzdem schien sie ihrem Tänzer ausnehmend zu gefallen, denn er beschäftigte sich den ganzen Abend mit ihr, saß plaudernd und lachend an ihrer Seite und wählte sie zur Partnerin für den Spaziergang, den man in der Tanzpause in den mit Lämpchen erleuchteten Garten unternahm.
Ich erfuhr, daß die jungen Mädchen birmanische Prinzessinnen waren, Töchter eines Bruders des 1885 gestürzten Königs Tibo, also seine rechten Nichten. Wie der König selbst war auch sein Bruder Limbin aus Birma verbannt worden und wohnte mit seiner Familie in Allahabad unter Aufsicht der Regierung mit einer ihm gewährten Pension, an den Aufenthaltsort gebunden, aber sonst unbehelligt.
Als beide Prinzessinnen einmal miteinander in einem Nebenraum saßen, ließ ich mich ihnen vorstellen und kam rasch in eine lebhafte Unterhaltung. Beide sprachen vollendet englisch und überraschten mich durch die vollkommene gesellschaftliche Sicherheit ihres Gebarens. Man hatte bei ihnen das Gefühl, daß das, was bei uns durch eine sorgfältige Erziehung erzeugt wird, hier ganz von selbst aus feiner, natürlicher Menschlichkeit herausgeboren wurde. Beide gaben sich unbefangen der Freude hin, die ihnen dies Fest machte; ihre Mienen lachten von Leben und Heiterkeit; ihr Gespräch hatte eine persönliche Prägung, Geist und Humor, so daß ich in meinem hochmütigen Europäerdünkel ganz beschämt war. Die ältere von beiden, die Tanzpartnerin des Kronprinzen, war, so nahe gesehen, in der Tat ein entzückendes Geschöpf, in der lieblichsten Mädchenblüte, etwa achtzehn Jahre alt. Malat war ihr Name, während die jüngere Marglay hieß.
Die letztere war ein klein wenig größer, aber sichtlich jünger, obwohl es mir nicht möglich war, ihr Alter zu bestimmen; ich schätzte es auf siebzehn. Sie war viel schlanker und schmaler, anscheinend sehr zart in der Gesundheit; ihr Gesichtchen länger, nicht ganz so überraschend reizend wie das ihrer Schwester, schon weil es noch nicht in dieser Vollblüte stand, aber die Augen noch größer und das Ganze, bei aller Heiterkeit auch ihres Geplauders, mit einem leisen Hauch von Leiden oder Sehnsucht oder kindlicher Hingebung versehen, der es ungemein anziehend machte.
Die ältere Schwester wurde bald wieder in den Wirbel des Festes hineingezogen, die jüngere tanzte überhaupt nicht, und wir vertieften uns derart in ein Geplauder, daß ich dessen Dauer vollkommen vergessen habe. In hübschester Zutunlichkeit erzählte sie mir von ihrem Leben. Beide Schwestern waren erst nach der Verbannung der Eltern, in Indien, geboren und hatten bisher Birma nie gesehen. Die Eltern aber lebten noch mit allen Gedanken dort. Die Mutter, an der sie sehr hingen, erzählte ihnen oft von der alten Heimat, von der Pracht der Paläste in Mandalay und von der goldenen Schwe-Dagon-Pagode in Rangun, deren Glöckchen von selbst im Winde tönen. Ich kannte damals wenigstens Rangun schon flüchtig von einer früheren Reise und konnte bestätigen, wie wunderbar dieser kurze Eindruck der birmanischen Welt auf mich gewirkt hatte. Dann mußte ich ihr von der Kronprinzessin, von ihren Kindern erzählen, vom Marmorpalais in Potsdam und wie die kaiserliche Familie lebe usw. usw. – Übermorgen, so erzählte sie mir, sei ein großes Fest zur Feier irgendeines britischen Gedenktages, welches, habe ich vergessen; da würde, zugleich zu Ehren des Kronprinzen, ein glänzender Aufzug mit Aufführungen aller Art veranstaltet, bei dem auch sie und ihre Schwestern mitwirkten. Das müsse ich unbedingt ansehen. Vorher aber noch, morgen, müsse ich ihre Eltern besuchen; da würde sie mir zeigen, wie sie wohnten, und ich würde sie da in europäischer Tracht sehen, die sie sonst immer trüge.
Plötzlich wurde sie ein bißchen verlegen und sagte: »Ja, Sie halten mich gewiß für älter als ich bin, für eine erwachsene Lady. Das sieht in unserer Tracht so aus. Morgen werden Sie sehen, daß ich noch ein kleines Schulmädel bin. Ich bin erst fünfzehn Jahre.«
Ich versprach ihr, zu kommen, und mir schieden, als ob wir uns seit vielen Jahren gekannt hätten.
Am nächsten Tage besuchte ich die Familie Limbin. Sie bewohnte ein englisch-indisches Mietshaus in dem üblichen geräumigen Garten. Im Innern ein Gemisch von europäischer und asiatischer Einrichtung, sichtlich in den Mitteln beschränkt. Ich lernte noch eine ältere Schwester kennen, die gestern nicht mitgekommen war; diese, schon etwas verblüht, aber von großer Würde des Benehmens, am meisten und bewußtesten Prinzessin unter den Töchtern. Dazu noch drei kleinere Mädchen von sprühender Lebhaftigkeit. Die Eltern erschienen weniger erfreulich, von Sorgen und Wünschen bedrückt. Beide sprachen kein Wort Englisch, die Töchter dolmetschten. Der Vater klagte über die englische Regierung, die ihn zu knapp hielte, so daß er mit seiner zahlreichen Familie nicht auskommen könnte.
Marglay, die mir schon am Eingang entgegengelaufen kam, in europäischer Tracht, einem einfachen, kurzen weißen Kleide mit schwarzem Ledergürtel um die schmale Taille und offenen Haaren, erschien jetzt in der Tat noch als ein Backfisch. Das Exotische ihres Gesichtstyps trat dabei durch den Gegensatz zu ihrer Kleidung mehr als gestern hervor. Nur die großen strahlenden Augen schienen älter als sie selbst und gaben ihr auch hier ein merkwürdiges inneres Leben. Sie war stolz, daß ich ihretwegen gekommen war, betonte deutlich durch die Honneurs, die sie machte, die besondere Zugehörigkeit dieses Gastes zu ihr und war im übrigen so reizend und unbefangen wie gestern.
Am nächsten Nachmittag, dem des 27. Januars, fand das angekündigte Schauspiel statt. Am Rande eines ungeheuren Sportfeldes, wie sie die großen britischen Cantonments in Indien besitzen, war eine lange, überdachte Tribüne errichtet, deren Mitte für den Kronprinzen und sein Gefolge und die Spitzen der Behörden vorbehalten war. Gegenüber der Mittelloge erhob sich auf dem Sportplatz in einiger Entfernung ein stufenförmig ansteigendes Brettergerüst, die Schaubühne für die Szenenbilder, die zu dem Spiel gehörten, während auf dem freien Raum des Platzes dazwischen die Aufzüge sich entwickelten. Die Darsteller waren Einwohner Allahabads, Angehörige der zuschauenden Familien: Männer und Frauen, junge Leute und Kinder. Der Maharadscha von Rewa, ein benachbarter indischer Vasallenfürst, hatte die Prunkelefanten seines Marstalls und eine grobe Schar Berittener für die Festprozession zur Verfügung gestellt.
Die Feier begann mit Aufführung einer Reihe von Szenen aus der Geschichte der Provinz Agra und Audh, nach der Dichtung eines begabten Eingeborenen von Allahabad. Im Mittelpunkt der Szenenfolge stand die Figur Akbars des Großen, des gewaltigen Mogulkaisers, der auch eine Residenz in Allahabad gehabt hat. Eine Hauptszene war Akbars Einzug in Allahabad. Ganz von weitem sah man den glänzenden Zug des Fürsten ankommen: buntgekleidete Läufer, Scharen von Reitern mit reich gezäumten Rossen, Fußvolk mit Lanzen und Bannern, gefolgt von zahlreichen Elefanten mit schweren Decken und buntfarbigen Haudas, die die prunkvoll gekleideten Würdenträger des Mogulhofes trugen. Unter rauschender Musik stampften die schwerfälligen Tiere heran. In ihrer Mitte ein besonders riesiger Elefant mit überaus kostbarem Behang und einer ganz vergoldeten thronartigen Hauda, in der, goldstrotzend, Kaiser Akbar selbst mit seiner Sultanin saß. Vor ihm ein Herold auf dem Hals des Tieres, der mit weitschallender Stimme ausrief: »Seine Majestät Sultan Akbar naht. Akbar der Große, Kaiser von Indien!« Und alles Volk um ihn, die Fahnen schwenkend und mit den Waffen klirrend, wiederholte den jauchzenden Ruf.
Den Schluß machte ein großer Aufzug, der die verschiedenen Länder und Völker des britannischen Weltreiches in einzelnen Gruppen allegorisch darstellte. Jede Gruppe zog einzeln vorüber.
Lange hatte ich von Marglay und ihren Schwestern nichts gewahrt. Jetzt aber kam als eine der Sondergruppen unter den Kolonien Birma an die Reihe, und eine Bewegung ging durch die Zuschauer. Anders als die übrigen, weit zahlreicher besetzten Gruppen, wurde dies Land lediglich durch die drei Prinzessinnen-Schwestern dargestellt. Ganz einfach, aber in zierlichste birmanische Tracht gekleidet, schimmernd in zarter heller Seide, kamen sie langsamen Schrittes herangewandelt, große Blüten im Haar; ihre Sarongs schleppten ein wenig auf dem Rasen nach. Über den Häuptern hielten sie die vielstrahligen, durchscheinenden Sonnenschirme ihres Landes, die ihre Figuren mit einem feinen rötlichen Schimmer überhauchten. Die gerade zum Untergange sich neigende Sonne, die, wie in den Tropen so oft, alles wie mit bengalischem Feuer übergoß, tat ihr übriges, um das Bild der drei zierlichen gelbrötlichen Figuren auf der grünen Fläche vor uns noch reizender zu gestalten. Ihr ruhiger Gang hatte einen so fürstlichen Anstand, wie ihn kein Tanzmeister hätte beibringen können. Und als sie nun bis zu dem Punkt gegenüber der Kronprinzenloge gekommen waren, wo sie wie die andern hätten halblinks sich zur Bühne wenden sollen, uns den Rücken kehrend, da wandten sie sich mit einem Male umgekehrt nach uns zu und führten alle drei zur Loge hin eine tiefe, feierliche, tadellos gelungene Hofverbeugung aus. Dann erst schritten sie gelassen der Bühne zu. Diese offenbar unvorhergesehene Einlage wirkte so überraschend und reizend, das Ganze schien so deutlich zu sagen: »Diesen unsern ganzen Aufzug, Kronprinz, machen wir für dich; für die Masse würden wir uns so nicht gegeben haben; ihr gegenüber gehören du und wir doch zueinander«, daß der Kronprinz ein leidenschaftliches Händeklatschen begann, in das die ganze Versammlung einstimmte. Die drei kleinen Prinzessinnen hatten unbestritten den stärksten Erfolg des Tages.
Noch einige weitere Gruppen folgten und vollendeten, die Bühne ersteigend, das dort allmählich entstehende große Gesamtbild: die Verherrlichung Großbritanniens. Die Musik spielte, die Reiterscharen, die Prunkelefanten, deren elfenbeinerne Stoßzähne jetzt mit angezündeten Lampions behängt waren, sammelten sich zur Schlußapotheose – das Fest war zu Ende.
Der Kronprinz bestieg dann seinen Kraftwagen, hielt aber noch einmal an der Loge der Limbins, um dort den Eltern zum Erfolg der jungen Damen seinen Glückwunsch zu sagen, und verließ den Festplatz. Allmählich begann sich auch das Publikum zu verlaufen. Rosse und Elefanten sollten fortgeführt werden. Da kamen mit einem Male die drei kleinsten Limbinmädel herangestürmt, fielen über mich her wie eine lustige Horde und schleppten mich zum Festplatz hinunter. Drunten stand Marglay in ihrem birmanischen Kostüm, reizender anzusehen als je in ihrer zierlichen Grazie, strahlend im Nachglanz des Erfolges, und nahm lächelnd meine Glückwünsche entgegen.
»War's wirklich hübsch? Haben wir's gut gemacht? Hat es Ihnen gefallen? Das ist schön.« Dann sagte sie:
»Wissen Sie, was ich furchtbar gerne möchte? Ich möchte, daß wir beide einmal auf dem großen Elefanten ritten.«
Ich erwiderte, daß auch ich das ausgezeichnet finden würde, die Möglichkeit dazu jedoch nicht einsähe.
Marglay aber lachte. »Lassen Sie mich nur machen.«
Sie zog mich mit sich zu dem Leiter des Festes, der noch vor der Bühne Anordnungen traf, und sagte zu ihm: »This is Dr. Wegener from the Crownprince's party; he wants to ride on the big elephant.« (»Dies ist Dr. Wegener von der Reisegesellschaft des Kronprinzen. Er möchte gern auf dem großen Elefanten reiten.«)
So ein Racker!
Der Inder machte sofort eine tiefe Verbeugung und gab die erforderlichen Anweisungen. Der Elefant Kaiser Akbars, der noch die goldene Hauda trug, wurde noch einmal herangeführt, die Leiter angesetzt, beide klommen wir hinauf und setzten uns nun auf denselben Hochsitz, wo vor kurzem der große Mogul und seine Sultana gesessen hatten. Der Mahaut zwischen den Ohren des Tieres gab das Zeichen, und nun schritt das mächtige Geschöpf, schwer und klirrend in seinem Prunk, mit uns dahin. Marglay war außer sich, wie trunken vom Vergnügen, sie klatschte in die Hände und, den Herold nachahmend, schrie sie jubelnd mit ihrer hellen Stimme einmal über das andere:
»His Majesty! – The Emperor of India! – Akbar the Great!« (S. Majestät! – Der Kaiser von Indien! – Akbar der Große.«)
Ich legte meinen Arm um ihre Hüfte, denn der Hauda-Aufbau wogte im Schritt des Tieres hin und her, und – sie war so reizend. Einen Augenblick fühlte ich, wie das gertenhaft schlanke und biegsame, warme Körperchen unter der dünnen Seide in unwillkürlicher jungfräulicher Scheu sich zurückzog; aber nur einen Augenblick; dann überließ sie sich mir vertraulich. Ich hütete mich wohl, sie fester zu fassen, als aus dem Bedürfnis des Halts erklärlich war, und so ritten wir, im Glanze der letzten Lichter des Festes, miteinander mehrere Male auf dem Rasenplatz hin und her, bis der Mahaut wieder an den Tribünen hielt und ich die kleine Prinzessin zu ihren Eltern zurückführte.
Am folgenden Tage fuhr die kronprinzliche Reisegesellschaft nach Lucknow weiter. –