Georg Wegener
Erinnerungen eines Weltreisenden
Georg Wegener

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2. Talofa Samoa!

Ein erster, matter Dämmerungsschein brach durch mein Kabinenfenster, als ich plötzlich erwachte. Dieses Schweigen war an die Stelle des wochenlang unablässigen Dröhnens der Schraube und des gleichmäßigen Brausens der durchschnittenen See getreten; das Schiff lag still. Ich eilte auf Deck. Noch lagerte fast Nachtdunkel über dem Meere. Außer der üblichen Wache war dort nur noch eine Person anwesend, eine in der Morgenkühle verhüllte Gestalt, die über die Reling lehnend hinausschaute. Ich erkannte die junge Samoanerin Bella B., ein Halbblutmädchen aus Apia, von englischem Vater und samoanischer Mutter, die in San Francisco gewesen war und auf der »Alameda« die Rückreise machte. Die merkwürdige Erscheinung, das Rassemischungen oft besonders gutaussehende Menschen erzeugen, bestätigte sich auch an ihr; sie war eine auffallende Schönheit, schlank und doch üppig von Gestalt und das braune Gesicht mit der geraden Nase und den vollen Lippen von einem fremdartig stolzen Schnitt, der an römische Kaiserinnen erinnerte. Da sie gut englisch sprach, so hatte ich die Woche der gemeinsamen Meerfahrt von Honolulu aus benutzt, um von ihr in einer Art regelmäßiger Unterrichtsstunden – mit denen sie allerdings in der lässigen, weichen Trägheit ihrer Art ziemlich willkürlich umging – soviel Samoanisch wie möglich aufzuraffen. Als sie meinen Schritt jetzt hörte, wandte sie sich um und sagte zu mir, auf das Meer hinausweisend:

» Taëlëële!« (»Das Heimatland!«)

» Na ou fíafía. Talófa Samóa!« (»Ich freue mich sehr. Sei gegrüßt, Samoa!«) antwortete ich.

» Faafetái teleláwa« (»Ich danke vielmals«), erwiderte sie lächelnd.

Wir hielten auf der offenen See, ein paar Seemeilen vor der Nordküste Upolus, nicht der größten Insel des mit dem gemeinsamen Namen Samoa belegten Archipels, aber der wichtigsten. Von den übrigen Eilanden war nur das benachbarte Sawaii, als ein ferner bläulicher Schattenriß von unbestimmten Formen, am Horizont sichtbar.

Von Apia war noch nichts zu erblicken. Jetzt setzte sich die »Alameda«, der stattliche Dampfer der Union Steamship Company, wieder in Bewegung, und langsam, wie eine Wandeldekoration, glitt die reizende Küste vorüber, bis sich vor uns die halbkreisförmige Bucht von Apia entrollte.

Auf den spielenden Wassern der Bucht schwammen nur vier größere Schiffe: ein dunkelfarbiges amerikanisches Kriegsschiff, die »Abaranda«, die von der Insel Tutuila herübergekommen war, um die von uns mitgebrachte Post zu holen, ein kleineres dänisches Schiff aus Fanö, und – welch ein erfreulicher Anblick – die schmucken, blendend weißen Körper zweier deutscher Kreuzer. Außer dem »Cormoran« traf ich durch einen glücklichen Zufall auch den »Seeadler« an, der gerade drei Tage zuvor von den Karolinen hier eingelaufen war.

Vorsichtig war unsere »Alameda« durch die auch bei ruhigem Wetter Aufmerksamkeit erheischende Öffnung zwischen den Korallenbänken hineingesteuert. Die Ankerkette rasselte nieder, noch weit vom Ufer. Eine größere Landungsbrücke zum Anlegen gab es in Apia nicht. Boote vermittelten den Verkehr.

Die Ankunft des Postdampfers von San Francisco, der die monatlich einmalige Verbindung mit der Heimat bringt – die Postzeit ist ungefähr 27 Tage von Berlin –, bildet eins der Hauptereignisse im Leben der hiesigen Europäer und ist die große Sensation auch für die Eingeborenen Apias.

Alles aber spielte sich überraschend ruhig ab. Pünktlich und stramm, wie man es von deutschen Beamten gewohnt ist, erschienen die drei offiziellen Persönlichkeiten, der Arzt, der Postmeister, der Zollinspektor, an Bord, sonst zunächst niemand. Rings um das Schiff nichts von jenem bunten Gewühl und Geschrei, wie man es in asiatischen Häfen gewohnt ist. Nur ein paar mit bescheiden wartenden braunen Ruderern besetzte Überfahrtsboote europäischer Bauart lagen unten, die am Heck eine Tafelaufschrift trugen, daß sie »obrigkeitlich zugelassen« seien: alles höchst korrekt, ordentlich und – ein bißchen nüchtern!

Ich bestieg eines der Fährboote, die braunen Jungen legten sich kräftig in die Riemen, rasch schwebten die Kokospalmenwipfel des Strandes zu mir heran, und einige Minuten später sprang ich ans Land – mitten in der Weite des Großen Ozeans auf deutschen Boden!


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