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Einige Wochen waren vergangen. Unsere Freunde hatten sich mittlerweile von den ausgestandenen Leiden und Strapazen erholt und der Aufenthalt hinter den schützenden Mauern Kölns gefiel ihnen so sehr, daß ihnen die Trennung schwer wurde.
Paul, der, wie wir wissen, schon früher eine Zeit lang dort gewesen war, hatte seine Bekanntschaft mit Gretchen Tempel erneuert und beide waren, gleich wie Hermann und Eva, Liebesleute geworden.
Heute hatten sich alle vier zusammen gefunden. Nach dem Abendbrot erzählten sie sich ihre Erlebnisse und machten Pläne für die Zukunft. Dann trennten sie sich und Paul begab sich mit Hermann zur Herberge. Sie fanden dort Vit, der mit seinen Leuten noch zusammensaß und plauderte. In der Herberge wimmelte es von allerlei Kriegsvolk. Es war eine bunt zusammengewürfelte Schar aus aller Herren Länder in den verschiedensten Uniformen, Rüstungen und Waffen. Da waren Hackenschützen mit ihren langen Gewehren, Lanzenreiter, Keulenschläger, Kürassiere und sonst Bewaffnete aller Art. Ein stämmiger alter Landsknecht saß auf der andern Seite des Tisches Vit gegenüber. Sein gerötetes Gesicht hatte mehrere tiefe Narben und trug den Stempel aller wüsten Leidenschaften. Daneben saßen mehrere jüngere Kriegsgesellen. Der Alte tat einen tüchtigen Zug aus dem Steinkruge, wischte sich den Mund mit der flachen Hand ab und sagte dann, zu seinen jüngern Kameraden gewandt: »Und ich sage euch nochmals, wenn der Kaiser kein Geld schickt, ziehen wir nicht ins Feld. Mit leeren Worten füttert man nicht einmal Schweine, geschweige uns!« Dies sagend schlug er dröhnend mit der Faust auf den Tisch.
»Ei, Jörg,« hub einer von den jüngern an, »wenn Ihr nicht mitgeht, wir ziehen mit und werden uns unsern Sold schon suchen.«
»Grünschnabel, Sold suchen?« lachte Jörg verächtlich, »Ja, in fremdem Lande, beim Feinde, da ist das eine andere Sache, aber wir sollen hier im Lande hinter den verdammten Hessen herlaufen, daß uns die Zunge aus dem Halse hängt, keinen Sold bekommen und auch nicht plündern dürfen? Nein, das tun wir nicht mit. He, Stubenknecht, noch einen frischen Krug.«
»Nun, Jörg, zu laufen braucht Ihr doch wahrhaftig nicht, Ihr werdet wohl hübsch reiten wie wir auch,« meinte ein anderer blutjunger Bursche.
»Ja, die elenden Mähren, die ich gesehen habe, mögen wohl so einen Schwachmatikus tragen können, wie du bist, aber ich wäre doch zu bange. Ich fürchte, ihr armseliges Kreuz würde durchbrechen. Verstanden, du Milchsuppengesicht?«
Alle lachten und Jörg mit ihnen.
»Es sollte mir leid tun, wenn mein Gesicht so aussähe wie dein Hackbrett,« rief der junge Bursche zu Jörg.
»Wirst du nie erhalten, Junge, wenn du hübsch bei deiner Mutter bleibst,« antwortete Jörg.
Ein schriller Pfiff fuhr jetzt gellend durch die Gaststube. Neue Kameraden kamen an und meldeten sich durch die Pfeife. Jörg sprang auf und rief mehreren Eintretenden zu:
»Kommt hierher, Burschen, hier ist noch Platz. Warum pfeift ihr?«
»Ei, wir glaubten, es wären mehr Kameraden hier gewesen,« erwiderte ein großer hagerer Kriegsknecht.
Sie nahmen neben Jörg Platz und bestellten bei dem Stubenknecht einen großen Krug Wein, welcher dann die Runde machte.
»Nun, Kunz,« fragte Jörg den hagern Krieger, »wie steht es, ist Geld da, oder sollen wir noch länger auf der faulen Haut liegen? Ich bin ganz auf dem Trockenen.«
»Ich habe gehört, wir sollen in den ersten Tagen hinaus ins Feld, und zwar auf die Franzosen. Geld soll kommen,« erwiderte der Angeredete.
»Geld soll kommen?« eiferte Jörg. »Damit locken sie keinen Hund vom Ofen und den Jörg sicher nicht. Was meint Ihr, Kunz, Bert und Jan? Noch lieber gehen wir zu den Schweden.«
»Pfui, Bursche!« mischte sich Vit ein, der bisher still dem Gespräche gelauscht hatte, »wer geht denn zu seinen Feinden über?«
»Halt's Maul, alter Bauer!« polterte Jörg, »was kümmert dich das?«
»Das kümmert mich nicht,« erwiderte Vit ruhig, »ich spreche nur meine Meinung aus, und dazu bedarf ich doch wohl Eurer Erlaubnis nicht?«
»Du sollst schweigen, Bauer, denn was verstehst du vom Kriegsleben!«
»Vielleicht ebensoviel wie du.«
»Haha,« lachte Jörg, »nun hört einmal den alten Klepper hier an. Er tut so wichtig wie ein abgedankter Feldmarschall und ist doch nur ein Kesselflicker, wie?«
Jetzt sprang Paul auf, schlug mit der Faust auf den Tisch und rief: »Jetzt noch ein Wort, dann kriegt Ihr es mit mir zu tun. Ich lasse meinen Großvater nicht beleidigen!«
»Jüngelchen, Jüngelchen,« lachte der Kriegknecht, »mache nicht daß ich dir deine Ärmchen etwas reibe – du könntest lange daran zurückdenken! Also der Alte ist dein Großvater? Na, das ist ja kostbar. Auf dein Wohl, Großvater!« und er stieß über den Tisch her mit seinem steinernen Humpen Vit so vor den Kopf, daß diesem der Wein über das Gesicht lief.
Da erhob sich Vit und schlug den etwas nach vorn gebeugten Jörg mit der Faust an die Schläfe, daß er wie ein Sack zur Erde fiel.
Nun sprangen die Kriegsknechte fluchend auf und zogen ihre Säbel. Sie brüllten: »Der Alte hat den Jörg erschlagen,« und alles stürzte auf Vit und seine Leute zu. Vit hatte eine Wand im Rücken und zwei lange Tische vor sich. Seine Leute hatten ihre Säbel gezogen und wehrten sich wie die Löwen. Während des Geschreis und des Tumultes trat ein hochgewachsener Mann mit schwarzer Rüstung und Helmbusch in die Stube und rief mit starker Stimme:
»Ruhe!«
Alles war still.
Er schritt auf den hagern Kunz zu und sagte: »Was soll die Rauferei hier, Kunz?«
»Herr General, hier der alte Kerl hat unsern Jörg zu Boden geschlagen, er ist tot.«
»Nein, tot ist er gerade noch nicht,« fiel Jörg, vom Boden aufstehend ein und rieb sich den Kopf.
Der General blickte ernst auf Vit und sagte dann sinnend: »Wo hab' ich den denn gesehen? Alter, wie heißt du?«
»Vit Gilles,« antwortete der Gefragte.
»Richtig, ja, komm gib mir die Hand altes Haus, kennst du mich nicht mehr?«
»Doch wohl, Herr General.«
»Ei was, »General« nenne mich wie früher, als du mein Korporal warst.«
»Nun denn, also: Jan van Werth; es freut mich dich wiederzusehen.«
»Und mich freut es nicht minder, einen alten Kriegskameraden zu treffen! Wie geht's dir denn?«
»Mir geht's wie es einem im Kriege gehen kann: heute gut morgen schlecht.«
»Seht hier, Leute,« rief Jan van Werth den Seinen zu, indem er Vit vertraulich auf die Schulter klopfte, »meinen Korporal, der mich vor vielen Jahren ausgebildet hat und von dem ich manchen Puff erhielt.«
»Nun, im Austeilen von Püffen scheint er nicht so ungeschickt zu sein,« meinte Jörg und hielt sich mit der Hand den Kopf.
»Du, Jörg, reiche ihm die Hand, er ist ein wackerer Mann dem du nichts nachtragen darfst.«
Jörg zögerte einen Augenblick, schaute mal den General und dann Vit mal an. Hierauf bot er Letzterem die Hand und reichte ihm den Humpen.
Vit ergriff Hand und Humpen und tat einen herzhaften Zug.
»Nun setzt euch, Burschen,« sagte Jan und nahm Vit gegenüber Platz. »Einen Humpen, Stubenknecht! Junge, du bist mein Gast, du gehst mit mir, ich wohne hier in der Nähe. Doch sag', warum kamst du nach Köln?«
»Ja, Jan, das ist eine eigne Sache,« und Vit erzählte, wie es in seiner Heimat aussah.
»Na, wenn ich nur Streitkräfte zusammen habe, will ich einmal ein Wörtlein reden mit deinen Hessen. Dann sollst du sie aber laufen sehen, Junge, daß es eine Art hat.«
»Jan, ich hätte nie erwartet, dich hier zu treffen.«
»Ich bin schon seit März hier. Ich war vier Jahre bei den Franzosen gefangen, hatte gute Tage dort, aber schreckliche Langeweile. Übrigens habe ich Truppen hier angetroffen, ohne ordentliche Waffen, ohne gute Kleider, ohne Pferde und, was das schlimmste ist, ohne Geld. Ein Schund aus aller Herren Länder ist hier zusammengelaufen, und damit soll ich einen kriegsgeübten Feind besiegen und verjagen.«
»In unserer Heimat warten alle mit Schmerzen auf dich, und an einige Tausend Goldgulden kann ich dir wohl helfen.«
»Wa – a – as? Tausend Goldgulden?! Kostbarer Vit, redest du die Wahrheit?«
Jan war aufgesprungen und hatte Vit vor Freude umarmt.
»Sicher, das Gold liegt verborgen, doch ich will schon sorgen, daß du es bekommst.«
»Das läßt sich hören. Dann wollen wir rüsten und den Hessen einen Besuch abstatten, an den sie hoffentlich noch lange denken sollen. Nun komm, Vit, schicke deine Burschen zur Ruhe und begleite mich nach Hause. Gute Nacht, Leute!«
»Gute Nacht, Jungens, bis morgen früh,« sagte Vit, und beide verließen das Haus.
In einer ziemlich breiten Straße in Köln, in einem palastähnlichen Hause, dessen Vorderseite von zwei Eichbäumen beschattet wurde, wohnte Jan van Werth mit seiner Gemahlin Isabella Spaur. Das schwere eichene Tor, welches das Portal abschloß, führte in eine hohe Vorhalle, deren reiche Ausstattung mit der prächtigen Außenseite harmonierte. Wohin das Auge schaute, erblickte es wundervolle Gemälde, berühmte Werke der Niederländischen und Kölnischen Schule, Kunstgebilde in Marmor, Holzschnitzerei und Bronze. Auf hohen Postamenten standen Bildsäulen von großem Kunstwerte, Porzellanvasen und Geschirre von Alabaster und Kristall, die ein Vermögen kosteten, jeder Tisch und jeder Sessel, sowie die Schränke waren Meisterwerke in ihrer Art.
»Komm, Alter,« sagte Jan van Werth, als Vit eine Zeitlang in der hell erleuchteten Vorhalle die Gegenstände angestaunt hatte, »wir gehen in unser Wohnzimmer, dort sollst du meine Frau kennenlernen. Was du hier siehst, Junge, sind alles Geschenke der Franzosen, die mich fast vergötterten; dafür sollen sie aber auch ihre Haue bekommen.«
»Du bist also wenig dankbar, Jan!«
»Ach was, ich habe an dem ganzen Krimskrams keine Freude, aber meine Frau liebt diese Dinge und weiß sie auch zu gruppieren. Du weißt ja, so ein dummer Bauernjunge von Büttgen versteht nichts von schönen Künsten. Das Schwert führen, das ist etwas anderes. Doch komm die Treppe hinauf, Vit.« Auf einer breiten Marmortreppe mit kunstvollem Bronzegeländer gelangten sie in das erste Stockwerk und, die obere Vorhalle durchschreitend, in einen kleinen Saal, das Wohnzimmer des Generals. Farbenleuchtende Teppiche, sowie echt orientalische Vorhänge schmückten das Zimmer, in dem sich reich geschnitztes Mobilar befand. Der Raum war durch viele Wachskerzen, die auf prachtvollen Leuchtern brannten, erhellt. Am Kamine erhob sich jetzt eine weibliche Gestalt, es war Frau Isabella, die sich näherte und freundlich fragte:
»Nun, Jan, wen bringst du denn da zu so später Stunde?«
»Sollst du gleich erfahren, Frau,« lachte Jan, »ich werde euch schon bekannt machen. Hier meine junge Frau Isabella von Spaur und hier mein alter Korporal und Freund, Meister Vit Gilles aus Gladbach, von dem ich dir schon wiederholt erzählt habe, und den ich heute abend zufällig traf, wie er meinen Soldaten die Schädel einhieb.«
»Ei, so schlimm wird es nicht gewesen sein,« meinte Frau Isabella, Vit die Hand reichend. »Seid herzlich willkommen, Meister Vit!«
»Ich danke Euch, gnädige Frau, für Eure freundlichen Worte,« sagte Vit, sich verbeugend. »Bitte jedoch, mich möglichst bald wieder ziehen zu lassen, denn in ein so feines Haus paßt kein simpler Bauer.«
»Setze dich nicht herab, Vit,« wehrte Jan. »Jedenfalls bist du heute hier mein lieber Gast. Wir speisen jetzt zu Abend und dann trinken wir noch einen Krug vom besten. Kannst du noch immer so trinken wie früher?«
»Der Durst hat etwas nachgelassen, Jan, aber einen guten Tropfen weiß ich doch noch immer zu schätzen.«
»Nun, dann wollen wir es uns auch gut sein lassen, und du sollst sehen, daß mein Keller einen guten Trunk birgt.«
Sie speisten zusammen und plauderten von ihren Kriegszügen und ihren Erlebnissen. Nach dem Abendbrot fand sich auch der kommandierende General Hatzfeld ein, um noch ein Stündchen zu klängern. Klängern. Plaudern, sich etwas unterhalten. Nachdem sie sich begrüßt und Frau Isabella die Männer verlassen hatte, hub Jan van Werth an:
»Hier, Herr General, mein alter Korporal Vit Gilles, mit dem ich Euch bekannt mache.«
»Ei, das freut mich, Vit,« sagte General Hatzfeld, ihm freundlich die Hand reichend. »Nun, was sagt Ihr denn von Eurem frühern Rekruten, dem Jan?«
»Der hat es weit gebracht,« meinte Vit, »aus dem Trotzbuben ist etwas geworden. Habe früher immer gesagt, Junge, wenn dir keiner zu frühe das Lebenslicht ausbläst, so wirst du noch etwas werden in der Welt!«
»Aber hört, Herr General,« fiel Jan van Werth ein, »der Vit ist gekommen, um uns zu holen. Wir sollen die Hessen aus seiner Vaterstadt verjagen.«
»So? Und wo ist das?«
»In Mönchen-Gladbach.«
»Herr General, es sieht schrecklich aus in der Stadt,« erzählte Vit. »Die Hessen hausen wie die wilden Tiere. Es ist wirklich die höchste Zeit, daß Hilfe kommt. Mein armes Gladbach! Ich kann Euch nicht sagen, was wir alles erlebt haben ... Ich bitte Euch, helft den armen Bewohnern; sie haben Unmenschliches gelitten!«
»Ja, das ist eine böse Geschichte, mein lieber Vit. Wir besitzen zu wenig kampfgeübte Truppen und kein Geld; zudem haben wir es mit einem überlegenen und geübten Feinde zu tun. Ich kann mit dem Fußvolk jetzt nicht ausmarschieren; es fehlt uns die notwendige Fußbekleidung, und wir sind schon im Frühherbst. Aber, was meint der Generalleutnant van Werth dazu?«
»Ach, wenn es von mir abhängt, dann werde ich wohl so viel Leute zusammenbringen, um Gladbach und auch die Nachbarschaft zu säubern, wenn Ihr nur eine Besatzung schicken wollt für die eroberten Burgen und Städte.«
»Nun, daran soll's nicht fehlen, wenn nur etwas zu besetzen ist –«
»Daß etwas zu besetzen ist, dafür sorge ich schon, was meinst du, Vit?«
»Das weiß ich noch nicht. Gladbach ist eine starke Festung, und ehe wir die einmal gestürmt haben, könnte doch längere Zeit vergehen, und wenn die Sache in den Winter hineingeht, dann müssen wir schließlich mit langer Nase abziehen.«
»Hör' mal, Vit, den Kriegsplan machen wir zwei zusammen, und ich sage dir, in einem einzigen Tag haben wir's geschafft. Bilde dir doch nicht ein, daß wir uns wie die Tölpel vor die Stadt hinstellen und unsere Leute fortschießen lassen. Ein kühner Handstreich, und die Stadt ist unser. Komm, Vit, Herr General, stoßt an; auf einen glücklichen Sieg!«
Die Krieger stießen zusammen an und leerten die Humpen in einem Zuge.
»Wieviel Leute gedenkt Ihr mitzunehmen, Jan?« fragte Hatzfeld.
»Hm, wir haben 1500 gute Pferde, die ich den Franzosen im vorigen Monate abgenommen habe. Ich denke, wenn ich 1500 Reiter dazu habe, werde ich fertig.«
»Das ist doch etwas wenig,« meinte Hatzfeld, bedenklich den Kopf schüttelnd. »Was meint Ihr, Vit?«
»Auch ich halte 1500 Reiter für nicht genügend.«
»Nun, dann zähle ich dich und deine 20 Mann mit hinzu, vorausgesetzt, daß du und deine Leute mitgehen wollen.«
»Selbstredend ziehen wir mit. Es sind alles wackere Burschen, Jan, und daß ich noch ein Schwert führen kann trotz meines Alters, das versichere ich dir,« bemerkte Vit stolz.
»Nun, wenn du es sagst, wird's wohl wahr sein; war doch unser Vit der geübteste Fechter, der verwegenste Reiter, der kaltblütigste Soldat, den ich je gekannt habe. Also wann brechen wir auf, Vit?«
»So rasch wie möglich.«
»Na denn, meinetwegen übermorgen.«
»Geht das denn so schnell, die Soldaten zusammenzubringen und kampfbereit zu machen?«
»Ja, das geht mit 1500 Mann, aber nicht mit dem ganzen Heere. Ich nehme jetzt nur zuverlässige Burschen mit, die Pulver gerochen haben. Das fremde Gelichter, die Söldner und das fahrende Kriegsvolk bleiben hier.«
Sie plauderten noch bis in die späte Nacht hinein, bis Hatzfeld durch seinen Burschen nach Hause abgeholt wurde.
Vit und Jan saßen noch zusammen, als sporenklirrend ein Offizier eintrat und meldete, es sei ein Bürger von Grevenbroich angekommen, welcher sagte, die Hessen hätten heute 400 Mann nach andern Festungen geschickt, es seien nur noch 300 Mann Besatzung da. Morgen sollten jedoch 1000 Mann frische Truppen einrücken.
»Alle Wetter,« sagte Jan aufspringend, »das ist ja eine kostbare Botschaft, mein lieber Schmit, kommt, trinkt einen Humpen mit. Hier, nehmt Platz!«
Der Offizier setzte sich an den Tisch und stieß mit seinem General und Vit an. Jan van Werth blickte dann nachdenklich vor sich hin. Auf einmal erhob er sich und sagte zu Vit:
»Geh du zur Ruhe, alter Junge, ich habe noch einen Gang zu machen und etwas Notwendiges zu besorgen. Es ist Mitternacht. Gleich kommt ein Bursche, der dich auf dein Zimmer bringt. Ich wünsche dir eine geruhsame Nacht, Vit.« Damit ergriff er sein Wehrgehänge, setzte seinen Helm auf und verließ mit dem Offizier das Haus. Vit ging zu Bett. Am andern Morgen, nachdem er gefrühstückt, ging er in die Herberge zu den Seinen, denen er erzählte, daß es in einigen Tagen nach Gladbach gehen sollte, und da dürften sie auch mit dreinschlagen. Das war eine Freude für die Burschen. Jetzt sollte es aber noch einmal für die Hessen Hiebe absetzen!«
»Was fange ich aber an?« fragte der Offizier Hermann.
»Ihr bleibt hier, bis wir in Gladbach sind, und dann folgt Ihr mit Eva nach und wohnt bei mir, bis Ihr den Hauptmann van Este gefunden habt. Wie gefällt's Euch übrigens hier in Köln? Nicht übel – was?« setzte Vit schalkhaft hinzu.
»Freilich, freilich!« versicherte Hermann verlegen werdend. »Wie könnte es auch anders sein in einer solchen Stadt –!«
»Und in so lieber Gesellschaft wie bei Rosenbergs,« ergänzte Vit lachend. »Glaubt Ihr, ich wüßte nicht Bescheid?«
Hermann schaute drein, wie ein ertappter Schuljunge, während eine dunkele Röte in seine Wangen stieg.
»Rosenberg ist heute fortgereist,« erwiderte er ablenkend. »Er fürchtete ein Warentransport für ihn sei in Gefahr, und da ist er mit einem Dutzend Söldlingen fortgeritten um seine Waren vor den Schnapphähnen zu schützen.«
»Ja, es ist nichts mehr sicher heutzutage, besonders auf den Landstraßen. Hätten wir doch wieder einmal Ruhe im Lande!« seufzte Vit.
Jetzt trat der hagere Landsknecht von gestern ein, nahm neben Vit Platz und bestellte sich einen Humpen Wein.
»Verdammte Geschichte,« brummte er. »War diese Nacht auf Kundschaft geritten, und da hat man mich zu Hause gelassen!«
»Wer ist zu Hause gelassen worden und von wem?« fragte Vit neugierig.
»Jan van Werth ist diese Nacht mit 500 Mann ausgeflogen, wohin weiß ich nicht. Ich ärgere mich deshalb, daß ich nicht mit dabei war.«
»Wie – diese Nacht? Da hört doch alles auf!« rief Vit verwundert aus. »Aber das ist so seine Art ... Hat er nur 500 Mann mitgenommen?« fragte Vit dann.
»Nun, ist das etwa für ihn nicht genug? Er richtet mit 500 Mann soviel aus wie ein anderer mit 1000 Mann.« Dann trank er ärgerlich seinen Humpen leer und ging hinaus.
Nun erhoben sich auch Vit und Hermann. Letzterer suchte Paul auf, der ihm versprochen hatte, ihm gewisse Sehenswürdigkeiten des alten Köln, die er noch nicht kannte, zu zeigen. Dabei sollten dann die beiden Mädchen, Eva und Gretchen Tempel, mitgehen.
Vit wanderte eine Zeitlang durch die Stadt und kam mittags wieder zu der Wohnung Jan van Werths. Die freundliche Wirtin lud ihn zum Essen ein und beklagte sich, daß Jan die Nacht nicht zu Hause gewesen und bis jetzt noch nicht zurückgekommen sei. Eben hatten beide mit dem Essen begonnen, als Jan mit Staub und Schweiß bedeckt, eintrat.
»Ah, Gott zum Gruß!« rief er fröhlich.
»Wo bist du diese Nacht gewesen, Jan? Dein Bett ist unberührt,« schmollte seine Frau. »Es ist doch nicht recht, so bei Nacht und Nebel davonzulaufen, ohne deiner Frau etwas zu sagen. Was meint Ihr, Meister Vit?«
»Nun, Vit,« sagte Jan heiter, indem er sich das Gesicht mit einem Tuch abwischte, das ihm seine Frau Isabella gereicht hatte: »Urteile du einmal, ist es recht oder unrecht von mir, daß ich so heimlich verschwinde.«
»Meister, Ihr werdet mir doch hoffentlich beistehen!« sagte Frau Isabella und drohte ihm warnend mit dem Finger.
»Gnädige Frau,« sagte Vit, »Ihr habt gewiß recht, wenn Ihr zu wissen verlangt, wo Euer Eheliebster hingeht und auch, wann er fortgeht.«
»Aha,« lachte Frau Isabella, »so ist's recht, also merke dir das, Herr Gemahl.«
»Das hätte ich nicht von dir erwartet, Vit, daß du nicht für mich Partei nimmst und mir unrecht gibst!«
»Ei, wer sagt denn, daß ich dir unrecht gebe?«
»Nun, wir können doch wohl nicht beide recht haben?«
»Und warum nicht? Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich genau so handeln wie du. Ich würde still verschwinden, ohne etwas zu sagen, um meiner Frau nicht die Nachtruhe zu rauben und ihr keine unnötigen Sorgen zu machen.«
»Ich sehe, Ihr Männer seid doch alle gleich,« klagte Frau Isabella in komischer Verzweiflung »und Ihr, Meister Vit, seid dazu ein großer Schwernöter! Schade übrigens, daß Ihr nicht Richter geworden seid, Meister Vit. Es scheint mir, Ihr würdet die Parteien leicht versöhnen,« setzte sie hinzu.
»Ja, wenn sie alle so vernünftig und nachgiebig wären wie Ihr, gnädige Frau.«
»Na, von Nachgiebigkeit ist aber manchmal wenig bei ihr zu merken,« warf Jan ein, um seine Frau zu necken.
»Weil du diese gute Eigenschaft deiner Frau so häufig mißbraucht hast!« eiferte Isabella.
»Aber Kind, wir wollen doch heute nicht zanken, wie?« sagte Jan begütigend. »Komm, gib mir einen Kuß und alles ist wieder gut.«
Und zu Vit gewandt: »Ich wette, Vit, du rätst nicht, wo ich war,« sagte Jan, indem er kräftig in die Speisen einhieb.
»Nein, das rate ich nicht, weil ich es schon weiß.«
»Wie? das ist nicht möglich.«
»Doch, ich denke, du warst in Grevenbroich.«
»Richtig. Bin mit 500 Mann hingeritten. Als die Sonne aufging, stießen meine Vorreiter auf ein Dutzend hessische Reiter, welche auf Grevenbroich zu Reißaus nahmen. Dort haben sie die ganze Besatzung in Schrecken versetzt, und alle Soldaten sind geflüchtet, die Bürger öffneten uns die Tore, und so sind wir ohne einen Schwertstreich im Besitze der Stadt. Obrist Wolf ist mit den 500 Mann Besatzung dort geblieben.«
»Nun, das war ein leichter Streich, Jan. Da scheint man doch Respekt vor dir zu haben.«
»Das kann wohl sein. Heute werden noch 500 Mann dahin abgehen, um die Besatzung zu verstärken. Viel Proviant war dort verborgen, obschon die Bürger hungern mußten. Wir haben zunächst einmal flott Korn verteilt und Mehl, damit die Leute ans Brotessen kommen. Hatten die eine Freude, Vit, das hättest du sehen sollen ...!«
»Es ist gut, daß die Hessen verjagt sind.«
»Ja, das ist wahr, aber die ganze Bande hätte über die Klinge springen müssen, nun kommen sie mit heiler Haut davon! Na, wir binden hoffentlich bald wieder mit ihnen an.«
Nach dem Essen brannte sich Jan seine Pfeife an und blies dichte Rauchwolken von sich.
»Höre, Vit,« begann er und legte sich bequem mit beiden Armen auf den Tisch, »die Sache mit Mönchen-Gladbach ist in Ordnung. Morgen brechen wir auf. Halte aber reinen Mund und sage auch deinen Leuten nicht, wann wir fortreiten, das muß plötzlich kommen, das gibt Kampfeslust. Ich sage meinen Leuten fast nie, wohin es geht; wenn's Zeit ist, nun, dann wissen sie es schon. Also sorge, daß deine Leute schlagfertig sind.«
»Wann soll aufgebrochen werden?«
»Wahrscheinlich in der kommenden Nacht, eben nach Mitternacht. Ich werde dir noch genau Bescheid sagen, aber höre, alter Junge, wie ist das mit dem Gelde, welches du mir versprochen hast?«
»Das sollst du haben.«
»Ja, wieviel bekomme ich denn? Ich kann meinen Leuten nämlich keinen Sold geben. Alle Tage erhalte ich schöne Briefe, Lobeserhebungen, aber was ich am nötigsten habe, Geld, bekomme ich nicht zu sehen.«
»Ein paar tausend Goldgulden, wie ich dir sagte.«
»Nun, dann ist's gut, damit kann ich mir schon helfen, Vit. Jetzt kannst du tun, was du willst, ich lege mich etwas aufs Ohr, denn ich bin müde. Wenn Oberst Sparr kommt, so sage ihm, er solle am Abend wieder kommen. Sorge aber, daß deine Leute zur Hand sind.«
»Darauf kannst du dich verlassen.«
Jan van Werth begab sich in sein Schlafgemach. Vit ging zur Herberge und fragte seine Burschen, wer noch ein neues Kleidungsstück benötigte oder Stiefel brauchte. Auch fehlten einige Waffen, und diese mußten nachmittags noch beschafft werden. Auf den Straßen herrschte reges Treiben. Die Dragoner ritten mit ihren schweren Pferden hin und her und sorgten, daß sie diese und auch sich selbst in Ordnung brachten.