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Feindseligkeiten zwischen Seehof und Wang. Thordis nennt Thorgrims Mörder

Die Spiele auf dem Eise hatten mit der Niederlage Börks ein Ende genommen, und daraufhin spitzte es sich zu Feindseligkeiten zu zwischen Seehof und Wang. Das war so gekommen. Hall hieß ein Bauernsohn aus »Lämmerschlucht«, einem Hofe weiter oben im Gebirge: er war dem Börk sehr verpflichtet, denn der hatte ihm mit seinem Heu durch den Winter geholfen. Auf dem Nachhauseweg vom Ballspiel schlug er den Thorstein mit der flachen Axt blutig, und der konnte es ihm nicht zurückgeben, weil die andern sich dazwischen legten. In derselben Nacht noch ging ein Bergsturz in Lämmerschlucht nieder über Halls Gehöft – mit knapper Not retteten er und die Seinen ihr Leben. Börk nahm sie auf. Nun hatten die Nachbarn der Rannweig, bevor der Berg niederbrach, gesehen, wie sie im Mondschein aus dem Haus trat, sich bückte, die Kleider über den Kopf stülpte, das Gesicht mit den langherabhängenden Strähnen durch die Beine streckte und rücklings dreimal ums Haus herum stapfte. Da klagte Hall sie der Hexerei an: sie habe das Unheil angerichtet, das über ihn gekommen sei, um sich an ihm zu rächen für ihren Sohn. Sie zogen von Seehof aus nach Steinfelden, ergriffen die Alte im Hause, brannten das Gehöft nieder, führten sie nach Salzhorn hinab, einem Vorgebirge östlich vom Habichtstal an der Föhrde und steinigten sie zu Tod.

Ihr Sohn Thorstein war auf der Alm gewesen. Auf dem Heimweg erfuhr er's, wie sie ihm mitgespielt hatten. Da floh er zu Gisli und bat ihn um Schutz. Der nahm ihn mit offenen Armen auf: sie wollten denen auf Seehof keine Stunde länger etwas schuldig bleiben, meinte er, als nötig. Und am nächsten Morgen schon ritt er selbdritt das Habichtstal aufwärts nach Achenklamm. Unterhalb der Kluft erwischten sie Grim Geiernase, wie er grade vor ihnen ausreißen wollte, zogen ihm ein Kalbsfell über den Kopf, daß sein böser Blick ihnen nicht schade, banden ihn auf ein lediges Roß, trabten mit ihm nach Salzhorn hinab und steinigten ihn auf derselben Stelle, wo seine Schwester erschlagen worden war. Dort verscharrten sie ihn im Geröll. Den Thorstein aber schaffte Gisli unter sicherem Geleite zur Borgföhrde im Süden, und von dort entkam er auf einem Handelsschiff nach Norwegen.

Seit der Zeit lag Asgerd ihrem Manne heftig an, wenn Börk im Sommer nach Heiligenberg verziehe, solle auch er Seehof aufgeben und sich anderswo ankaufen im Gau. »Wenn es dich gelüstet, mit der Aud und dem Gisli als Nachbarn allein auf Seehof zu bleiben, so tu's! Ich aber, das wisse, mache mich auf zu meinem Vater, und der wird dann schon meine Mitgift herausbekommen von dir!« So ritt Thorkel denn im Frühjahr über Land, sah sich am Bardistrand um und kaufte sich dort ein Gehöft, »Zur Senke«, von dort konnte er über die Breitenföhrde hinüber bis nach Heiligenberg sehen bei klarem Wetter.

Danach beschlossen die beiden Schwäger, ihren Frauen zunächst einmal vorauszuziehen, um das Notwendigste auf den neuen Wohnsitzen zu richten. An einem klaren Sommermorgen ritten sie von Seehof ab. Asgerd winkte ihnen vom Zaune her nach, Thordis aber begleitete sie zu Fuße ein Stück weit hinaus. Als sie am Grabhügel Thorgrims vorüberkamen, blieb sie plötzlich stehen und sah zu Börk auf. »Denkst du noch daran, was ich dir versprach an jenem Abend nach dem Ballspiel, als du mich fragtest, warum ich so schweigsam wäre: zu seiner Zeit solltest du es erfahren! So hör es denn jetzt! Der Mörder meines Mannes und deines Bruders, er selber verriet sich mir damals: mein Bruder ist's, Gisli!« Börk starrte sie an. Die Hände schlug Thorkel überm Kopfe zusammen. »Schwester, was redest du, Schwester!« Da sagte sie, wie sie am Grabhügel die Verse erlauscht habe, die Gisli gesprochen. Börks Gesicht flammte auf: den Hengst herumreißen wollte er und sofort mit all seinen Mannen herfallen über Gisli! Da fiel ihm Thorkel in den Zügel. So ginge das doch nicht! Auf das bloße Wähnen eines Weibes hin, das aus Gram über den Tod ihres Mannes von Sinnen gekommen. »Wehe Tat folgt auf Weiberrat! Weißt du's nicht?«

Vors Herbstthing nach Heiligenberg solle Bork den Gisli laden, daß er sich verantworte vor ihnen. »Da werde ich dich gewiß dabei unterstützen mit all meinen Mannen, aber jetzt laß erst einmal dein Blut wieder kühl werden, Schwager!« Grollend ließ Börk sich von ihm mitziehen, und schweigend ritten sie eine Weile nebeneinander her; da rief Thorkel plötzlich: »Jetzt hätte ich's bald vergessen, zum Önund nach Mittental muß ich geschwind noch hinauf, Abschied von ihm zu nehmen. Ich denke, es wird nicht lange dauern.« Er sprengte talaufwärts, daß die Funken stoben. Kaum aber war er Börk aus dem Gesichte, so warf er den Gaul rechtsherum und jagte auf dem Schluchtenwege durch den Wald zurück nach Wang, sprang vorm Zaun aus dem Sattel, stürmte zu Gisli hinein in die Stube, sprudelte es heraus, sie sollten sich vorsehen, den Mörder ihres Mannes habe Thordis beim Abschied verraten an Börk und erzählte, wie es gegangen war. Aud erbleichte, und Gisli sah vor sich hin. »Es ist schon wahr,« sagte er, »seinen ärgsten Feind trägt ein jeder selber im Munde!« Und dann nach einer Weile: »Ich weiß nicht, ob ich mir das von Thordis verdient hab'. Anders waren die Leute vorzeiten: auch Gudrun, die Gibichstochter, hatte ihren Gatten Sigurd geliebt, aber seine Mörder, ihre Brüder, beschützte sie mit ihrem eigenen Leibe vor Atli, und furchtbare Rache nahm sie nach ihrem Tode an ihm!« – Nun müsse er aber reiten, drängte Thorkel: ob sie noch was zu bereden hätten mit ihm? – Da fragte ihn Gisli, wie er sich in dieser Sache zu verhalten gedenke, und ob er ihm beistehen wolle? – Er? staunte Thorkel: habe er denn nicht schon genug getan damit, daß er hier sei? Börks Freundschaft, und das wolle was heißen, habe er dran gewagt, ihn zu warnen! Müsse er ihn gar noch an die vereisten Schuhe vorm Bette erinnern? Was könnte denn Gisli mehr verlangen von ihm? Doch nicht etwa gar, daß er in ihre Händel sich mische und schließlich noch Hab und Gut und das Leben selber verliere? – Gisli lächelte bitter. »Wenn ich an deiner Stelle gewesen wäre, Thorkel, glaubst du, ich hätte dir so schnöde erwidert wie du eben mir? Aber die Sippentreue, wie sie die Väter hielten, scheint im Schwinden zu sein!« Thorkel zuckte die Achseln, sprang in den Sattel und jagte davon, dem Börk nach. Eine Stunde hinter Mittental holte er ihn ein, und sie blieben noch ein Stück Weges beisammen, dann trennten sie sich: der eine ritt nach dem Bardistrand, der andre setzte über die Breitenföhrde nach Heiligenberg über, und nachdem sie die nötigen Vorbereitungen getroffen, ließen sie ihre Frauen nachkommen mit Sack und Pack.


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