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Wie Island besiedelt wurde

Tausend Jahre sind's her und ein halbes Jahrhundert bald noch darüber, da hatte ein König in Norwegen, Harald Schönhaar, die andern Gaukönige unter sich gezwungen und seine Alleinherrschaft aufgerichtet über dem Lande. Aber unter den Besiegten, da waren gar manche, vornehme Herren und schlichte Bauern, denen war die Freiheit lieber noch als die Heimat sogar, und sie flohen westwärts übers Meer zu ihren Verwandten und Freunden, denn damals saßen in Frankreich, in England, Irland, Schottland und auf den Inseln weiter droben überall Nordleute, die waren vorzeiten in ihren Drachenschiffen auf Raub ausgezogen und hatten sich dort eigene Wikingerreiche gegründet. Nun hatten grade um die Zeit Seefahrer durch Zufall, vom Sturme verschlagen, Island fern im Norden entdeckt: die wilde menschenleere Gebirgsinsel voll riesiger Gletscherfelder und grauer Lavawüsten im Innern, mit Gipfeln bis fast zweitausend Meter hoch, die spien immer noch ab und zu flüssiges Feuer, daß die ganze Insel bebte und dröhnte; kochende Sprudel, die Geiser, zischten haushoch zur Erde hervor, und neben den Schnee- und Eisfernern dampften im Schwefelboden glühende Seen. Dennoch, lauteten die Berichte, ließe es sich dort leben und gar nicht so übel: denn die Bergwasser und die Meeresbuchten, die sich tief ins Land hinein zogen, wimmelten von Fischen, die Strandklippen von Vögeln, und in den Tälern der mächtigen Ströme, die von den Gletschern herabbrausten, gab's gute Weideplätze fürs Vieh bis hoch hinauf zu den Almen mit ihren würzigen Kräutern und Moosen.

Da sagten sich die ganz Steifnackigen unter den Flüchtlingen aus Norwegen, als sie davon hörten: »Hübsch weit weg am Ende der Welt, das wäre grade das rechte für uns – dort, wenn uns jemand dreinreden wollte, da könnten wir's wohl einem jeden verleiden!« So schifften sie denn einer nach dem andern mit Kind und Kegel, mit Sack und Pack nach Island hinüber. Und das gab ein kühnes und stolzes Volk, wie ihr euch denken könnt, einer aus härterem Holz wie der andere!

Es war zur Zeit, da König Hakon der Gute in Norwegen herrschte, Haralds des Eroberers Sohn, um 955 etwa. Damals waren schon fast alle besseren Plätze an den Küsten und in den Tälern weiter oben von Ansiedlern besetzt. So auch im Nordwesten Islands. Stolze Häuptlinge saßen im zerklüfteten Berglande um die größte Bucht in der Gegend, um die Breitenföhrde mit ihren zahllosen Felseninseln: da hauste am Südstrande der Föhrde auf der Halbinsel Helgafell, das ist Heiligenberg, der mächtige Thorstein – den Dorschjäger hieß man ihn, weil er schier immerzu auf dem Wasser draußen lag beim Fischfang. Der hatte zwei Söhne: Börk den Dicken, das war ein Bursch von gewaltigem Umfang, nicht allzusehr darauf aus, sich zu plagen; und Thorgrim, wenig über mittelgroß, schlank, doch von breiten Schultern und kräftig, tatenlustig und klug: der verehrte vor allen andern Göttern den Frey, den Segenspender, der auf dem Sonneneber über den blauen Himmel hinreitet und der Erde Wärme und Fruchtbarkeit gibt, drum hieß man ihn auch den Freyspriester.

Im Osten der Bucht, wo man es »zu den Tälern« heißt, hatten die Nachkommen der Unn Leute und Land unter sich. Ein gewaltiges Weib war diese Unn gewesen, hochsinnig und klug. Wie ein richtiger Häuptling hatte sie das ganze Tälergebiet in Besitz genommen und selbstherrlich unter ihren Schwiegersöhnen und Töchtern verteilt, denn ihr Mann und ihr einziger Sohn waren beim Heeren in Schottland gefallen. Jetzt war einer ihrer Urenkel der mächtigste Mann im Gau, Thord, den hieß man Gellir, den Brüller, weil sein Rufen gewaltig durchs wildeste Schlachtgeschrei hallte. Er hatte eine Schwester Thorsteins, des Dorschjägers, zum Weibe. Ihr Sohn Eyjolf geriet nicht nach der guten Seite: in seiner Jugend schon hatte er wolfsgraue Haare, davon bekam er den Übernamen »der Graue«, das besagt aber im Sprachgebrauche der Isländer auch »der Arge«!

Nördlich der Breitenföhrde am langgestreckten Bardistrand war der weise Gest weit über Island hinaus in den Nordreichen bekannt. Wer guten Rat brauchte, wandte sich an ihn, denn er sah weit voraus, was geschah, und war auch im Traumdeuten groß. Aber da es den wenigsten gefiel, die Wahrheit zu hören, ward Gest mit der Zeit immer sparsamer mit seinen Worten. Sein Vater war gestorben. Seine Mutter Thorgerd, eine tapfere Alte, ein wenig barsch im Umgange freilich, hauste allein auf dem Hofe zu Furt nahe dem Strande. Sie war bekannt dafür, daß sie den Geächteten, die man Waldgänger hieß, weil sie allen Wohnstätten fern in der Wildnis hausen mußten, daß sie denen gerne Unterschlupf gab, denn sie fand, daß es mit der Gerechtigkeit der Menschen nicht weit her wäre, und meinte, jemand müßte doch auch sein, der sich dieser Verstoßenen annehme.

Noch weiter nach Norden zu aber, an den Küsten bis zur großen Eisföhrde hin, ward das Land unwirtlicher. Spärlich saßen die Leute dort auf den wenigen guten Weideplätzen in den rauhen Gerölltälern, an den Ufern der schmalen Buchten, die sich zwischen den dunkeln, steilen Bergwänden tief ins Land hineinstreckten. Am dichtesten noch an der Dyriföhrde. An deren innerem Ende hielten sie auch ihre Thinge ab, ihre Volksversammlungen im Frühjahr und Herbst: am Strande, wo man es zum Falkengries hieß, starrten die Hütten der Thingleute, richtige Wohn- und Schlafbuden, denn die Beratungen dauerten vierzehn Tage und länger. Da wurden denn zugleich Märkte aufgeschlagen und Handel getrieben.


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