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Andy blieb noch da, bis Mr. Nelson zurückkam, dann ging er quer über den Rasen zum Gästehaus, wo er sein altes Zimmer wieder bezog.
Er war der einzige Gast, und Johnston begrüßte ihn mit großer Freude.
»Gott sei Dank, daß Sie wieder da sind – ich fürchtete schon, daß Sie nicht mehr wiederkommen würden.«
Andy sah den Mann forschend an, dessen Gesicht ganz eingefallen war.
»Was ist denn mit Ihnen los, Johnston? Sind Sie krank?«
»Ich bin sehr nervös geworden. Ich bin seit dem Mord so unruhig, daß ich fast keinen Augenblick stillsitzen kann, und vor drei Uhr morgens komme ich nicht ins Bett.«
»Warum denn nicht?«
Der Hausmeister lachte hysterisch.
»Wenn ich Ihnen alles erzähle, werden Sie wahrscheinlich glauben, ich sei nicht mehr bei Verstand. Und es gibt Augenblicke, in denen ich wirklich fürchte, verrückt zu werden. Von Natur aus bin ich gar nicht nervös und war es auch früher nie. Ihnen kann ich es ja sagen, daß ich in meinen jüngeren Tagen auf allen Gütern in der Umgegend wilderte, aber ...«
»Aber?« fragte Andy nach einem Schweigen.
»Ich bin zu einem gewissen Grad ein frommer Mann«, fuhr Johnston fort. »Ich gehe jeden Sonntag vor- und nachmittags in die Kirche, und ich glaube nicht an Gespenster, Spiritismus und solchen Unsinn.«
»Sie haben wohl Gespenster gesehen? Johnston, Sie sind gesundheitlich vollkommen herunter. Ich werde morgen Mr. Nelson aufsuchen und ihn bitten, daß er dem Komitee empfiehlt, Ihnen einen Urlaub zu bewilligen.«
»Vielleicht haben Sie recht, aber ... ich habe in Beverley Green Dinge gesehen, die mir das Blut erstarren ließen. Es ist wirklich ein Gespenstertal, ich habe es immer gesagt – und das stimmt.
»Haben Sie denn ein Gespenst zu Gesicht bekommen?«
»Ich habe Mr. Merrivan gesehen«, sagte er schließlich.
Andy, der nach oben gegangen war, wandte sich plötzlich um.
»Was, Sie haben Mr. Merrivan gesehen – wo?«
»Ich habe ihn so deutlich gesehen, wie ich ihn früher Dutzende von Malen sah, als er in seinem Schlafrock an seiner Gartentür stand. Früher pflegte er immer am Morgen herauszukommen, bevor andere Leute wach waren. Er trug dann immer seinen langen gelbbraunen Schlafrock.«
»So?« fragte Andy freundlich. »Und Sie haben ihn nach seinem Tod beobachtet?«
Der Mann nickte.
»In der vorletzten Nacht – ich habe niemand etwas davon gesagt, aber ich habe seitdem kaum noch schlafen können, und dabei gehe ich doch immer noch spazieren, bevor ich mich zu Bett lege. Ich gehe mindestens zwanzigmal hier in den Anlagen hin und her. Vor zwei Nächten ging ich also auch auf und ab und überlegte, wer wohl das Haus kaufen würde. Mr. Wilmot hat alle Möbel herausschaffen lassen, nur noch die Vorhänge sind an den Fenstern. Ich schlenderte gerade in einiger Entfernung vorbei und dachte, daß es jetzt doch sehr verlassen aussehe, als ich plötzlich Licht im Haus bemerkte.« Seine Stimme zitterte. »Es war in dem Raum, in dem die Leiche gefunden wurde.«
»Was für ein Licht war es denn?«
»Es schien eine Kerze zu sein, es war nicht so hell wie elektrisches Licht. Mr. Wilmot hat ja auch den Zähler abnehmen lassen.«
»Und was geschah dann?« fragte Andy.
»Ich sah nur den Lichtschimmer zwischen den Jalousien und dachte zuerst, daß es Einbildung sei – aber die Jalousie wurde langsam hochgezogen –«
Andy wartete, bis der Mann seine Erregung etwas überwunden hatte.
»Ich konnte ihn nicht deutlich sehen, aber er trug einen Schlafrock und schaute in den Garten hinaus. Ich war wie gelähmt vor Entsetzen, ich stand still und konnte mich nicht bewegen. Dann ließ er die Jalousie wieder herunter, und das Licht ging aus.
Einige Minuten darauf war der Flur erleuchtet. Über der Haustür ist ein Glasfenster. Ich weiß nicht, wie lang ich dort stand, vielleicht zehn Minuten, vielleicht auch nur zehn Sekunden – ich kann mich nicht besinnen. Als ich mich gerade ein wenig erholt hatte, öffnete sich die Haustür. Es war nur ein schwaches Licht im Korridor zu sehen – er kam heraus.«
»Merrivan?«
Der Mann nickte.
»Auf alle Fälle ein Mann in einem Schlafrock?« fragte Andy.
»Jawohl, Sir.«
»Haben Sie ihn noch einmal gesehen?«
»In der letzten Nacht – ich zwang mich, wieder hinüberzugehen. Er stand vor der Haustür und hatte die Hände in den Taschen.«
»Haben Sie denn sein Gesicht gesehen?«
»Nein, so lange habe ich nicht gewartet – ich schlich schnell weg.«
»Haben Sie das Mr. Wilmot erzählt?«
»Nein, ich wollte es ihm nicht sagen, Mr. Merrivan war doch sein Onkel.«
Andy überlegte und sagte dann: »Sie leiden wahrscheinlich an Halluzinationen. Sie sind mit Ihren Nerven vollkommen fertig. Ich werde Sie morgen einmal untersuchen, Johnston.«
Es war elf Uhr, als Andy das Licht ausschaltete und zu Bett ging. Er fiel in einen unruhigen Schlaf.
Ein heiserer Angstschrei weckte ihn. Er sprang aus dem Bett und machte Licht. Eine Sekunde später hörte er eilige Schritte auf dem Gang. Er öffnete die Tür und sah Johnston vor sich, der totenbleich war und vor Entsetzen nicht mehr zusammenhängend sprechen konnte. Er zeigte nur auf das Fenster. Andy lief hin und riß es auf, konnte aber nichts sehen.
»Machen Sie das Licht aus, Johnston!«
Gleich darauf lag der Raum im Dunkeln, aber auch jetzt war draußen nichts zu erkennen.
»Ich habe ihn wieder gesehen!« keuchte Johnston atemlos. »Er war dort auf dem Rasen, unter meinem Fenster. Er ging in seinem Schlafrock auf und ab. Ich öffnete das Fenster und schaute hinaus, um mich zu vergewissern – und da hat er mit mir gesprochen! O mein Gott!«
»Was hat er denn gesagt?« Andy rüttelte den zitternden Mann an den Schultern. »So reden Sie doch endlich! Was hat er denn gesagt?«
»Er fragte nach dem Schlüssel«, jammerte Johnston. »Er nannte mich sogar beim Namen.«
Andy zog seinen Mantel an und lief ins Freie. Aber er konnte niemand entdecken. Er spähte nach allen Seiten aus, aber seine Bemühungen waren vergeblich.
Als er zu Johnston zurückkam, fand er ihn dem Zusammenbruch nahe. Es gelang ihm, ihn wenigstens einigermaßen zu beruhigen.
»Warum sollte er denn Sie nach dem Schlüssel gefragt haben?«
»Weil ich ihn aufbewahre, hier ist er.«
Er nahm den Schlüssel von einem Wandbrett in seinem Zimmer.
»Mr. Wilmot hat ihn mir gegeben. Ich sollte das Haus zeigen, falls Käufer kämen.«
»Geben Sie ihn lieber mir«, sagte Andy und steckte ihn in seine Tasche.
Er wußte, daß er in dieser Nacht doch nicht mehr schlafen würde, zog sich an und machte sich auf den Weg zu Merrivans Haus. Es begegnete ihm weder ein Mensch noch ein Geist, aber als er durch das Gartentor trat, packte ihn doch ein unheimliches Gefühl. Mit Hilfe seiner Taschenlampe fand er das Schlüsselloch und schloß auf.
Er zögerte einen Augenblick, bevor er die Tür zum Arbeitszimmer Mr. Merrivans öffnete. Die Möbel waren weg, auch der Teppich war fortgenommen worden. Einige lose herabhängende Drähte zeigten die Stelle, wo früher die Radierungen gehangen hatten.
Er blieb einen Augenblick stehen und betrachtete auf dem Fußboden den dunklen Flecken, wo der Eigentümer des Hauses den Tod gefunden hatte. Dann beleuchtete er das Fenster. In dem Augenblick sah er etwas und ein kalter Schauer überlief ihn. Er hatte im Schein seiner Lampe im Garten eine Gestalt gesehen. Im nächsten Moment war sie aber verschwunden. Hatte er sich getäuscht?
Er sprang zum Fenster und versuchte, es zu öffnen. Es war zugeschraubt, und es dauerte einige Zeit, bis er in den Garten kam und auf dem mit Asche bestreuten Weg zum Obstgarten laufen konnte. Aber es war nichts von einem Mann oder einem Geist zu sehen.
Andy wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn, ging zum Haus zurück, schloß die Tür ab und machte sich auf den Heimweg. Plötzlich blieb er stehen, als er zu Stellas Fenster hinaufschaute. Wieder einmal brannte Licht in ihrem Zimmer.
*