Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

10

Vor allen Dingen suchte Dick die Bewegungen Lordys zu klären. Der Südafrikaner hatte in der Norfolk Street in einem kleinen Hotel ein einfaches Zimmer bewohnt, dessen Inneres Staines nun einer genauen Durchsuchung unterzog. Der Nachtportier des Gasthauses hatte ihm alles erzählt, was er über seinen ermordeten Mieter wußte. Es war wenig genug.

»Erwähnte er denn niemals, mit wem er hier in London verkehrte?« erkundigte sich Dick bei dem Mann.

»Nein; er sagte nur, er befinde sich hier, um einen Herrn zu besuchen, dem er einmal das Leben gerettet habe. Er werde bald sehr reich sein. Das wird uns alle Tage erzählt, und so machte ich von seinen Hoffnungen nicht viel Wesens. Mr. Brown war ein sehr netter Mensch, und ich habe mir oft von ihm die einsamen Nachtstunden vertreiben lassen. Er verstand gut zu erzählen.«

»Wann verließ er gestern abend das Hotel?«

»Gegen zehn. Ehe er ging, blieb er noch einige Augenblicke bei mir stehen.«

»Bekam er hier Besuch?«

»Nie, Sir. Kurz ehe er gestern abend ging, war er angerufen worden. Der Anruf kam von einer öffentlichen Sprechstelle. Ich weiß das, weil ich ihn selbst annahm.«

»Hörten Sie eine Männer- oder eine Frauenstimme?«

»Ein Mann war es, der anrief. Er verlangte dringend Mr. Brown zu sprechen. Ich holte ihn; er blieb aber nicht lange in der Zelle, sondern kam gleich wieder heraus, um mich um Papier und Bleistift zu bitten. Er habe sich einige Notizen zu machen. Dann ging er wieder in die Sprechzelle zurück und machte sich, den Hörer am Ohr, einige Aufzeichnungen.«

»Ist es dies Papier, das Sie ihm gaben?« fragte Dick, den bei dem Toten gefundenen Zettel vorweisend.

»Ja, das ist es. Ich gab ihm einen halben Hotelbriefbogen, und dieser Zettel stammt davon.«

Der Inhalt wies darauf hin, daß Lordy gegen halb zwölf einen Unbekannten getroffen haben mußte, und zwar im Hyde Park in der Nähe der Brücke. Der Mann wollte in einem Auto vorfahren und als Erkennungszeichen ein grünes Licht aufleuchten lassen. Mr. Pinkey? Der Name war zweifellos falsch; vielleicht wollte sich jener Unbekannte bei Lordy unter diesem Namen einführen oder vorstellen.

Das Schlafzimmer des Ermordeten enthielt wenig von Interesse; auch Geld fand Dick keines. Wo war das Banknotenbündel geblieben, das Brown noch gestern in seinem Besitz gehabt hatte? Hatte er es zur Bank gebracht? Im Hotelschrank war nichts, was dem Toten gehörte. Der Buchhalter hatte dies dem Inspektor bereits auf dessen Frage mitgeteilt. Das einzige, was er fand, war ein kleines Notizbuch; es enthielt einige Memoranden aus Südafrika, ferner Ziffern, die wohl die Erträgnisse aus Unternehmungen des Toten darstellten, und endlich das Bruchstück eines von weiblicher Hand geschriebenen Briefes mit folgendem Inhalt:

»Du schreibst immer, Du habest den Geburtstag Deiner Kinder vergessen. Ich finde das traurig genug. Was Dich nicht betrifft, darum kümmerst Du Dich nicht. Wäre ich doch in meiner Stellung geblieben! Es würde mir besser gehen. Notiere Dir doch die betreffenden Geburtstage. Die Kinder fragen ständig nach Dir, und ich bin es müde, sie immer anzulügen, daß Du verreist seiest. Mabel hat am 14. April, Jinny am 7. Juli und Freddie am 13. Dezember Geburtstag. Nun wirst Du die Daten hoffentlich nicht wieder vergessen. Ich wollte Dir noch mitteilen, daß die de Villiers ...«

Hier brach der Brief ab; Lordy hatte wohl den Rest vernichtet und sich nur das Blatt aufgehoben, um die Geburtstage seiner Kinder nicht wieder zu vergessen ... de Villiers? Hatte nicht Brown diesen Namen genannt, als er an jenem Abend Miss Dane zu erkennen glaubte? Lange Zeit suchte Staines vergeblich nach weiteren Briefen, um vielleicht aus ihnen zu ersehen, welche Rolle jene de Villiers im Leben Lordys gespielt haben. Nur einen alten, kaum noch verwendbaren Revolver und einige Rechnungen fand er. Als einzig wirklich greifbare Spur konnte Dick nur den gefundenen Briefrest jener Frau mitnehmen. Der Bogen trug eingedrückt das Monogramm C. T.

Er berichtete Bourke das Resultat seiner Mission. Wie Lordy ins Haus Derricks gelangt war und dort seinen Tod gefunden hatte, diese Frage des Chefs vermochte er nicht zu beantworten. Wer war jener Mr. Pinkey? Spielte er bei der Ermordung Browns eine Rolle? Was hatte Lordy von jener Zusammenkunft im Hyde Park an der Brücke erwartet?

»Die Möglichkeit besteht, daß ›Mr. Pinkey‹ Lordy engagiert hatte, in Derricks Haus einzubrechen und dort etwas zu suchen, vielleicht das verschwundene Vermögen des alten Derrick. Ja, ich weiß, was Sie einwenden wollen, Staines! Sie meinen, man wisse ja noch gar nicht, ob das Geld dort wirklich verborgen liegt. Stimmt! Fragt sich nur, ob die Einbrecher nicht überhaupt über das Versteck mehr wissen als wir. Vielleicht wußte Lordy, was man suchte, und versuchte nochmals sein Gewerbe als Erpresser auszuüben. Eines aber steht nunmehr fest: Man kann ins Haus gelangen, ohne die Haustür zu benutzen.«


 << zurück weiter >>