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Elftes Kapitel

Monsieur Duhamel hatte seinem jungen Freunde ein kostbares Präsent für die ihm bereits geleisteten Dienste aufgedrängt und glaubte sich deshalb berechtigt, ihn bitten zu lassen, er möge sich an diesem Morgen recht pünktlich bei Mr. Markland einfinden, mit dem er heute sehr wichtige Abschlußverhandlungen habe.

Emil erhob sich trotzdem heute viel später als sonst, denn er war erst gegen Morgen eingeschlafen. Als er seine Wohnung verließ, begegnete ihm Georgette im koketten Hausgewande. Er war wiederum sehr zerstreut und führte eine konventionelle Unterhaltung mit ihr, ohne zu wissen, was er eigentlich mit ihr sprach.

»Entschieden,« dachte Georgette, als er sich verabschiedet, »er hat eine Liebe im Herzen! ...« Und sie ward noch bleicher, als es ihre Gewohnheit war.

Anders war's mit Lydia. Sie hatte nur für einige kurze Stunden Schlaf finden können. Ihre Träume hatten sie immer wieder aufgeschreckt und schließlich fuhr sie jäh mit einem Schreckenslaut im Bett empor, denn sie war wieder zugegen gewesen, wie James, der jähzornige Vetter, den unschuldigen Robert bei der Brust gepackt und wie dieser ihn gleich einem Federball seinen Freunden an die Köpfe geworfen.

Die Sonne war eben über die Boulevards heraufgestiegen, als sie sich vom Lager erhob. Fanny schlief noch im Nebenzimmer, und das war Lydia recht; sie wollte allein sein. Es war so seltsam, so unverantwortlich, daß sie immer an diesen Robert denken mußte, an einen simplen Arbeiter, der den schlechten Geschmack gehabt, sich in ihre Zofe zu verlieben, in diese dürre Klappergestalt ... Welch eine Verirrung eines lebenslustigen, jungen Menschen, der doch wie ein Gentleman aussah und in seinem Stande von dem schönsten Mädchen geliebt zu werden verdiente, ja, den man selbst lieben könnte, wenn er nicht eben Monsieur Robert gewesen wäre ...

Wie wüst und albern erschienen ihr alle die jungen Männer, ihre Landsleute, mit denen sie täglich verkehrt, gegen diesen; wie roh hatte sich James Bredson benommen! ... Und was der nur gegen ihn gehabt haben mochte! Unstreitig hatte er, der sie immer mit seinen plumpen Huldigungen verfolgte, sie am Arm dieses schönen jungen Mannes erkannt, und das hatte ihn in solche Wut gebracht!

Und wie Eveline wohl nach Hause gekommen sein mochte! Ohne Frage sehr bequem! Sie hatte sich in den gemeinschaftlichen Fiaker gerettet, hatte ihre Freundin ihrem Schicksal überlassen und war davongefahren ... Es war mindestens treulos! Die Freundschaft mit Eveline mußte ein Ende haben.

So saß sie am offenen Fenster und schaute auf den schon längst belebten Boulevard hinab, bis Fanny erschien, der sie auf ihre Fragen verdrossene, ungnädige Antworten gab, bis sie Sam durch den großen Salon trippeln hörte. Sie berührte das Frühstück nicht, das ihr Fanny mit fragendem Blick auftrug; sie schritt in ihrem weißen Hausgewande unruhig im Zimmer auf und ab, sie wehte sich bald mit dem Taschentuche Kühlung zu, bald zog sie die Brüsseler Spitzen fröstelnd an den Hals und versteckte die nackten Arme in denselben, und dabei wich ihr Auge der Zofe aus, ihre Lippen preßten sich zusammen, das Haar befreite sich aus seinen am Abend nicht ordnungsmäßig gelegten Banden und hing ihr wie flatternder Sonnenschein um die Schläfen. – Sie war sehr nervös, und als endlich Fanny die Nachricht brachte, Miß Eveline lasse sich schon so früh nach ihrem Wohlsein erkundigen, rief sie, der Zofe den Rücken kehrend, es bedürfe keiner Antwort.

Als Fanny zurückkehrte, war es Lydia, als könne heute etwas Ungewöhnliches passieren – es war so eine der Ahnungen, wie sie uns in nervösem Zustande wohl überfallen – sie wünsche deshalb frühzeitig angekleidet zu sein; Julie sei wahrscheinlich noch krank, sie wolle auf diese nicht warten.


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