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Es gelang Salvatore bald wieder, einen leichten Ton in die Gesellschaft zu bringen; er entwickelte so viel Ritterlichkeit gegen die Damen, benahm sich gegen die Herren so ungezwungen, daß in kurzem die kleine seltsame Episode vergessen war. Der Fürst wetteiferte in Liebenswürdigkeit mit dem Marchese; nur ein aufmerksamer Beobachter würde bemerkt haben, daß das Benehmen der beiden vornehmen Herren gegen Salvatore nicht mehr höflich, sondern leutselig war. Was Lucia anbetraf, so schien sie noch im Zweifel, welcher Charakter der Situation am angemessensten wäre, und ob sie die sabinische Ehefrau ihres einstigen Liebhabers tragisch oder komisch nehmen sollte.
Die Gesellschaft hatte sich gelagert. Es war ein schöner Platz, von dem aus man das Ruinenfeld des alten Ostia und ein gewaltiges Stück der Steppe bis zu den Volskerbergen überblickte. Nach einer Weile suchte Salvatore Marcantonia auf, die er beschäftigt fand, die Wachteln zu rupfen. Ihr Gesicht hatte wieder seinen gewöhnlichen apathischen Ausdruck, aber ihre Augen brannten im Fieberglanze. Der Knabe war nicht bei ihr.
»Wo ist Silvio?«
»Ich sperrte ihn ein.«
»Warum?«
»Er wollte zu der fremden Frau, die ihm den goldnen Scudo geschenkt hatte.«
»Und das soll er nicht?«
»Nein.«
»Wenn ich aber will, daß er zu der fremden Frau geht?«
Marcantonia murmelte: »Was will er bei der fremden Frau? Was hat die fremde Frau dem Kinde einen goldnen Paol zu schenken? Er ist nicht ihr Kind.«
»Wenn die Mutter des Kindes eine Bestie ist, so nehme ich es ihr fort und schenke das Kind der fremden Frau. Verstehst du mich?«
Aber sie verstand ihn nicht. Wie sollte sie das verstehen: ihr Mann wollte ihr das Kind nehmen und es der Fremden geben – –
Salvatore stand und betrachtete die Frau, welche er vor den andern sein Weib genannt hatte, voller Feindseligkeit. Durch sein Bekenntnis, daß er mit dieser Frau verbunden sei, fühlte er sich unwiderruflich von ihr geschieden. Er gebot Marcantonia, das Kind zu holen.
Aber sie blieb sitzen.
»Hörst du nicht?«
»Weshalb soll ich es holen?«
»Das will ich dir sagen. Du wirst den Knaben zu der fremden Frau bringen und sie um Verzeihung bitten.«
Marcantonia regte sich nicht. Das Blut schoß Salvatore so heftig zu Kopfe, daß er die Augen schließen mußte. Zugleich erhob er den Arm und schlug blindlings zu, Marcantonia that keinen Laut, sank mit dem Kopf an die Wand, erholte sich indessen bald und fuhr fort, die Wachteln zu rupfen. Aber sie holte den Knaben nicht.
Das that Salvatore. Er fand ihn halbtot vor Angst in dem ehemaligen Verließ des Turmes, beruhigte ihn und trug ihn, an seiner Mutter vorbei, hinaus zu Lucia, die den hübschen Kleinen mit einem Freudenschrei empfing und auf das zärtlichste liebkoste, was der kleine Wildling sich unter zeitweiligem Aufschluchzen gnädig gefallen ließ. Salvatore stand daneben und sagte laut: »Marcantonia wollte Ihnen den Knaben nicht bringen; sie ist eifersüchtig auf Sie, und wahrlich nicht ohne Grund, denn das Kind liebt Sie schon jetzt.«
Er fürchtete, Marcantonia würde trotzig sein und das Essen nicht bereiten; aber einer der Schauspieler ging in den Turm und kam mit der Nachricht zurück, daß die Wachteln bereits an dem Spieße stäken, der Ricotto in der Pfanne briete und die Pizza auf dem heißen Stein büke. Nun ließen die Damen es sich nicht nehmen, aus Salvatores Wirtschaft zusammenzutragen, was sie an Schüsseln, Tellern, Gläsern und Bestecken auftreiben konnten – es war wenig genug.
Nur Lucia rührte sich nicht; sie war ganz vernarrt in das Kind, welches allmählich zutraulich ward. Dann erschien Marcantonia, das Schleiertuch tief in der Stirne, damit man die Spur des Schlages nicht sehen sollte; sie brachte an dem Spieß die Wachteln, die sorgfältig mit Speck umbunden waren, auf einem hölzernen Teller den gebackenen Ricotto und die köstlich duftenden heißen Oelkuchen. Man empfing sie mit freudigen Zurufen, die sie gar nicht zu hören schien; dann brachte sie Brot und Wein, Silvio lief ihr nach, aber sie würdigte den Knaben keines Blickes. Salvatore setzte ihn zwischen sich und Lucia, die ihren Triumph vor der Mutter nicht verbergen konnte. Diese veränderte keine Miene, stellte alles zurecht und begab sich ins Haus zurück.
Als später die Gäste aufbrachen, waren einige so höflich, in den Turm zu gehen, um der Hausfrau Lebewohl zu sagen. Sie fanden die Sabinerin am Herde kauernd und wie ein Steinbild vor sich hinstarrend.
Salvatore und der Knabe begleiteten die Gesellschaft bis zu der Stelle am Tiberufer, wo ein Fischer aus Fiumicino mit einem Nachen die Gesellschaft erwartete. Bevor man sich trennte, fand Lucia Gelegenheit zu einem letzten Zwiegespräch mit Salvatore: »Das war dumm von dir.«
»Was meinst du?«
»Vor allen zu sagen, daß dieses wilde Geschöpf deine Frau sei.«
»Aber sie ist es doch.«
»Wie war das möglich?«
»Sie war schön und ich kam um in der Einsamkeit.«
»Deshalb hättest du sie doch nicht zu heiraten brauchen.«
»Sie war tugendhaft.«
»Unsinn!«
»Also morgen komme ich.«
»Richtig, das wollte ich dir noch sagen – –«
»Was?«
»Komme morgen lieber nicht.«
»Sondern?«
»Erst morgen in acht Tagen.«
»Lucia!«
»Ich kann dich nicht eher sehen.«
»Warum nicht?«
»Quäle mich nicht.«
»Ich werde erst morgen in acht Tagen kommen.«
»So ist's recht. Bringe das Kind mit.«
»Das Kind bleibt zu Hause.«
»Nun, wir werden sehen.«
Mit einem großen Aufwande von Zärtlichkeit nahm Lucia Abschied von dem Knaben. Der Fürst und der Marchese unterließen es diesmal, Salvatore die Hand zu reichen.
Auf dem Heimwege mußte Salvatore seinen müden Sohn tragen.
»Gefällt dir die fremde Frau?« fragte er ihn.
»Sie hat mir einen blanken Scudo geschenkt.«
»Willst du wieder zu ihr?«
»Schenkt sie mir wieder einen blanken Scudo?«
»Wenn du sie recht lieb hast.«
»Aber die Mutter wird böse und schlägt mich.«
»Sie wird dich nicht mehr schlagen.«
»Kommt sie mit zu der fremden Frau?«
»Nein.«
Silvio bedachte sich eine Weile, dann meinte er: »Ich will keinen blanken Scudo mehr haben,«
Marcantonia empfing Vater und Sohn, als ob nichts vorgefallen wäre; als aber Silvio wie gewöhnlich auf ihren Schoß klettern wollte, stieß sie ihn mit einer Gebärde des Abscheus zurück.