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Siebentes Kapitel

Formosante erweist ihrem Vogel die letzten Ehren. Der König der Skythen entführt Aldea. Die schöne Prinzessin von Babylon reist nach Arabien. Zwölfhunderttausend Mann bereiten sich vor, Asien zu zerstören

Während er das Orakel befragte, erwies seine weinende Tochter dem Vogel die letzten Ehren, wie er sie befohlen hatte; und sie entschloß sich, mit Gefahr ihres Lebens ihn nach Arabien zu tragen. Er wurde mit dem Orangenbaum, auf dem er geschlafen hatte, in unverbrennbarer Leinwand verbrannt; sie sammelte die Asche in einer kleinen goldenen Vase, die eingefaßt war von Karfunkelsteinen und den Diamanten, die man aus dem Rachen des Löwen brach. Warum konnte sie nicht, anstatt diese traurige Pflicht zu erfüllen, den verachtungswürdigen König von Ägypten lebendig verbrennen! Dies war ihr innigster Wunsch. In ihrem Zorn ließ sie seine beiden Krokodile, seine beiden Nilpferde, seine beiden Zebras, seine beiden Ratten töten und die beiden Mumien in den Euphrat werfen; wenn sie seinen Ochsen Apis gehabt hätte, würde sie auch ihn nicht geschont haben.

Der König von Ägypten war über diesen Schimpf außer sich und reiste auf der Stelle ab, um seine dreihunderttausend Mann anrücken zu lassen. Als der König von Indien seinen Verbündeten abreisen sah, kehrte er am selben Tag in seine Heimat zurück mit der festen Absicht, seine dreihunderttausend Inder mit dem ägyptischen Heer zu vereinigen. Der König der Skythen ging in derselben Nacht auf und davon mit der Prinzessin Aldea; er war fest entschlossen, an der Spitze von dreihunderttausend Mann für sie zu kämpfen und ihr das Erbe von Babylon zurückzuerobern, das ihr gehörte, da sie von der älteren Linie abstammte.

Die schöne Formosante ihrerseits machte sich um drei Uhr morgens mit ihrer Pilgerkarawane auf den Weg; sie hoffte, nach Arabien zu gelangen, um dort den letzten Willen ihres Vogels zu erfüllen; auch glaubte sie an die Gerechtigkeit der unsterblichen Götter, die ihr den geliebten Amazan, ohne den sie nicht leben konnte, wiedergeben würde.

So fand der König von Babylon bei seinem Erwachen niemanden mehr vor. »Wie die großen Feste enden,« sagte er, »und wie sie eine erstaunliche Leere in der Seele lassen, wenn der Lärm vorüber ist.« Aber er wurde von wirklich königlichem Zorn ergriffen, als er hörte, daß man die Prinzessin Aldea entführt hatte. Er gab Befehl, alle Minister zu wecken und den Rat zu versammeln. Bis sie erschienen, ging er sein Orakel befragen; aber er konnte nichts aus ihm herausbringen als diese, seitdem auf der ganzen Erde berühmten Worte: »Wenn man die Mädchen nicht verheiratet, verheiraten sie sich selber.«

Alsbald wurde der Befehl erteilt, dreihunderttausend Mann gegen den König der Skythen marschieren zu lassen. So war denn der furchtbarste Krieg von allen Seiten entbrannt; er war entstanden aus den Vergnügungen des schönsten Festes, das je auf dieser Erde gegeben wurde. Asien sollte von vier Heeren zerstört werden, von denen jedes dreihunderttausend Kämpfer hatte. Man fühlt, daß der Trojanische Krieg, der die Welt ein paar Jahrhunderte später in Erstaunen setzte, im Vergleich damit nur ein Kinderspiel war. Aber man muß auch bedenken, daß es bei dem Streit der Trojaner nur um ein altes, leichtsinniges Weib ging, das sich zweimal hatte entführen lassen, während es sich hier um zwei junge Mädchen und einen Vogel handelte.

Der König von Indien erwartete sein Heer auf dem großen, prächtigen Weg, der damals von Babylon gerade nach Kaschmir führte. Der König der Skythen eilte mit Aldea dem Wege zu, der nach dem Berge Imaus führt. Alle diese Wege sind später durch die schlechte Regierung verschwunden. Der König von Ägypten war nach Westen gewandert und rückte gegen das kleine Mittelländische Meer vor, das die unwissenden Hebräer später das Große Meer nannten.

Was die schöne Formosante betrifft, so folgte sie dem Weg nach Bassora, der mit hohen Palmen bepflanzt ist, die ewiges Laubdach haben und Früchte zu allen Jahreszeiten. Der Tempel, zu dem sie pilgerte, war in Bassora selber. Der Heilige, dem dieser Tempel geweiht war, war ungefähr der gleiche, den man später in Lampsakus anbetete Priapos. Er verschaffte den Mädchen nicht nur Männer, sondern ersetzte die Gatten oft selbst. Er war der gefeiertste Heilige in ganz Asien.

Formosante kümmerte sich nicht im geringsten um den Heiligen von Bassora: sie sehnte sich nach ihrem geliebten gangaridischen Schäfer, dem schönen Amazan. Sie wollte sich in Bassora einschiffen, um in das glückliche Arabien zu gelangen und den Wunsch des toten Vogels zu erfüllen.


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