Jules Verne
Der Südstern
Jules Verne

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Zweiundzwanzigstes Capitel.

Eine Mine ganz neuer Art.

Miß Watkins hatte inzwischen von allen diesen Vorfällen gehört, von dem Auftritte mit den maskirten Männern ebenso, wie von dem so unangenehmen Mißgeschick, das den jungen Ingenieur betroffen hatte.

»Ach, Herr Cyprien,« sagte sie zu ihm, nachdem sie sich von Allem eingehend unterrichtet, »ist denn Ihr Leben nicht so viel werth wie alle Diamanten der Welt?«

»Liebe Alice . . .«

»Denken wir an alles das nicht mehr und verzichten Sie in Zukunft auf derartige Versuche.«

»Sie befehlen mir das? . . .« fragte Cyprien.

»Ja, ja!« bestätigte das junge Mädchen. »Ich befehle Ihnen jetzt, dieselben aufzugeben, wie ich Ihnen früher befahl, sie zu unternehmen, da Sie denn einmal von mir nur Befehle entgegennehmen wollen.«

»Ebenso, wie ich alle auszuführen bestrebt sein werde!« versicherte Cyprien, die Hand ergreifend, die Miß Watkins ihm darbot.

Als ihr Cyprien aber auch den Urteilsspruch mitgetheilt, der über Matakit gefällt worden war, war sie wie versteinert, vorzüglich nachdem sie erfahren, welchen Antheil ihr eigener Vater an dieser Verurtheilung hatte.

Auch sie glaubte ja nicht an die Schuld des armen Kaffern! Auch sie hätte, in völliger Übereinstimmung mit Cyprien, gern Alles gethan, ihn zu retten; doch wie sollten sie das anfangen, wie vor Allem John Watkins, der in dieser Angelegenheit als unzugänglicher Ankläger auftrat, mehr Theilnahme für den Unglücklichen einflößen, auf den er selbst die ungerechtesten Beschuldigungen gehäuft hatte?

Hier ist noch einzufügen, daß der Farmer von Matakit keinerlei Geständnisse zu erlangen vermochte, weder dadurch, daß er ihm sein Todesurtheil vorwies, noch dadurch, daß er ihm volle Begnadigung in Aussicht stellte, wenn er sprechen wollte. Aller Hoffnung beraubt, den ›Südstern‹ je wiederzufinden, bemächtigte sich seiner eine wirklich mörderische Laune. Man konnte ihm kaum noch nahe treten. Dennoch wollte seine Tochter bei ihm einen letzten Versuch wagen.

Am Tage nach dem Urteilsspruche hatte Mr. Watkins, da er eben etwas weniger als gewöhnlich von seiner Gicht litt, diese Ruhepause benützt, einmal seine Papiere in Ordnung zu bringen. Vor einem großen Cylinderschreibtisch aus mit gelben Verzierungen eingelegtem Ebenholz – ein schönes, von der holländischen Herrschaft herrührendes Erbstück, das nach mancherlei Schicksalen nach diesem verlornen Winkel des Griqualandes verschlagen worden war – bequem sitzend, musterte er seine verschiedenen Eigenthumsdocumente, die zahlreichen Contracte und Korrespondenzen.

Hinter ihm stickte, über ihren Rahmen gebeugt, Alice, ohne sich viel um ihren Strauß Dada zu bekümmern, der mit gewohnter komischer Würde im Zimmer umherstolzirte und einmal einen Blick nach dem Fenster warf, ein andermal aber mit den großen fast menschlichen Augen die Bewegungen des Mr. Watkins und seiner Tochter beobachtete.

Plötzlich veranlaßte ein lauter Ausruf des Farmers Miß Watkins schnell den Kopf zu erheben.

»Dies Thier wird allgemach unerträglich!« sagte jener. »Da hat es mir eben ein Pergament entführt . . . Dada! . . . Hier! . . . Willst Du's gleich hergeben!«

Kaum waren ihm diese Worte entflohen, als ihnen auch schon ein Strom von Schimpfworten folgte.

»Ah, das abscheuliche Geschöpf hat es verschlungen! . . . Ein Document von höchster Wichtigkeit! Das Original der Urkunde, welches die Ausbeutung meiner Kopje betrifft! . . . Das ist nicht auszuhalten! . . . Er soll's aber schon wieder von sich geben und wenn ich das Thier erdrosseln müßte!«

Hochroth vor Zorn und ganz außer Fassung hatte Mr. Watkins sich schnell erhoben. Er lief dem Strauße nach, der erst das Zimmer zwei- oder dreimal umkreiste und dann durch das zu ebener Erde gelegene Fenster entwich.

»Lieber Vater,« bat die über diese neue Uebelthat ihres Günstlings untröstliche Alice, »beruhige Dich, ich bitte Dich! Höre mich an! . . . Du wirst Dich wieder krank machen!«

Die Wuth des Mr. Watkins war jetzt aber auf dem höchsten Gipfel. Die Flucht des Straußes hatte ihr die Krone aufgesetzt.

»Nein,« rief er mit halberstickter Stimme, »das ist zu arg! Das muß ein Ende nehmen! Ich kann nicht so mir nichts dir nichts auf eine der allerwichtigsten Beurkundungen meines Grundbesitzes verzichten. Eine blaue Bohne in den Kopf wird die Diebin schnell zur Vernunft bringen. Ich werde mein Pergament schon wieder erlangen, dafür verbürg' ich mich!«

Weinend folgte Alice ihm nach.

»Ich bitte Dich, liebster Vater, hab' Gnade mit meinem armen Thiere!« sagte sie. »Ist denn das Papier wirklich so wichtig? . . . Kannst Du davon kein zweites Exemplar bekommen? . . . Willst Du mir den Schmerz bereiten, vor meinen Augen die arme Dada wegen eines so leichten Vergehens umzubringen?«

John Watkins wollte aber nichts hören, sondern sah sich nur, sein Opfer suchend, nach allen Seiten um.

Endlich gewahrte er das Thier, als es sich eben nach der Seite des von Cyprien Méré bewohnten Häuschens flüchtete. Sofort schlug der Farmer das Gewehr an und zielte; Dada aber, als wenn sie die gegen sie gerichteten schwarzen Anschläge durchschaute, sah diese Bewegung kaum, als sie sich beeilte, hinter dem Hause Deckung zu finden.

»Warte! Warte nur! Ich werde Dich schon noch erwischen, verwünschtes Thier!« wetterte John Watkins, auf den Strauß zugehend.

Natürlich unterließ Alice in ihrer Herzensangst nicht, ihm zu folgen, um einen letzten Besänftigungsversuch zu machen.

So gelangten also Beide nach dem Häuschen des jungen Ingenieurs und umkreisten dasselbe . . . Kein Strauß war hier zu finden; Dada schien unsichtbar geworden zu sein. Sicherlich konnte dieselbe aber noch nicht den kleinen Hügel hinabgelaufen sein, sonst hätte man sie wenigstens in der Nähe der Farm sehen müssen. Jedenfalls hatte sie also durch eine nach der Rückseite offene Thür oder durch ein Fenster Zuflucht in der Hütte selbst gesucht.

Das sagte sich John Watkins und beeilte sich umzukehren und an die Haupteingangsthür zu klopfen.

Cyprien öffnete ihm dieselbe in eigener Person.

»Herr Watkins! . . . Miß Watkins! . . . Hocherfreut, Sie bei mir zu sehen! . . .« sagte er, erstaunt über diesen höchst unerwarteten Besuch.

Ganz außer Athem erklärte ihm der Farmer mit kurzen Worten, aber noch in vollem Zorne, den Grund seines Erscheinens.

»Nun, so werden wir die Missethäterin suchen,« antwortete Cyprien, während er John Watkins und Alice in das Häuschen einzutreten nöthigte.

»Und ich stehe Ihnen dafür, daß die Sache schnellstens erledigt sein wird!« erklärte der Farmer, der seine Flinte wie einen Tomahawk schwang.

Gleichzeitig verrieth Cyprien aber ein flehender Blick des jungen Mädchens, welchen Schreck die beabsichtigte Execution ihr einflößte. Er wurde sich denn auch sehr bald klar, was ihm hier zu thun bleibe – er wollte den Strauß ganz einfach nicht finden.

»Lî,« rief er dem eben eingetretenen Chinesen in französischer Sprache zu, »ich vermuthe, daß der Strauß in Deinem Zimmer sein wird. Fessle ihn, aber stell' es so an, daß er bequem entwischen kann, während ich Herrn Watkins nach der entgegengesetzten Seite führe.«

Leider litt dieser schöne Plan an einer falschen Voraussetzung. Der Strauß hatte sich gerade in das erste Zimmer, in dem die Nachsuchung begann, geflüchtet. Hier befand er sich noch, machte sich ganz klein und hatte den Kopf unter einem Stuhle versteckt, blieb natürlich aber sonst völlig sichtbar.

Mr. Watkins stürzte auf das Thier los.

»Ah, Spitzbube, Deine Rechnung ist nun abgeschlossen!«

So wüthend er indeß war, stutzte er doch vor der Ungeheuerlichkeit, das Gewehr dem Opfer auf die Brust gesetzt, einen Schuß in einem Hause abzugeben, welches, wenn auch nur zeitweilig, jetzt nicht das seinige war.

Alice wandte sich weinend ab, um nichts von Allem zu sehen.

Da gab ihr tiefer Kummer dem jungen Ingenieur einen rettenden Gedanken ein.

»Herr Watkins,« sagte er plötzlich, »es kommt Ihnen doch nur darauf an, Ihr Schriftstück wieder zu erhalten, nicht wahr? . . . Nun wohl, es ist ganz unnöthig, Dada zu tödten, um dasselbe zu erlangen. Es genügt, ihr den Magen zu öffnen, über den jenes noch nicht hinausgekommen sein kann. Wollen Sie mir gestatten, diese Operation vorzunehmen? Ich hab' einmal einen Cursus am zoologischen Museum durchgemacht und hoffe, bei diesem chirurgischen Lehrlingswerke zur Zufriedenheit zu bestehen.«

Ob nun diese Vivisection dem Rachegelüste des Farmers schmeichelte, ob sein Zorn sich zu legen begann oder er sich wider Willen von dem aufrichtigen Schmerze seiner Tochter rühren ließ, kurz, er gab nach und stimmte dem vorgeschlagenen Auskunftsmittel zu.

Sein Document wolle er aber auf keinen Fall einbüßen, erklärte er bestimmt, wenn es sich im Magen des Thieres nicht fände, müsse es eben weiter gesucht werden. Er brauche dasselbe um jeden Preis.

Die Operation war immerhin nicht so leicht auszuführen, als man auf den ersten Blick, unter Berücksichtigung der resignirten Haltung Dadas, hätte glauben können. Ein Strauß, selbst ein solcher von mäßiger Größe, ist mit furchtbarer Körperkraft ausgerüstet. Kaum durch das Messer eines Gelegenheits-Chirurgen ihrer Federdecke beraubt, war es nur zu gewiß, daß die Patientin sich auflehnen, wüthend werden und rücksichtslos um sich herum schlagen würde. So wurden also Lî und Bardik hinzugerufen, um als Gehilfen zu dienen.

Zuerst kam man dahin überein, den Strauß gehörig zu fesseln. Dazu wurden die Leinen verwendet, von denen Lî in seinem Zimmer stets einigen Vorrath aufbewahrte. Bald hatte ein ganzes Netz von Schlingen und Knoten die Beine und den Schnabel der unglücklichen Dada umsponnen, welcher es dadurch unmöglich gemacht wurde, irgendwie Widerstand zu leisten.

Cyprien begnügte sich hiermit aber noch nicht. Um die Empfindlichkeit der Miß Watkins zu schonen, wollte er ihrem Strauß überhaupt jeden Schmerz ersparen, deshalb umwickelte er dessen Kopf mit einem chloroformgetränkten, zusammengelegten Leinentuche.

Erst nachdem das geschehen, verschritt er, nicht ohne einige Besorgniß über den Ausgang derselben, zu der immerhin gewagten Operation.

Schon erregt durch jene Vorbereitungen, hatte sich Alice, bleich wie der Tod selbst, nach dem Nebenzimmer zurückgezogen.

Cyprien begann damit, seine Hand längs des Halses des Thieres herabgleiten zu lassen, um sich über die Lage des Kropfes zu vergewissern. Das war nicht schwierig, den der Kropf bildete am oberen Vordertheile des Brustkastens eine ziemlich beträchtliche, harte, widerstandsfähige Masse, welche seine Finger mitten unter den benachbarten Weichtheilen leicht herausfühlten.

Mit Hilfe eines scharfen Messers wurde nun die Haut am Halse sorgsam eingeschnitten. Diese erwies sich dick und schlaff, wie bei einem Truthahne, und war mit feinem grauen Flaum bedeckt, der sich leicht entfernen ließ. Der Einschnitt veranlaßte kaum eine Blutung und wurde mit angefeuchtetem Leinen vorsichtig ausgetupft.

Cyprien sah nun zunächst zwei oder drei ziemlich starke Pulsadern vor sich liegen, welche er durch kleine eiserne Haken, die Bardik zu halten bekam, an die Seite schob. Dann eröffnete er ein weißes, perlmutterartiges Gewebe, welches eine weite Höhlung unterhalb der Schlüsselbeine umgab, und hatte bald den Kropf des Straußes bloßgelegt.

Man stelle sich den Kropf einer Henne, aber dem Umfang, der Dicke und dem Gewichte nach hundertmal vergrößert vor, und man wird eine ziemlich zutreffende Vorstellung von dem Anblick gewonnen haben, den der vorliegende Behälter darbot.

Der Kropfmagen Dadas zeigte sich in Gestalt einer bräunlichen Tasche, welche sowohl durch das Futter, wie durch die unverdaulichen fremden Körper, die das gefräßige Thier im Laufe des Tages oder wohl auch schon früher verschlungen, stark ausgedehnt erschien. Der erste Blick auf das mächtige, gesunde, fleischige Organ genügte schon, um sich zu überzeugen, daß ein mechanischer Eingriff in dasselbe gefahrlos zu wagen war.

Mit dem großen Jagdmesser, welches Lî bis dahin verborgen gehalten, nachdem er es vorher sorgsam geschliffen hatte, machte Cyprien einen tiefen Einschnitt in den Kropfmagen des Thieres.

Jetzt war es leicht, die Hand bis zum Grunde desselben einzuführen.

Sofort wurde das von Mr. Watkins so schmerzlich vermißte Schriftstück erkannt und herausbefördert. Es war fast zu einer Kugel zusammengerollt, etwas zerknittert, aber sonst in unverletztem Zustande.

»Da stecken auch noch andere Dinge drin, sagte Cyprien, der die Hand wieder in die Höhlung eingeführt hatte, aus der er diesmal eine Elfenbeinkugel hervorzog.

»Miß Watkins' Stopfkugel! rief er. Wenn man bedenkt, daß das Thier diese vor fünf Monaten verschlungen hat! . . . Offenbar hat sie nicht durch die untere Ausgangsöffnung weitergleiten können.«

Nachdem er Bardik die Billardkugel eingehändigt, setzte er seine Nachsuchungen, wie ein Alterthumsforscher in einem Lager aus der Römerzeit, fort.

»Ein kupferner Handleuchter!« rief er verwundert, während er das bescheidene, bestoßene, zerkratzte, platt gedrückte, oxydirte, aber doch völlig erkennbare Hausgeräth vorzeigte.

Jetzt fingen Bardik und Lî so unbändig an zu lachen, daß Alice selbst, welche eben in das Zimmer zurückgekehrt war, nicht umhin konnte, es ihnen gleichzuthun.

»Goldmünzen! . . . Ein Schlüssel! . . . Ein Hornkamm!« meldete Cyprien, indem er den weiteren Inhalt entleerte.

Plötzlich erbleichte er. Seine Finger hatten einen Gegenstand von außergewöhnlicher Form erfaßt . . . Nein! . . . Er konnte kaum darüber in Zweifel sein, was das sei, und doch wagte er kaum an einen solchen Zufall zu glauben.

Endlich brachte er die Hand wieder aus der Höhlung und hob den Gegenstand, den er darin gefaßt hatte, in die Höhe . . .

Da entfuhr John Watkins' Munde ein lauter Aufschrei.

»Der ›Südstern‹!«

Ja . . . der berühmte Diamant war unversehrt wiedergefunden, hatte nichts an seinem Glanze verloren und blitzte beim hellen Tagesscheine wie ein schimmerndes Gestirn. Nur hatte er merkwürdiger Weise – ein Umstand, der allen Zeugen dieses Austritts sofort in die Augen fiel, eine Farbenveränderung erlitten.

War er früher pechschwarz gewesen, so leuchtete der Südstern jetzt rosenroth, so schön rosenroth, daß es seine Wasserklarheit und seinen Glanz womöglich noch erhöhte.

»Glauben Sie nicht, daß dieser Umstand seinen Werth herabsetzt?« fragte Mr. Watkins begierig, als er erst wieder Worte fand, denn Ueberraschung und Freude hatten ihm anfänglich fast ganz den Athem geraubt.

»Nicht im Geringsten!« versicherte Cyprien. »Im Gegentheil, das ist eine weitere Merkwürdigkeit desselben, welche den Stein in die so seltene Familie der »Chamäleon-Diamanten« einreiht. Offenbar kann es in Dadas Kropfmagen nicht kalt gewesen sein, weil dieser Farbenwechsel an sich gefärbter Diamanten, über den in gelehrten Gesellschaften schon oft genug verhandelt worden ist, im Allgemeinen auf eine plötzliche Temperaturveränderung zurückgeführt wird.«

»O, dem Himmel Dank! . . . Da bist Du ja wiedergefunden, Du meines Herzens theuerster Schatz!« rief Mr. Watkins wiederholt und drückte den Diamanten in seiner Hand, wie um sich zu überzeugen, daß er nicht etwa nur träumte.

»Du hast mir durch Dein Verschwinden so unsäglichen Kummer bereitet, Du undankbarer Stern, so daß ich Dich nun nimmermehr von mir lasse!«

Er hob ihn vor seinen Augen in die Höhe, liebkoste ihn mit den Blicken und schien nicht übel geneigt, ihn, nach dem Beispiele Dadas, gleich zu verschlingen.

Cyprien, der sich von Bardik hatte eine Nadel mit ziemlich festem Faden darin holen lassen, nähte inzwischen den Kropfmagen des Straußes sorgfältig wieder zu. Nachdem er dann ebenfalls mittels Naht den Einschnitt in die Weichtheile des Halses wieder geschlossen, befreite er das Thier von den Fesseln, die es bisher jeder Bewegung beraubt hatten.

Sehr angegriffen und fast beschämt, hätte man sagen mögen, senkte Dada den Kopf und zeigte gar kein Verlangen, davon zu laufen.

»Glauben Sie, daß sie sich erholen wird, Herr Cyprien?« fragte Alice, welche sich die Leiden ihres Günstlings mehr angelegen sein ließ, als das Wiedererscheinen des Diamanten.

»Wie, Miß Watkins, ob ich glaube, daß Dada sich erholt?« antwortete Cyprien. »Meinen Sie, ich hätte diese Operation unternommen, wenn ich des Ausgangs nicht sicher war? . . . Nein, binnen drei Tagen wird nichts mehr davon wahrzunehmen sein, und ich wette, Dada wird keine zwei Stunden verstreichen lassen, bis sie die merkwürdige Tasche, die wir eben ausgeleert, wieder zu füllen anfängt!«

Durch solche Zusicherungen beruhigt, sandte Alice dem jungen Ingenieur noch einen dankbaren Blick zu, der diesen für alle gehabte Mühe belohnte.

Mr. Watkins hatte sich endlich überzeugt, daß er noch bei klarem Verstande und wieder im Besitz des wunderbaren Sternes sei. Befriedigt verließ er den Platz am Fenster.

»Herr Méré,« begann er in majestätischem, hochfeinem Tone, »Sie haben mir hier einen sehr großen Dienst erwiesen, und ich weiß wirklich nicht, wie ich mich bei Ihnen dafür abfinden soll.«

Cypriens Herz begann vernehmlicher zu klopfen.

Sich abfinden! . . . O, Mr. Watkins besaß ja ein so nahe liegendes Mittel. Wurde es ihm denn so schwer, sein Versprechen einzulösen, demgemäß seine Tochter Dem angehören sollte, der ihm den ›Südstern‹ wiederbrächte? Hatte er diesen denn nicht eben so gut wieder zur Stelle geschafft, als wenn er ihn weit hinten im Transvaal gefunden hätte?

Das sagte er sich wohl selbst, war aber viel zu stolz, diesen Gedanken laut werden zu lassen, sondern hielt es vielmehr für so gut wie gewiß, daß derselbe im Kopfe des Farmers selbst erwachen werde.

John Watkins äußerte aber kein dahin zielendes Wort, sondern verließ, nachdem er seiner Tochter durch ein Zeichen bedeutet, ihm zu folgen, mit ihr das Häuschen und kehrte nach seiner Wohnung zurück.

Selbstverständlich erhielt Matakit sofort seine Freiheit wieder. Es hatte aber doch wenig gefehlt, daß der arme Teufel Dadas sonderbaren Geschmack hätte mit dem Leben bezahlen müssen, und nur ein glücklicher Zufall hatte ihn in elfter Stunde noch gerettet.

 


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