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Bei Gelegenheit der schönen Untersuchungen über die Löslichkeit fester Körper in Gasen – Untersuchungen, mit denen er sich das ganze vorausgegangene Jahr beschäftigt hatte – war Cyprien natürlich aufgefallen, daß gewisse Substanzen, wie Kieselsäure und Thonerde zum Beispiel, welche an sich in Wasser nicht löslich sind, das doch in Wasserdampf unter starkem Druck und hoher Temperatur werden können.
Diese Erfahrung führte ihn auf den Gedanken, zuerst zu prüfen, ob er nicht ein gasartiges Lösungsmittel des Kohlenstoffes entdecken könne, um diesen dann zur Krystallisation zu bringen.
Aber alle seine Versuche in dieser Hinsicht blieben erfolglos, und nach mehreren Wochen vergeblicher Bemühungen sah er sich genöthigt, seine Angriffsbatterien zu verändern.
»Batterien« ist wirklich das richtige Wort, denn wie sich aus dem Folgenden ergiebt, sollte eine Kanone darin eine Rolle spielen.
Verschiedene Analogien führten den jungen Ingenieur zu der Annahme, daß der Diamant sich in den Kopjen vielleicht auf ganz gleiche Weise bilden könne, wie der Schwefel in den Solfataren. Nun weiß man aber, daß der Schwefel hier durch eine halbe Oxydation des Schwefelwasserstoffes entsteht, aus dem sich, während ein Theil in Schwefelsäure übergeführt wird, ein anderer Theil in Form von Krystallen an den Wänden der Solfataren niederschlägt.
»Wer weiß, sagte sich Cyprien, ob die Diamantfundstätten nicht wirkliche Carbonataren sind? Denn offenbar gelangt eine Mischung von Wasserstoff und Kohlenstoff nothwendig dahin mit dem Wasser und den alluvialen Ablagerungen, und zwar in Form von Sumpfgas. Warum könnte es nicht die Oxydation des Wasserstoffes in Verbindung mit der theilweisen Oxydation des Kohlenstoffes sein, welche die Auskrystallisirung des Kohlenstoffes veranlaßte?«
Von diesem Gedanken bis zu dem Versuche, irgend einen Körper in analoger, aber künstlicher Reaction die theoretische Function des Sauerstoffes spielen zu lassen, war es für einen Chemiker natürlich nicht weit.
Cyprien ging denn auch sofort daran, diesen Vorsatz zur Ausführung zu bringen. Zunächst handelte es sich darum, für das Experiment eine Anordnung zu treffen, die sich so weit als möglich den bei der natürlichen Erzeugung des Diamants vermutheten Verhältnissen näherte. Diese Anordnung mußte auch eine sehr einfache sein. Alles, was Natur oder Kunst nur Großes leisten, trägt diesen Charakter. Giebt es etwas weniger complicirtes, als gerade die schönsten von den Menschen gemachten Entdeckungen und Erfindungen, die Gravitation, der Compaß, die Buchdruckerkunst, die Dampfmaschine, der elektrische Telegraph?
Cyprien holte selbst aus dem Grunde der Mine einigen Vorrath an Erde jener Art, die er für sein Experiment am geeignetsten hielt. Dann vermengte er mit dieser Erde ein ziemlich fettes Material, mit dem er das Innere eines Stahlrohres von einem halben Meter Länge, bei einer Wanddicke von fünf Centimetern und einem inneren Durchmesser von acht Centimetern, sorgfältig ausfüllte.
Dieses Rohr aber bestand aus nichts Anderem, als dem abgeschnittenen Stücke einer nicht mehr gebrauchten Kanone, die er zufällig im Kimberley erkaufen konnte, wo eine freiwillige Schaar, welche in einem Feldzuge gegen benachbarte Kaffernstämme Dienste geleistet hatte, eben aufgelöst wurde. In der Werkstätte des Jacobus Vandergaart passend zurechtgeschnitten, lieferte diese Kanone genau den Apparat, dessen er bedurfte, das heißt einen Recipienten von hinreichender Widerstandsfähigkeit, um einen enormen inneren Druck auszuhalten.
Nachdem er in das vorläufig an einem Ende verstopfte Rohr Kupferbruchstücke und etwa zwei Liter Wasser gebracht, füllte es Cyprien vollständig mit Sumpfgas an. Dann verkittete er diesen Satz sorgfältig und ließ nun beide Enden mit Metallpfropfen von zweifelloser Festigkeit abschließen. Der Apparat war nun fertig und es galt nur noch, denselben einer höchst intensiven Hitze auszusetzen.
Er wurde also in einer Art großen Reverberirofens untergebracht, in dem das Feuer Tag und Nacht unterhalten werden sollte, um eine, auf die Dauer von zwei vollen Wochen berechnete Weißglühhitze zu erzeugen.
Rohr und Ofen wurden außerdem noch mit feuerbeständigem Thon umgeben, der nur eine möglichst große Wärme halten und dann eine sehr langsame Abkühlung zulassen sollte, wenn die Zeit dazu herankam.
Das Ganze glich mehr einem ungeheuren Bienenkorbe oder etwa einer Eskimohütte.
Matakit war jetzt schon in der Lage, seinem Herrn einige Dienste zu leisten. Er hatte alle Vorbereitungen zu dem Experiment mit äußerster Aufmerksamkeit verfolgt, und als er erfuhr, daß es sich um die Darstellung von Diamanten handelte, zeigte er sich nicht wenig eifrig, zu dem Gelingen des Unternehmens nach Kräften beizutragen. Er hatte bald gelernt, das Feuer so zu unterhalten, daß man ihm diese Arbeit getrost allein überlassen konnte.
Es möchte sich übrigens kaum Jemand vorstellen, wie viel Zeit und Mühe es in Anspruch nahm, diese Vorbereitungen zu treffen. In jedem größeren Laboratorium würde man im Stande gewesen sein, dieses Experiment zwei Stunden, nachdem es beschlossen worden, zur Ausführung zu bringen, während Cyprien in diesem wilden Lande nicht weniger als drei Wochen brauchte, um seine Idee nur unvollkommen zu verwirklichen. Dabei hatten ihn noch besondere Glücksumstände begünstigt, indem er in genannter Stadt nicht nur die alte Kanone fand, sondern auch die ihm so nothwendige Kohle bekam. Dieses Material war sonst in Kimberley so selten, daß man sich, um eine Tonne desselben zu erhalten, wohl an mindestens drei Händler wenden mußte.
Endlich waren alle Schwierigkeiten überwunden, und nachdem das Feuer einmal in Brand gesetzt war, übernahm es Matakit, dasselbe nicht wieder verlöschen zu lassen. Der junge Kaffer war übrigens sehr stolz auf seine Function. Diese konnte ihm jedoch kaum eine neue sein, denn ohne Zweifel hatte er zu Hause bei seinem Stamme schon häufig in einer Art Höllenküche hantirt.
Cyprien hatte sich einmal bei verschiedenen Gelegenheiten überzeugt, daß Matakit, seit er in seine Dienste getreten war, bei den übrigen Kaffern das Ansehen eines Zauberers genoß. Einige Kenntnisse elementarer Chirurgie und zwei oder drei Taschenspielerkunststückchen, die er von seinem Vater gelernt haben mochte, bildeten seine ganzen Zauberkünste. Trotzdem kamen die Leute, um ihn wegen wirklicher oder eingebildeter Krankheiten zu befragen, um sich Träume deuten, Prophezeiungen vorsagen oder ein Urtheil fällen zu lassen. Seine Vorschriften waren meist ebenso unsinnig, wie seine Aussprüche albern, die nackten Landsleute schienen mit denselben jedoch zufrieden zu sein. Was brauchte es mehr?
Wir müssen hier auch bemerken, daß die Retorten und Flaschen, von denen er jetzt im Laboratorium des jungen Ingenieurs umgeben war, ohne die geheimnißvollen Arbeiten zu rechnen, an welchen er mitwirkte, nicht wenig dazu beitrugen, sein Ansehen noch zu erhöhen.
Cyprien konnte sich oft des Lachens nicht enthalten, sobald er die feierliche Miene sah, welche der brave Bursche annahm, wenn er seine bescheidene Arbeit als Heizer verrichtete, entweder die Kohlen auf dem Rost erneuerte, das Feuer schürte oder gar ein Probirgläschen und einen Schmelztiegel abstäubte. Immerhin lag etwas Einnehmendes in dieser Ernsthaftigkeit. Sie war der naive Ausdruck des Respects, den die Wissenschaft einer rohen, aber intelligenten und wissensdurstigen Natur einflößte.
Matakit hatte daneben auch seine lustigen, fast übermüthigen Stunden. Vorzüglich, wenn er sich in Gesellschaft Lî's befand. Zwischen diesen beiden Wesen von so verschiedener Abstammung hatte sich eine wirklich innige Freundschaft entwickelt, in Folge der jetzt ziemlich häufigen Besuche, welche der Chinese in der Farm Watkins abstattete. Beide sprachen nothdürftig französisch, Beide waren durch Cyprien vom drohenden Tode gerettet worden und bewahrten ihm eine lebhafte Erkenntlichkeit. Es erschien also natürlich, daß sie sich durch aufrichtige Antheilnahme zu einander hingezogen fühlten, und diese Theilnahme hatte sich allmählich in Zuneigung verwandelt.
Wenn sie unter sich waren, gaben Lî und Matakit dem jungen Ingenieur einen ebenso einfachen, wie rührenden Namen, der recht gut die Natur der Gefühle ausdrückte, die sie für seine Person hegten, sie nannten ihn »das Väterchen« und sprachen von ihm nur mit hoher Bewunderung und fast übertriebener Hingebung.
Diese Ergebenheit trat seitens Lî's in der peinlichen Aufmerksamkeit zu Tage, die er beim Waschen und Bügeln der Leibwäsche Cypriens beobachtete; seitens Matakit's in der wahrhaft religiösen Sorgfalt, mit der er sich bemühte, allen Anordnungen seines Herrn gewissenhaft zu entsprechen.
Zuweilen ließen sich die beiden Kameraden, in ihrem Eifer, »das Väterchen« zu erfreuen, etwas zu weit gehen. So kam es, daß Cyprien zum Beispiel auf seinem Tische – er aß jetzt zu Hause – Früchte oder Leckereien vorfand, die er gar nicht verlangt und deren Ursprung ihm unerklärlich blieb, denn auf den Rechnungen der Lieferanten fanden sie sich nicht wieder. Oder es kam auch vor, daß in seinen Hemden, wenn dieselben aus der Wäsche zurückkamen, goldene Knöpfchen unbekannten Herkommens steckten. Ebenso vervollständigten von Zeit zu Zeit ein eleganter, bequemer Stuhl, ein gesticktes Kissen, ein Pantherfell oder sonst eine werthvolle Kleinigkeit auf geheimnißvolle Weise die Ausstattung seines Hauses.
Nahm Cyprien Lî oder Matakit in's Gebet, so konnte er von Beiden nur ausweichende Antworten erlangen.
»Ich weiß es nicht! . . . Ich bin es nicht gewesen! . . . Mich geht das nichts an!«
Cyprien fand ja diese kleinen Überraschungen an sich recht angenehm, nur belästigte ihn der Gedanke, daß ihre Quelle doch nicht ganz rein sein mochte. Hatten diese Geschenke etwa nichts gekostet, als die Mühe, sie sich anzueignen? Immerhin bestätigte nichts diese Vermuthungen, und so peinliche Untersuchungen er deshalb auch vornahm, so lieferten diese doch hinsichtlich dieser Erwerbungen niemals ein greifbares Ergebniß.
Hinter seinem Rücken wechselten dann Matakit und Lî wohl flüchtige Blicke, lächelten und machten sich allerhand geheimnißvolle Zeichen, welche etwa sagen sollten:
»Ach, das Väterchen! . . . Er sieht immer nur Feuer und Flammen!«
Uebrigens beschäftigten Cyprien gleichzeitig ganz andere und weit ernstere Sorgen. John Watkins schien entschlossen, Alice nun unter die Haube zu bringen, und in Folge dessen bildete sein Haus schon seit einiger Zeit ein wirkliches Museum von Brautwerbern.
Nicht allein James Hilton verkehrte jetzt hier regelmäßig jeden Abend, sondern auch alle unverheirateten Steingräber, deren glückliche Erfolge in der Mine ihnen die seitens des Farmers für einen Schwiegersohn unumgänglich nöthigen Eigenschaften verliehen hatten, wurden von ihm eingeladen, zu Tische behalten und schließlich seiner Tochter zur Auswahl vorgestellt.
Der Deutsche Friedel und der Neapolitaner Pantalacci gehörten auch zu dieser gewählten Gesellschaft. Beide galten jetzt für die glücklichsten Steingräber auf dem Vandergaartfelde. Das allgemeine Ansehen, welches überall den Erfolg begleitet, fehlte ihnen weder in der Kopje, noch in der Farm. Friedel war pedantischer und absprechender als je zuvor, seit sein Dogmatismus sich auf einige Tausend Pfund Sterling stützte. Annibal Pantalacci, der sich in letzter Zeit zum Colonial-Dandy umgewandelt hatte und im Glanze goldener Ketten und Ringe, wie in dem von Diamantnadeln einherging, trug jetzt eine Kleidung von weißer Leinwand, die seinen gelben, erdfarbenen Teint nur noch mehr hervortreten ließ.
Freilich suchte der lächerliche Mensch mit seinen Scherzen, seinen italienischen Gassenhauern und seinen Bemühungen, den Geistreichen zu spielen, vergeblich einen Eindruck auf Alice zu machen. Mindestens behandelte diese gerade ihn fast verächtlich und schien über das Motiv, welches ihn nach der Farm führte, keineswegs im Zweifel zu sein. Sie begnügte sich, niemals freiwillig auf seine Worte zu hören, und lachte nie, weder über seine Lazzi, noch über seine komisch sein sollenden Bewegungen. Nur zu unwissend bezüglich seiner moralischen Mängel, um ihn ganz zu durchschauen, sah sie in ihm nur einen gewöhnlichen Passanten, der nicht mehr und nicht weniger langweilig war, als die meisten Anderen. So erschien es wenigstens Cyprien, und er litt oft grausam davon, sie, die er so hoch achtete und so innig verehrte, mit jenem verächtlichen Menschen in Unterhaltung zu sehen.
Es schmerzte ihn um so mehr, als sein Stolz ihm verbot, etwas davon merken zu lassen, und er es unter seiner Würde fand, selbst einen so erbärmlichen Rivalen in den Augen der Miß Watkins noch weiter herabzusetzen. Welches Recht hatte er auch dazu?
Worauf sollte er auch sein Urtheil gründen? Er wußte ja eigentlich nichts von Annibal Pantalacci und ließ sich bei seiner Geringschätzung des Mannes doch nur durch eine Art instinctiven Widerwillens leiten. Ihn in tragischem Lichte darzustellen, das hätte nur Gelächter hervorrufen können. Das sah Cyprien vollständig ein, und es hätte ihn gewiß zur Verzweiflung getrieben, wenn Alice einem solchen Manne irgendwie Aufmerksamkeit schenkte.
Außerdem war er ja eifrig mit einer Arbeit beschäftigt, die ihn fast Tag und Nacht in Anspruch nahm. Es handelte sich nicht um ein einziges Verfahren, Diamanten herzustellen, sondern um zehn und zwanzig verschiedene Methoden, die er sich zurechtgelegt und welche er prüfen wollte, wenn der erste Versuch beendigt wäre. Er begnügte sich nicht mehr mit theoretischen Lehrsätzen und den Formeln, mit denen er während ganzer Stunden seine Notizhefte bedeckte. Jeden Augenblick eilte er nach der Kopje, holte von da neue Fels- und Erdproben und wiederholte seine Analysen hundertmal, aber mit so peinlicher Genauigkeit, daß jeder Fehler dabei ausgeschlossen schien. Je ärger die Gefahr, Miß Watkins sich entgehen zu lassen, ihn bedrohte, desto fester war er entschlossen, nichts unversucht zu lassen, diese abzuwenden.
Dabei hegte er aber gegen sich selbst ein solches Mißtrauen, daß er es vorzog, dem jungen Mädchen von den Experimenten, die er eben ausführte, lieber nichts zu erwähnen. Miß Watkins wußte nur, daß er, ihrem Rathe folgend, sich wieder chemischen Studien hingegeben habe, und schon darüber fühlte sie sich glücklich.