Carl Franz van der Velde
Das Liebhaber-Theater
Carl Franz van der Velde

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5.

Die schöne Laura Willig saß in ihrem Sopha. In ihren weißen Armen ruhte die Guitarre, auf deren Saiten ihre Rosenfinger tändelten, der Kopf war auf die Schulter gesunken, seine schwarzen Locken wallten auf den blendenden, leichtumflorten Busen herab. Das Roth der Wangen, für das Taglicht mit weiser Mäßigung aufgetragen, erhöhete das Feuer der dunkeln Augen so herrlich, daß man 120 darüber die Schatten darunter leicht vergessen konnte; kurz das Mädchen saß da, als harre sie einer verheißenen Schäferstunde. Da klopfte es rasch und keck, und der Referendar Wespe, in seiner blitzenden Galla-Uniform, trat mit einer jovialen Dreistigkeit, die dem hübschen, jungen Manne sehr wohl ließ, in das Zimmer.

Ich grüße Sie, schöne Laura, sprach er, die Hand der Feindin ergreifend, die er so warm küßte als wäre es Aphanasia's Hand gewesen.

Der Herr Referendar haben sich ohne Zweifel in der großen Stadt verirrt, fragte Laura mit kaltem Spott: denn sonst könnte ich wirklich nicht begreifen, wie ich zu der Ehre Ihres Besuches komme.

Der Weg, auf dem man die Grazie findet, kann nie ein Irrweg seyn, erwiderte Wespe, und setzte sich, ohne auf den Groll in Laura's Blicken zu achten, neben sie auf das Sopha: doch danke ich dieß Finden dießmal nicht dem Zufall. Ich erscheine als Gesandter des Herrn 121 Amtsrathes bei der Herzenskönigin Laura mit freundlichem Gruß und herzlicher Bitte.

Der Herr Amtsrath ist ein Monarch, der seine Botschafter herrlich zu wählen versteht, versetzte Laura höhnisch. Und was steht eigentlich zu Befehl?

Zu Befehl? – Wollte der Himmel! seufzte Wespe. Wir haben nur zu bitten. Und Lauren ihre Rolle auf den Schooß legend, flisterte er mit möglichster Lieblichkeit: Miranda!

Die Republik will wenigstens ihre Selbständigkeit behaupten, und deprecirt! rief Laura, sich auf Wespe's Sottise am Stricknadel-Abend beziehend, und schnellte die arme Rolle vom Schooße, daß sie weit in das Zimmer hineinkollerte.

Wespe sprang ihr nach, hob sie auf, ließ sich höchst graziös vor Laura auf seine Kniee nieder, hielt die Rolle hoch empor und flötete noch einmal: Miranda!

Wohlgefällig hafteten Laura's Augen eine Secunde lang auf dem Knieenden, den ihr die Uniform noch einmal so interessant machte, und sie hätte beinahe ihren Groll so weit vergessen, 122 ihm ihre Hand zum Aufstehen zu reichen; aber schnell kam ihr mit der Erinnerung ihr Entschluß wieder, und sie sprang auf. Wir halten hier nicht Probe, rief sie bitter: und ich muß mir diese Stellung, auch im Scherz, verbitten!

Nun dann, rief der unglückliche Gesandte: Turandot, Donna Diana, Kieselherz, Tigerseele, Marmorbusen! Nur ein deutliches und vernehmliches Ja oder Nein auf meinen ziemlichen Antrag!

Nein, Nein, Nein! rief Laura und eilte zum Fenster.

Tausend Gottes Lohn! rief freudig Wespe, ihr nachrennend, bemächtigte sich, trotz ihres Widerstrebens, ihrer Hand und bedeckte diese mit zahllosen glühenden Küssen.

Sind Sie rasend! rief, mit ihm ringend, Laura.

Rasend! schrie er: rasend, liebe, theuere, göttliche Laura, vor lauter Entzücken und Wonne, daß Ihr kurzes Nein mich so glücklich von langen Leiden befreiet!

123 Von Leiden? fragte Laura erstaunend. Wenn Sie nicht rasend sind, so müssen Sie wenigstens dem Weine auf dem Schlosse über die Gebühr zugesprochen haben, und das ist in der Regel kein Zustand, in dem ein gebildeter Mann anständige Damen besucht.

Sie greifen mich auf dem empfindlichsten Flecke an, sprach Wespe, scheinbar beleidigt, in sehr ernstlichem Tone. – Sie haben es sich daher selbst zuzuschreiben, daß ich Sie mit einer breiten Erläuterung behellige, blos um Ihnen die Gesundheit und Vollständigkeit meiner Sinne zu beweisen.

Er warf sich wieder in das Sopha. Laura blieb noch am Fenster stehen, als ob sie sich vor einem Exceß fürchte. Die nächste Folge Ihres Neins, begann er: wird die kluge Laura gewiß schon klar erkannt haben. Der Bayard kann nicht gegeben werden. Aber was Sie noch nicht wissen, ist, daß sich der Amtsrath dadurch unter den hier vorwaltenden Verhältnissen compromittirt glaubt, daß er sein Theater in diesem Falle für immer 124 niederreißen, Ihren schriftlichen Refüs, zur Entschuldigung für seine Gäste, an das Schloßthor nageln und in's Bad reisen will.

Laura erschrak ein wenig über die unzarte Drohung. Doch faßte sie sich und sagte: Dann wird mein Brief wenigstens zwischen den Sendschreiben des Conrectors und der Horneck, also in guter Gesellschaft paradiren.

Ich zweifle! warf Wespe hin. Mit denen ist der Amtsrath, wie ich glaube, in Ordnung.

Wie?! fuhr Laura auf: auch mit der Horneck?

Allerdings! antwortete Wespe. Sie hätte, wenn es noch zur Aufführung gekommen wäre, die Duenna, und später im Rehbock die Pächterin gespielt. Jetzt braucht sie sich mit keiner von beiden Rollen zu incommodiren.

Das alberne Weib hat auch keinen rechten Willen! rief Laura, ärgerlich, daß ihre Bundgenossin von ihr abgefallen war.

Hierdurch, liebste Freundin, fuhr Wespe zutraulich und vergnügt fort: ist also Thaliens Tempel auf dem Schlosse für immer zerstört!

125 Und das wäre Ihnen lieb? fragte Laura, ihn forschend ansehend.

Allerdings! antwortete Wespe. Ich spiele wohl leidenschaftlich gern Comödie, aber daß der Herr Director, in Bezug auf Menschen-Darstellung, gar nichts von mir hält, das beweis't seine gräßliche Lobrede, als ich den Bedienten gespielt, das beweisen die Anmerkungen, mit denen er mir den erbärmlichen Volteggio, wie ein Almosen, zuwarf. Ich habe also auf seiner Bühne nichts als die Hefen des Personals, so was die Briefe und Botschaften bringt, die Stühle setzt und so weiter, zu erwarten. Nun frage ich Sie, ob mir das Spaß machen kann?

Was thut das Ihnen? fragte Laura. Sie gehen nach der Residenz zurück und brauchen sich wenig darum zu bekümmern, was wir Kleinstädter hier treiben.

Da liegt eben der Hase im Pfeffer! rief Wespe. Ich gehe nicht nach der Residenz zurück, ich bleibe hier für immer. Assessor Ehrmann wird pensionirt, ich rücke an seine 126 Stelle. Der Bericht deßhalb ist schon nach Hofe abgegangen, und ich erwarte posttäglich meine Bestallung.

Ich gratulire! sprach Laura mit einiger Wärme und verneigte sich, wobei sie dem Sopha bedeutend näher kam.

Sehr gütig! sprach Wespe, ergriff ihre Hand, führte sie zärtlich zum Munde und behielt sie dann in der seinen, ohne daß es Lauren einfiel, sie wegzuziehen.

Ich sehe aber doch nicht ein, knüpfte sie das Gespräch von neuem wieder an: wer den Herrn Assessor zwingen könnte, auf dem Theater des Amtsrathes mitzuspielen, wenn er keine Lust dazu hätte.

Rücksichten, meine Theure, rief Wespe: Rücksichten sind ein gewaltiger Zwang, meist der unwiderstehlichste! Mir ist alles daran gelegen, den Amtsrath für mich einzunehmen.

O das weiß ich! rief Laura gereizt und zog ihre Hand weg. Diese Rücksicht ist mir vollkommen klar! –

Vielleicht doch nicht so ganz, bemerkte 127 Wespe treuherzig. Mein wahres Motiv ist eigentlich eine Familienheimlichkeit, aber vor Ihnen kann ich nun einmal nichts auf dem Herzen behalten. Der Amtsrath hatte dreitausend Thaler Caution für den Ober-Rendanten in der Residenz gemacht. Der ist gestorben, meinem Vetter ist der Posten zugesagt, es würde ihn aber derangiren, die Caution augenblicklich zu bestellen, wie es nöthig ist. Da gilt es nun, den Amtsrath zu vermögen, sie stehen zu lassen, bis sie der Vetter selbst machen kann.

Wohl vertheidigt! sprach Laura schalkhaft, ihre Hand auf Wespe's Schulter legend. Aber gestehen Sie es nur, daß auch die schöne Aphanasia viel zu Ihrer Gefälligkeit gegen den wunderlichen Vater beiträgt?!

Beigetragen hat! antwortete Wespe sehr gleichgiltig, und streichelte sich im kindischen Spiele mit Laura's ergriffener Hand die Wangen. Das Mädchen ist gar nicht übel, und mit dem Gelde ihres Vaters könnte ich mich herrlich arrangiren.

128 So klingt die Weise?! rief Laura mit versteckter Freude. Arme Aphanasia!

Aber ich müßte ja ein Thor seyn, fuhr Wespe fort: wenn ich noch mit einem Athemzuge an diese unglückliche Speculation dächte. Aphanasia ist dem reichen Brauß bestimmt.

Das weiß ich wohl, wendete Laura ein: aber diese schnelle Verbindung ist doch noch nicht gewiß. Auch scheint sich Aphanasia nicht sonderlich für Brauß zu interessiren.

Ich weiß nichts, antwortete Wespe: als daß der Amtsrath, um seine Tochter in ihrem ganzen Glanze als Liebhaberin zu zeigen, und dabei von jedem Zwange zu befreien, ihr dießmal ihren Bräutigam zum Amoroso gegeben hat.

Bräutigam?! rief Laura hastig. So nannte er ihn? Nun, setzte sie nach einer Pause höchst verbindlich hinzu: ein Mann, wie Sie, könnte auch allenfalls eine liebende Braut zur Untreue verleiten.

Ach, Laura, wenn das nicht Spott, sondern Ueberzeugung wäre, wie glücklich wäre ich! rief 129 Wespe entzückt und sah mit dürstenden Blicken zu ihr hinauf.

Aber wie vereinige ich diese Sprache mit jener Deprecation? fragte Laura, sich sanft zurückbeugend.

Also auch hierüber soll ich berichten?! rief Wespe. Nun dann! Meine thörige Offenheit hat ohnehin für Laura das Fenster in meiner Brust geöffnet, was Momus an den Menschen vermißte. Auf ein Bekenntniß mehr kommt es mir nicht an. Ich sah Sie an jenem Abend zum ersten Mal, schöne Laura. Welchen Eindruck Sie auf mich machten, sagt Ihnen täglich Ihr Spiegel und jeder junge Mann, dem das Glück Ihres Anblickes ward. Meine schüchternen Blicke fragten: darf ich mich Dir nähern? Ihre Blicke schienen zu antworten: Ja, Du darfst. Schon wollte ich von der herrlichen Erlaubniß Gebrauch machen, als ich einen ähnlichen, vertrauteren Blickwechsel zwischen Ihnen und Brauß und Walthern zu bemerken glaubte. Darüber wurde ich wüthend. Ihre freundliche Annäherung, ein Scherz des 130 Amtsrathes schlug den Funken, und die Pulvertonne flog in die Luft!

Also nichts als Eifersucht? fragte Laura, Wespen traulich die Locken von der Stirne streichelnd. O, wie gern verzeihen wir Mädchen tausend Unarten, die dieser liebe Fehler auf die Welt bringt!

Ich hatte Unrecht, nicht wahr?! fragte Wespe heftig, Lauren an sich drückend.

Ja, flisterte sie mit niedergeschlagenen Augen: nur nicht, als Sie die Antwort auf Ihre Frage in meinen Augen lasen.

Du hast mir also verziehen, göttliche Laura?! jauchzte Wespe mit dem vollen Pathos eines geübten Liebhabers, und drückte einen herzhaften Kuß auf ihre Purpurlippen.

Dein auf ewig! lispelte Laura, wenigstens zum funfzigsten Male in ihrem Leben, und sank mit einer sehr gut studirten Attitüde in seine Arme. 131

 


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