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La beauté, les attraits, l'esprit, la bonne mine,
Echauffent bien les cœurs, mais non pas la cuisine. Corneille
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Aristoteles sagt: Der Appetit zum Wissen gleicht dem des Essens, nur mit dem Unterschiede, daß, wer mit Überladung des Wissens sich schadet, leider nicht für ferneren Genuß Ekel empfindet als der andere bei gleicher Überladung.
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Agathokles, der sizilische Abenteurer, wurde (nach Justin) durch einen Zahnstocher vergiftet.
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Themistokles wurde von Artaxerxes überaus reich beschenkt; er gab ihm Magnesia mit den Worten: Auf daß dir diese Stadt hinlänglich Brot gebe! – und wirklich zog er aus dieser Gegend jährlich fünfhundert Talente. Lampsakos gab er ihm, damit diese Gegend ihn mit Wein versehe, und die Stadt Myus für die Kleider.
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Diogenes rief, als eine Maus von seinem Brote fraß: Ich bin reich, ich habe Schmarotzer.
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Der jüngere Cyrus rühmte sich, daß er königlicher gesinnt sei als sein Bruder Artaxerxes, und daß er, ohne berauscht zu werden, mehr trinken könne, daher geeigneter als dieser zum Herrscher sei.
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Gedanken heißen im Tahitischen: Parau no te obu – Worte im Bauche.
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Wie kann man gerne das Beste für sich allein verzehren! So etwas ist wirklich grundgemein. Schon Hiob rühmt sich (31. Kap., 17. Vers), daß er seinen Bissen nicht allein gegessen habe. Schon die alten Völker wußten, daß Diätetik und Moral Hand in Hand gehen. Bei den Ägyptern, den Persern, selbst bei dem Areopag der Griechen wurden die wichtigsten Gegenstände nüchtern verhandelt, und man hat bemerkt, daß bei den Völkern, welche bei und nach den Gastmählern deliberierten, z. B. bei den alten Deutschen, die Verhandlungen oft blutig endeten.
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Auf viele unnütz berühmt gewordene Köche kann man Boileaus Vers anwenden:
Jamais un empoisonneur ne sut mieux son métier.
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Aber es fragt sich: was ist Gift? Nach Hasselquist ist es ein Ding, welches die festen und flüssigen Teile unseres Körpers schleunigst zerstört. Nach Spielmann ein solches, welches eine Veränderung in uns hervorbringt, worauf der Tod erfolgt. Nach Kretschmer sind Gifte alle solche Substanzen, die für das Leben oder die Gesundheit leicht gefährlich oder tödlich werden. Nach Stifft ist Gift ein den meisten Menschen im natürlichen Zustande schon in einer geringen Menge sehr schädliches Ding. Es gibt, sollte ich meinen, an sich betrachtet, kein Gift; nur in Beziehung auf animalische Körper gibt es Gifte. Bei einigen obiger Erklärungen kann Voltaires bekannte Antwort gelten, dem man sagte, Kaffee sei ein langsames Gift, worauf er antwortete: er wisse das seit achtzig Jahren, so lange trinke er schon Kaffee.
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Ein Gourmand, der eben von einem trefflichen Mahle kam, wurde von einem Bettler angesprochen, daß er vor Hunger sterbe. – »Elender!« rief der Gourmand, »du hast jenes selige Gefühl des Hungers, was ich mir seit so vielen Jahren vergebens wünsche, und du bist noch nicht zufrieden?«
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Voltaires Keckheit gegen die Marquise Pompadour, wenigstens fand dies die Marquise so, war vielleicht die einzige Ursache des langen Exils des Dichters. Voltaire war eines Tages von der Marquise zur Tafel geladen; man aß Wachteln, welche sie, nach ihrem Ausdruck, ein wenig »grassouillettes« fand. Voltaire sagte:
Grassouillette, entre nous, me semble un peu caillette,
Je vous le dis tout bas, belle Pompadourette.
Diese Vertraulichkeit mißfiel sehr, wie der Dichter bald gewahr wurde.
Le gros Bonneau, que le Chandos destine
Au digne emploi de chef de cuisine,
Va dans l'instant mériter cet honneur;
Des boudins blancs il était l'inventeur,
Et tu lui dois, ô nation française,
Pâtés d'anguille, et gigots à la braise.
Voltaire
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Im Hause Potemkins ging es kaiserlicher zu als selbst bei der Kaiserin; natürlich, diese hatte Rücksichten zu nehmen, er nicht. Durch halb Asien sendete er Kuriere um besonderer Gerichte willen. Fürst Poniatowski erzählte mir, er habe ihn einmal eine halbe Stunde nach dem Diner besucht, und da habe Potemkin in einer seiner eigentümlichen Launen ein Frikandeau gefordert, das augenblicklich gebracht wurde. Poniatowski hielt das für eine abgekartete Komödie, und Potemkin ließ ihm die Wahl, ein anderes Gericht zu fordern, was der Fürst zu seiner Verwunderung in kürzester Frist erhielt. Dabei liebte Potemkin, von den Ersparnissen seiner ungeheuern Ökonomie zu reden. Er sprach bei obiger Veranlassung von seiner Pferdezucht und behauptete, ein Fohlen von zwei Jahren (Poniatowski hatte gesagt, ein solches koste ihm vier Dukaten) koste ihm gar nichts. Die Leute dazu wohnten in selbst gebauten Häusern, tragen selbst gemachte Kleider und Schuhe aus selbst gewonnen Stoffen, genug, brauchten nichts. – »Aber«, fragte jener, »Sie müssen ihnen doch Feld einräumen, da sie essen wollen.« – »Nein«, erwiderte Potemkin, »es sind Kalmücken, sie erhalten nichts als die krepierten Pferde, davon müssen sie leben.« – Während er von diesen und ähnlichen ökonomischen Einrichtungen sprach, wühlte er in einem großen Etui voll der schönsten Brillanten und warf sie gegeneinander, als seien es Kieselsteine. »Sie tun sich«, meinte der Fürst Poniatowski, »damit für einige hundert Luisdor Schaden.« – »Mag sein«, war die Antwort, »aber das Spiel dient mir zur Zerstreuung.«
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Des Kaisers von Mexiko Becher, Schüsseln, Tischgeräte und Kleider wurden immer nur einmal gebraucht.
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Narischkin, Großstallmeister der Kaiserin Katharina, brachte die Sommermonate in einem sehr komfortablen Landhause an der Straße nach Peterhof zu. Wenn er sich mit der ihm unerfreulichen Aussicht eines Familiendiners bedroht sah, so bestieg er, mit seinem Tubus und Sprachrohr versehen, sein Belvedere. Das Sprachrohr versah die Stelle des Einladungsschreibens für die Reisenden auf der Landstraße. Oft gingen diese auf die sonderbare Einladung nicht ein, die Wagen verfolgten ihren geraden Weg. Eines Tages zeigte sich eine kleine Kalesche. Narischkin sieht darin einen sehr wohlgekleideten Mann; hocherfreut donnert er seine Einladung herab, und sieht den Wagen sich nach dem Schlosse wenden. Der Unbekannte setzte sich zu Tische. Keine Frage von seiten des Großstallmeisters; es wäre unbescheiden gewesen, den Gast durch eine unzeitige Neugierde zu inkommodieren. Es war ein Franzose, und zu jener Zeit diese Nation hoch willkommen in Rußland. Die Unterhaltung war munter; man trank nach der Tafel den Kaffee auf der Terrasse, als ein großer Reisewagen mit sechs Pferden bespannt vorfuhr. Der Franzose zeigte einige Verlegenheit, entschuldigte sich und verschwand. Einige Augenblicke später präsentierte sich der Fürst Baratynsky, sehr bedauernd, daß er zum Diner zu spät komme, denn er habe, bemerkte er, seinen Koch heute früh zur Stadt geschickt, und der nichtswürdige Kerl sei, leichtsinnig wie alle Franzosen, gar nicht wieder gekommen. Eben fuhr die Kalesche des Unbekannten aus dem Schloßhofe, und der Fürst erkannte seinen Koch und neckte, nach der Aufklärung, seinen Freund nicht wenig. Dieser meinte, es sei ein sehr liebenswürdiger Mensch. Die gründliche Kenntnis der Entremets wäre ihm zwar ein wenig sonderbar vorgekommen, er zöge es aber jedenfalls vor, in dessen Gesellschaft als alle Tage en famille zu essen.
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Ein Bäckerjunge namens Simnel gab sich für einen Neffen Eduards IV. aus und bestritt Heinrich VII. das Recht der englischen Krone. Er ließ sich in Dublin zum König krönen. Nach einem sehr hartnäckigen Gefecht ward er geschlagen und gefangen. König Heinrich begnügte sich damit, ihn in seiner Küche als Küchenjungen anzustellen, wo er allmählich bis zum Range eines Falkoniers stieg und als solcher starb.
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Der berühmte Prinz von Ligne war, wie sich das wohl von selbst versteht, ein großer Gourmand. Er sagte: »In den Finanzwissenschaften (er war bekanntlich mit seinen Finanzen immer sehr brouilliert) habe ich sehr gearbeitet; ich glaube an die Sterlits der Wolga, die Kälber von Archangel, die Früchte von Astrachan und an den Vin de Constanze.«
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Im Konklave von 1769, wo Clemens XIV. gewählt wurde, hatte der Kardinal T... für sich auf alles verzichtet, unter der ausdrücklichen Bedingung, seinen Koch mit in das Konklave nehmen zu dürfen. In diesem gab es zwei Hauptparteien, die eine für einen Prinzen des Hauses Bourbon, die andere für die Jesuiten. Der bezeichnete Kardinal hatte zwei Memoiren im entgegengesetzten Sinne abgefaßt, das eine in einer Galantine, das andere in einer Pastete verborgen, und den Abbé Nerauld mit ihrer Absendung beauftragt. Dasjenige, welches die Gründe der Unterdrückung der Jesuiten enthielt, kam durch Verwechslung in die Hände des größten und natürlichsten Verteidigers der Kongregation, nämlich in die ihres Ordensgenerals Ricci.
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Der Kavaliere Puccini war zur Zeit der Franzosen Direktor der florentinischen Gemäldesammlung. Er hatte nur zwei Leidenschaften, eine unendliche Liebe zur Kunst und für eine gute Küche; beide beherrschten ihn so ganz, daß er sie oft verwechselte und die Kunstausdrücke beider zusammenwarf. Er sprach von der Venus von Medicis wie von einer Sache »da mangiare« und behauptete, ein Hammel à la braise sei aus der französischen Schule. Indem er eines Tages einen Römer in der Galerie umherführte, sagte er mit seiner gewöhnlichen Küchenkritik von einem der besten Bilder der Galerie: »Come questo quadre è butiroso!« (wie schön buttrig ist nicht dieses Bild); und von einem anderen: »Come è midollose!« (Wie voll Saft und Mark). – »Wenn Sie noch ein Wort mehr sagen«, unterbrach ihn der Zuhörer, indem er mit der Zunge über die Lippen fuhr, »werde ich es sofort aufessen – State zitto, che no lo mangio.«
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In der Kirche zu St. Lorenzo in Genua befindet sich der Teller aus einem einzigen Smaragd, auf dem, wie man sagt, Christus sein letztes Abendbrot verzehrte. Er steht seit dem 12. Jahrhundert unter der Aufsicht von einer Ehrengarde, und wurde alljährlich nur einmal gezeigt. Es war eine Strafe von tausend Dukaten darauf gesetzt für den, der diesen Teller berührte. Die Franzosen nahmen ihn mit. Die Restauration brachte ihn zurück; er ward aufs neue unter die Aufsicht von Rittern und Dienern gestellt und, obgleich ihn die Franzosen für ein Stück Glas erklärt hatten, wieder in alle seine Rechte eingesetzt und versichert, daß es der nämliche smaragdene Teller sei, den die Königin von Saba mit anderen Kostbarkeiten dem König Salomo schenkte.
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Festmann erzählte in seinem »Leben Friedrich Wilhelms I.«, dieser Fürst habe, als er den Feldzug von 1706 in den Niederlanden als Kronprinz mitmachte, bei dem Herzoge von Marlborough gespeist, aber niemals mehr als jeder andere, nämlich ungefähr ein Nösel Wein, über die Tafel zu trinken bekommen. Solches sei durch die allzu genaue Wirtschaft geschehen, welche der Herzog geführt, weil er seine Tafel an die Marketenderin verdungen gehabt, welche denn nicht geneigt gewesen, jemand mehr zu geben als die Portion, die in dem abgeschlossenen Akkord ausbedungen gewesen.
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An einer anderen Stelle sagt derselbe Verfasser: Reb- und Haselhühner aß der König vorzugsweise gern und getraute sich sogar herauszuschmecken, ob sie aus der Mark, aus Cleve oder aus Preußen wären. Im ganzen hielt man die preußischen für die beste Sorte; dann kamen die märkischen und am wenigsten gesucht waren die clevischen. Man sieht, der König war Gourmand, aber mit Ökonomie, und der Kronprinz erhielt von ihm Ohrfeigen, weil er mit silbernen Gabeln aß.
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Ich kann mich ärgern, wenn ich so viele Menschen noch leugnen höre, daß Essen und Trinken unter die Hauptfreuden des menschlichen Lebens gehören. (»Willibalds Ansichten des Lebens« von Ernst Wagner.)
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Es liegt tief in der Natur des Menschen, daß er alles essen will, was er liebt, und jede neue Erscheinung unmittelbar zum Munde führt, um sie da womöglich zu zergliedern. Die gesunde Wißbegierde wünscht ihren Gegenstand ganz zu fassen, bis in sein Innerstes zu dringen und zu zerbeißen. Das Betasten dagegen bleibt bei der äußerlichen Oberfläche allein stehen, und alles Begreifen gewährt eine unvollkommene Erkenntnis (F. Schlegel, »Lucinde«).
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Lichtenberg sagt: Die Völker nennen ihre Spaßmacher gern nach ihrer Lieblingsspeise. Jean Potage, Jack Pudding, Makkaroni, Pickelhering, Hanswurst, und wenn die Polen einen hätten, müßte er Kapusta heißen.
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Steigentesch pflegte von jemand zu sagen, der den Erfolg jeder Sache gleich mit den Augen wahrnehmen wollte, er sei wie die Juden, die, wenn sie der Gans vorne den mageren Knödel einnötigen, gleich zwischen den Rippen fühlen, ob sie auch schon Fett ansetze.
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Diejenigen, die in Abessinien das größte Stück mit größtem Schmatzen verschlingen können, werden, als gut erzogen, hoch geschätzt. Es gibt dort ein Sprichwort, welches sagte: Bettler und Diebe essen kleine Stücke ohne Lärm (Bruce, »Reisen in Abessinien«).
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Das Mittagessen in Kaschmir beginnt mit Kaschmirtee, einer endlosen Zahl von kleinen und großen Schüsseln mit Reis, Pilau, Kari, auf zehn verschiedene Arten zubereitet. Unter diesen ist immer ein Gericht Peschauer Reis bei weitem das Vollkommenste für den europäischen Gaumen, denn dieser Reis ist der beste in der Welt, der selbst an Ort und Stelle zwanzig Rupien für den Karvar kostet, während der von Kaschmir drei gilt. Er ist klein und dünn; allein im Sieden erreicht er eine Länge von einem vollen Zolle. Noch zwei Speisen verdienen Beachtung: die roten Rebhühner Kaschmirs mit Rewasch (Kabul-Rhabarber) und Hühner mit Morcheln, beides vortreffliche Gerichte. Der dritte Gang besteht in einer großen Menge von eingesottenen und frischen Früchten, unter den ersteren Melonen und Trauben; endlich andere süße Gerichte.
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Bei der Feier zur Genesung Georgs III. im Jahre 1789 gab es in London große Gastmähler. Bei einem derselben setzte man ungeheure Ochsenbraten von zwei- bis dreihundert Pfund auf den Tisch; sie hatten die Form von Linienschiffen und waren mit Flaggen besteckt, auf denen das berühmte Volkslied »God save the king« gemalt war. Diese kolossalen Gerichte wurden in feierlicher Prozession unter musikalischer Begleitung in die Speisesäle getragen, unter tausend Zeremonien, vom Jubel des Volks begleitet, einige Zeit zur Schau gestellt, und dann dessen Begierde preisgegeben.
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Bei der Krönung Georgs IV. bedurfte es zum Bankett: 160 ungeheure Suppenschüsseln, 400 Melonen, 35 049 Pfund Rind-, Kalb- und Schöpsenfleisch, 160 Schüsseln Gemüse, 320 Fische, 3010 Stück Geflügel, 240 Stück großes Wild, Pasteten, Gelees und Cremen 1200; Speck und Butter 3042 Pfund; 8400 Eier; 100 Tonnen Porter, 9840 Flaschen Ale und Wein und 100 Gallonen Punsch à la glace.
Nach einem englischen Journal gab der Bischof von Exeter bei Gelegenheit seiner Ernennung zum Erzbischof von York ein Mahl, für welches verbraucht wurden: 300 Sack Mehl, 300 Faß Bier, 100 Faß Wein, 80 fette Ochsen, 6 Stiere, 1000 Schafe, 300 Schweine, 3000 Kälber, ebensoviel Gänse, 2000 Kapaunen, 300 Spanferkel, 100 Pfauen, ebensoviel Kraniche, 200 Rehe, 2000 Hühner, 4000 Tauben, ebenso viele Kaninchen, 4200 Enten, 400 Reiher, 200 Fasanen, 500 Rebhühner, 4000 Bekassinen, 400 Brachvögel, 1000 kleine Buschreiher, 600 Hirsche, 1056 heiße und 4000 kalte Pasteten, 1000 Schüsseln Gelees, 4000 Schüsseln Kuchen. Der Anordner des Festes war der Herzog von Warwick, der Schatzmeister der Herzog von Bedford und der Kontrolleur Lord Hastings. 1000 Bediente und 82 Köche waren beschäftigt.
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Gib kein Diner, wie man dem Bettler eine Gabe reicht, ist eine gute Regel.
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Gib den andern nicht so zu essen, wie du nicht willst, daß dir die andern zu essen geben, ist Küchenmoral. Wohlergehen ist der Zweck der Moral und der Küche.
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Bei Repräsentationsdiners gibt es meist kalte Suppe, warmen Champagner, und was dazwischen liegt, ist lauwarm.
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In einem Heft meiner Reisejournale finde ich (unterm 24. Oktober 1824 aus Bayreuth datiert), daß ich bei der Frau von Herder mit Jean Paul einen Besuch abstattete. Therese Huber, erste Gemahlin von Georg Forster, war von der Gesellschaft und behauptete, Rumohrs Kochbuch sei eine Satire auf den Karlsbader Kongreß. Ich widersprach dem auf das entschiedenste und beredete Jean Paul, der kein Freund von Bücherkaufen war, sich dies Buch anzuschaffen, das ganz für ihn passe. Er versprach es, drohte mir aber mit Rache, wenn es ihm nicht munden würde. Ich hatte die Genugtuung, daß es ihm so gefiel, daß es seiner Tochter zur Ausstattung mitgegeben ward.
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Nicht bloß von dem gedruckten Küchenzettel, sondern auch von dem geschriebenen läßt sich auf den Geist der Küche schließen. Ich werfe nur einen Blick, aber es ist, hoffe ich, ein Kennerblick, in einem Gasthause auf die Speisekarte, um zu sagen, ob ich essen will oder schon satt bin. Starke kräftige Schriftzüge verraten eine solche Kost, und sind sie noch dazu regelrecht geschrieben, so läßt sich schon etwas mehr erwarten. Ist sogar die französische Orthographie richtig, so ist wohl gar ein französischer Koch in der Küche, wenigstens daselbst einige geistige Küchenbildung. Eckige, zugespitzte Buchstaben verraten pikante Saucen; abgerundete, glatte aber mehr weiche und süßliche. Wo sich ein liederlich hingekritzelter, falsch geschriebener Zettel befindet, da ist es unsauber und schlecht; man setze sich lieber nicht erst zu Tische.
Diese meine Theorie über die geschriebenen Küchenzettel wurde nur einmal, aber freilich ganz und gar zuschanden. Ich kam in mißmutiger Stimmung nach jahrelangem Aufenthalt in Italien nach Deutschland; mir ging es wie Winckelmann: die spitzen Dächer waren mir zuwider. Im schönsten Frühlingswetter war ich durch die Lombardei gefahren, über Verona, längs der Adige; Öl- und Zypressenbäume hatten mich begleitet, und selbst die Felsen waren grün belaubt und bewachsen. Nach achtundvierzig Stunden fuhr ich zwischen wildem Schneegestöber durch das Pustertal nach Innsbruck und stieg in der »Goldenen Sonne« ab. Es war Mittagszeit, ich fand einen elend geschriebenen Küchenzettel und den Kellner mit dem bekannten »Was schaffen S'?«. Ich forderte Austern und Gänseleberpasteten und Trüffeln und erhielt zu meiner Beschämung nur etwas Besseres. Prächtige Lachsforellen, Spargel, dick und lang gestreckt wie die Zedern des Libanon, auf der Zunge zerfließend wie Butter, kurz Spargel, wie man ihn in Italien nie findet, und endlich ein köstlich gebratenes Haselhuhn.
Ich war mit meinem Vaterland, selbst mit den Dächern, vollkommen ausgesöhnt.