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Je vais, dans mon ardeur poétique et divine,
Mettre au rang des beaux-arts celui de la cuisine.
Berchoux
Das Fleisch des Geflügels ist trocken, weniger reich an Gallert als das von Säugetieren. Es ist leicht verdaulich, gibt aber eine weniger dauerhafte Nahrung. Bei den Vögeln ist die Muskelfaser stark entwickelt, zumal bei den Raubvögeln, zum Teil in Sehnen- und Knochengewebe übergegangen, daher das Fleisch derselben oft ungenießbar wird. Das Fleisch der Wasservögel steht auf einer zu niederen Animalisationsstufe, nähert sich mehr dem der Fische, ist meist reichlich mit einem öligen Fett durchwebt, daher schwer verdaulich. (Gänse- und Schweinefleisch stehen einander in der Wirkung sehr nahe.) Am genießbarsten sind die körnerfressenden, hühnerartigen und die Singvögel. Hühner- und Taubenfleisch ist leichter zu verdauen als Rindfleisch. Die alten Ärzte leiteten von dem zu häufigen Genusse der Hennen das Podagra ab. Taubenfleisch erregte nach der Meinung der Araber Fieberbewegungen und Anfälle von Melancholie. Der Marschall Mouchy behauptete dagegen gerade umgekehrt, Taubenfleisch habe etwas Trostbringendes. Wenn ihm ein Freund starb, ließ er sogleich Tauben an den Spieß stecken. Ich habe, sagte er, jederzeit bemerkt, daß sich, nachdem ich auch nur zwei Tauben gegessen, meine Traurigkeit bedeutend vermindert hatte.
Vögel sind gesund, weil sie in freier Luft in beständiger Bewegung leben; sie geben für Gelehrte, Frauen und Kinder eine gesunde Nahrung. Es ist ein Vorurteil, die Schenkel aller Geflügel gering zu achten. Die Oberschenkel sind meist vortrefflich; bei Zugvögeln ist ganz besonders die Brust, die soviel gegen die scharfe Luft anliegt, sehr hart.
Wenn schon zu Horaz' Zeiten anerkannt wurde, daß die Fische unter der Tiberbrücke einen verschiedenen Geschmack von anderen Fischen hatten, so sind wir jetzt in der Gastrosophie weiter. Und um wieder auf die Schenkel des Geflügels zu kommen, so ist es z. B. ganz bekannt, daß gewisse Vögel, als Trappen, Gänse, gern auf einem Beine stehen, ja schlafen; aber es ist weniger bekannt, daß eine Gans, die heute auf dem linken Fuße schläft, auch morgen, weil auch die Tiere Gewohnheiten haben, auf demselben Fuße ruhen wird, vorausgesetzt, daß nicht örtliche Gründe das verhindern. Ich kann der Wahrheit gemäß versichern, einen Gastrosophen gekannt zu haben, der es der gebratenen Gans ansah, welcher Schenkel so lange der Träger des Tieres gewesen war. Dieser ist an der jungen Gans der bessere, weil er kräftiger, ausgebildeter, saftiger ist; daher aber auch bei der alten Gans schlechter, weil er früher zähe, hart und dürr wird.
Im allgemeinen darf man annehmen, daß die Brust aller Vögel der trockenste Teil derselben ist, weil sie beim Fliegen am meisten leidet; aber darum nicht der weniger zarte. Denn das Brustfleisch umhüllt den entschieden besten Teil des Vogels, das Filet, das zarteste, feinschmeckendste und saftigste Stück seines Fleisches. Die Brust ist aber bei jungen und feuchten Vögeln besser, bei alten und trockenen hingegen schlechter als die übrigen Teile. Bei vielen viel fliegenden Vögeln ist der Flügel am fleischigsten; bei dem Hausgeflügel, das mehr zu Fuße geht, der Schenkel. Großes Geflügel ist schwerer, kleines leichter zu verdauen; doch gibt dieses eine leichtere, jenes eine festere und vorhaltende Nahrung. Diejenigen Geflügel, die weiß von Fleisch sind, sind am mildesten und leichtverdaulichsten. Rohsaftiger, schwerer und zäher von Fasern sind die, die braunes Fleisch haben. Vögel, die sich von Beeren und Getreide nähren, sind gesünder und süßblander von Geschmack als die, die Insekten fressen.
Hühner. Will man eine reine Art haben, so müssen sie besonders ausgesucht werden und einen Hahn von gleicher Rasse haben. Will man die Gattung vervollkommnen, so müssen edlere Arten dazu getan werden. Die Alten haben sogar unsern gewöhnlichen Hühnern mit Erfolg einen Fasan, statt eines gewöhnlichen Hahns beigesellt. Die Eier dieser Brut sind gleich den Fasaneneiern schwarz gesprenkelt, aber größer als diese; sogar mit Perlhühnern ist dieser Versuch geglückt. Obgleich Hahnenfleisch trocken ist, so ist dasselbe doch gut zu Saucen und Gallerten; ja, der älteste Hahn ist dazu der beste. Ein altes Sprichwort sagt: Alte Hennen geben fette Suppen.
Geflügel und ganz vorzugsweise das Huhn ist die Zierde der Tafel, das Herz das innerste Leben derselben. Das Huhn hat den ersten Rang in der Küche, es ist der Proteus derselben, der in hundert Verwandlungen liebenswürdig erscheint; aber es steht nur in Frankreich auf der Spitze seiner Vollkommenheit, sowohl nach seiner Natur als in seiner kulinarischen Behandlung. Das Huhn erscheint auf den Tafeln Frankreichs doré, d. h. an allen hervorragenden Teilen: der Brusthöhe, dem Rücken, den Schenkeln, Flügeln und der Kapelle, bräunlich gelb; alle zurückweichenden Teile dagegen müssen blendend weiß sein. Dies zu bewerkstelligen ist allerdings ein Triumph der Kunst; mit dem kleinsten Stich oder Schnitt muß aber die saftige Jus herausquellen. Das Mästen, Stopfen, Poulardieren der Hühner wird in Frankreich als Wissenschaft getrieben, und die Normandie und Pikardie stehen im höchsten Rufe der Geflügelzucht. Vergebens ist der Wetteifer aller anderen Provinzen; denn alle guten Küchen in Paris beziehen von dorther ihr Geflügel.
Als der Prinz Heinrich, Bruder Friedrichs des Großen, in Paris Hühner gegessen hatte, tat er alles Mögliche, um in Rheinsberg eine ähnliche Rasse zu erzielen. Er ließ Poulardenhäuser nach den französischen Mustern bauen, mit großen Kosten berühmte Hühnermäster von dort mit den besten Hühnern kommen; aber die Rasse artete sehr bald aus. Man glaubte, es läge am Wasser, welches in der Normandie von vorzüglicher Güte für das Geflügel sein soll. So gehört dem Huhn der Normandie und Pikardie unbezweifelt der Preis in Europa; aber der steierische Kapaun und die Warschauer Poularde können sich denselben ganz füglich an die Seite stellen; selbst die neuere Hamburger Hühnerzucht erzielt Hühner, welche dem Poulet à la reine von Frankreich kaum noch nachstehen. Daß aber jeder einzelne bei uns Hühner ziehen, die er für Poularden der Normandie ausgeben und von Chevet getrüffelt zu haben behaupten mag, das hat kürzlich eine sehr werte Anverwandte von mir bewiesen, und der in diesem Punkte sehr kenntnisreiche französische Gesandte, Monsieur d'André in Dresden, bezeugt.
Wenn man im Mai mit Maikäfern, die die ersten feinsten Blüten, Keime und Knospen, die Quintessenz von ganzen Wäldern, im Leibe haben, Hühner mästet – Maikäfer sind übrigens ihr Lieblingsfutter –, so werden die Hühner sehr fett und schmackhaft. Solche Hühner sind bei uns selten und sollten mit Gold aufgewogen werden, wie bei dem Kreuzzuge Friedrich Barbarossas, wo man, nach Raumer, in Philippopolis ein Huhn, wegen des Wohlgeschmacks, für acht Ochsen verkaufte.
Durch Unreinlichkeit wird besonders bei uns eine gute Mast der Hühner ganz unmöglich. Man sperrt die Tiere in enge Ställe; ihr eingeweichtes Futter wird ihnen in großer Menge vorgeworfen – ein für die Leute höchst bequemes, aber ganz unpassendes Verfahren. Denn nun wird dasselbe, besonders im Sommer, bald sauer; die Tiere fressen nicht mit Begierde, nicht mit Lust, nur aus Hunger; denn nicht die Menge der Nahrungsmittel, sondern auch ganz besonders die Schmackhaftigkeit würzt Menschen und Tieren die Nahrung und muntert zum Genuß derselben auf. Man muß recht oft und immer recht wenig Futter vorwerfen lassen; aber der Befehl nützt gar nichts, das tut nur die allerpenibelste Aufsicht. Noch schlimmer ist es mit dem Wasser, welches die Tiere bei ihrer Lebendigkeit und der Ungeduld im ungewohnt eingeschlossenen Räume schnell verunreinigen und die Menschen selten wechseln. Sehr zweckmäßig ist daher, darauf zu sehen, wenn man es nur irgend möglich machen kann, ein fließendes Wasser durch die Wasserrinne des Hühnerstalles oder wenigstens des Mästungsverschlages leiten zu lassen. Dies wird das sehr schnelle Gedeihen der Hühner zur gewissen Folge haben.
Die berühmte Madame Geoffrin führte zu ihrer Zeit in Paris die hohe Polizei des guten Geschmacks. Bei einer ihrer Mahlzeiten unterbrach sie mehrere Male einen langweiligen Erzähler aus der Fremde. Um ihn endlich zur Ruhe zu bringen, schob sie ihm eine Poularde zum Tranchieren vor, und als sie sah, daß der Erzähler das Tranchiermesser zur Seite liegen ließ, um sich eines kleineren Messers zu bedienen, sagte sie zu ihm: »Mein Herr, um hierzulande zu gefallen, muß man bei Tische große Messer und kleine Geschichten zur Hand haben.«
Die alten Syrier verehrten die Hühner wegen der Güte ihrer Eier. Pythagoras fand den strafbar, der Hühnereier verzehrt hatte. Man betrachtete das Ei als Sinnbild der Erde und der vier Elemente. Die Schale, sagten die Philosophen, repräsentiert die Erde, das Weiße das Wasser, das Gelbe das Feuer und die Luft findet sich unter der Schale. Die Römer zogen die länglichen Eier den mehr runden vor.
Nach Fleisch gibt in der Küche nichts mehr Ausbeute als Eier – sie sind ein Hauptfundament jeder Küche; fast alle Saucen, Ragouts, Entremets, wie die verschiedensten Sorten von Pasteten nehmen Eier in Anspruch. Ohne Eier keine Cremes, keine Mehlspeisen. Eier sind im allgemeinen ein gesundes Nahrungsmittel, aber ihre Wirkung hängt meist von der Behandlungsart der Köche ab. Nichts ist leichter zu verdauen, gesünder, nahrhafter als ein frisches, nichts schwieriger als ein altes Ei. Ein Hauptvorteil der Eier ist, daß sie schnell zu Ehren eines unverhofft gekommenen Gastes ein neues Gericht auf die Tafel schaffen und daß sie eine unbeschreibliche Hilfsquelle für alle möglichen Küchenvorteile gewähren. Die allerfeinsten Eier von Geschmack sind die der Perlhühner.
Ente. Der Mensch, sagt Buffon, hat eine doppelte Eroberung gemacht, da er sich Tiere unterworfen hat, die zugleich Luft und Wasser bewohnen. In der Pikardie werden die zahmen Enten am sorgfältigsten erzogen, wie denn auch zugleich die Jagd der wilden Enten dort am ergiebigsten ist. Die Canetons de Rouen sind eines der zartesten Geflügel. Sie sind deshalb so delikat, weil man diese Entenart dort hindert, in das Wasser zu gehen, und sie – avis au lecteur – sehr rein hält.
Gans. Johann von Mailand, ein berühmter Arzt, der im zwölften Jahrhundert lebte, schrieb lateinische kulinarische Aphorismen in Versen; von der Gans sagt er sehr richtig:
Auca petit Bacchum mortua, viva lacum.
Ich übersetze es etwa:
Gänse wollen immer im Nassen sein,
Lebendig im Wasser und tot im Wein.
Scaliger hat die Gans sehr hochgeschätzt. Nach ihm sind die Gänse das Sinnbild der Vorsicht, weil sie sich bücken, wenn sie unter einer Brücke fortschwimmen, wie hoch der Bogen auch sein mag. Sie sind so verständig, daß sie, wenn sie über den Taurus ziehen, wo viele Adler horsten, in Furcht, durch ihr Geschnatter ihre Nähe zu verraten, Steine in die Schnäbel nehmen sollen, um ihre Geschwätzigkeit unmöglich zu machen. Endlich sind sie für die Erziehung empfänglich; denn der Chemiker Memery sah eine Gans, die den Spieß drehte, um Truthühner zu braten. Nausea, Bischof von Vienne, sagt in seinem Leben des heiligen Martin, daß dieser Glückliche alle Tugenden der Gänse gehabt habe, daß er mäßig, enthaltsam und wachsam gewesen sei. Die ersten gallischen Christen gaben den Gänsen einen Patron in der Person des heiligen Ferréol, von dem Rabelais sagt, daß er nichts geliebt habe als junge, frische Mädchen und fette Gänse.
Die Gans hat ein widrig rotes, zähes, hartes, schwer verdauliches Fleisch. Eine junge, magere, im Freien erzogene, frisch gebratene Gans ist zum Genusse die gesündeste. Ich lasse sie mir am Martinstage gefallen; damit habe ich genug fürs Jahr. Nicht öfter verlange ich das damit verwandte zahme Entenfleisch, und mit Tauben – ich nehme natürlich die à la Provençale rühmlichst aus – bitte ich mich, außer in der Suppe, gänzlich zu verschonen.
Die Gänselebern feuchteten die Römer gleich nach dem Schlachten der Gans mit Milch an, um ihnen noch mehr Umfang zu geben. Ganz weiße, mit Feigen gemästet, gehörten (nach Horaz) zu den Delikatessen der römischen Großen. An manchen Orten sticht man den Gänsen, die man mästet, die Augen aus, damit sie von nichts Äußerem zerstreut werden; es ist aber wenigstens menschlicher, ihnen bloß die Augen zu verbinden, wodurch dasselbe – ohne die schmerzliche Operation – erreicht wird. Auch hängt man sie in Säcke auf, damit sie sich weniger bewegen können. Eine gewiß geistreiche Gans, deren Leber schon so groß als sie selber war, legte sich eines Tages die natürliche Frage vor: Wer bin ich denn? Bin ich die Gans oder bin ich die Leber?
Merkwürdig ist's, daß von den beiden, im allgemeinen ihres Fettes wegen für am ungesündesten gehaltenen Fleischarten: dem Schwein und der Gans – letztere jedenfalls ungesünder wegen der Tranigkeit des Fettes – das geräucherte und gesalzene Fleisch so sehr geliebt wird. Denn von der Gänsebrust gilt, nur im minderen Grade, alles, was vom rohen Schinken gilt.
Truthühner sind zart und saftig, fein von Fasern, schön von Farbe, trefflich von Geschmack. Der bekannte Baron Pöllnitz sendete Friedrich dem Großen (nach Preuß) einen mit Walnüssen gemästeten Truthahn, den der König vortrefflich und wie einen Straußen groß fand. Ich habe solche Fütterung probat gefunden. Die Straßburger, mit Trüffeln gefüllten, die weit und breit verwendet werden, sind die vorzüglichsten. Von Anfang November bis Ende Februar werden (nach Brillat-Savarin) in Paris 36 000 getrüffelte Truthühner verzehrt und das Stück etwa mit 20 Franken bezahlt. Eine gleiche Summe, meint er, wird in dieser Zeit für getrüffeltes anderes Federvieh bezahlt, was etwa 2 ½ Millionen Franken gibt, ein hübsches Sümmchen. Aber der Preis ist durchaus nicht fest und richtet sich nach dem Trüffeljahre. Indes ist mir in meiner mehrjährigen Erfahrung niemals vorgekommen, daß ein Dindon truffé de Perigord in Paris für 20 Franken zu haben sei. Soviel kosten ein paar Rebhühner oder eine kleine Poularde. Ich sah sie immer mit 80 bis 100 Franken bezahlen und erinnere mich, daß sie im Winter von 1837–1838 mit 300 Franken bezahlt wurden. J. H. Voß singt vom Puter:
Romantisch siehst du aus, o Puter,
Doch schmeckst du klassisch, Seelenguter.
Der Fasan hat hier unbezweifelt den ersten Rang, aber nicht der aus der Fasanerie, sondern der aus der Wildnis; denn nur da ist er von königlichem Geschmack. Der kostbarste Schatz des Argonautenzuges war nicht das goldene Vlies, sondern der Fasan von den Ufern des Phasis, daher auch der Name. Noch heutzutage sind die aus Kolchis und Mingrelien die schönsten und größten, die man kennt. Marco Polo versichert, daß die den Tataren unterworfenen Länder die größten und langgeschwänztesten Fasanen liefern. Nach dem ersten Frost sind sie am schmackhaftesten. Ein Freund von mir ließ sie mit bestem Erfolg in seiner Fasanerie poulardieren; sie wurden fetter, und das Fett ist ihr seltener Vorzug. Bei uns sind wohl die böhmischen die vorzüglichsten, weil sie mehr wild als z.B. die schlesischen sind. Nach Peter, dem Märtyrer, waren Fasanen und Pfauen zu seiner Zeit dem gemeinen Volke in Spanien zu essen verboten.
Mulcaß, König von Tunis, der zu einer Zusammenkunft mit Kaiser Karl V. nach Neapel kam, ließ die Gerichte mit wohlriechenden Spezereien in solchem Maße füllen, daß unter anderem zwei Fasanen und ein Pfau 200 Dukaten kosteten. Es wurden aber auch, als man sie zerlegte (nach Montaigne), nicht nur der Saal, sondern alle Gemächer seines Palastes und die Straßen umher mit einem sehr lieblichen Geruch erfüllt, der sich nicht sobald wieder verlor. Berchoux läßt diesem Ereignis seinen Ruhm; er singt:
Ajoutez que dans Naples un généreux tyran
Paya cent écus d'or pour la sauce d'un faisan.
Das Rebhuhn ist zart, gesund und leicht verdaulich; am schmackhaftesten, wenn es sich von Weizen genährt hat. Das Rebhuhn hat zwei Eigenschaften, die man selten vereint findet – es ist sehr saftreich, ohne fett zu sein.
Glauben Sie, fragte ein Philosoph ein Weltkind, daß es dem Menschen erlaubt ist, ein Rebhuhn zu töten? – Ganz gewiß, war die Antwort, wenn der Mensch auf seinem eigenen Terrain oder dort jagt, wo er ein Recht dazu hat, und wenn – die Jagd auf, und nicht gerade Schonzeit ist. Sie verstehen mich nicht, entgegnete der Philosoph, ich frage, ob Sie glauben, daß der Mensch, und wenn er auch nicht gegen die drei von Ihnen gestellten Bedingungen verstößt, das Recht hat, ein Rebhuhn, ein Geschöpf Gottes, zu töten? – Unbezweifelt, besonders, wenn er essen will! – Sie glauben, fuhr der Philosoph in unerschütterlicher Ruhe fort, daß man ein Rebhuhn essen darf? und jener entgegnete ebenso ernst: Ja, wenn es gut, wenn es à point gebraten ist.
Aber Pythagoras sagt das Gegenteil; ich weiß es und bedauere ihn. Aber die Frage ist: ob wir die Rebhühner essen sollen oder sie uns. Die Rebhühner haben jährlich fünfzehn bis zwanzig Junge, lassen wir sie und ihre ganze Nachkommenschaft zehn Jahre in Ruhe, so werden sie zahlreicher als die Fliegen sein, und sie werden Korn und Hafer und alle Weintrauben obendrein verzehren. Ergo, essen wir die Rebhühner, weil wir der Pferde bedürfen; essen wir sie, weil wir gern Wein trinken und besonders, weil wir Brot nicht entbehren können. Pythagoras war ein großer Philosoph, aber er verstand nichts von der Küche; ich lasse ihn reden und esse Rebhühner und was mir sonst schmeckt. Es ist übrigens ausgemacht: wenn man auf alle Welt hören wollte, so dürfte man niemand essen.
Das Haselhuhn lebt einsam in den Haselgebüschen des mittleren Europa. Das schwedische (Hjärpe) ist das schmackhafteste von allem Geflügel; man kann sich in Deutschland bei strengem Frost leicht dergleichen von Schweden kommen lassen. Das Haselhuhn ist mürbe, zart, gesund und sehr delikat. Man tut gut, dasselbe vor seiner Zubereitung in eine Mischung von halb Wein und halb Weinessig zu legen. Wegen ihres delikaten Geschmacks haben sie im Lateinischen den Namen Bonasa erhalten, und in Ungarn heißen sie Tschasarmadar, was ebensoviel als Kaiservogel heißt, weil ein solcher Braten nur für die kaiserliche Tafel gehöre. Er ist (nach Geßner) das einzige Wildbret, das auf fürstlichen Tafeln zweimal aufgetragen wurde.
Schnepfen und Bekassinen sind fett und wohlschmeckend; am besten sind sie im Herbst. Der Kaiser Tiberius gab dem Asellius Sabinus ein großes Geschenk (8000 Taler) für ein Gespräch zwischen den über ihren Wert streitenden Schnepfen, Austern, Krammetsvögeln und Morcheln.
Wachteln sind wohlschmeckend, nahrhaft, aber schwer verdaulich. Im Orient gibt es eine unendliche Menge derselben, in Konstantinopel sind sie das allergemeinste Essen, das niemand verlangt. Sie kommen auf ihrem Zuge von Rußland nach Afrika hier durch und bedecken mit ihren zahlreichen Schwärmen das Land weit und breit. Berühmt ist der Wachtelfang von Capri, der des dortigen Bischofs Hauptrevenue bildet – wenn ich nicht sehr irre, 5–6000 Ducati (à 1 1/2 Taler) –, indem gegen 60 000 jährlich auf ihrer Reise von und nach Frankreich und Spanien, auf welcher sie wunderbarerweise auf den Scoglien (Felsen von Capri) ausruhen, mit Netzen gefangen werden, während sie die anderen Inseln in der Nähe nicht berühren.
Die Lerche ist mürbe, nahrhaft, leicht verdaulich. Die Korn- und Sanglerchen sind die delikatesten und unter diesen die Lerchen ohne Busch besser als die Haubenlerchen. Die Heidelerche ist an Geschmack und Güte des Fleisches die schlechtere. Die Lerchen, die sich im Herbst von wildem Knoblauch gemästet haben, sind die gesündesten und zugleich die schmackhaftesten. Der Dr. Lister, der feinschmeckende Leibarzt der noch feiner schmeckenden Königin Anna, der über Naturgeschichte geschrieben hat, behauptet, daß, wenn zwölf Lerchen nicht zwölf Unzen wiegen, sie kaum genießbar, daß sie leidlich, wenn sie so schwer, und vortrefflich, wenn sie dreizehn Unzen wiegen.
Krammetsvögel sind ein schmackhaftes Gericht. Die Römer hielten sie das ganze Jahr in großen, viele Tausend Krammetsvögel, Ortolane und Wachteln enthaltenden Vogelhäusern. Weil sie sehr gut genährt wurden, vergaßen sie ihre Gefangenschaft, wurden fröhlich und – sehr fett. In Deutschland gab es, bevor sich die russischen Truppen soviel darin umgesehen hatten, mehr Krammetsvögel, denn die Russen verschmähten sie früher und lernten sie erst bei uns schätzen. Der Krammetsvogel hat, wenn er sich mit Wacholder und Ebereschen gemästet hat, ein delikates, gesundes und leicht verdauliches Fleisch.
Die Drosseln fressen in einem Tage soviel als sie wiegen, wie denn im allgemeinen die Vögel im Verhältnis zu ihrer Größe mehr fressen als die Säugetiere. Der Grund liegt in ihrer vermehrten und schnelleren Tätigkeit.
Die Ortolane. Man gibt bei uns dem Wendehals den Namen Ortolan. Auch der Wendehals ist sehr schmackhaft. Er fängt sich zuweilen in Sprenkeln; man muß ihm alsbald die Zunge ausreißen, weil er sonst nach Ameisen schmeckt. Die Ortolane kommen im April zu uns und streichen im August wieder weg. Sie sind, wenn man sie fängt, selten fett. Man setzt sie in ein Zimmer, in welches kein Tageslicht kommen kann, und erleuchtet dasselbe mit Lampen, damit die Ortolane nicht Tag und Nacht unterscheiden können; darin läßt man sie frei umherlaufen und gibt ihnen sehr reichlich Hafer und Hirse. Bei dieser Behandlung werden sie außerordentlich fett. Die auf den Ebenen von Toulouse sollen noch schmackhafter sein als die italienischen; diese sind im Winter selten, also teuer. Man versendet sie in mit Hirse gefüllten Kasten weit und breit. Die Ortolane werden in Wasser gekocht oder in Eierschalen, wie man sonst die Feigenfresser zu bereiten pflegte.
Die meisten Ortolane werden auf der Insel Zypern gefangen; sie werden, nachdem man sie in heißem Wasser etwas hat aufwallen lassen, mit Gewürzen in Essig gelegt und halten sich dann Jahr und Tag. Es werden jährlich aus Zypern 400 Fässer versendet, jedes Faß enthält mehrere hundert Ortolane. Wenn man sie halbiert und mit Petersilie und geriebener Semmel auf den Rost legt, erhalten sie einen trefflichen Geschmack.
Jedes Tier hat Teile, die besser sind als die andern. Wer wird die Schenkel des Hasen, den Schwanz des Karpfens essen? Bei allen fetten Vögeln, also namentlich bei dem Ortolan, ist das Ende das Beste. Man hüte sich, die Knochen desselben bloß zu benagen; sie wollen zernagt sein. Diese kleinen und überaus zarten Knochen enthalten einen süßen Saft. Ohne Knochen verschwindet der Vogel zwischen den Zähnen; man muß sich zum Zermalmen seiner Knochen Zeit lassen. Diese Operation bringt uns viel nahrhafte Substanzen und ist der Verdauung höchst förderlich :
On nous vante les vertus
De Platon et de Titus;
Le bon convive préfère
Celle qui fait qu'on digère.
Der Ortolan à la Provençale kommt in großen, ausgehöhlten Trüffeln nach Paris. So wird er in die Pfanne getan, erhält gleichzeitig gelindes Feuer von unten und oben und wird im eigenen Fette gebraten. Goethe sagt:
Das ist eine von den größten Taten,
Sich in seinem eig'nen Fett zu braten.
Entweder er hat vom Ortolan prophezeit oder er kannte dies Verfahren und daraus ließe sich auf Gastrosophie schließen.
Der Strauß. Apicius verschrieb eine scharfe Sauce zu Straußfleisch, was schon allein beweist, daß der Genuß des Straußfleisches bei den Römern üblich war. Auch ließ Heliogabalus einmal das Gehirn von 600 Straußen zu einer einzigen Mahlzeit auftragen. Dieser Kaiser hatte die Grille, täglich nur einerlei Fleisch: als Fasanen, Strauße, Schweine zu essen. Neuere französische Reisende versichern, daß an einem einzigen Straußenei sich wenigstens acht Menschen sättigen können.
Flamingo. Heliogabalus ließ auf seinen Tisch Schüsseln von Flamingozungen bringen. Sueton sagt, daß Vitellius die Delikatessen aus allen Weltteilen zusammenbrachte, bei seinen Gastmählern Lebern von Scaren, die Milch der Muräne, Fasanengehirn und Flamingozungen aufsetzen ließ. Martial, der die Römer wegen ihres verheerenden Geschmacks beschimpft, sagt bei diesem Vogel, daß sein schönes Gefieder stark in die Augen gefallen, und daß seine Zunge ein Raub der Fresser geworden, als wenn diese Zunge ihren verderbten Gaumen ebenso hätte kitzeln sollen als die musikalische und reizende Zunge der Nachtigall. – –
Wo soll ich die Ragouts hinbringen? Ich denke fast überall! Sie können aus allem Fleisch, und vielleicht am besten aus Vögeln bereitet werden. Eine Tafel für Gastrosophen erfordert immer einige Ragouts, welche den Appetit reizen. Zuweilen zieht man einzelne Trüffeln oder Lebern vor. In diesem Falle gehören sie zu den Entremets. Ragouts sind oft unverdaulich. Ein Gourmand nimmt es damit nicht so genau, er erwartet ein kleines Magenübel mit Stoizismus; dies ist ihm so gewöhnlich wie dem Helden das Kanonenfeuer; er schläft immer gut unter demselben.
Die Pasteten sind das für die Küche, was die Redefiguren für das Gespräch sind – ihr Leben, ihre Zierde. Eine Anrede ohne alle rednerische Figur ist ein Diner ohne Patisserie. Nicht jedermann kann ein Redner sein; ebensowenig ist jeder Koch ein Pastetenbäcker, und diese sind selten so gut als jene. Wie man in der Geschichte kaum fünf oder sechs große Redner kennt, so hat man Mühe, in der Geschichte des Backofens fünf oder sechs große Männer zu finden. Alle Patisserien waren sonst schwer, massiv, ohne Geist und Grazie; jetzt erscheinen sie selbst auf den mittelmäßigen Tafeln Frankreichs, oft in den liebenswürdigsten Formen, deren Rand mit allerlei Figuren in Basrelief verziert zu sein pflegt, die aber doch nie selber irgendeine Figur bilden wie die Aufsätze der Konditoren beim Dessert, welche oft als Blumengarten, Leuchtturm, Bollwerk mit Graben und Kanonen, als schönste tropische Pflanze, gleich angenehm für Geruch, Gesicht und Geschmack, in Verbindung des Schönen und Nützlichen erscheinen. Daher die Weisheit des Verses von Delavigne:
– – dans le siècle ou nous sommes,
C'est avec le diner qu'on gouverne les hommes.
Man hatte, namentlich in Frankreich, einmal angefangen, den Inhalt der Pastete durch deren äußere Form andeuten zu wollen, ist aber längst von dieser Geschmacklosigkeit, z. B. eine Entenpastete als eine Ente zu formen, zurückgekommen und gibt derselben höchstens die Form eines hetrurischen Gefäßes.
In Italien bereitet man vortreffliche Pasteten aus Sardellen, Oliven, Kapern und starken aromatischen Kräutern.