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Auf dem großen Kohlblatt draußen im Gemüsegarten ging es recht lustig zu. Das Blatt hatte gar viele Zellen, und jede Zelle war eine kleine Stube.
Die schönste Wohnung hatte die Familie Mücke mit ihren zahlreichen Kindern inne; das waren sehr vornehme Leute! Die bewohnten eine Sechszimmerwohnung auf dem Kohlblatt, und Köchin und Kindermädchen hielten sie sich auch. Aber trotzdem waren sie nicht allzu stolz.
Sie verkehrten gar freundschaftlich mit Herrn und Frau Fliege, die doch nur eine Stube, Kammer und Küche bewohnten. Das war für die einzelnen Leute, deren Kinder schon alle auf eigenen Flügeln in der Welt herumflogen, ja auch mehr als genug!
Die dritte Wohnung auf dem Kohlblatt hatte die verwitwete Frau Motte mit ihrer Tochter inne, und die drei Familien hausten als getreue Nachbarn miteinander.
Da verliebte sich ein prächtiger Mottenkönig in Fräulein Motte, und sie zog mit ihm auf sein Schloß, in das rote Plüschsofa des Herrn, dem der Kohlgarten gehörte.
Das gab eine herrliche Hochzeit; zwölf Glühwürmchen tanzten eine Fackelpolonaise, und Familie Mücke und Fliege waren natürlich auch dazu geladen. Auch Frau Biene, die gar nicht weit von der Kohlblattwohnung in einem schönen Bienenstock wohnte, erschien mit Kind und Kegel. Sie brachte als Hochzeitsgeschenk drei Fäßchen süßesten Honig mit und zwölf kleine Wachslichte.
Aber als die Hochzeit vorüber war und das junge Paar davongeflogen, war es Frau Motte doch recht einsam in ihrer Wohnung. Auch war ihr dieselbe, nun sie ganz allein dastand, zu groß, so hing sie eines Tages ein Schild an das Kohlblatt, darauf stand: »Hier ist ein freundliches, möbliertes Zimmer mit Morgensonne zu vermieten, aber nur an Leute, die nicht Klavier spielen« – denn das hatte Frau Motte ihren lieben Nachbarn versprechen müssen.
Es kamen gar viele, um das Zimmer zu besichtigen; aber ein jeder war der Frau Motte auch nicht recht.
Frau Schnecke war ihr zu unsauber; Frau Spinne konnte sie doch unmöglich aufnehmen, die hätte eines Tages am Ende das alte Ehepaar Fliege aufgefressen, und so stand das Zimmer eine Zeitlang leer.
Da kam wieder eines Tages eine junge Dame nach dem Zimmer, Fräulein Raupe, so nannte sie sich. Sie war zwar furchtbar häßlich; zwölf Augen hatte sie, auf jeder Seite sechs, aber sie trug einen vornehmen, schwarzen Pelz und legte gleich die Miete für den ganzen Monat auf den Tisch. Auch bat sie die verwitwete Frau Motte, da sie ganz allein stände, um Familienanschluß.
Frau Motte gab noch zu bedenken, ob das Zimmer auch nicht zu klein für die stattliche Figur des Fräuleins sein würde, aber Fräulein Raupe krümmte sich und rollte sich wie ein Knäuel zusammen, da ging sie gerade in das Zimmer hinein.
Ach, wie lugten die lieben Nachbarn hinter den Gardinen hervor, als Fräulein Raupe ihren Einzug hielt.
Herr Mücke rümpfte verächtlich seine Fühler.
»Nicht einmal einen Koffer bringt sie mit,« meinte er, »und sieh nur den unmodernen Hut,« spottete seine liebe Frau.
»Wir werden uns nicht viel um sie kümmern; sie paßt nicht zu uns,« sagte die älteste Tochter.
So war der Empfang der Raupe auf dem Kohlblatt ein wenig freundlicher, denn auch Herr und Frau Fliege fanden das Fräulein zu groß und zu häßlich zu näherem Verkehr. Und Frau Motte war eine schwache Frau, die mochte sich nicht mit den Nachbarn überwerfen und lud darum Fräulein Raupe auch nicht mehr zu ihren Kaffees ein.
Traurig und einsam saß die Raupe in ihrem kleinen Zimmer, wenn die anderen alle fröhlich zusammen waren; oft schallte das lustige Lachen durch die dünnen Zellenwände in das Zimmer der Einsamen.
Niemand mochte mit ihr verkehren, jedem war sie zu garstig; ach – warum hatte sie der liebe Gott nicht auch klein und zierlich wie die Mücke oder Fliege erschaffen!
Die Raupe war recht betrübt; sie traute sich gar nicht mehr aus dem Zimmer, denn wenn sie aus der Tür trat, wiesen die bösen Nachbarn mit den Fingern auf sie und riefen neidisch: »Seht mal – die geht selbst im heißen Sommer mit einem Pelz!«
Den vierten, nagelneuen Pelz hatte Fräulein Raupe sich schon angeschafft; aber keiner sah, was der für schöne Streifen hatte. –
Eines Tages machten die Kohlblattbewohner eine Landpartie. Ein großer Kremser aus Grashalmen fuhr vor, sechs Ameisen zogen ihn, und die ganze Gesellschaft stieg mit Körben beladen, in denen die Eßvorräte verpackt waren, ein.
Hui – ging es davon in den großen, schattigen Blumenkohlwald.
Mit sehnsüchtigen Blicken schaute die Raupe den anderen nach, sie hatte man nicht aufgefordert; heiße Tränen rannen ihr aus ihren zwölf Augen – da war die ganze Stube naß!
Und noch dazu hatte ihre Wirtin ihr zum Ersten gekündigt, weil sie ein großes Loch in die Blattwand ihres Zimmers gefressen hatte. Ihre Wohnung – hatte Frau Motte ärgerlich gesagt – könne sie sich nicht derartig verderben lassen!
Ja – wo fand sie nun wieder ein so nettes Zimmer?
Traurig kroch die Raupe ganz in sich hinein, legte sich ins Bett und spann sich in eine dichte Hülle ein.
Da lag sie eine geraume Zeit; aber der Doktor Maikäfer, zu dem Frau Motte gutmütig geschickt hatte, sagte, das habe gar nichts auf sich, das käme bei Raupen öfters vor.
Und wirklich – eines Tages kroch Fräulein Raupe wieder ganz vergnügt aus ihrer Hülle heraus – aber wie staunten die Nachbarn, als sie die häßliche Raupe jetzt erblickten!
Ein herrlicher, bunter Schmetterling war die garstige Raupe geworden; lachend schwang er sich in die blaue Luft und flog lustig von einer duftenden Blüte zur anderen. Den süßesten Honig trank er der Frau Biene, der er als häßliche Raupe auch nicht gut genug gewesen, fort, und die Bewohner des Kohlblattes hätten nun alle gern mit dem schönen Schmetterling verkehrt; aber der brauchte die hochmütige Gesellschaft, welche die Leute nur nach dem Äußeren beurteilte, jetzt nicht mehr.