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Ach, was hatte Mäxchen diesmal wieder für schöne Geschenke zum Geburtstage erhalten!
Die sechs kleinen Jungen aus seiner Klasse, die er sich nachmittags, weil er brav gewesen war, zur Geburtstagsschokolade hatte einladen dürfen, standen mit bewundernden Blicken um den reich belegten Geburtstagstisch. Was gab es da alles! Wunderschöne Bleisoldaten mit Pferden und Kanonen, ein richtiges Puppentheater, auf dem man Dornröschen aufführen konnte, eine kleine Buchdruckerei mit vielen, vielen, schwarzen Buchstaben, einen schönen, neuen Anzug und eine große Geburtstagstorte, da stand mit süßer Marzipanschrift »Max« zu lesen.
Das Schönste aber war das niedliche Wetterhäuschen, das in der Mitte auf dem Tische prangte; neidisch sahen all' die Jungen auf das zierliche, kleine Häuschen. Mäxchens sehnlichster Wunsch war es gewesen, solch ein Wetterhäuschen zu besitzen, und die guten Eltern hatten ihm ein wunderschönes geschenkt.
Aus glänzender, brauner Borkenrinde war es gefertigt, zwei Türen hatte es, und drinnen wohnten zwei zierliche Püppchen, ein Männlein und ein Weiblein. Die zwei waren gar schlau, ganz genau wußten sie, was für Wetter der liebe Gott schicken würde; gab es Sonnenschein, dann trat das Männlein in einem leuchtenden, blauen Röckchen mit einem hellen Strohhut auf dem Kopf bedächtig aus seiner Tür heraus und schaute vergnügt in die klare, durchsichtige Luft hinein, und die Menschen riefen fröhlich: »Nun wird's schönes Wetter!«
Aber wenn die kleine Frau in ihrem großen, grauen Tuch mit dem roten Regenschirm durch die kleine Tür hinaustrat, dann zog sich das Männlein durch die andere Tür wieder in das Wetterhäuschen zurück, gar griesgrämig schaute das Weiblein drein, dann bezog sich der Himmel mit schweren, grauen Wolken, und große Regentropfen pladderten hernieder. – Das war ein herrliches Geschenk!
Mäxchen wurde es nicht müde, jeden Morgen zu allererst zu seinem Wetterhäuschen zu laufen, das der liebe Vater im Kinderzimmer am Fenster angebracht hatte, und nachzuschauen, ob sein guter Freund, das freundliche Männlein in dem blauen Röckchen aus dem Häuschen herausspazierte, dann schien die liebe Sonne, und er konnte nachmittags, wenn die Schularbeiten fertig waren, unten auf dem Platz Jagdball spielen.
Die kleine Frau in dem grauen Regentuch aber mochte er gar nicht leiden; sie brachte stets häßliches, trübes Wetter mit, und Mäxchen mußte dann den ganzen Nachmittag im Kinderzimmer hocken; dann preßte er das Näschen verdrießlich gegen die nasse Fensterscheibe, blickte auf die schmutzige Straße hinaus, und schaute immer wieder nach seinem kleinen Wetterhäuschen, ob denn das Männchen in dem Häuschen drinnen noch immer nicht ausgeschlafen habe und herauskommen wolle.
»Mutter,« jubelte Mäxchen eines Mittags, als er mit der Mappe auf dem Rücken aus der Schule heimkam, »Mutter, wir machen morgen bei schönem Wetter eine Landpartie, die ganze Klasse nicht wahr, ich darf doch mit?«
Die gütige Mutter nickte lächelnd, und Mäxchen berichtete freudestrahlend weiter:
»Mit dem Dampfer fahren wir, Mutter, hat der Herr Lehrer gesagt, und im Walde dürfen wir Dritten abschlagen und Reifenwerfen spielen, und sechs Butterbrote soll jeder Junge mitbringen, und mittags essen wir in einer Veranda an einer langen Tafel, eine Mark kostet es für jeden; ach, Mutter, ich freue mich ja so!«
Die Mutter blickte froh auf ihren glückseligen Jungen und sagte:
»Na, Mäxchen, dann bitte nur den lieben Gott, daß er auch schönes Wetter schickt; denn wenn es regnet, könnt ihr natürlich die Landpartie nicht machen.«
Mäxchen zog ein langes Gesicht, ach – daran hatte er noch gar nicht gedacht! Aber es hatte doch jetzt schon sechs Wochen lang nicht einen Tropfen geregnet; gewiß schien auch morgen wieder die Sonne! Es sollte ja so schön werden, und er freute sich doch so darauf; schnell lief er an sein Wetterhäuschen, um die kleinen Wetterpropheten zu befragen.
Hurra – das Männlein stand draußen vor der Tür und guckte Mäxchen vergnügt an! Ja, nun blieb es schön; Mäxchen nickte seinem lieben Freunde, dem Sonnenmännlein, wie er es stets nannte, fröhlich zu und bat ihn inständigst, doch nur heute seine liebe Frau in dem Häuschen zu lassen. Nickte das Männlein wirklich, oder hatte sich Mäxchen geirrt?
Nein – Mäxchen mußte sich getäuscht haben – der wolkenlose Himmel, von dem die Sonne schon viele Tage glühend hernieder brannte, bezog sich mit einem feinen, grauen Dunst; die liebe Sonne verkroch sich plötzlich, und – o Schrecken – das Sonnenmännlein zog sich langsam in das Häuschen zurück; schon steckte das Regenweiblein den Kopf zur Tür heraus!
Da fing Mäxchen bitterlich an zu weinen: »Du sollst nicht heraus, du altes, häßliches Weib du,« rief er dem Regenweiblein schmähend zu, »nein, mein liebes Sonnenmännlein soll draußen bleiben; ach, lieber Gott, laß das Regenweiblein wieder in das Wetterhäuschen zurückgehen!«
Aber alles Bitten, alles Schimpfen half Mäxchen nichts; immer weiter wich das Männlein zurück, jetzt standen Sonnenmännlein und Regenweiblein einträchtig nebeneinander dicht vor den Türen ihres Häuschen, und der Vater erklärte dem weinenden Mäxchen, das bedeute veränderliches Wetter.
Aber als Mäxchen abends ins Bett ging und ängstlich noch einmal nach seinem Wetterhäuschen spähte, da war das Sonnenmännlein ganz in dem Häuschen verschwunden; das Regenweiblein stand mit aufgespanntem Schirm draußen vor dem Häuschen und blickte Mäxchen, wie es ihm schien, schadenfroh an. Ach – und draußen fielen schon die ersten Regentropfen, und als Mäxchen jetzt sich leise in den Schlaf weinte, da prasselte ein furchtbarer Wolkenguß herab, schwere Tropfen schlugen gegen das Fenster.
Das hörte Mäxchen ganz deutlich im Traume, und er ballte im Schlaf drohend seine kleine Faust gegen das Regenweiblein.
Doch da – o Himmel – was war das?
Das Weiblein setzte sich ja in Trab; es faßte die dunklen Röcke zusammen, zog das graue Regentuch fester um die Schultern und sprang mit einem kühnen Satze – pardauz – auf die Erde herab. Mit kleinen, zierlichen Schritten trippelte es zu Mäxchens Bett; der verkroch sich ängstlich in seinen Kissen. Aber er hörte doch ganz deutlich, was die kleine Frau mit ernster Stimme zu ihm sprach:
»Schämst du dich denn gar nicht, Mäxchen, so schlecht und böse zu sein, so zu schimpfen und zu drohen, wenn der liebe Gott der durstigen Erde den erquickenden Regen schickt? Komm', du kleiner, unverständiger Junge; ich will dich mitnehmen und dir zeigen, wie dankbar alles draußen in der Welt den wohltuenden Regen begrüßt.«
Das Regenweiblein streckte die Hand nach Mäxchen aus; der schrie laut auf vor Schreck und Angst, aber all' sein Sträuben half ihm nichts; das Weiblein holte ihn im Nachthemdchen aus dem warmen Bett, nahm ihn auf den Arm und schlug ihr großes Regentuch um das zitternde Mäxchen, damit er sich nicht erkälte.
Dann spannte die kleine Frau den roten Regenschirm auf und flog mit Mäxchen durch das Fenster in den strömenden Regen hinaus.
Aber kein Tropfen kam durch das dicke, graue Regentuch, warm und mollig war es darin; Mäxchens Angst begann sich zu legen, und allmählich fing die Reise an, ihm Spaß zu machen.
An Großvaters Haus flogen sie vorüber, draußen vor der Stadt, mit dem herrlichen, großen Garten, in dem Mäxchen so gern spielte und sich stets so über all' die schönen, bunten Blümlein freute.
Aber – was war das heute nur – die leuchtenden, farbenbunten Blümlein waren von dem glühenden Sonnenbrand ganz ausgeblaßt, matt und welk ließen sie die Blumenköpfchen hängen, und so verlechzt tranken sie das köstliche, frische Naß, das der liebe Gott ihnen sandte.
»Siehst du, Mäxchen,« sprach das Regenweiblein, »wie notwendig der Regen für all' die dürstenden Blümelein ist; nun blühen sie morgen früh gar lieblich und duften noch einmal so süß, und wenn Großvater zwischen all' den Blumenbeeten seinen Morgenspaziergang macht, freut er sich.« –
Weiter flogen sie, an ausgedehnten Getreidefeldern vorbei.
»Schau nur,« sprach das Regenweiblein, »den Jammer! Ganz um liegen die Ähren alle von der großen Dürre; Roggen, Weizen, Gerste und Hafer bringen, wenn der liebe Gott keinen Regen schickt, dies Jahr nur halbe Frucht, und all' die armen Leute haben dann kein Brot und müssen hungern. Komm', blick' mal hinein in das kleine Bauernhäuschen, und sieh', wie sich die Leute über den Regen freuen.«
Neugierig steckte Mäxchen das Näschen aus dem großen Regentuch hinaus und lugte auf das kleine Bauernhaus herab.
Da stand der Bauer in Hemdärmeln an dem weitgeöffneten Fenster; in langen, tiefen Zügen atmete er die erfrischende, kühle Regenluft ein, froh klopfte er der Bäuerin auf die Schulter: »Das wird ein gutes Jahr heuer, Alte!« sagte er, glücklich in den Regenguß hinausblickend; die Frau aber faltete dankbar die Hände und dankte dem lieben Gott für den lang ersehnten Regen. –
Sie flogen durch das Dorf an dem Bächlein entlang; träge und langsam schlich der sonst so helle, lustige Bach dahin. Dort aus dem weißen Müllerhäuschen schimmerte Licht, und der Müller sprach zu seinem Weibe: »Gott sei Dank, es regnet endlich; sechs Wochen lang mußte unsere Mühle still stehen, weil der Bach kein Wasser hatte, sie zu treiben, nun hat sie lange genug gefeiert, morgen schon kann sie wieder lustig klappern.« –
Und weiter ging die Reise, vorüber an großen Seen; die waren von der glühenden Hitze fast ausgetrocknet, und all' die sonst so lustig herumspringenden Fischlein lagen ganz still und steif auf dem Grunde des Sees; alle hatten sie sterben müssen, weil der See nicht genug Wasser mehr für sie hatte.
Jetzt sahen sie breite Flüsse unter sich dahinfließen; große Handelsschiffe lagen seit Wochen fest im Hafen und konnten ihre Fahrt nicht antreten, da der Fluß sie nicht tragen konnte. –
Laut auf schrie Mäxchen plötzlich – »Feuer!« brüllte er aus Leibeskräften aus seinem Regentuch heraus. Gierig loderte die rotgelbe Flamme an dem großen Schlosse empor, und nur vereinzelt fielen jetzt die Regentropfen hernieder. Alles rannte und flüchtete; Schreien und wildes Kreischen rings umher, krachend stürzte der alte Schloßturm zusammen; prasselnd leckte die Flamme das trockene Gebälk. Kein Wasser mehr in den Rettungsschläuchen und Spritzen; immer weiter fraß die züngelnde Flamme. »Mein Kind!« rief die Gräfin halb ohnmächtig, »rettet mein Kind, meinen kleinen Günther!« Aber keiner der Leute wagte sich mehr hinein in den bereits vom Feuer ergriffenen Flügel des Schlosses, in dem der kleine Graf schlief; dicker, schwarzer Qualm schlug schon aus den Fenstern heraus.
Da – öffnete der liebe Gott plötzlich des Himmels Schleusen; wolkenbruchartig rauschte der Regen jetzt hernieder, er löschte die lodernde Flamme, erstickte die verheerende Glut, und glückselig schloß die Gräfin ihr unversehrtes Söhnchen in die Arme.
»Siehst du, Mäxchen,« sprach das Regenweiblein, »welch ein Segen in dem geschmähten Regen liegt?«
Da barg Mäxchen beschämt den Kopf in dem großen Tuch: »Ach,« sagte er ganz leise, so sehr schämte er sich, »liebes Regenweiblein, sei mir nur nicht mehr böse; ich sehe es ja ein, wie dumm ich gewesen bin, so über das schlechte Wetter zu schimpfen, und wie schlecht es von mir war, nur an mein Vergnügen zu denken. Ich will es gewiß nicht mehr wieder tun!«
Da strich das Regenweiblein dem Mäxchen gar freundlich über den Kopf und sprach: »Bravo, Mäxchen, so gefällst du mir, und zum Lohn dafür, will ich auch gleich, wenn wir heimkommen, mich in meinem Wetterhäuschen schlafen legen und meinen lieben Mann hinausschicken.«
Sie flogen wieder nach Haus, und sanft bettete das Regenweiblein Mäxchen wieder auf sein Lager.
Am anderen Morgen aber, als Mäxchen die Augen aufschlug, da hatte es aufgehört zu regnen; goldene Sonnenstrahlen flimmerten durch das Fenster herein, und jubelnd sprang Mäxchen aus dem Bett und an sein Wetterhäuschen. Ja – da stand das Sonnenmännlein vergnügt wieder draußen; Mäxchen aber blickte durch die kleine Tür in das Häuschen hinein und nickte dem guten Regenweiblein dankbar zu.
Dann zog er fröhlich mit seiner grünen Botanisiertrommel auf die Landpartie; niemals aber hat er wieder geschimpft oder geschmäht, wenn das Regenweiblein den Kopf aus dem Wetterhäuschen steckte; er wußte jetzt, wie viele Menschen auf der Erde sich über den fruchtbaren Regen freuten!