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13

Mein erster Gedanke, als ich inne wurde, daß Violets Beichte noch existierte, war, ihr diese Tatsache zu verheimlichen. Sollte sie dieselbe Angst durchmachen, die mich jetzt peinigte? ...

»Wir müssen gehen, Violet«, mahnte ich. »Sir Frank wird bald zurück sein. Er wollte nur eine Stunde im Park spazierenlaufen.«

»Sir Frank ...« Müde strich sie mit der Hand über ihre Stirn, ehe sie den ersten Schritt heimwärts tat. »Was wünschte er doch noch von mir?«

»Die Nummern«, kam ich ihrem Gedächtnis zu Hilfe. »Er will Sie nach ihrer Bedeutung fragen.«

»Muß ich ihm das sagen? Muß er von den Briefen erfahren? Oh, Bertrand, dann wird ja alles in die Öffentlichkeit dringen!«

»Nein. Quälen Sie sich nicht mit solchen Gedanken. Sie kennen Tarleton nicht, Violet. Es ist ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle, er ist das Zartgefühl selbst. Bestimmt wird er Sie nicht eine Silbe mehr fragen, als dringend nötig ist.«

»Aber er selbst wird es erfahren!« seufzte sie. Und ich wußte keinen Trost mehr.

Wir fanden die Hintertür unverschlossen und trennten uns in dem öden Korridor. Violet ging nach oben in ihr Zimmer, während ich den Weg zur Bibliothek einschlug. Vor ihrer Tür erwartete mich der dienstwillige Lakai.

»Der andere Gentleman ist schon drinnen«, tuschelte er mir zu. »Vor fünf Minuten kehrte er zurück.«

Ich gab mir Mühe, ein unbekümmertes Gesicht zu zeigen, und öffnete die Tür. Sir Frank saß in einem Lehnstuhl, seine Maskotte hin- und herschwingend, als sei sie ein Weihrauchfaß, mit dem er der Sphinx Opfer darbrachte.

»Hoffentlich habe ich Sie nicht warten lassen, Sir. Ich habe nur einen Blick auf die Ruinen des alten Schlosses geworfen.«

»Habe auch einen Blick auf sie geworfen«, lautete seine rätselvolle Antwort. »Zwölftes Jahrhundert, scheint mir. Eins der ersten Schlösser, das die Normannen bauten, als sie in das südliche Wales einzudringen begannen.«

Gott gebe, daß seine Beobachtungen sich hierauf beschränkt haben! betete ich aus der Tiefe meines Herzens.

Dann herrschte Schweigen zwischen uns, bis Violet das Zimmer betrat. Der Wandel, der mit ihr vorgegangen war, verblüffte mich. Ziemlich blaß, doch vollkommen gefaßt, begrüßte sie uns mit höflicher Würde. Zum ersten Mal sah ich sie als Lady Violet Bradwardine, die Tochter eines adligen Geschlechtes, die sich ihrer Stellung bewußt ist.

Tarleton erhob sich mit allen Zeichen der Ehrerbietung, und unbeholfen ahmte ich ihm nach.

»Sir Frank Tarleton? Man hat mir gesagt, Sie wünschten mich dringend zu sprechen. Es tut mir aufrichtig leid, daß Sie warten mußten, aber ich befand mich auf einem Spaziergang. Wollen Sie nicht Platz nehmen?« Mit einer leichten Handbewegung dehnte sie die Aufforderung auch auf mich aus.

»Dr. Cassilis, mein Assistent«, stellte Sir Frank vor, worauf der blonde Frauenkopf sich ein wenig verneigte. »Ich bin als Arzt bei dem Fall eines anderen Mediziners zugezogen worden, der, wenn ich nicht irre, die Ehre hatte, auch Sie zu seinen Patienten zu zählen – Dr. Weathered.«

Wieder ein leichtes Neigen des Kopfes, wenn möglich noch kühler.

»Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß Dr. Weathered gestorben ist ... Versagen des Herzens.«

Ein leichtes Aufjapsen, natürlich genug unter den obwaltenden Umständen. Für meine Ohren ein Japsen der Erleichterung, weil der Tod auf eine normale Ursache zurückgeführt wurde; ein Japsen der Überraschung – so hoffte ich wenigstens – für die scharfen Ohren meines Chefs.

»Dr. Weathereds Ableben erfolgte ziemlich plötzlich. Die Rücksicht auf seine Familie läßt es wünschenswert erscheinen, daß keine gerichtliche Totenschau stattfindet, sofern dies möglich ist; nicht zu umgehen sind jedoch gewisse Nachforschungen hinsichtlich seiner Praxis. Hierbei fiel mir ein Buch in die Hände, sein Terminbuch, in das er die Namen der Patienten, die ihn besuchten, eingetragen hatte. Sie verstehen, Gnädigste?«

»Ich verstehe.« Nur der Anflug eines Zitterns, sofort unterdrückt.

»Selbstverständlich erscheint in dem Buch unter anderen Namen auch der Ihrige; er gehört sogar zu jenen, denen Nummern beigefügt wurden. Wissen Sie über die Bedeutung dieser Ziffern Bescheid? Sie würden mich durch eine Auskunft zu großem Dank verpflichten.«

Violet reckte sich ein wenig in die Höhe und sprach sehr deutlich, und sofort fühlte ich, daß sie ihre Antwort sorgfältig vorbereitet hatte.

»Das kann ich Ihnen ganz genau sagen. Wenn Dr. Weathereds Patienten ihm über das schreiben mußten, was sie zu der Konsultation bewog, gab er ihnen eine Nummer, die sie anstatt ihres eigenen Namens anwenden sollten. Die Briefe behandelten vertrauliche Dinge.«

Tarletons Gesicht verriet mir, daß er die wahre Lage genau so begriffen hatte wie ich eine halbe Stunde zuvor. Unruhig wandte sein Blick sich von dem Mädchen ab, aber seine Bestürzung vermochte er trotzdem nicht zu verbergen.

»Was gibt es? Warum sehen Sie so erschreckt aus?« rief Violet.

Sir Franks Finger rutschten nervös auf den Armlehnen des Stuhles hin und her.

»Gar nichts gibt es, Lady Violet, gar nichts!« versuchte er zu leugnen. »Ich war nur sekundenlang bei dem Gedanken verstört, was hätte geschehen können, wenn ich nicht hierhergekommen wäre, um Sie zu fragen. Sofort nach meiner Ankunft in London will ich Sorge tragen, daß diese Korrespondenz vernichtet wird – falls es nicht schon geschehen. Möglicherweise hat Dr. Weathered sie unmittelbar nach der Lektüre verbrannt.«

Sehr glaubwürdig klang die Erklärung nicht. Und die arme Violet büßte ihre gesellschaftliche Gewandtheit ein, als sie begriff, daß ihre Herzensergüsse, das Zeugnis ihrer geheimen Scham, jedem Fremden ausgeliefert war, der als erster an des Toten Briefgewahrsam gelangte. Sie tat ihr möglichstes, um nicht in die Richtung zu blicken, wo ich saß, aber die Viertelwendung ihres Kopfes zeigte mir deutlich genug, was sie litt.

»Meinen Sie, Sir Frank, es ... es bestände die Gefahr, daß jemand diese Briefe fände?« stammelte sie. »Jemand, der sie ausbeuten würde?«

Ich hatte Sir Frank Tarleton selten in Verlegenheit gesehen, in einer solchen wie jetzt bestimmt noch nie. »Meine liebe junge Dame, es liegt nicht der kleinste Anlaß zu einer derartigen Befürchtung vor«, log er. »Um Ihre Besorgnisse zu zerstreuen, will ich Ihnen mehr erzählen, als ich eigentlich beabsichtigte. Dr. Weathered wurde in einem Klub in Chelsea vom Tode ereilt, und die Besitzerin oder Geschäftsführerin benachrichtigte die Polizei, die – mißtrauisch geworden – Nachforschungen anstellte. In diese ist natürlich jeder, der nur irgendwie mit dem Fall zu tun haben könnte, einbezogen worden. Sie dürfen daher überzeugt sein, daß – sollte der Doktor wirklich eine geheime Korrespondenz hinterlassen haben – diese sofort beschlagnahmt und vernichtet wird ... Nun möchte ich aber noch eine andere Frage an Sie richten, die Sie persönlich eigentlich nicht betrifft. Doktor Weathered starb am Mittwoch, spät nachts, als Sie, wie ich hörte, schon nicht mehr in London weilten. Sie scheinen jedoch eine Doppelgängerin zu haben, Lady Violet; oder, was der Sache besser gerecht wird, es gibt jemanden, der Sie in jener Nacht nachzuahmen suchte. Die Aufmerksamkeit der Polizei wurde auf eine Festteilnehmerin gelenkt, die ein Kostüm trug, das die berühmte Königin Zenobia, Roms Gegnerin im dritten Jahrhundert, darstellen sollte. Die Nachforschungen ergaben, daß ein ähnliches Kostüm vor Jahresfrist an Sie geliefert worden ist. Können Sie mir sagen, was mit Ihrem Kostüm geschah?«

Violet blieb kühl, vielleicht ein wenig zu kühl. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte etwas Verwirrung gezeigt.

»Ich habe keine Ahnung, Sir Frank. Vermutlich hat es meine Zofe irgendwo aufbewahrt. Ich werde läuten und sie fragen.«

»Erlauben Sie, Lady Violet.« Tarletons Finger drückte schon auf den Knopf, ehe Violet Bradwardine sich von ihrem Stuhl erhoben hatte. Natürlich erschien statt der Zofe mein Verbündeter, der Diener, dem aufgetragen wurde, sie herzuschicken.

Während wir auf ihr Kommen warteten, beobachtete ich meinen Chef. Ich schmeichelte mir, daß ich ihn in dieser Richtung überlistet hatte – er mußte in der Erwartung nach Tyberton gefahren sein, irgendeine hübsche Fabel über das Fehlen des Kostüms aufgetischt zu erhalten.

Dann trat eine Frau über die Schwelle, gereiften Alters und vertrauenerweckend, die ich für Lord Ledburys Haushälterin hielt. Seiner Tochter eine Zofe zu halten, erlaubten die Mittel des Grafen sicher nicht.

»Oh, Henderson, wissen Sie, was aus jenem Maskenkostüm mit Helm und Harnisch geworden ist?«

»Gewiß, Mylady«, erwiderte die Frau ohne Überraschung. »Es liegt in der untersten Schublade im Ankleideschrank des gnädigen Fräuleins.«

»Dann holen Sie es bitte.«

»Sofort, Mylady.«

Mit den Bewegungen eines gut gedrillten Schauspielers ging sie hinaus, während ich unter dem unbehaglichen Gefühl litt, daß Tarleton diese Komödie durchschaute. Er murmelte ein paar vage Entschuldigungen über die Unruhe, die er Lady Violet bereite, und saß mit verkniffenem Munde da, die Augen auf die Tür geheftet. Henderson kam allzu schnell zurück, mit allem, was zu dem vielerwähnten Kostüm gehörte: dem Pappharnisch, übertüncht mit Silberfarbe, dem weitfallenden Rock und sogar den Sandalen, die der Händler aus der Wardour Street für eine der Wüstenkönigin ziemende Fußbekleidung erachtet hatte.

Tarleton warf nur einen flüchtigen Blick auf den Mummenschanz und verneigte sich gemessen vor Violet. »Ich danke Ihnen, Gnädigste.«

In dieser Minute wurde die Zimmertür stürmisch aufgestoßen. Ein Mann zeigte sich, der den Eindruck machte, als ob er aus dem Schlaf gerissen worden sei und diese Störung schlecht vermerke. Groß und hager, die grauen Haare im ungekämmten Wirrwarr, die Kleider faltig und salopp ... und trotz dieser Vernachlässigung haftete ihm eine gewisse Vornehmheit an, so daß ich über seine Identität keinerlei Zweifel hegte.

Der Graf von Ledbury stelzte herein, musterte meinen Chef und mich mißbilligend und richtete das Wort an seine Tochter.

»Violet, was hast du mit diesen Herren zu verhandeln?«

Was sie erwidert haben würde, weiß ich nicht. Jedenfalls kam Sir Frank ihr zuvor.

»Ich belästige Lady Violet von Amts wegen, Mylord. Ich denke doch, daß ich den Grafen von Ledbury vor mir habe?«

»Von Amts wegen?« klang es giftig. »Wer sind Sie denn?«

»Der erste medizinische Sachverständige des Innenministeriums, Sir Frank Tarleton. Dies ist Dr. Cassilis, mein Assistent.«

»Und was veranlaßt Sie, in mein Haus einzudringen und hinter meinem Rücken eine Unterredung mit meiner Tochter zu haben?«

Tarleton war nicht gewöhnt, daß man mit ihm in solcher Weise umsprang.

»Ich glaube, Sie vergessen sich, Mylord. Soviel ich weiß, ist Lady Violet volljährig. Uns hat die Pflicht hierhergeführt, und ich brauche Sie wohl nicht daran zu erinnern, daß das Gesetz alle Personen gleich behandelt.«

»Was hat das Gesetz mit Lady Violet Bradwardine zu tun?«

»Sehr wenig, hoffe ich. Indes sahen wir uns gezwungen, einige Fragen zu stellen. Im ureigensten Interesse Ihrer Tochter.«

Jäh drehte sich der Graf um.

»Henderson, verlassen Sie das Zimmer.«

»Noch einen Augenblick, bitte!« hielt mein Chef die Frau zurück. »Sind Sie imstande, mir zu sagen, ob dies Kostüm während der ganzen letzten Woche dort gelegen hat, wo Sie es fanden? Bestünde die Möglichkeit, daß es jemand ohne Ihr Wissen genommen, fortgeschickt und hinterher wieder an Ort und Stelle gelegt hätte?«

Es war eine verhängnisvolle Frage – eine völlig unerwartete außerdem. Auch einem Dummkopf hätte sich Violet durch ihr Gesicht verraten, und die Henderson glotzte ganz verdattert ihre Herrin an, hilflos auf einen Wink wartend, was der reizbare Vater genau so erkannte wie wir.

»Die Wahrheit, Weib!« donnerte er. »Auf der Stelle sagen Sie die Wahrheit!«

»Die Schublade war nicht verschlossen, Mylord. Infolgedessen kann ich nicht mit Bestimmtheit wissen, ob jemand das Kostüm herausnahm und wieder hineinlegte.«

»Danke. Mehr wollte ich Sie nicht fragen.« Weder durch Ton noch Blick verriet Sir Frank, welche ungeheure Wichtigkeit er dieser Antwort beimaß, und die Frau ging, nachdem sie uns der Reihe nach unsicher angestarrt hatte, mit betretener Miene hinaus.

Die Wirkung, die dies Intermezzo bei mir hinterließ, vermag ich nicht zu beschreiben. Wenn der pfiffige Sir Frank dem Fingerzeig folgte, würde er ohne Schwierigkeiten herausfinden, daß nach Entdeckung des Verbrechens Lady Violet durch die Post ein Paket erhalten hatte, groß genug, um das betreffende Kostüm zu bergen. Möglicherweise spürte man nicht den Absender auf, doch konnte sich die Lage Violets derart gestalten, daß sie nur durch ein volles Geständnis meinerseits reinzuwaschen war. Natürlich scheute ich vor diesem Geständnis nicht zurück, sobald ich ihr damit einen Dienst erwies. Aber würde man sie dann nicht dessen verdächtigen, was das Gesetz Beihilfe nennt? ...

Mit diesem Problem plagte ich mich während der ganzen Zeit ab, als Sir Frank dem Grafen den Sachverhalt darlegte. Er versuchte nach Kräften, die häßlichen Seiten zu mildern, abzuschwächen, zu dämpfen, aber es ließ sich beim besten Willen nicht verhehlen, daß Lady Violet ohne Wissen ihres Vaters oder ihrer Aufpasserin einen Arzt konsultiert hatte, daß dieser Arzt unter verdächtigen Umständen gestorben war und ein gewisser Verdacht auf den Träger eines Zenobiakostüms fiel, das dem uns eben gezeigten aufs Haar glich.

Für jeden Vater würde das eine schreckliche Eröffnung gewesen sein, doppelt schrecklich aber für einen Mann, der soviel Jahre abseits des Weltgetriebes gelebt hatte, daß er nichts von den seit seiner Jugend eingetretenen Wandlungen wußte. Die Gesellschaft, in der Nachtklubs blühen und gedeihen und von jungen Mädchen wie Violet besucht werden, mutete ihn so fremd an wie einen Vater aus der Postkutschenzeit.

»Es läuft also darauf hinaus, daß der Name meiner Tochter in einen Mordfall verwickelt ist«, tobte der Graf los, und seine Wut galt jetzt nicht mehr mir und Tarleton. »Wenn sie nicht selbst verdächtig ist, so jedenfalls ihre Kleider. Violet!« Das aschfahle Mädchen trat unwillkürlich einen Schritt zurück. »Wenn du mir nicht versichern kannst, daß du mit der ganzen Angelegenheit nicht mehr zu schaffen hast als ich, dulde ich dich keinen Tag länger unter meinem Dach.«

Diese Ungerechtigkeit bewog mich beinahe zu reden. Nichts hatte der Graf getan, um das Vertrauen seiner Tochter zu verdienen; wie eine Fremde hatte er sie neben sich aufwachsen lassen und sie einer Wächterin ausgehändigt, die nicht mehr Befähigung besaß als ein Feldwebel oder ein Gefängniswärter. Und nun schnaubte er vor Wut, weil sie ein lebendiges Geschöpf mit Blut in den Adern anstatt einer hölzernen Puppe geworden war.

In Violets Augen glänzten Tränen.

»Was soll ich dir sagen, Papa? Ich hörte erst durch diese Herren von Dr. Weathereds Tod.«

»Du hast ihn aber gekannt, wie? Weshalb gingst du zu ihm? Krank bist du nicht gewesen.«

Voll Zagen erwartete ich ihre Antwort.

»Ich ging zu ihm, um ihn wegen meiner Nerven zu konsultieren.«

»Nerven!« Voll Hohn spie der Graf das Wort aus. »Ein Mädchen deines Alters kennt keine Nerven. Hast du Miß Pollexfen gesagt, daß du daran littest?«

»Nein.« Ein Fünkchen des väterlichen Zorns glomm auch in Violet auf. »Warum sollte ich es ihr sagen? Miß Pollexfen steht meinem Herzen nicht nahe. Ich habe sie mir nicht als Gefährtin gesucht. Überdies bin ich alt genug, um ohne ihren Rat zu wissen, ob ich einen Arzt benötige oder nicht.«

Lord Ledbury schien wie betäubt von dieser Kühnheit. Hätte er geglaubt, daß seine Tochter etwas ernstlich Unrechtes begangen hätte, würde er sie wohl schwerlich in unserer Gegenwart diesem Verhör unterzogen haben – nicht, weil er sie liebte, sondern weil sie seinen eigenen guten Namen trug.

»Soso, du betrachtest dich also als unabhängig?« Er wies auf das Kostüm. »Hast du den Kram da jemandem geliehen?«

Ich wagte kaum zu atmen, wagte Violet nicht das leiseste Zeichen zu geben. Außerdem wäre es ihr entgangen, denn ihre Augen hingen fest am Gesicht des Vaters.

»Ja.«

Die klügste Antwort, nachdem schon so viel herausgekommen war!

»Nenne mir seinen Namen.«

Eine Pause, mit Spannung geladen. Dann schüttelte Lady Bradwardine den Kopf.

»Das kann ich nicht.«

»Das heißt, du willst es nicht. Ich befehle dir, ihn zu nennen, Violet. Hörst du?«

Halsstarrig warf sie den Kopf zurück.

»Ich werde ihn nie, nie nennen.«


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