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Durch Erfahrung sollen wir zwar klüger werden, aber nicht allzu klug. Eine Katze, die sich einmal auf den heißen Ofendeckel gesetzt hat, vermeidet den Platz in Zukunft und tut recht daran. Aber sie will sich auch auf keinen kalten Ofendeckel setzen.
Querkopf Wilsons Kalender.
In allen Kolonien, wo Englisch gesprochen wird, herrscht die überschwenglichste Gastfreundschaft; auch Neusüdwales mit seiner Hauptstadt bildet keine Ausnahme von dieser Regel, wie ich aus eigener Erfahrung bezeugen kann.
Sydney hat 400 000 Einwohner, und einem Fremden, der aus Amerika kommt, fällt zuerst auf, daß die Stadt achtmal so groß ist als er erwartet hatte. Bei näherer Betrachtung findet er dann, daß sie ganz englisch ist, mit amerikanischem Aufputz. Kommt er später nach Melbourne, so erinnert ihn dort auch der Baustil häufig an Amerika, und man könnte ihm leicht weismachen, eine Photographie des prächtigsten Teils der Geschäftsgegend stelle das Straßenbild einer großen amerikanischen Stadt dar.
Man sagte mir, daß die schönsten Gebäude Eigentum der Squatter sind und von ihnen bewohnt werden, wenn sie zur Stadt kommen. Da sieht man recht, welchen Einfluß eine Veränderung von Klima und Lebensart nicht nur auf die Tiere, sondern auch auf die Wörter haben kann. Wenn wir in Amerika von einem Squatter reden, so meinen wir immer einen armen Menschen, aber in Australien versteht man darunter einen Millionär. Bei uns besitzt der Squatter höchstens ein paar Morgen, und oft ist sein Rechtstitel obendrein zweifelhaft, in Australien hat die Grenzlinie seines Grundstücks die Länge einer Eisenbahn; bei uns gehören dem Manne vielleicht zwei Dutzend Stück Vieh, in Australien zwischen 50 000 und einer halben Million. In Amerika ist der Squatter ein Mensch ohne Einfluß und Ansehen, niemand nimmt den Hut vor ihm ab; in Australien tut man das immer, denn er ist ein hochgeehrtes und wichtiges Mitglied der Gesellschaft. Hat man bei uns einen Onkel, der Squatter ist, so übergeht man es mit Stillschweigen; in Australien hängt man es an die große Glocke. Die Freundschaft mit einem Squatter nützt in Amerika nichts; aber wer in Australien einen Freund hat, der Squatter ist, kann mit Königen zu Nacht speisen, wenn gerade welche in der Umgegend sind.
In Australien braucht man zum Unterhalt für ein Schaf etwa drittehalb Morgen Weideland, (manche Leute sagen doppelt so viel); hat nun ein Squatter eine halbe Million Schafe, so ist sein Grundbesitz nach ungefährer Schätzung so groß wie der Staat Rhode Island. Der Wollertrag bringt ihm jährlich vielleicht eine halbe oder eine Viertelmillion Dollars ein.
Meistens bewohnt er seinen Palast in Melbourne, Sydney oder einer anderen großen Stadt und macht nur dann und wann Ausflüge zu den Schafherden in seinem Reich, das viele hundert Meilen entfernt auf der weiten Ebene liegt, um nach den Scharen seiner berittenen Aufseher, Hirten und andern Hilfsmannschaften zu sehen. Dort hat er ein geräumiges Wohnhaus, und wenn er jemand besonders wohl will, so ladet er ihn auf eine Woche bei sich zu Gaste. Er macht es ihm behaglich, zeigt ihm seinen großen Industriebetrieb bis ins einzelne, speist, trinkt und raucht mit ihm und setzt ihm von allem das Beste vor, was nur für Geld zu haben ist.
Auf einem dieser riesigen Landgüter liegt eine ziemlich große Stadt, die ich selbst gesehen habe. Man findet dort alle Geschäfte und Gewerbe vertreten, welche die Menschen zu betreiben pflegen; die Stadt selbst aber und der Grund und Boden, auf dem sie erbaut ist, sind Eigentum des Squatters. Vermutlich gehört das gar nicht einmal zu den Ausnahmefällen. Australien liefert der Welt nicht nur schöne Wolle, sondern auch Hammelfleisch. Die neue Erfindung des Transports ganzer Schiffsladungen gefrorenen Fleisches hat diesen großartigen Handel erzeugt. In Sydney besuchte ich ein Exporthaus, wo man täglich tausend Hammel schlachtet, reinigt und fest gefrieren läßt, um sie nach England einzuschiffen.
Zwischen Australiern und Amerikanern kann ich, weder was Kleidung, Lebensart, Sitte, Aussprache, noch ihr Wesen im allgemeinen betrifft, einen nennenswerten Unterschied finden. Vorübergehend erinnern die Australier zwar an ihren englischen Ursprung, aber durchaus nicht so stark, daß es auffallend wäre. Sobald der Fremde vorgestellt ist, bekommt der Verkehr einen ungezwungenen, herzlichen Anstrich, was ganz amerikanisch ist. Englische Steifigkeit und englisches Selbstbewußtsein fallen fort, wenn ich so sagen darf, und nur die englische Freundlichkeit bleibt noch übrig.
Auch daß in den Familien das Tischgespräch lebhaft und natürlich ist, ohne Zwang und Förmlichkeit, erinnert an Amerika. Das bringt wohl der streng demokratische Geist mit sich, der in Australien vorherrscht und alles steife Wesen, das aus dem Unterschied des Ranges entspringt, von vornherein ausschließt.
Sowohl in England wie in den Kolonien findet der Vorleser bei seiner Zuhörerschaft eine merkwürdig lebhafte und verständnisvolle Aufnahme. Wo sich in England die Massen versammeln, schwindet der Kastengeist und mit ihm die englische Zurückhaltung. Für den Augenblick ist völlige Freiheit und Gleichheit hergestellt; ja, der Einzelne fühlt sich so sehr aller Fesseln entledigt, daß er die gewohnte Vorsicht vergißt und seinen augenblicklichen Gefühlen ungehindert freien Lauf läßt. Er klatscht ganz allein Beifall, wenn ihm danach zu Mute ist – eine Kühnheit, die man in der übrigen Welt nur höchst selten antrifft.
Macht man dagegen die Bekanntschaft des Engländers, wenn er allein ist oder in eine kleine, ihm fremde Gesellschaft tritt, so bleibt er ernst und verschlossen. Er ist dann stets auf der Hut und läßt sich durch nichts von seinem gemessenen Wesen abbringen. Dadurch ist er in den falschen Ruf gekommen, daß er überhaupt weder Sinn noch Verständnis für den Humor hat. Natürlich sind englischer und amerikanischer Humor wesentlich verschieden, aber auch letzterer stammt doch ursprünglich aus England und ist nur durch neue Verhältnisse und eine andere Umgebung beeinflußt worden. Ich habe nie humoristischere Tischreden gehört, als gerade in Neusüdwales. Die eine hielt ein Engländer im Klub, die andere ein Australier.