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Leben ist Leiden. Selbst die verborgene Quelle des Humors ist nicht Freude, sondern Schmerz. Es gibt keinen Humor im Himmel.
Querkopf Wilsons Kalender.
Kapitän Cook hat Australien im Jahre 1770 entdeckt und achtzehn Jahre später gründete die britische Regierung ihre dortige Sträflingskolonie. Alles in allem wurden im Lauf von dreiundfünfzig Jahren 83 000 Sträflinge nach Neusüdwales eingeschifft. Sie trugen schwere Ketten, wurden schlecht genährt und von ihren Aufsehern arg mißhandelt. Bei der geringsten Uebertretung der Regel drohten ihnen harte Strafen; sie standen unter der ›grausamsten Zucht, die je geübt worden ist‹, sagt ein Schriftsteller.
Damals kannte das englische Gesetz kein Erbarmen. Für geringfügige Vergehen, die heutzutage mit einer kleinen Geldbuße oder ein paar Tagen Gefängnis bestraft würden, schickte man Männer und Frauen auf sieben oder vierzehn Jahre bis ans andere Ende der Welt und für schwere Verbrechen auf Lebenszeit.
Kinder, die ein Kaninchen gestohlen hatten, kamen auf sieben Jahre nach der Strafkolonie.
Als ich vor dreiundzwanzig Jahren in London war, hatte man eben eine neue Strafe eingeführt, um dem Garrottieren und der Mißhandlung von Ehefrauen Einhalt zu tun – fünfundzwanzig Hiebe mit der neunschwänzigen Katze auf den nackten Rücken. Man sagt, diese furchtbare Strafe habe auch den verstocktesten Bösewicht bekehrt, und kein Mensch sei je imstande gewesen, nach dem neunten Hiebe seine Gefühle noch für sich zu behalten; gewöhnlich fing das Klagegeheul schon früher an. Die Wirkung des Gesetzes auf die Garrottierer und schlechten Ehemänner war ganz vortrefflich, aber es kam dem modernen London zu unmenschlich vor und wurde wieder aufgehoben. Manches arme, zerschlagene englische Eheweib hat seitdem Anlaß gehabt, diese grausame Nachsicht einer sentimentalen Menschlichkeit bitter zu beklagen.
Fünfundzwanzig Hiebe! In Australien und Tasmanien erhielt der Sträfling fünfzig für jedes kleine Vergehen; oft fügte ein roher Beamter noch fünfzig hinzu und abermals fünfzig, solange das unglückliche Opfer die Qual aushielt ohne den Geist aufzugeben. In einer alten amtlichen Urkunde habe ich von einem Fall in Tasmanien gelesen, wo ein Sträfling, der ein paar silberne Löffel gestohlen hatte, dreihundert Hiebe erhalten hat. Und das war noch nicht die höchste Zahl. Wer teilte sie aber aus? Häufig ein anderer Sträfling, zuweilen der beste Kamerad des Unglücklichen, und er mußte die Peitsche mit allem Nachdruck führen, sonst bekam er sie selber zu kosten zum Lohn für sein Erbarmen, ohne daß er dem Freunde damit einen Dienst geleistet hätte. Das Strafinstrument wanderte nur in eine andere Hand, bis das Urteil in vollster Ausdehnung vollzogen war.
Das Sträflingsleben in Tasmanien war so unerträglich, und ein Selbstmord so schwer auszuführen, daß die Menschen in ihrer Verzweiflung sich zuweilen zusammentaten und durch das Los bestimmten, wer von ihnen einen aus ihrer Zahl töten sollte, damit dem Leben des Mörders und der Augenzeugen seiner Tat durch Henkers Hand ein Ende gemacht würde.
Dies sind nur Beispiele aus einer ganzen Flut ähnlicher Fälle, nur schwache Andeutungen, welche die Unsumme von Leiden ahnen lassen, die das Sträflingsleben mit sich brachte und von denen wir uns schaudernd abwenden.