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Bei dem Jahresfest der Schottischen Gesellschaften London, am Montag abend, brachte Mark Twain den Toast auf die »Damen« aus; dieser lautete nach dem »Observer«, wie folgt:
Es erfüllt mich mit aufrichtigem Stolz, daß ich gewählt worden bin, um gerade den Toast auf die »Damen« auszubringen oder wenn Sie nichts dagegen haben – auf die Weiber, denn diese Bezeichnung scheint mir doch vorzuziehen; sie ist jedenfalls die ältere und daher die ehrwürdigere. (Gelächter.) Ich habe bemerkt, daß die Bibel, mit der den heiligen Schriften so eigentümlichen Einfachheit und Offenheit, sogar von der erhabenen Mutter des ganzen Menschengeschlechts nie den Ausdruck »Dame« gebraucht, sondern sie stets ein Weib nennt. (Gelächter.) Das mag seltsam erscheinen, aber es ist eine Thatsache. – Ich bin besonders stolz auf diese Ehre, weil ich finde, daß der Trinkspruch auf die Weiber, sowohl von Rechtswegen als nach den Regeln der Höflichkeit, allen andern vorausgehen sollte – dem Toast auf das Heer, auf die Flotte, ja vielleicht selbst auf die Träger der Königswürde, obgleich letzteres heutzutage in diesem Lande nicht nötig ist, weil man stillschweigend die Gesundheit aller guten Frauen im allgemeinen ausbringt, wenn man die Königin von England und die Prinzessin von Wales leben läßt. (Laute Hochrufe.) Mir fällt dabei ein Gedicht ein, das Ihnen wohlbekannt ist; jedermann kennt es ja. Der gegenwärtige Trinkspruch ruft es aber uns allen so recht ins Gedächtnis und wir stimmen begeistert mit ein in die Worte des edelsten, reinsten, anmutigsten und lieblichsten unserer Dichter, wenn er sagt:
›Weib – o Weib! – Hm –
Weib –‹
(Gelächter.) Ohne Zweifel entsinnen Sie sich der Verse, die uns mit so vielem Gefühl und Zartheit, fast ohne daß wir's gewahr werden, Zug für Zug das Ideal des echten und vollkommenen Weibes vorführen. Wir schauen im Geist das vollendete Meisterwerk und preisen bewundernd den Genius, der ein so holdes Wesen durch den Hauch seines Mundes, durch bloße Worte zu schaffen vermocht hat. Sie werden sich ferner erinnern, wie der Dichter in treuer Übereinstimmung mit der Geschichte des ganzen Menschengeschlechts, dies schöne Kind seines Herzens und Verstandes den Prüfungen und Sorgen dahingiebt, welche früher oder später allen Erdenbewohnern beschieden sind, bis die traurige Geschichte zuletzt in der wilden, leidvollen Ansprache gipfelt, die allen vergangenen Kummer aufs neue wach ruft. Der Wortlaut der Zeilen ist folgender:
– Ach! – o weh! – ach! –
und so weiter. (Gelächter.) Mir ist das übrige nicht gegenwärtig; aber alles in allem halte ich diese Verse für die schönste Huldigung, welche der Genius des Dichters den Frauen je gewidmet hat. (Gelächter.) Ich weiß, ich könnte stundenlang sprechen, ohne meinem großen Thema auf anmutigere oder vollendetere Weise Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, als ich es gethan habe, indem ich einfach die unvergleichlichen Dichterworte anführte. (Erneutes Gelächter.)
Die Entwicklungsformen des weiblichen Geschlechts sind von unendlicher Mannigfaltigkeit. Man betrachte welchen Typus des Weibes man will, immer wird man daran etwas zu achten, zu bewundern, zu lieben finden, etwas, das Herz und Hand beglückt. Wer besaß mehr Vaterlandsliebe als die Jungfrau von Orleans? Wer war tapferer? Wer hat uns ein erhabeneres Beispiel opferfreudiger Hingabe gezeigt? Wie deutlich, wie lebendig erinnern wir uns alle an die Nachricht, welche wie eine große Woge des Kummers zu uns heranflutete, daß Jeanne d'Arc bei Waterloo gefallen sei. (Stürmisches Gelächter.) Wer trauert nicht um den Tod der Sappho, der holden Sängerin Israels? (Gelächter.) Wer unter uns vermißt nicht die liebreichen Dienste, den sanften Einfluß, die demütige Frömmigkeit der Lucrezia Borgia? (Gelächter.) Wer kann in die herzlose Verleumdung einstimmen, welche sagt, das Weib sei verschwenderisch in Putz und Kleidung, wenn er zurückblickt und sich den einfachen Anzug unserer Mutter Eva ins Gedächtnis ruft, welcher der Hochlandstracht glich – mit geringen Abänderungen. (Schallendes Gelächter.) Verehrte Anwesende, die Weiber sind Kriegerinnen gewesen, sie waren Malerinnen, Dichterinnen. So lange es eine Sprache giebt, wird der Name Cleopatra in aller Munde leben. Nicht etwa, weil sie Georg den Dritten eroberte – (Gelächter) – sondern weil sie die klassischen Zeilen schrieb:
»Es beißt der Hund und bellt voll Lust;
Gott schuf den Trieb ihm in der Brust!«
(Lauteres Gelächter.) Auf den weiten Gefilden der Geschichte ragen ganze Bergzüge erhabener Weiber empor – die Königin von Saba, Josephine, Semiramis – die Liste ist endlos. (Gelächter.) Aber ich will nicht Heerschau über sie alle halten; schon bei der bloßen Andeutung steigen die Namen in Ihrem Gedächtnis auf, leuchtend von dem Ruhm unsterblicher Thaten, geheiligt durch die Liebe und Verehrung aller Guten und Edlen jeden Zeitalters und jeden Weltteils. (Hochrufe.) Möge es unserem Stolz und unserer Ehrliebe genügen, daß unsere Zeit dieser Liste Namen wie Grace Darling und Florence Nightingale hinzugefügt hat. (Hochrufe.)
Das Weib ist ganz wie es sein sollte – sanft, geduldig, langmütig, vertrauensvoll, selbstlos, voll edler, hochherziger Triebe. Es ist des Weibes heiliger Beruf, die Traurigen zu trösten, für die Irrenden zu bitten, die Gefallenen aufzurichten, den Freundlosen Liebe zu erzeigen. Mit einem Wort, die Frau schenkt allen mißhandelten und verfolgten Kindern des Unglücks, die an ihre Thüre klopfen, den heilenden Balsam ihres Mitgefühls und gewährt ihnen eine Freistätte in ihrem Herzen. Jeder, der die veredelnde Gemeinschaft einer Gattin, die nie ermüdende Hingebung einer Mutter kennt, wird von Herzen einstimmen, wenn ich sage: Gott segne das Weib!« – (Laute und andauernde Beifallsrufe.)
Als fünfzehnter programmgemäßer Toast, gehalten bei dem Festessen, das im November 1379 von der Tennessee-Armee ihrem ersten Kommandeur, General Grant, zu Ehren veranstaltet wurde.
»Das lob ich mir! Wir sind nicht alle so glücklich, zum schönen Geschlecht zu gehören; wir können nicht alle Generale, Dichter oder Staatsmänner sein; aber wenn die Trinksprüche herabsteigen bis zu den Säuglingen, da stehen wir alle auf gemeinsamem Boden. Es ist eine Schande, daß Jahrtausende lang auf allen Festessen der Welt der Säugling ganz übergangen wurde, als wenn er gar nichts bedeutete. Wenn Sie einen Augenblick nachdenken und so ein fünfzig bis hundert Jahre zurückblicken mögen auf die erste Zeit Ihrer Ehe, um in Gedanken wieder Ihren ersten Säugling zu betrachten, so werden Sie sich erinnern, daß er etwas zu bedeuten hatte und mehr noch als das. Ihr Soldaten wißt wohl, daß, als dieser kleine Bursche im Familienhauptquartier sich meldete, es Zeit für euch war, euren Abschied zu nehmen; denn er kommandierte von nun an unumschränkt. Ihr hattet ihm als Kammerdiener aufzuwarten und er war kein Vorgesetzter, der Rücksicht nahm auf Zeit, Wetter oder sonstige Umstände. Ihr habt seinem Befehl folgen müssen, ob es möglich war oder nicht; und da gab es nur eine einzige Gangart in seinen: Handbuche der Taktik und das war der – Laufschritt. Er behandelte euch mit aller erdenkbaren Impertinenz und Mißachtung und selbst der Tapferste von euch durfte kein Wörtlein dagegen sagen. Ihr habt dem Tod bei Donelson und Vicksburg ins Antlitz gesehen und Hieb um Hieb zurückgegeben, aber wenn er euch am Schnurrbart zupfte und euer Haar zauste und eure Nase zwickte, da habt ihr es euch ruhig gefallen lassen. Als die Donner der Schlacht in eure Ohren posaunten, da seid ihr den Batterien aufrecht gegenüber gestanden und mit stetigem Schritt vorgerückt; aber wenn er sein Schlachtgeschrei ertönen ließ, dann ging es bei euch an ein Avancieren in verkehrter Richtung. Wenn er nach dem Schlotzer verlangte, wagtet ihr etwa Bemerkungen fallen zu lassen, daß gewisse Dienstleistungen sich für einen Offizier und Gentleman nicht schicken? Nein! Ihr seid einfach aufgestanden und habt den Schlotzer geholt. Wenn er seine Trinkflasche verlangte und sie war nicht warm – habt ihr Einwendungen gemacht? Ihr und Einwendungen! Ihr habt euch daran gemacht und sie gewärmt! Ja, ihr habt euch so weit herabgelassen in eurem Knechtsdienst, daß ihr diesen dummen, faden Stoff darin selber versucht habt, um zu wissen, ob er auch recht gemischt sei: drei Teile Wasser mit einem Teil Milch und eine Prise Zucker von wegen der Kolik, und ein Tropfen Pfeffermünze gegen den ewigen Schlucker. Ich habe den Geschmack noch auf der Zunge – puh! Poetisch gestimmte Seelen glauben immer noch an das schöne, alte Märchen, daß, wenn das Wiegenkind im Schlummer lächelt, ihm die Englein 'was ins Ohr flüstern. Klingt hübsch, ist aber sehr schwach – 's kam einfach von einer Blähung her, meine Freunde. Wenn der Säugling einen Spaziergang vorschlug zu seiner beliebten Stunde, zwei Uhr morgens, seid ihr da nicht schnell aufgestanden mit der Bemerkung, die eurem Wahrheitssinn keine sonderliche Ehre macht, daß ihr denselben Vorschlag gerade eben hättet machen wollen. O, ihr habt euch unter guter Zucht befunden! Und wie ihr so im Zimmer in eurer Nachtuniform auf- und abgetänzelt seid, da habt ihr nicht nur angefangen, unwürdig zu lallen, sondern habt mit eurer Bärenstimme den Versuch gemacht, Liedchen zu singen, z. B. »Schlaf, Kindchen, schlaf!« Was für ein Schauspiel für eine Armee von Tennessee! Und wenn das so weiter ging, so zwei bis drei Stunden lang, und euer kleiner Flaumkopf zu verstehen gab, daß ihm nichts lieber sei, als diese musikalische Marschübung, was habt ihr dann gemacht? (Seid nur ruhig!) Ihr seid einfach weiter spaziert, bis ihr nicht mehr konntet. Eine lächerliche Idee das: ein Säugling habe nichts zu sagen und zu bedeuten!!
Ja, es war höchste Zeit für den Vorsitzenden eines Banketts, die Bedeutung der Säuglinge zu erkennen. Bedenkt, was kann aus der jungen Brut noch alles werden. Fünfzig Jahre von heute werden wir alle tot sein, denke ich, und dann wird dieses Sternenbanner, wenn es noch existiert – und ich hoffe, das wird es – über einer Republik flattern, die 200 Millionen Seelen zählt, gemäß den natürlichen Gesetzen unserer Volksvermehrung. Aus unserem gegenwärtigen Staatsschooner wird ein politischer Leviathan, ein Great Eastern geworden sein. Die Wiegenkinder von heute werden auf Deck sein. Sorgt für eine gute Erziehung; denn wir werden in ihren Händen ein schweres Stück Arbeit hinterlassen. Unter den drei bis vier Millionen Wiegen, die jetzt im Lande geschaukelt werden, befinden sich einige, die unsere Nation als Heiligtümer aufbewahren würde, wenn man nur schon wüßte, welche. In einer dieser Wiegen zahnt in diesem Augenblick, sich selber unbewußt, der FarragutGrößter Admiral der Vereinigten Staaten. der Zukunft; in einer andern blinzelt der künftige berühmte Astronom mit keinem sonderlichen Interesse die Milchstraße an – der arme Kleine sehnt sich nach einer andern Milchstraße, nämlich seiner Amme. In einer andern liegt der zukünftige, große Geschichtsschreiber und wird zweifelsohne dereinst fortfahren zu lügen, bis seine irdische Sendung vollendet ist. In einer andern beschäftigt sich der zukünftige Präsident mit keinem wichtigeren Staatsproblem als mit dem, warum er so früh keine Haare mehr hat, und in einer mächtigen Reihe von andern Wiegen liegen 60 000 zukünftige Stellenjäger, bereit, den Präsidenten späterhin Gelegenheit zu geben, sich mit demselben alten Problem zum zweiten Male zu beschäftigen,Anspielung auf die Sorgen, welche dem Präsidenten die Befriedigung der Ämterjäger seiner Partei macht. und in einer weitern Wiege irgendwo unter der Flagge liegt der zukünftige berühmte Feldmarschall der amerikanischen Armee, so wenig beschwert von seiner herannahenden Größe und Verantwortung, daß er seinen ganzen strategischen Scharfsinn in diesem Augenblick darauf gerichtet hat, wie er seinen großen Zehen in den Mund kriegen kann, ein Bestreben, das – mit allem Respekt gesagt – vor 56 Jahren auch die ganze Aufmerksamkeit unseres heute abend gefeierten Helden in Anspruch genommen hat. Wenn aber das Kind nur die Vorahnung des künftigen Mannes ist, so werden wenige zweifeln, daß sein Bestreben von damals mit Erfolg gekrönt war.«