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Der erste Tagesmarsch auf afghanischem Gebiet war kurz, denn das Wetter war sehr schlecht; es stürmte und goß in Strömen. Wir ritten zurück bis Tschihil Duchteran, wo wir gegen Mittag eintrafen. Ich konnte mich mit den Afghanen gut auf Persisch verständigen, wenn auch noch häufig von meiner Seite aus ein russisches Wort fiel. In dem einen Raum, der fast einer Gefängniszelle glich, machte ich es mir so bequem wie möglich. Die Fenster waren vergittert, lange Spinnennetze hingen von der Decke herab. Drang schon durch die kleine Öffnung kaum Licht in das Innere hinein, so ließen die schmutzigen, ganz verstaubten Fenster noch weniger Tageslicht in den Raum fallen. Tschihil Duchteran ist ein berüchtigtes Malarianest, denn es ist von Sümpfen umgeben. Auch in meiner Zelle waren viele Mücken, und da mein Feldbett und mein Moskitonetz beim großen Gepäck in Herat waren, so konnte ich mich vor den zudringlichen und gefährlichen Quälgeistern, durch deren Stich die Malaria übertragen wird, kaum schützen; war man so weit, daß man einschlafen wollte, dann hörte man sicher bald ein ganz feines, leises Summen am Ohr. So verlief die Nacht sehr unruhig, und ich war recht froh, als es am anderen Morgen weiterging.
Das Wetter war trostlos. Hatte es zuerst den Anschein, als ob es sich aufklären wollte, so begann es um neun Uhr wieder zu regnen. Von den Bergen war nicht viel zu sehen, graue Wolken hüllten die Gipfel ein. Alles war naß, und es tropfte von der Mähne der Pferde.
Nachdem wir drei Stunden geritten sind, haben wir keinen trockenen Faden mehr am Leibe. Dazu ist es sehr frisch, und der Soldat sagt oft: »Chunuk, chunuk« (kalt). Wir reiten in ein großes Tal ein, in dem einige kleine Dörfer liegen. Die Bewohner sind neugierig; wenn wir vorbeireiten, kommen sie herbei und fragen den Soldaten, wer ich bin, und wohin wir wollen.
Auf einem Felsblock sitzt ein großer Adler; er rührt sich aber nicht, als wir vorbeireiten. Da ich nur meinen dünnen Khakianzug trage, fühle ich mich bei dem naßkalten Wetter gar nicht wohl. Heute reite ich den schwarzen Hengst, der gestern mein Gepäck trug. Er geht besser als der braune, ist aber furchtbar faul, und ich muß ständig die Peitsche gebrauchen. Der Pferdeknecht Abdullah thront hoch oben auf dem Lastpferd, er hat sich ganz in dicke Decken eingehüllt, pendelt verdächtig auf den hohen Lasten hin und her, und ich habe ihn stark in Verdacht, daß er dann und wann ein kleines Schläfchen macht. Stunde auf Stunde vergeht. Keine Menschenseele weit und breit zu sehen! Und in feinen, grauen Fäden gießt es lustig weiter. Wir passieren ein paar elende Lehmhütten, aber kein Mensch zeigt sich, nur ein einsamer Esel schreit ganz kläglich. Endlich sichten wir hinter ein paar hohen Bäumen das erste große Karawanserai Chodschah Molal, wo wir die einzigen Gäste sind und auf das liebenswürdigste aufgenommen werden.
Die Karawanseraien, die von der Regierung angelegt sind, haben einen viereckigen Grundriß (Abb. 2):
In der Mitte ist der große Hof für die Tiere. Oft erhebt sich auch ein kleines Gebäude in der Mitte, das als Moschee dient. Die einzelnen Räume, die als Quartiere dienen, sind nicht groß, haben nur eine kleine Türe, die nach dem Hof geht, und in der Decke ein kleines Luftloch, damit der Rauch abziehen kann.
Sobald wir im Robat (Karawanserai) ankamen, wurde der Raum, in dem wir die Nacht verbringen sollten, ausgefegt, wobei der Staub nur so in Wolken aufwirbelte. Dann wurde ein helles Feuer angefacht und Teewasser gekocht. Nachdem wir unsere Sachen so leidlich getrocknet und Huhn mit Reis gegessen hatten, fühlten wir uns wieder wohl.
Nach einer gut verbrachten Nacht sind wir morgens schon früh wieder auf. Draußen ist ein furchtbares Wetter; es gießt wieder in Strömen und ist noch kälter und windiger als gestern. Ich ziehe alles Zeug an, das ich bei mir habe: zwei Unterhosen, drei Hemden, drei Paar Strümpfe! Aber trotzdem wird man nicht warm. Der Pferdejunge hat sich wieder in seine schmutzigen, verfilzten Decken gehüllt. Nur der Soldat ist zu bedauern, der keinen Mantel hat. Die Pferde sehen uns traurig an, und nach einer halben Stunde ist schon alles wieder durchnäßt.
Von den Bergen ist nicht viel zu sehen, dicke graue Wolken und Nebelfetzen haben sich um die Gipfel gelegt. Die Landschaft ist trostlos öde und stimmt einen traurig. Wir reiten langsam dem hohen Ardewan-Passe zu, der in der vor uns sich hinziehenden Hauptkette eingesenkt ist. Häufig haben wir einen kleinen Bach zu kreuzen, der sich zwischen verwitterten, düsteren, kahlen Bergen dahinschlängelt. Kein Leben ist zu sehen, nur hin und wieder kreist ein großer Raubvogel über uns. Gegen elf Uhr sind wir schon ziemlich hoch gestiegen. Es beginnt in dicken Flocken zu schneien; vornübergebeugt sitzt jeder im Sattel, keiner spricht ein Wort. So geht es wohl eine Stunde bergan. An vielen Stellen ist der schwarze Boden schon mit einer dicken Lage Schnee bedeckt. Wir arbeiten uns langsam zum Passe empor, der eine Höhe von ca. 1600 m hat. Der Abstieg nach Süden ist ziemlich steil und die Pferde gleiten auf den schlüpfrigen Schieferplatten häufig aus, so daß wir absteigen und die Tiere führen müssen. Durchfroren und naß kommen wir in Kusch Robat an, wo wir uns einen heißen Tee geben lassen und uns an einem Feuer wärmen. Dann ziehen wir weiter, überschreiten noch eine kleine Bergkette und reiten bis zum Dunkelwerden über eine große, breite Ebene, die kein Ende nehmen will. Wir treffen große Schaf- und Ziegenherden, und eine Kamelkarawane zieht langsamen Schrittes an uns vorüber. Es dämmert bereits, als wir in das armselige Dorf Perwaneh einziehen. Die Berge im Süden werden von der untergehenden Sonne beleuchtet und schimmern in goldgelben Farben; sonst aber hängen dicke, blaugraue Wolken am Himmel. In dem Karawanserai wird uns ein elendes Loch angewiesen, und da es spät ist, kann auch ein Pilau nicht mehr zubereitet werden. So erhalten wir Spiegeleier, die in Hammelfett schwimmen, Brot und Tee und legen uns dann bald schlafen.
Der folgende Tagesmarsch war kurz. Als wir aufbrachen, war noch alles in dicke Nebel gehüllt; aber man sah die Sonnenscheibe schon die weißen Schleier durchdringen. Bald verteilten sich die Wolken, und der blaue Himmel leuchtete uns entgegen. Wir reiten in einem breiten Gebirgstale nach einem niederen Bergrücken hinauf. Bald ist es so warm, daß ich meinen Mantel ausziehe. Die Sonne taut uns alle wieder auf, und sowohl der Pferdeknecht wie auch der Soldat sind äußerst gesprächig; als wir in das fruchtbare Heri-rud-Tal einziehen, sind wir mit einem Male wieder in den Hochsommer versetzt.
Wir passieren große, mit blauen Kacheln gedeckte Kuppelgräber, schlanke Minarette, die ebenfalls mit glasierten Ziegeln bekleidet sind, und sehen vor uns die Stadtmauern und die Zitadelle aufragen. Sehr bald hat der Soldat ausfindig gemacht, wo meine Sachen verstaut sind, und ich werde in ein kleines reizendes Gartenhäuschen geführt. In der Mitte des Innenhofes befindet sich ein Goldfischteich, über den sich ein großer Maulbeerbaum neigt. Die Fenster sind alle aus buntem Glas zusammengesetzt; ein Diener öffnet das Mittelfenster, und die Sonne fällt in den Raum. Alles atmet gleich Licht und Sonne, und laue Lüfte hüllen uns ein. Welch Gegensatz zu den letzten Tagen!
Man bereitet mir Tee, bringt Obst, und bald erscheint Sahib Dad Khan im Auftrage des Gouverneurs und teilt mir mit, daß ich im Tschähar-Bagh Quartier beziehen soll, der zu den Gouvernementsgebäuden gehört. Mir wird hier ein großes, schönes Zimmer angewiesen, von dem aus ich auf die großen Blumenbeete blicke, die den Hof schmücken (Abb. 3). Der Duft ist geradezu betäubend; große Schmetterlinge mit schweren, seidenen Flügeln flattern von einer Blume zur anderen, und auch die Bienen sind noch eifrig an der Arbeit. Nachdem ich mein großes Gepäck in Empfang genommen und mir mein Zimmer eingerichtet habe, holt mich Sahib Dad Khan zu einem Spaziergange ab, der mich quer durch die Stadt führt.