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Noch vor Tagesanbruch verließ Sancho Tejada die Stadt. Er ritt das gute Pferd seines Oheims. Das Sattelzeug hatte er bei dem Posadero, bei dem er die Nacht zugebracht, erneuert, auch seine Kleidung war vervollständigt worden. Die Kruppe des Pferdes trug einen stattlichen Mantelsack.
Die rauhe Straße, die nach Süden führte und hier und da von Gehöften eingefaßt war, war menschenleer. Gegen Mittag erreichte er eine Posada und beschloß, Mittagsrast zu halten. Nachdem er und sein Pferd ausreichend geruht hatten, ritt er weiter. Der Weg schien ihm einschließlich aller Wirtshäuser vertraut.
Gegen Abend wurde er von einem Indianer eingeholt, der ihn überholen wollte. Tejada rief ihn an. »Wohin führt dich dein Weg?« fragte er.
»Geradeaus«, war die mürrische Antwort.
»Eine reizende Weisheit«, lachte Tejada. Er reichte dem Mann eine Cigarrito, die der Indio begierig ergriff und in Brand setzte.
»Kommst du von Bogotá?« fragte Tejada.
»Nein.«
»Bist du hier in der Nähe zuhause?«
»Nein.«
»Bei wem dienst du?«
»Bei niemand.«
»Bist du Landwirt?«
»Nein.«
»Aber irgendetwas mußt du doch treiben. Was bist du also?«
»Vaquero.«
»Ah, dachte ich's mir doch. Und du hast jetzt keinen Dienst?«
»Nein.« Es folgte ein halbunterdrückter Fluch in indianischem Dialekt. »Señor Castillo hat mich fortgejagt«, sagte der Mann.
»Warum hat er dich fortgejagt?«
»Mir sind ein paar Pferde von der Weide gestohlen worden.«
»Soso. Ja, das ist eine böse Sache, mein Lieber. Wo stammst du denn her?«
»Aus den Llanos.«
»Aus den Llanos an den Bergen?«
»Nein, vom Fluß, vom Apure.«
»Und wohin willst du jetzt?«
Der Mann zuckte die Achseln. »Nach Hause, wenn ich keinen Dienst finde.«
Tejada überlegte, ob ihm bei den Nachforschungen, die er anzustellen hatte, die Hilfe eines Eingeborenen nicht von Nutzen sein möchte. Eine Zeitlang hielt er sich an der Seite des Indios. Ich werde ihn für kurze Zeit in Dienst nehmen, dachte er, es wird in jedem Falle gut sein.
»Hör zu«, sagte er, »ich habe selbst einige Geschäfte in den Llanos zu besorgen. Wenn du im Augenblick nichts Besseres vorhast, will ich dich für einige Zeit bei mir anstellen und dich anständig bezahlen.«
»Was verlangt der Señor, daß ich tun soll?« fragte der Indio.
»Das wirst du schon sehen. Du sollst mein Peon sein, sonst nichts.«
»Was will der Señor mir geben?«
»Du kannst beruhigt sein. Caballeros meiner Art handeln mit einem Peon nicht. Ich werde dir einen Peso für die Woche zahlen und selbstverständlich für Essen und Trinken sorgen.«
»Wird mir der Señor, wenn er mit mir zufrieden ist, einen Poncho schenken?« Tejada streifte den Mann mit einem flüchtigen Blick; sein Poncho befand sich in ziemlich üblem Zustand. »Gut«, sagte er, »du sollst ihn haben, wenn du fleißig und ordentlich bist.«
»Ich werde mit dem Señor gehen«, sagte der Mann.
»Wie heißt du?«
»Juan Moro.«
»Gehört dir das Maultier, auf dem du reitest?«
Der Indianer zögerte einen Augenblick, dann sagte er: »Ich habe es von einem Freunde geliehen.«
Tejada lachte. »Dein Freund hat jedenfalls recht gute Mulos«, sagte er. Er hatte sofort gesehen, daß der Indio ein vortreffliches Maultier ritt, und er war überzeugt, daß er das Tier gestohlen hatte, aber das beunruhigte ihn nicht weiter.
Nach einer Weile sagte der vorsichtige Indianer: »Wenn ich dem Señor als Peon dienen soll, muß er mir Handgeld geben.«
Tejada griff in die Tasche und gab ihm ein Silberstück. »Gut, Juan«, sagte er, »Ordnung muß sein, hier hast du einen Peso.« Der Indianer steckte die Münze sichtlich erfreut zu sich. »So«, sagte Tejada, »nun reite langsam hinter mir her, wie es sich für einen Peon gehört.«
Der Indianer verhielt und ließ seinem neuen Herrn einen angemessenen Vorsprung.
Sancho Tejada strich gutgelaunt seinen Schnurrbart. »So«, grinste er, »nun kommen wir wirklich als Caballero in die Llanos. Hoffentlich macht sich das Geschäft dort bezahlt.«
Er ahnte nicht, daß der soeben angestellte Diener Juan Moro in Wirklichkeit Maxtla hieß und daß ein auf seine Fährte gesetzter Spürhund hinter ihm ritt.