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Auf einsamen Wegen

»Was drängt dich so von uns fortzueilen, mein Sohn?« fragte der greise Abt, als Maxim ihm nach einigen Tagen seine Absicht, das Kloster wieder zu verlassen, mitteilte. »Wir alle haben dich liebgewonnen und uns an dich gewöhnt. Wer weiß, vielleicht kehrt auch in dein Herz die göttliche Gnade und der göttliche Friede ein und du entschließt dich, ganz bei uns zu bleiben. Ach, verlaß uns doch nicht, Maxim!«

»Ich kann nicht bleiben, ehrwürdiger Vater. Wohl habe ich die freundlichen Mönche und ihr stilles Leben so lieb gewonnen, daß ich nicht merkte, wie die Tage dahingingen, dennoch ruft mich mein Geschick unwiderstehlich in weite Fernen. Schon lange höre ich Waffenlärm um mich, und oft, wenn ich so in Gedanken versunken dasitze, ist es mir plötzlich, als wenn mir die Tatarenpfeile bereits um die Ohren sausten. Und dieses Schwirren und Sausen – es lockt und zieht mich mit aller Macht fort.«

Da gab es der Abt auf, Maxim länger zurückzuhalten. Er ließ eine besondere Messe für seine Reise lesen und segnete ihn. Betrübt nahmen die Klosterbrüder von ihm Abschied.

Und wieder fühlte Maxim sein Roß unter sich und trabte durch den grünen Wald dahin. Wie früher sprang Bujan am Pferde hoch und blickte froh zu seinem Herrn empor.

Die Sonne stand schon tief; die Schatten der Bäume wurden immer länger und deckten die Täler mit Dunkelheit zu. Neben Maxim ritt sein eigener Schatten wie ein finsterer Riese einher. Bald lief er auf dem Grase entlang, bald, wenn der Weg durch dichten Wald führte, kletterte er an den Sträuchern und Bäumen empor. Bujan glich im Schatten einem riesigen, sagenhaften Ungeheuer. Nach und nach aber verschwanden Bujan und das Pferd und Maxim selbst von den Bäumen und vom Grase. Die Dämmerung brach herein. Hie und da lagen weiße Nabelstreifen über den Wiesen. Die Nachtkäfer hoben sich empor und schwirrten summend durch die Luft. Der Mond blickte hinter den Bäumen hervor. Hie und da tauchten an dem immer dunkler werdenden Himmel Sterne auf; in der Ferne schimmerte ein unendlich weites Feld.

Schon eine gute Stunde mochte Maxim so geritten sein, als Bujan plötzlich die Nase hob und vergnüglich zu wedeln begann. Es roch nach Rauch. Maxim fiel es ein, daß es Zeit war, sich nach einem Nachtlager umzusehen, und so trieb er sein Pferd zur Eile an. Bald sah er eine einsame Hütte vor sich liegen, die sich schief nach einer Seite geneigt hatte. Nicht einmal einen Schornstein hatte sie. Der Rauch stieg direkt aus dem Dache empor. Durch das niedrige Fenster schimmerte Licht. Von innen klang ihm monotoner Gesang entgegen. Maxim ritt näher zum Fenster heran. So konnte er die ganze armselige Einrichtung überblicken. Eine Harzfackel beleuchtete den schmutzigen und halb zerbrochenen Hausrat. Von der Decke hing an einer beweglichen Stange eine Wiege herunter. Eine Frau von etwa dreißig Jahren, bleich und elend, schaukelte die Wiege und sang dabei leise vor sich hin. Neben ihr saß, tief über seine Arbeit gebeugt, ein Mann mit spärlichem Bart und flocht Bastschuhe. Zwei Kinder krochen umher und spielten zu ihren Füßen. Maxim war es so vorgekommen, als hätte die Frau in ihrem Liede den Namen seines Vaters genannt. Zuerst glaubte er, sich getäuscht zu haben. Aber bald klang der Name Maljutas wieder deutlich an sein Ohr. Verwundert begann er der Stimme der Frau zu lauschen:

Schlafe, mein Kindlein, schlafe,
Bis das Gewitter vorüberzieht,
Bis das Unheil vorüberzieht!
Baju, bajuschki – baju,
Schlafe, mein Kindlein, schlafe!

Bald vergeht das Unheil der Welt,
Bald befiehlt unser Zar zu köpfen
Seinen grimmen Hund, Maljuta Skuratoff!
Baju, bajuschki – baju,
Schlafe, mein Kindlein, schlafe!

Eine jähe Röte schoß in Maxims Gesicht. Er stieg vom Pferde und band das Tier an den Zaun.

Die Stimme fuhr fort zu singen:

Maljuta hat, der grimme Hund,
Erwürget den heiligen Alten,
Philipp, den heiligen Alten.
Baju, bajuschki – baju,
Schlafe, mein Kindlein, schlafe!

Endlich hielt es Maxim nicht mehr aus und stieß mit dem Fuße die Tür auf. Beim Anblick der kostbaren Kleidung, des goldglänzenden Schwertes fuhren Mann und Frau erschreckt hoch.

»Wer seid ihr?« fragte Maxim.

»Ach, Väterchen!« antwortete der Mann, sich tief verneigend und vor Angst stotternd, »ich heiße – verzeih – ja, ich heiße Fjodor, und meine Frau – verzeih, Väterchen – meine Frau heißt Marja!«

»Wovon lebt ihr, ihr guten Leute?«

»Wir ziehen Bast, Herr, flechten Schuhe und machen Körbe. Wenn Kaufleute des Weges kommen, so nehmen sie uns etwas ab!«

»Hier kommen wohl nicht allzuviel vorbei?«

»Wenig, sehr wenig, Herr! Oft haben wir nichts zu brechen und zu beißen! Man lebt in steter Angst, vor Hunger oder Kälte umzukommen. Und ein Pferdchen besitzen wir nicht, um die Ware selbst in die Stadt zu schaffen. Schon im vergangenen Jahre haben es uns die Wölfe zerrissen!«

Maxim betrachtete beide voller Teilnahme und streute einige Goldstücke vor sie auf den Tisch aus.

»Gott sei mit euch, ihr armen Leute«, sagte er und näherte sich der Tür. Die beiden fielen ihm zu Füßen.

»Ach, Herr, wer bist du? Väterchen, nenne uns doch deinen Namen, damit wir wissen, für wen wir zu Gott beten sollen!«

»Betet nicht für mich, sondern für die Seele des Maljuta Skuratoff. Sagt, ist es noch weit bis zum Wege, der nach Rjasanj abzweigt?«

»Das dort ist er ja, mein Falke! Unsere Hütte liegt direkt an der Wegkreuzung. Hier rechts geht der Weg nach Murom, dort links nach Wladimir, und der hier führt direkt nach Rjasanj. Aber jetzt reite nicht dort lang, lieber Herr; tue es ja nicht! Es kommt hier viel vor in letzter Zeit. Erst gestern ist ein ganzer Frachtwagen mit Wein ausgeplündert worden. Und außerdem sollen sich die Tataren wieder gezeigt haben. Übernachte doch bei uns, Väterchen, lieber Herr! Gott behüt' dich, wie schnell ist ein Unglück geschehen!«

Aber Maxim wollte nicht in derselben Hütte die Nacht zubringen, in der man soeben seinen Vater verflucht hatte.

So entschloß er sich, weiterzureiten, in der Hoffnung, ein anderes Nachtlager zu finden.

»Väterchen«, riefen die beiden noch hinterdrein, »kehre lieber wieder um, Herr, höre doch auf uns! Es wird dir nachts auf dem Wege schlecht ergehen.«

Aber Maxim achtete nicht weiter auf sie und setzte seinen Weg fort. Einige Werst mochte er so zurückgelegt haben, als Bujan sich plötzlich auf ein dunkles Gebüsch stürzte und so wütend und anhaltend zu bellen begann, als witterte er einen versteckten Feind. Maxim rief ihn vergeblich zurück. Bujan stürzte sich immer wieder auf das Gebüsch, kehrte mit gesträubtem Fell zurück, um gleich wieder hinzulaufen. Maxim wurde es endlich müde, ihn immer wieder zurückzurufen. Er zog sein Schwert und sprengte selbst auf das Gebüsch zu. Mehrere Männer mit erhobenen Knütteln sprangen ihm entgegen, und eine grobe Stimme rief:

»Herunter vom Pferde!«

»Da hast du die Antwort!« erwiderte Maxim, dem ihm zunächst Stehenden einen Hieb versetzend. Der Räuber wankte.

»Das reicht wohl noch nicht«, fuhr Maxim fort und machte Miene, ihm einen zweiten Hieb zu versetzen. Aber sein Schwert schlug flach auf den mächtigen Knüttel eines anderen Räubers und flog in Stücke.

»Kinder, seht doch, welche Rüstung? Es scheint ein Opritschnik zu sein. Versucht ihn lebendig einzufangen!« rief eine rauhe Stimme.

»In der Tat, ein Opritschnik«, meinte ein anderer mit höhnisch winselnder Stimme. »Das wird eine Freude geben, wenn wir den vorführen. Der soll uns gut unterhalten!«

»Ja, ja, Chlopko, du kannst es wohl gar nicht abwarten! Du bist mir ein Feinschmecker!«

Und damit stürzten sich alle gleichzeitig auf Maxim und rissen ihn vom Pferde herunter.


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