Ludwig Tieck
Die Wundersüchtigen
Ludwig Tieck

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Schmaling trat mit dem Großmeister, dem unbekannten Obersten, zu welchem ihn eine ungemessene Ehrfurcht, eine Art von Anbetung hinzog, zugleich in sein elegantes Schlafgemach, indem er an allen Gliedern zitterte. Ich wage es, Ihnen zu folgen, Größter aller Sterblichen, – doch, was sage ich? vielleicht einem Unsterblichen.

252 Feliciano sah ihn mit einem hochrothen Gesicht und glänzenden Augen an. Dem Jüngling erschien der Meister in einem wunderbaren Lichte, denn er sah, daß Dieser wankte, und sich lachend niedersetzte. Ei! mein Kind, fing er darauf an, da bist Du ja auch! Das ist schön, daß Du kommst, so können wir noch in stiller Nacht ein wenig mit einander schwatzen.

Er stand wieder auf, und wankte nach einem Schranke hin. Ich habe mich verleiten lassen, fing er wieder an, heute, meiner Gewohnheit entgegen, viel zu sprechen, und noch mehr von den starken Weinen zu trinken. Unpolitisch. Ich will mich nun an diesem Trank, den ich nur meinen ägyptischen Wein zu nennen pflege, wieder nüchtern zechen, weil dieser noch viel stärker ist, als dort das beste Getränk. – Er leerte einen großen Becher, den er aus einer sonderbaren Flasche gefüllt hatte, die in allen Farben glänzte und mit vielfachen Hieroglyphen bemalt war. – Trink, mein Söhnchen, sagte er dann, und reichte dem jungen Manne den Becher, koste wenigstens diesen Wundertrank.

Schmaling setzte bald ab, denn diese Essenz, aus Gewürzen abgezogen, war ihm zu stark. Feliciano sah ihn freundlich lächelnd an und sagte: Liebes Bürschchen, kein Mensch in der Welt hat mir noch so sehr als Du gefallen, begleite mich, sei mein Freund und wahrer Schüler, und ich will Dir alle meine Weisheit mittheilen. Das andre Menschenvolk ist so plump und unliebenswürdig, Keiner ist mir noch aufgestoßen, dem ich mich ganz ergeben möchte. Du allein hast mein Herz gewonnen, und zu Dir möchte ich wahr und offen seyn können, weil mich das Zusammenschnüren, wie ich es der Uebrigen wegen mit mir treiben muß, genirt und langweilt. – Aber was wolltest Du noch von mir erfahren oder erfragen?

253 Die Stimme des Mannes lallte, und es schien, als wenn dieser ägyptische Wein eher das Gegentheil, als die beabsichtigte Wirkung hervor gebracht hätte. Schmaling war verlegen und mochte sich selber nicht gestehn, was er zu bemerken glaubte; er sagte: Großer Meister, wenn es mir erlaubt ist, zu fragen, und noch einen Augenblick bei Ihnen zu verweilen, so möchte ich wohl erfahren, wie Sie es gemeint haben, was meinem Freunde die Geister, und auf welche Art sie ihm schaden könnten: was Sie sagten, schien zwar ein gewisses Licht zu geben, war mir aber doch noch unverständlich.

Feliciano schlug in seinem Sessel ein lautes Gelächter auf, an dem er sich nur nach geraumer Zeit ersättigte, dann sagte er: Je, Kind, liebstes Kind, nimm doch Vernunft an. Was ich dort gesagt haben mag, weiß ich nicht mehr, aber ich meine, es wird mit seinen Geistern und allen den Geschichten ein klägliches Ende nehmen, weil der Gimpel selbst an seine Geister glaubt.

Weil er an sie glaubt? fragte Schmaling im höchsten Erstaunen.

Ja, liebes Närrchen, fuhr der Magus fort, sieh, deswegen muß es ja nothwendig und natürlich ein ganz miserables Ende mit ihm nehmen. Er betrügt die Welt und seine Schüler, und das ist recht und billig; mit den unter uns bekannten Kunststücken läßt er Geister und Gespenster erscheinen, aber der erste Dummkopf in der Welt ist, der selbst durch sich selbst getäuscht wird. Ich kam ihm in allen Richtungen entgegen und erwartete sein Bekenntniß, das mir allein am Tisch verständlich gewesen wäre. Aber seine Obern haben den Menschen auf eine mir unbegreifliche Art so dumm gemacht, daß, wie er auch betrügt und Andre täuscht, 254 er doch glaubt, es werde sich ihm mit der Zeit das ächte wahre Wunder mittheilen.

Schmaling wußte nicht, wie ihm geschah. Er betrachtete die Decke und wieder den verehrten Meister, sich selbst, den Fußboden und wieder den trunknen Wahrsager, der jetzt von Wein geschwächt und von seinem Uebermuth begeistert so Vieles aussagte und verrieth, was er nüchtern geworden am Morgen wahrscheinlich bereute.

Laß die Narrenpossen, sagte der Graf, und mache es möglich, daß wir uns Beide verständigen. Du bist zu gut, um unter dem aberwitzigen Jan Hagel so mitzulaufen, Du verdienst es, die höchsten Grade und alle mit einander in einem Augenblicke zu erhalten. Ich höre, Du willst da in Deiner Stadt heirathen. Zieh mit mir, die ganze Welt steht einem so schönen, so feinen und schmiegsamen Mann, wie Du es bist, offen; alle Weiber, die schönsten und vornehmsten, werden Dir entgegen laufen. Du wärst mir dazu ganz anders brauchbar, als der tölpische Anton, Dein Jugendfreund, der aus einem Freigeist und Uebervernünftigen so mit beiden Beinen in die Dummheit hinein gesprungen ist.

Er lachte wieder, daß er vor Schmerzen inne halten mußte. Du weißt vielleicht, fing er wieder an, wie ich schon ein Weilchen in Eurer komischen Stadt als ein Herr Anderson lebte. Ich hatte so die beste Gelegenheit, Alles auszuspioniren, und mein pfiffiger Bedienter noch mehr. Ich kannte schon alle Verhältnisse, auch die Mesalliance des Herrn Anton mit einem hübschen Bauernmädchen, die er nun in seiner kühlen Verständigkeit so schlechthin aufzuopfern dachte. Dieser tugendhafte Anton wollte nun Dich, mein liebes Kind, bessern und korrigiren, daß Du den Aberglauben ließest. Das kam mir ganz erwünscht in den Weg gelaufen, daß ich mich für den großen, berühmten Feliciano 255 ausgeben sollte, der ich zufällig selber war. Die Bäuerin hatte ich kennen lernen und ihre Verzweiflung gesehn: ich hatte von ihr ein Bildchen machen lassen, das ziemlich ähnlich war. Sollte es doch auch nur für einen Augenblick dienen. Der Professor Ferner hat ein allerliebstes Kind, einen überaus klugen Jungen. Man glaubt nicht, wenn man es nicht so oft, wie ich, erfahren hat, wie schon der ganze Spitzbube in den Kindern steckt. Das Lügen, das den meisten angeboren ist, darf nur ein wenig erfrischt und aufgemuntert werden, so geräth es fast besser, als bei den Erwachsenen, die immer darin fehlen, daß sie es zu klug, zu verwickelt machen wollen. So ein Kind wird wahrhaft begeistert, wenn es gebraucht werden soll, die Großen und Vorgesetzten zu betrügen, und es lernt eine solche Lection besser, als jede in der Schule. Mit diesem Jungen, der noch bei mir ist, hatte ich schon unvermerkt mein Spiel verabredet. Mein Diener hatte die Blendlaterne und das Bild bei der Hand, sammt dem nöthigen Rauch, die Domestiken des Hauses waren entfernt worden, und um die Sache noch schauerlicher zu machen, hatte die gute Bauernnymphe unterdessen, daß sie im Zimmer leiblich erscheinen sollte, einen Schlaftrunk erhalten. So wurde denn der Spuk und die Comödie glücklich so gespielt, wie Du sie selber mit angesehn hast.

Immer noch war es dem glaubensfähigen Schmaling, als wenn er in einem ängstlichen Traume läge. Und heute nun, fing er wieder an, als mein Lehrer und Meister sich Eurer höheren Wissenschaft so unbedingt beugen mußte?

Kluges Kind, antwortete Jener, siehst Du denn nicht ein, daß wer die Menschen betrügen will, es ja nicht zu fein anfangen muß? So wie es fein ist, wird ja auch der Scharfsinn Jener geweckt, sie werden aufmerksam, denken, passen auf, und das Kunstwerk steht auf der Nadelspitze. Grob, 256 plump muß der Menschenkenner zu Werke gehn. Die sich dann nicht damit einlassen wollen, wenden sich ganz ab, und auch das ist Gewinn; die Andern denken: Nein, so einfältig ist doch Keiner, die Sache zu erfinden, wenn nicht irgend Etwas daran wäre. Sagst Du ihnen, Du hast Carl den Zwölften gekannt, so lachen sie Dir ins Gesicht, behauptest Du aber dreist, Du habest mit Johann Huß Brüderschaft getrunken, so glauben sie Dir. – Also mein Herz, laß Dich überreden, mit mir, als Deinem bekannten Obersten, durch die Welt zu ziehn, und ihre Schätze und Gunst mit mir zu theilen. – Oberster! Ha ha! Weil ich so viele Logen aller Art durchkrochen bin, so wurde mir denn auch von einigen Rosenkreuzern eine Signatur gezeigt, die den Messias bezeichnen sollte, der einmal erscheinen würde, um ein himmlisches Reich auf Erden zu stiften. – Du siehst, mit welcher angenehmen Dreistigkeit ich Deinen großen Meister mit dem Bagatell verblüfft habe. – Nein, als ein ehrlicher, schlichter Mann könnte ich verhungern, als ein berühmter Charlatan bin ich reich und beherrsche Männer und Weiber und kann wie ein Sultan gebieten und walten. Lockt Dich denn diese Aussicht nicht, liebstes Kind? Du bist so viel schöner, als ich, Du kannst ja Deine Jugend nicht besser genießen. Mir hat so ein Wesen noch immer zu meinen Erscheinungen gefehlt, wer weiß, welchen Engel wir droben im Norden aus Dir machen. Wer weiß, welche Monarchin Dir ins Netz läuft, – wer weiß – kurz, komm mit!

Der ägyptische Wein hatte so stark gewirkt, daß der Großmeister jetzt einschlief. Am Morgen, als er erwachte und sich besann, konnte er sich nur dunkel erinnern, was er gethan und gesprochen hatte. Aber das drückte ihn schwer, daß er sich gegen Schmaling auf irgend eine Weise zu sehr herausgelassen habe. Er sendete sogleich nach diesem, um 257 entweder mit Klugheit ihm Alles wieder auszureden, oder, wenn dies unmöglich sei, ihn im halben Vertrauen stehen zu lassen und durch Drohungen zum Schweigen zu zwingen. – Aber Schmaling war verschwunden und nirgends zu finden, auch Sangerheim konnte keine Nachricht von ihm geben, der mit Schmerz und Aengstlichkeit die unbegreifliche Entfernung des Jünglings beklagte.

Als nicht zu helfen war, schickte Feliciano einen drohenden Befehl an Sangerheim, den jungen Schmaling niemals wieder als Bruder in seine Loge zuzulassen, dieses Verbot auch andern Logen mitzutheilen, die mit ihm in Verbindung ständen, das Gleiche würde er allen Brüdergemeinden zusenden, die von ihm abhängig wären, weil er entdeckt habe, daß dieser Schmaling ein Bösewicht, Verleumder und ganz unwürdiger Bruder sei, der nur damit umgehe, alle Geheimnisse des Ordens auf eine schändliche Weise zu verrathen, und die Meister selbst durch die abscheulichsten Lügen öffentlich zu beschimpfen.

Sangerheim zitterte, und Feliciano eilte, mit seinem Zuge seine Reise nach dem fernen Norden fortzusetzen. –

Schmaling war mit den schnellsten Postpferden zur Residenz zurückgekehrt. Er wußte nicht, wie er sich benehmen sollte, er hatte nicht den Muth, in das Haus seines Schwiegervaters zu gehen, er konnte es sich nicht als möglich denken, nur den Bedienten gegenüber zu treten, um sich melden zu lassen.

In dieser unbehaglichen Lage sagte er zu sich selber: Ist es denn etwas Anderes, wenn ein Freund, der im hitzigen, oder Faulfieber liegt, von allen Aerzten schon aufgegeben, von allen Freunden schon als todt beklagt, wieder geneset? Sonderbar, daß wir immer so großen Unterschied zwischen den Krankheiten unsrer Seele und unsers Körpers 258 machen wollen. Eins ist selten ohne das andre. Dem Elenden, der im Fieber phantasirt, vergiebt man es gern, man tröstet ihn sogar freundlich, wenn er Gott und Menschen, seine Liebsten und Nächsten gelästert hat, man nennt es nur Abwesenheit, Vergessen seiner selbst: und der Arme, dessen Seele zerrissen wurde, der, peinlich hinauf getrieben, zwischen den Extremen schwankte, der sich selbst verlor: ihm vergiebt man nicht, ihm rechnet man die Aeußerungen seiner Krankheit als Verbrechen an, und er muß es mit Dankbarkeit erkennen, wenn man es ihm nur nach Jahren vergißt, daß er diese und jene auffallende Meinung äußerte. Und so bin ich genesen, ich kehre von einer Brunnenkur zurück, da alle meine Freunde mich schon aufgegeben hatten. Wollen sie mich nicht, die mir die Liebsten und Nächsten sind, als einen Wiederhergestellten anerkennen, nun so ist es an ihnen, krank zu seyn, sie mögen dann irgend ein Bad besuchen, und es kömmt nachher auf mich an, ob ich sie als Gesunde begrüßen oder als Unheilbare von mir weisen will.

Mit diesen Gesinnungen und Entschlüssen ging er nach dem Hause des Geheimenrathes Seebach. Die Bedienten, die ihn schon von ehemals kannten, ließen ihn ungehindert eintreten. Er fragte nach Fräulein Clara; man sagte ihm, daß sie ungestört seyn wolle, weil sie sich unwohl fühle, sie habe daher erklärt, keine Besuche annehmen zu wollen. Er sagte dem Kammerdiener, daß er der Familie kein Fremder sei, und daß er alle Verantwortung auf sich nehmen wolle.

Er ging über den wohlbekannten Gang nach dem Gemache seiner Jugendfreundin. Lange stand er vor der Thür. Er lauschte mit hochklopfendem Herzen. Ihm war, als wenn er drinnen Gesang und die Töne einer Laute vernähme. Und so war es auch. Clara, um ihren Gram einigermaßen zu beschwichtigen, hatte alle ihre alten Musikstücke hervor 259 gesucht, um sich an diesen zu trösten. Sie spielte und sang, und wiegte so, als sei er ein ungezogenes, schreiendes Kind, ihren immer wachen Kummer ein. Einige Blätter hatte sie bis jetzt überschlagen. Sie faßte den Muth, sie vor sich hinzulegen, um sie zu singen. Es waren einige Compositionen, die in bessern Zeiten Schmaling selbst zu ihren Lieblingsliedern gesetzt hatte, es waren sogar einige Lieder darunter, die von ihm gedichtet waren, und zu denen er ebenfalls die Melodie gesungen. Lange hatte sie den Trost der Musik entbehrt und darum ergab sie sich heute diesem Genusse wie eine Berauschte. Schmaling horchte entzückt an der Thür; alle Jugenderinnerungen, alle jene süßen Stunden der Unschuld kehrten in sein bewegtes Gemüth zurück. Ihm war, als hätte er den ganzen Zwischenraum, zwischen jenen Tagen und dem heutigen, nur in einem schweren Traum gelegen.

Clara hörte in ihrem lauten Gesange nicht, wie er klopfte. Als er das Zeichen wiederholt gegeben hatte, öffnete er die Thür und trat in das Zimmer. Sie saß mit dem Rücken gegen die Wand und hatte seinen Eintritt nicht vernommen. Sie sang so laut und heftig, als wenn sie an dem Liede sterben wolle. Er hatte es ihr vor drei Jahren zu ihrem Geburtstage komponirt, nicht lange nachher, als sie mit einander bekannt geworden. Er konnte sich nicht zurückhalten, er weinte laut und stürzte zu ihren Füßen nieder. –

Die Laute entfiel ihrer Hand. – Wie? rief sie aus; was sehen meine Augen? Täuscht mich kein Blendwerk? Die alte Zeit kommt wieder, der Calender lügt und mein Ferdinand ist wieder da.

Ja! rief der tiefbewegte Jüngling: da, um nie wieder von Dir zu scheiden. Zurückgekehrt, wie der verlorne Sohn, 260 von den Trebern des Aberwitzes und der Lüge, um bei seinem Vater Schutz und Nahrung zu suchen.

So? sagte Clara, indem sie ihn aufhob; stehe auf, lieber Freund, wenn ich Dich noch so nennen darf. Also, meinst Du, soll ich nun wie das Kalb geschlachtet und verspeiset werden?

Ich bin leider das Kalb gewesen, antwortete der Beschämte, aber nun, meine süße Geliebte, nachdem ich genesen, nachdem ich die Dummheit meiner erhabenen Meister eingesehn habe, werde ich mich niemals wieder verführen lassen. Nein, auf immer bin ich zu Dir, zu jenem schlichten, einfachen Leben zurückgekehrt, das ich vor Kurzem noch mit Verachtung ansah. Fühle ich doch in allen Fasern meines Herzens und in jedem Tropfen meines Blutes, daß das Einfache, scheinbar Arme, das Nächstliegende eben das Reiche, Wohlthätige, Himmlische ist! Vergiebst Du mir meinen Wahnsinn, so bin ich der Glückseligste aller Menschen, und ich erwarte, daß Fürsten von mir Almosen begehren sollen.

Nun, nun, sagte Clara, nicht eben so eifrig, mein Freund, in der Bekehrung und Reue wie erst in der Sünde. Also jetzt willst Du kein Kapuziner, nicht katholisch werden?

Sie lachte so anmuthig, daß Schmaling den Muth faßte, sie in die Arme zu nehmen und herzlich zu küssen. Noch niemals hatte sie ihm den Kuß mit diesem Feuer erwiedert. Hierauf zog sie beide Glocken in ihrem Zimmer mit der größten Heftigkeit, tanzte im Gemach auf und ab, und als mehrere Diener ängstlich erschienen, rief sie diesen mit lauter Stimme zu: meine Eltern sollen kommen! Aber gleich! Mit der größten Schnelligkeit! Es verlohnt sich schon der Mühe, zu eilen.

Man verwunderte sich im ganzen Hause über das ungewöhnliche Geräusch. Der alte Kammerdiener lief in Angst 261 hin und her, weil er meinte, daß irgendwo Feuer ausgebrochen sei. Endlich traten Mutter und Vater zu Clara in das Zimmer. Was giebt es denn? fragten Beide; warum lässest Du uns so gewaltsam rufen?

Sie sagte: wenn es nicht unbillig ist, daß bei der Geburt eines Prinzen alle Glocken geläutet und Kanonen abgeschossen werden, so darf man schon einigen Spektakel in einer honetten Familie machen, wenn ein junger Mann seinen gesunden Menschenverstand wieder gefunden hat. Ja, liebste Eltern, hier steht der bescheidene Jüngling, dessen Edelmuth es nicht wagt, dergleichen Ungeheures von sich auszusagen, weil er seit so vielen Wochen auf den entgegengesetzten Bahnen irrte.

Der Vater schloß entzückt den jungen Mann in seine Arme, die Mutter war verlegen und gerührt. Und Sie entsagen, fragte der Rath, Ihrem Meister Sangerheim?

Mit vollem Ja, kann ich antworten, rief Schmaling, und eben so dem Großmeister Feliciano, der vielleicht Judas Maccabäus seyn mag, oder Ischariot, und dem Teufel und seiner Großmutter, und allen ihren Spuk- und Zauberwerken, die keine Stecknadel werth sind, und für die wir ihnen unsre Seele verkaufen müssen.

Ja wohl, sagte der Vater, müssen wir ihnen, den Unterirdischen, den Reichen des Wahnwitzes, das Theuerste verschreiben, um das Verächtliche dafür zurück zu erhalten.

Ich bin genesen, rief Schmaling aus, und begreife jetzt nicht, wie ich den Himmelsblick meiner Geliebten, ihr Herz, alles Glück einer entzückenden Häuslichkeit und des nächsten Besitzes, gegen jene Kartenkünste aufopfern konnte.

Als man sich mehr beruhigt hatte, erzählte er dem Vater auf dessen stillem Zimmer Alles, was ihm begegnet war. Man erfuhr auch bald, daß der junge Schmaling, wegen 262 schwerer Vergehungen, von vielen Logen ausgeschlossen sei. Dies störte nicht das Glück des Hauses, denn seine Verlobung mit Clara wurde bekannt gemacht, und bald darauf die Hochzeit gefeiert.

Könnte ich doch, klagte der Vater an diesem fröhlichen Abend, meinen Sohn Anton eben so in meine Arme schließen, und mich überzeugen, daß er mir zurückgegeben sei.



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