Ludwig Tieck
Peter Lebrecht
Ludwig Tieck

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Siebzehntes Kapitel

Seltsame Zusammenkunft

Um Hannchen Vergnügen zu machen, besuchte ich zuweilen mit ihr die benachbarten Gegenden. Sie freute sich außerordentlich, wenn sie sah, wie die Welt doch weit größer sei, als sie sie sich gedacht hatte; jede Kleinigkeit war ihr merkwürdig.

So besuchten wir einige merkwürdige Ruinen, die ungefähr zehn Meilen von unserm Dorfe lagen. Es war schön Wetter, eine schöne Gegend, durch die der Wagen rasch dahinfuhr, wir waren sehr froh und zufrieden. Hannchen ergötzte sich an der Aussicht von der zertrümmerten Burg herab und fürchtete sich dann wieder vor den wilden, zerstreuten Steinmassen. – Ein kleiner Junge kletterte sehr dreist unten am Berge herum, er schien kaum fünf Jahr zu haben; plötzlich fiel er von einem steilen Absatz des Berges hinunter, Hannchen schrie laut auf und ich sprang hinab, um ihm zu helfen.

Er war verwundet, aber nicht gefährlich; ich fragte, wo er hingehöre, und er zeigte auf ein nahe stehendes großes Haus. Hannchen ging wieder ins Wirtshaus und ich trug das Kind selbst hinüber.

Ich sahe, daß das Haus einem Edelmann gehören müsse, denn mir kamen mehrere Bediente entgegen; ich ließ mich melden, die Mutter saß in ihrem Zimmer. Kaum hatte sie die Nachricht vom Vorfalle bekommen, so flog sie weinend auf das Kind zu, küßte es heftig und schalt dann wieder seine Unart, verband es sorgfältig und gebot ihm, sich künftig mehr in acht zu nehmen. – Erstarrt, erschrocken und wie in einem Traume stand ich indessen an einer Wand gelehnt, denn diese Mutter war niemand anders, als meine Louise.

Sie tat einen lauten Schrei, als sie mich bemerkte. Sie schien ungewiß, in Zweifeln, ob sie sich auch nicht irre: ein Bedienter ging indes durch das Zimmer, und nannte von ungefähr eine Frau Mörnig, die das Kind schon wieder heilen würde. Der Name war mir bekannt, ich ward nachdenkend und glaubte am Ende den wunderbaren Zusammenhang des Ganzen gefaßt zu haben.

Ich erkundigte mich nach dieser Frau, sie war die Erzieherin Louisens gewesen; ich sank jetzt mit neuer Liebe an Louisens Brust, es war meine Schwester.

Sie fand sich bald in den Zusammenhang unsrer Geschichte, sie erzählte mir, daß sie an unserm Hochzeittage von Bärenklau entführt sei, daß sie ihn anfangs gehaßt und beständig geweint habe, fortgefahren habe, ihn zu hassen, aber ohne zu weinen, daß seine Bemühungen, seine unabänderliche Liebe endlich ihr Herz gerührt hätten, daß sie nun von neuem angefangen habe zu weinen, daß von mir gar keine Nachrichten angekommen, oder vielleicht alle von ihrem Geliebten versteckt worden wären. Der Onkel sei indes gestorben und sie sei seine Frau und Mutter von zwei Kindern geworden.

Wir standen noch Arm in Arm, als Bärenklau hineintrat. Sein Erstaunen war nicht geringe, mich hier zu finden, er vereinigte seine Freude mit der unsrigen, als wir ihm unsre Entdeckung mitteilten.

Ich hatte mir indes dicht bei meinem Schwiegervater ein kleines, aber bequemes Haus bauen lassen, ich sah meine Schwester oft und Hannchen alle Tage. –

Und was weiter?

Und hier ist fürs erste meine Geschichte aus. Ich ward mit Hannchen verheiratet, unsre Hochzeit war ein Fest für die ganze Gegend.

Und? –

Oh, ich sehe, es ist Zeit, daß ich meine Geschichte schließe. –


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