Ludwig Tieck
Abdallah
Ludwig Tieck

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Viertes Kapitel.

Säbel glänzten im Schein der Sonne und leuchteten Abdallah wie Blitze entgegen; in einem fürchterlichen Getümmel kämpften Selim's Sklaven mit der Leibwache Ali's, sein Vater stand in der Mitte des Gefechts, mit entblößtem Säbel stürzte er hinaus.

Ein wildes Geschrei flog über den Hof des Pallastes, Ali's Sklaven wütheten gegen Selims bewaffnete Freunde, das Geklirre der Säbel an die Schilder geschlagen, rasselte furchtbar. Abubeker lag mit seinem weißen Barte vor ihm, in seinem Blute gewälzt, das Geschrei und der Klang der Waffen schlug gegen die Mauern des Pallastes, Blut floß in Strömen, einige Sklaven flohen, andre stürzten todt nieder, – und itzt sahe Abdallah auch seinen Vater unter einem Säbelhiebe sinken.

Er stürzte sich wüthend in das Gedränge und metzelte um sich her, eine blinde Wuth gab ihm Riesenkräfte, er fühlte die leichten Wunden nicht, die er erhalten hatte und tobte wie ein Rasender in dem Gewühle auf und ab, – eine bekannte Stimme rief seinen Namen aus, – es war sein Freund Raschid. – Auch du? rief Abdallah wüthend, – auch du bist mit meinem Elende einverstanden? – Nur wider meinen Willen, antwortete Raschid und gab ihm die Hand; rette nur deinen Vater, setzte er leise hinzu, sieh' er lebt noch.

Abdallah blickte nieder, sein Vater lag zu seinen Füßen und sahe ihn mit einem matten Blicke an; Abdallah ergriff ihn stark und trug ihn aus dem Getümmel, Raschid begleitete ihn und half den verwundeten 113 Selim aus dem Hofe des Pallastes führen, alle Krieger machten dem bekannten Raschid Platz, weil sie den Verwundeten für einen Diener Ali's hielten; so brachte Abdallah seinen Vater aus dem Pallast und durch das Thor der Stadt.

Selim war stumm und in sich selbst verschlossen, heftige Gedanken schienen ihn zu beunruhigen, nur zuweilen stahl sich ein Seufzer aus seiner Brust, den er aber seinem Sohne zu verbergen suchte.

Ich kann nicht weiter, sagte er endlich und setzte sich auf einen Erdhügel am Wege. Sein Gesicht war bleich, seine Wunde, die Abdallah verbunden hatte, fing von neuem an zu bluten. – Warum hast du mich nicht sterben lassen? sagte er dann, da das Schicksal auf mich zürnt? – Du hättest mich jenen Dolchen lassen sollen, denen du mich entrissest, denn ich gehörte ihnen an, von Verrätherei dem Tode verkauft. –

Abdallah kam itzt erst aus seinem Staunen, seiner Wuth und Angst nach und nach zurück. Er war bis itzt in eine unwillkührliche Thätigkeit geworfen, er hatte nicht empfunden und nicht gedacht, über die Gefahr seines Vaters hatte er sich selbst vergessen. – Vater! rief er aus, – o daß ich dich habe retten können, daß ich dich aus dem Gemetzel herausriß und dem Leben wiedergab,.– o das ist das erstemal, daß dein Sohn dir etwas mehr als Dank sagen kann, – eine Stunde, wo ich dir durch Thaten meine Liebe zeigen könnte, habe ich so lange gewünscht, – ach! und sie mußte so schrecklich, so unvermuthet kommen!

Abubeker, sagte Selim, der redliche Greis ist todt, mein großer Entwurf ist dahin! – deine Ahndung, alter wackerer Mann, hatte Recht, warum hörten wir 114 nicht auf deine Stimme? Wozu leb' ich noch, da die schönste Hoffnung meines Lebens umgesunken ist? – Ich habe ein großes Spiel gewagt, ich setzte verwegen mich und Ali dem Verderben zum Pfande aus – und das Schicksal rief Selim!

Schmerzt dich deine Wunde, Vater? fragte Abdallah.

O ich weiß kaum, daß ich verwundet bin! rief Selim unwillig aus, ich weiß nur, daß ich habe entfliehen müssen. – O warum kann ich nicht der verächtliche Hund jenes müden Wanderers sein, der den Berg herunterzieht? Er ist freier und glücklicher als ich! –

Dann ging Abdallah mit seinem Vater langsam weiter. Oft ließ er ihn auf Rasenhügel sich niedersetzen und wenn er erquickt war, mahnte er ihn sogleich wieder zur Flucht, weil er die Verfolgung seiner Feinde fürchtete. – So gingen sie langsam bis zum Abend und wandten sich zu einem kleinen unbesuchten Nebenweg, der in einen Wald hineinführte. –

Die rothen Streifen des Abends wallen durch den Himmel, sagte der Greis, sie wollen den trägen Selim zu seinem Vorhaben rufen, aber ihr kommt zu spät und findet nur noch meine Schande. – O dürft' ich eure verhaßten Flammen nicht erblicken, oder spiegeltet ihr euch in Ali's Blute! – Meine Freunde sind für mich gefallen und der feigherzige Selim flieht und rettet ein freudenleeres Leben. O des edeln Greises Abubeker! dessen Silberhaar so schrecklich auf den Steinen ausgebreitet lag und vom Blute triefte! – verzeih Abubeker, dem unvorsichtigen Freunde, der deiner älteren Weisheit nicht traute. –

115 So klagte Selim auf dem Wege und hörte nur wenig auf den Trost seines Sohnes. – Das Schicksal, sprach er endlich, nachdem er lange bei sich gedacht hatte, erprobt den Mann durch tausend Gefährlichkeiten und mannichfaltiges Unglück, mein Muth soll vielleicht noch härter gestählt werden, um dann desto größere Funken zu schlagen. Der Mann muß vor seinem Tode nichts verloren geben, seine Entwürfe müssen ihm so unverletzlich sein, wie Heiligthümer, die man ihm zum Aufbewahren anvertraute, der nächste Tag versöhnt mich vielleicht mit dem heutigen. –

Er ging getröstet weiter.



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