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Das Erdbeben von Messina.

An meinen Bruder, den Minister von Thümmel in Altenburg.

Kann der historische Bericht,
Den Dir, – mit zwei und siebzig Lenzen
Gekrönt, – Dein Bruder reicht, auch nicht
Im Protokoll der Musen glänzen;

So wünsch' ich doch, daß er Dich, als
Ein Plätschern ähnliches Geschwätze,
Im Zwinger Deines Wasserfalls
Ein Viertelstündchen nur ergötze.

Dieß Viertelstündchen könntest Du
Nun zwar, um einen Plan zu enden,
Vielleicht auch wohl zur Mittagsruh
Nach einem Austerschmaus verwenden.

Das sey Dir zwar vergönnt; – indeß
Da in der Mähr, die ich erzähle,
Ich alle Sorgfalt trug, daß es
Ihr nicht an Nuditäten fehle;

So ist die Frage, welcher Theil
Von Deinem Geist' – von Deinem Leibe
Es mehr bedarf, daß ihn ein Keil
In seine alten Fugen treibe?

Dann läg' im Reich der Möglichkeit
Es doch, daß meine Zauberflöte
Nicht ganz zur ungelegnen Zeit
Dir einen guten Abend böte.

*

Si fractus illabatur orbis
Impavidum ferient ruinae.

»Und ging die Welt zu Trümmern,« sang
Horaz, »dringt doch durch ihre Splitter
Der Unerschrockne.« Auch gelang'
Dieß bei Messina's Untergang
Graf Wolfen, einem ächten Ritter,

Nicht von der traurigen Gestalt,
Des Narren, der mit Mühlen fochte; –
Bei allen schönen Kindern galt
Für einen Mann Er, von Gehalt,
Der, was er unternahm, vermochte.

Der Erde Aufruhr warf sein Schloß
Darnieder, doch, bestimmt zu leben,
Stürzt' er ins untere Geschoß
Des Weingewölbes – Ein Koloß
Von Burg zerprasselte daneben.

Als Wolf nun den hier nachbarlich
Gelegnen Keller auch gespalten
Vermerkend, dreust hinüber schlich,
Stieß er auf ein Geschöpf, das sich
Noch lebend, schien es ihm, erhalten.

Ihm dient an Lichtesstatt die Hand,
Er fühlt, und seine Sinne schließen
Es lieg' ein Weib im Nachtgewand –
Bei Gott! es lag auf Stroh und Sand
Des Nachbars Tochter ihm zu Füßen.

Bist Du's, Agnese? schneidend fuhr
Ihr seine Frage durch die Nerven.
»Oh!« schrie er, » sie erhalte nur!
»Dann will ich gern, Herr der Natur!
»Mich deinem Rathschluß unterwerfen.«

Sie hört ihn jammern, aber traut
Nicht ihrem eigenen Gehöre,
Im Kampf mit Angst und Schwindel graut
Ihr vor dem zwar bekannten Laut –
Aus Furcht, daß sie ein Geist bethöre.

Sie, die aus einem Dichtertraum
Der Erdsturm mit sich fortgezogen,
Bebt wie ein Vogel, der vom Baum
Gescheucht, aus seines Nestes Flaum,
In einen Dachsbau sich verflogen.

Und kam wie eine Uhr sich vor,
Entrissen ihrem Schutzgehäuse;
Denn des verschämten Busens Flor,
Den Shawl mit Rosaband, verlor
Sie auf dem Luftweg ihrer Reise.

Daß jetzt – von einer Hand erschreckt,
Die – was ihr Täufer nur gebührlich
Vielleicht befingert hat, entdeckt –
Sie wenigstens das Glied versteckt,
Das gern zu laut wird – ist natürlich.

Auch daß er, dem's am Herzen liegt,
Bald zu erfahren, ob sich Alles
Noch unbeschädigt biegt und schmiegt,
Von einem Puls zum andern fliegt,
Thät unser Eins auch, – nöth'gen Falles.

Doch daß ein Kellerspalt es war,
Durch den zwei Liebende versanken,
Ganz unversehrt an Haut und Haar,
Ist, kläng's auch noch so wunderbar,
Bloß dem Sanct Kilian zu danken.

Agnesens täglicher Bedarf
War, seinen Altar zu beschreiten,
Wo Wolf, als er ihr einst zu scharf
Ins Auge sah, den Plan entwarf,
Dieß blaue Fünkchen abzuleiten.

Oft hörte dort ihr Schutzpatron
Sie zärtlich, wie ein Täubchen, girren,
Sah Wolfens Blicke mehrmals schon,
Gleich Bienen, um gewürzten Lohn,
Ihr Blüthenlabyrinth umschwirren.

So fromm war ihrer Herzen Bund
Entstanden, schnell war er geschlossen,
Nur zählten sie den Vater – und
Des Burgvoigts ungestümen Hund,
Noch nicht zu ihren Bundsgenossen.

Denn jener alte Wucherer,
Nur sorgsam für gefüllte Kasten,
Rieth seiner Tochter – Jahre her,
Bei jedem weiblichen Begehr,
Das ihr Beklemmung gab – zu fasten.

Wenn sie vor seinem Aug' erblaßt',
Sich aus dem ihren Thränen schieden,
Verordnet' er, in größter Hast,
Den zarten Armen – Seidelbast –
Dem vollen Busen – Canthariden.

Trotz dieser feindlichen Diät,
War keine Schöne je gesunder
An Leib und Geist – so fein gedreht
Kein Fuß – kein Haar so dicht gesät,
Und weißer keine Brust und runder.

Ihr Arbeits-, Putz- und Schlafgemach
War Eins. Ein Körbchen vor dem Bette
Verwahrte sonst den Almanach
Der Heiligen, doch nach und nach
Verdrängten ihn Petrarchs Sonette.

Seit diesem Einschub schmeckten ihr
Nur noch zur Noth, wie bittersüße
Orangen, Bibel und Brevier;
Doch that sie manchen Schluck dafür
Aus der Fontaine von Vaucluse.

Und konnt' auch sie sich dann und wann
Schwermüth'ger Seufzer nicht erwehren,
Ertrug sie doch ihr Herzgespann
So brav als nur ein Mädchen kann,
Den theuern Märtyrern zu Ehren.

Auch diese hätten sie gelehrt,
Sagt man – den Kampf mit funfzehn Jahren
Fromm zu bestehn, und unversehrt
Ihr Herz und was dazu gehört,
Dem edeln Ritter aufzusparen.

Mein Glaub' ist, daß der Herr der Welt,
Dem unbemerkt im Schöpfungsplane,
Kein Sperling von dem Dache fällt,
Ein Mädchen ungleich werther hält,
Mit einem niedlichen Organe.

So dachte Wolf auch als ein Christ,
Der Gottes Wirtschaft nie bezweifelt,
Und wenn sein Eimer sich ergießt,
Die Milch nicht mit Verdacht genießt,
Es sei der Rahm schon abgeträufelt.

In diesem eignen Glaubensschwung
Flog er, – sein Ideal zu werben,
Zum Vater. – »Nein, sie ist zu jung
»Zur Eh', und ich bin schon genung
»Bestraft,« brüllt' er, »mit einem Erben!«

Nach diesem groben Endbescheid,
War jeder Zugang ihm verriegelt
Zur Tochter, deren Seelenleid
Der Wüthrich noch mit einem Eid,
Der ihr die Haare sträubt, besiegelt.

»So lange Sonn' und Mond mir scheint,
(Schwört sie nach des Barbaren Willen,)
»Will ich Mariens Chor vereint,
»Das Morgens betet, – Abends weint,
»Mich nie des Ritters Blick enthüllen.«

»Und liebst Du, gegen mein Verbot,
»Noch einen Augenblick den Grafen, –
»Ich drohe nicht!« – schreit er – doch droht
Er, sie dann nur mit Hungersnoth,
Auf seinen Thurm verbannt, zu strafen.

Still schleicht sie in ihr Kämmerlein
Und mit Muth lügenden Geberden
Fragt sie: »Mein Herz soll ich Dir weihn,
»Gebenedeite? Gut, allein –
»Was soll denn aus dem Ritter werden?«

Ein jeder, welcher Mädchen kennt
Von fünfzehn Jahren oder sechzehn,
Der weiß auch, daß ihr Element
Von Leichtsinn nur noch Heller brennt,
Je mehr Verständ'ge es beächzen.

So ging's Agnesen auch. – Noch voll
Von hundert kindischen Entwürfen,
War sie noch nicht so klostertoll,
Um das, was ihrem Herz entquoll,
Aus Heiligkeit zurück zu schlürfen.

Und wie ein freundlich Nachtgestirn
Manchmal wohl Lerchen aus den Knoten
Des Garns, in das sie sich verirr'n,
Befreit, – entflog, gesund am Hirn,
Auch sie den Schlingen, die ihr drohten.

Und um in ihr Noviciat,
Wie in ein Maskenspiel zu treten,
Zieht sie ihr Spiegelchen zu Rath,
Und fängt zum Scherz, im Nonnenstaat,
Ein in prokuinlis an zu beten.

Ihr ahndet nicht, wie dieß Gebet,
Viel wahrer aus dem Schooß der Erde,
Zu Wolfens Arm, weil der Poet
Des Körbchens doch nie untergeht,
Von ihren Lippen tönen werde.

Er war's, der in den Schlaf sie sang; –
Noch summt' sein Lied in ihren Ohren,
Als sie der Grund der Burg verschlang,
Wohin nie Mond noch Sonne drang,
Auf deren Schein sie doch geschworen.

So drängt Messina's jüngster Tag
Zwei schwer Getrennte an einander;
Das Fräulein sinkt – ein gleicher Schlag
Trifft auch den Grafen – und nun lag
Das Pechschiff neben einem Brander.

So hat das zornige Geschick
Der Eide peinlichsten erfüllet,
Sie fühlt – und zwiefach war ihr Glück,
Sich Schleierfrei und doch dem Blick
Des Ritters mehr als je verhüllet.

Im Finstern kommt die Sittsamkeit
Ost in die sonderbarsten Lagen,
Wir kennen die Verlegenheit
Des Kinds, – wird's wohl zur rechten Zeit
Den Forscher auf die Finger schlagen?

»Wie zittert er,« denkt sie, »wie leis'
»Sucht er bei mir noch Lebenszeichen!
»Wo kaum ich sie zu finden weiß –
»Hat auf dem ganzen Erdenkreis
»Solch eine Sorgfalt ihres Gleichen?« –

Als sie so dachte, war bis zum
Entzücken sein Gefühl gestiegen,
Und schmeichelnd rief er: »Ach warum
»Willst Du vor Deinem Freund so stumm
»Im Staub, statt in dem Arm ihm liegen?

»Fromm falt' ich meine Hand, die mich
»Belehrte, daß die Wuth der Erde
»Dich nicht zermalmte. – Theure! sprich
»Nur einmal noch: Ich liebe Dich!
»Damit der letzte Trost mir werde!«

Jetzt wecket, unter Seelensturm,
Des Vaters Bannstrahl ihr Besinnen, –
Liebst Du ihn, sollst Du auf dem Thurm
Dein Leben, wie ein Seidenwurm,
Auf einer Schütte Stroh verspinnen.

»Gehorsam ist des Kindes Pflicht,
»Die,« ächzt sie, »hab' ich übertreten,
»Drum stieß des Himmels Strafgericht
»Mein Herz ins Grab; doch eh' es bricht,
»Hilf Wolf – wenn Du es bist – mir beten. –«

Und gleich dem Blitz umschlang sein Arm
Das Brustbild der erwachten Schöne,
Und voll des Jubels – Gott erbarm'
Sich ihrer – saugt' er liebeswarm,
Von ihrem Mund die Klagetöne.

»Wie könnt' ein ungerechter Fluch,«
Rief er: »Dich edle Seele drücken?
»Selbst sterbend, soll uns der Versuch
»Nichts kosten, unser Leichentuch
»Zuvor mit Lilien zu schmücken.

»In unserm Daseyn liegt die Macht,
»Bis zum Verhauch es zu genießen;
»Auch wird mir diese erste Nacht,
»Holdselige, bei Dir verwacht,
»Der Kelche bittersten versüßen!

»Dein Eid ist Sünde, drum vertrau'
»Nur Gott und meinen Ritterwaffen;
»Er hat Dich nicht zur Klosterfrau –
»Ach, meine Hand weiß zu genau,
»Zu welchem Zweck er Dich erschaffen.

»Stolz will ich hier mich dem Complott
»Der Mädchenfeind' entgegenthürmen,
»Und jenes Nonnennest, will's Gott! –
»Dem Du entflohen bist, zum Spott
»Des Papst's, auf Deinem Schooß erstürmen.

»Verarmt, verlassen wie Du bist,
»Blieb doch Dein Freund Dir unverloren,
»Wenn gleich Dein Herz es nicht ermißt,
»Fühlst Du – ich weiß – in kurzer Frist,
»Getröstet Dich, und neugeboren.« –

Und auf einmal ergreifet ihn
Der Geist von Laurens Leibpoeten;
»Ich sehe Deines Mund's Rubin,«
Schwärmt er, »und meine Ketten ziehn
»Der Kraft nach Deiner zwei Magneten.«

Doch sie, viel zu erfahrungslos,
Aus seinem Pathos sich zu winden,
Spricht kindisch: »Hier giebt es Verstoß –
»Such' ja nicht – keiner Erbse groß,
»Wirst Du bei mir Magnete finden.«

»Und den Rubin, ich bitte Dich,
»Laß weg; denn war' ich auch des Dünkels,
»Daß mein Mund seiner Farbe glich,
»So sähst Du es doch sicherlich
»Nicht vor dem Dunste dieses Winkels.«

Bejammernd denkt sie: »er verhehlt,
»Um meinen Schmerz nicht aufzustören,
»Mir seinen eignen, und erzählt
»Darum so tolles Zeug, nur fehlt
»Jetzt Sinn und Ohr mir, drauf zu hören.«

Und angstvoll, da er drauf verfällt,
Sein Herz prosaisch auszuschütten,
Wagt sie, die Königin der Welt,
Um ihren Shawl, der besser hält,
Als unsre irdischen – zu bitten.

Wolf, der indeß so nah sich stahl,
Daß ihre Hände ihm begegnen,
Ließ ihr nun keine andre Wahl
Mehr frei, als sich zum letztenmal,
Vor ihrem Hingang, einzusegnen.

Ihr ist, als hör' sie aus der Luft
Die Seelen der Erschlag'nen bangen,
Und eine Stimme, die ihr ruft:
»Wie magst Du, schon ein Raub der Gruft,
»Noch an des Lebens Klappern hangen?«

War, seit es junge Mädchen giebt,
Eins wohl in einer schlimmem Lage?
So scheu, als keine noch geliebt,
Glaubt sie die Nacht, die sie umgiebt,
Gränz' an den letzten ihrer Tage.

Graf Wolf hingegen, seit er heil
In ihrer Haut das Fräulein wußte,
Nahm übermannt von Amors Pfeil,
So wenig an dem Erdriß Theil,
Als an der ganz gebliebnen Kruste.

Und während er, schon ahnend, zollt,
Was er Agnesen schuldig glaubte,
Steht – und er denkt, Gott hat's gewollt,
Messin' in Flammen, und es rollt
Ihr Einsturz über seinem Haupte.

Ihm krümmt, was er nicht sieht, noch hört,
Der Todtentanz des Weltgetümmels,
Kein Haar – der Schönheit zugekehrt,
Fehlt ihm, zu ihrem höchsten Werth,
Nur noch der Ueberstrahl des Himmels.

Säh' er in ihrem Augenblau
Die Sehnsucht unter Thränen glimmen,
Er würd' auf diesem Morgenthau,
Leandern gleich, dem Uferbau
Der Lauernden entgegen schwimmen.

Säh' er, bei steigender Gefahr,
Das fromme, rührende Erschwellen
Des scheuen Busens sonnenklar,
Geschmolzen stürzt' er, als Icar,
Sich in den Strudel dieser Wellen.

Ihr aber, lang umsonst, verräth
Er, was ihn drückt, und Amor hüpfte
Nicht eh' an das bestäubte Bett,
Bis dem jungfräulichen Corset
Das letzte Rosaband entschlüpfte.

Obschon nun aller Fesseln frei,
Fiel dennoch, trotz dem, was sie lösten,
Dem Kinde nicht die Frage bei,
Ob es ihm jetzt nicht möglich sey,
Ein männliches Geschöpf zu trösten?

Drum sucht aus Lebensüberdruß
Sie ihre, glaubt sie, letzten Betten
Auf Stroh – doch da bringt Wolfens Kuß
Zur guten Nacht, sie zum Entschluß,
Zuvor, was ihr noch blieb, zu retten.

Und das war viel, denkt euch, geschmückt
Ein Gärtchen voller Nachtviolen,
Die, wenn der Mittag sie gedrückt,
Jetzt durch den Abendthau erquickt,
Vor dem Verwelken sich erholen.

Und saht ihr in der Nähe je
Des Frühlings Durchbruch, saht das Streben
Der Blüthen, und mit zartem Weh,
Das Kraut noli me tangere!
Vom ersten West berührt – erbeben?

So denkt nun, dieß in stiller Pracht
Geheim gehaltne Gärtchen läge –
Nur erst seit dieser Schauernacht,
Von keinem Drachen mehr bewacht,
Bestimmt den Mönchen zum Gehege.

Braucht da ein Mann, von Wolfens Werth,
Um einzusteigen – Sanct Georgen
Zuvor sein ritterliches Pferd
Und sein vom Papst geweihtes Schwert
Und seine Lanze abzuborgen?

Gebt ihm nur zu des äußern Blicks
Ersatz, die Fühlkraft eines Blinden,
Wird er, kraft männlichen Geschicks,
Schon selbst zum Gipfel seines Glücks
Sich über Thal und Berge winden.

Agnesen nur dient mein Vergleich
Zu nichts. Bei all den Schaugeschenken,
Die ich für sie aus Florens Reich
Zusammenstahl, könnt ihr doch euch
Kein Nachtstück von Albano denken.

So nur gedacht, laßt das Gebiet
Der Funfzehnjährigen berennen,
Die Wolfens Waffen weder sieht,
Noch, sah' sie diese auch, errieth',
Wie sie ein Kloster stürmen können.

Und damit gut, denn mich besticht
Nicht eure Lust an Grecourts Bildern,
Und auch er selber könnte nicht,
In einem Keller ohne Licht,
Die Gaukeleien Amors schildern.

Ja, wenn zwei Kämpfende im Glanz
Des Monds der Liebe Schuld bezahlen,
Sey, wo es sey, da läßt sich ganz
Gemächlich ein verlorner Kranz
Und der Triumph des Finders malen.

Wenn beide, um die Lebensbahn
Der Sterblichen nicht zu verlieren,
Sich traulicher einander nahn,
Da braucht man eben kein Alban
Zu seyn, um richtig zu copiren.

Wenn der Erstaunten Wange brennt,
Die Brust sich hebt, die Augen funkeln,
Sie dem Tyrann zuletzt bekennt,
Was er nur will – sagt, welch Talent
Malt solche Scenen wohl – im Dunkeln?

Doch laßt ein Stündchen nur vergehn,
Sollt ihr die Strandung von Agnesen,
Wo sich's die Kleine, beim Entstehn
Des Sturms, am wenigsten versehn,
In meinem Protokolle lesen.

Und gäb's kein Gleichniß, das nicht hinkt,
Das meine vom gespaltnen Schiffe –
Geht auf zwei Beinen, wie mich dünkt –
Ich modelte es aus Instinkt
Nach ihrem kindischen Begriffe.

Denn Jede, – die den Rubicon
Zuerst befährt, wähnt sich am Rande
Des Styx – des Führers Jubelton
Hält sie für Sturm, und glaubt, wenn schon
Das Schiff vor Anker liegt – es strande.

Schwört gleich der Ritter bei dem Bart
Des alten Charon – bei dem Zeichen
Des Hesperus, nach Schifferart,
Elysium, nach einer Fahrt
Von fünf Minuten, zu erreichen.

»Du nur bist in der Dunkelheit
»Mir Sonn' und Mond,« tönt seine Stimme,
»Was kümmert mich der Gang der Zeit,
»Wenn in der höchsten Seligkeit
»An Deinem Busen ich verglimme!

»Des Lebens herrlichster Gebrauch
»Ward uns in diesem Maulwurfsleben,
»Und muß es seyn, so laß uns auch
»In einem Kuß, in einem Hauch,
»Zur Ewigkeit hinüber schweben.«

Ach! diese helle Lebensgluth –
Seh' ich – wie sträubt sich meine Feder
Es zu entwickeln – bald in Wuth
Verraucht – ich seh', statt Rosenblut,
Rinnt brausend Gift durch ihr Geäder.

Noch aber fühlt er ungestüm
Sein Herz von Wollust überwallen,
Noch hält der Liebe Cherubim
Den schwarzen, schwebend über ihm
Verhüllten Vorhang auf im Fallen.

Noch zog sein stolzes Selbstvertraun
Von Blumen, die er für die Freude
Des Lebens morgen anzubau'n
Sich schmeichelt, einen dichten Zaun
Um sein bedrohtes Luftgebäude.

Nur ihr schien die genoßne Lust
Zu unterirdisch und zu theuer
Erkauft, und schuldlos sich bewußt,
Flog manches Ach der bangen Brust
Durch das gespaltene Gemäuer.

Gefühle von Veränderung
In ihrem Zustand, die bald sanken,
Bald stiegen, trieben sie wie Young,
Zuletzt, im höchsten Seelenschwung,
In ein Gewirr von Nachtgedanken.

Noch voll Erstaunen, welch ein Ziel
Graf Wolf erreicht, fragt sie mit Grauen
Sich leis: »Hätt' ich wohl, überfiel'
»Der Tag jetzt unser Schattenspiel,
»Noch Herz, den Ritter anzuschauen?

»Der Sturm, der mich zu ihm verschlug,
»Ward aufgewühlt von bösen Geistern,
»Um durch unsichtbaren Betrug,
»Beinah' in einem Athemzug,
»Sich meines Herzens zu bemeistern.

»Seitdem ich meine Kinderschuh
»Zerrissen – seit nun funfzehn Jahren,
»Hat meine heitre Seelenruh,
»Ihr Heiligen, wie ging das zu?
»Solch einen Umsturz nicht erfahren.«

Dem guten kleinen Mädchen ging
Es wie der seligen Pamele,
Als sie den Kuß des Lords empfing,
Fehlt' ihr nichts, als der Trauungsring,
Für die Beruhigung der Seele.

»Vergieb, o Jungfrau!« seufzt sie leis,
»Dem armen Ritter sein Vergehen,
»Wenn anders dir der Geisterkreis,
»Dir, die von keinem Manne weiß,
»Die Kenntniß gab, mich zu verstehen.«

Was mich hier antrieb, ein Gebet
Dem frommen Kinde nachzulallen,
Das – wo Mariens Flagge weht,
So manche Segeltücher bläht,
Geschah – mir selber zu gefallen. –

Denn, wenn gleich einem Nebelstern
Gesunk'ne Unschuld in des Aethers
Gefild sich wieder hebt, – von fern
Schon blinkt, wer mäße da nicht gern
Die Grade ihres Barometers?

Gesunkne Unschuld? – Wie versah
Mein Mund, dieß Schmähwort auszusprechen?
Hier, wo kein Ausweg, fern und nah
Ihr blieb, wo selbst Lucretia
Nichts fände, um sich zu erstechen! –

Hier, wo nur Nacht und Leidenschaft
Dem Ritter für Gesetze galten,
Verlor sie, leider – kinderhaft, –
Nicht jenes Kleinod – nur die Kraft,
Den sammtnen Umschlag fest zu halten.

Zu bald nur ihrem Monolog
Durch Wolfs erneuten Kuß entrissen,
Merkt sie zwar wohl, wie viel er wog;
Doch seine Süßigkeit betrog
Nicht ihr sprachseliges Gewissen.

»Was war ich?« fragt sie ihn, »was bin
»Ich jetzt? – Verschlang denn mich die Erde
»Nur darum, daß ein sechster Sinn
»In mir, auf kurzen Zeitgewinn,
»Entwickelt und begraben werde?

»Du läugnest zwar, daß Kilian,
»Auch wenn er's säh, ein Spiel verböte,
»Das Gott im Paradies ersann;
»Wie kommt's denn aber, denk' ich d'ran,
»Daß ich bis übers Ohr erröthe? –

»Und sprich, verboten Zeit und Ort
»Nicht zur Genüge schon Dein Tändeln –
»Dein Girr'n – Dein Küssen – und so fort –?«
Hier stockt sie, und er nimmt das Wort,
Sein Schuldregister zu bemänteln.

Dank seinem Genius! Er gab,
Des Unrechts Last von sich zu wälzen,
Ihm nicht nur einen Pilgerstab,
Wie uns – er gab ihm – um das Grab
Sogar zu überspringen – Stelzen! –

»Wie?« rief er, »welche seltne Schaam
»Verleitet Dich mit dem zu rechten,
»Der Dir als Freund, als Bräutigam,
»Vom Himmel zugeflogen kam,
»Den schönsten Strohkranz Dir zu flechten?

»Da hier ja keine Myrthen blühn,
»Woher sollt' ich denn Myrthen nehmen?
»Wie gerne möcht' ich den Ruin,
»Der uns bedeckt, zum Baldachin
»Und einem Traualtar verbrämen!

»Ja hätte meiner Liebe Stolz
»Macht, Dir ein Feenschloß zu zimmern,
»Dann sollt' im Glanz des reinsten Golds,
»Auf einem Thron von Zedernholz,
»Mich Deine Schönheit überschimmern.

»Um einen sammtnen Sopha her
»Beleuchteten Dich tausend Kerzen –
»Doch wenn es auch die Sonne wär',
»Es wüchs' um keinen Lichtstrahl mehr
»Die Gluth für Dich in meinem Herzen.

»Und daß Dein Mund nur mir ertönt,
»Verräther uns hier nicht belauern,
»Ich auch im Dunkeln schon gewöhnt
»Dich zu ertappen bin, versöhnt
»Mich mit dem Gräuel dieser Mauern.

»Von Deinem Vater ungerügt,
»Sind nun zum Anbau bessrer Freuden
»Die Klosterquecken ausgepflügt,
»Kein Mensch, was Gott zusammenfügt,
»Noch minder soll ein Mönch es scheiden!

»O, daß sich Dein Gewissen nur
»Von Kilians Gespenst befreie!
»Vertraue meinem Ritterschwur,
»Wir Eingepfarrte der Natur,
»Bedürfen keines Priesters Weihe!

»Muß ich mit Dir, schuldloses Kind,
»Vereint den letzten Kampf bestehen,
»So denk' ich, daß wohl tausend sind,
»Die nicht so liebend, so gelind,
»Ins bessre Leben übergehen.«

Ihr unbemerkbar sagt' er dieß,
Erzwungnen Muths, mit einer Thräne,
Ergriff dann ihre Hand und riß
Sie aus dem Drang der Kümmerniß,
Zur endlichen Versöhnungs-Scene.

Agnese fühlt jetzt ihr Geschlecht,
Und lispelt: »Zum Sophistenstreite
»Schick' ich mich nicht – Mein Wortgefecht
»Macht mich nur schläfriger, – das Recht,
»So scheint es, steh' auf Deiner Seite.«

Sie, als er drauf sein Schiff beschwang,
Nicht mehr, ob Kilian es billigt,
In Zweifel, hab', ohn allen Zwang,
Sagt man, zum zweiten Uebergang
Des Rubicons sanft eingewilligt.

Ein abgekühlter Westwind streicht
Durch Wolfens Segel hin, und ihre
Verschämte Weiblichkeit verschleicht
Sich in den Raum. Nie trug vielleicht
Ein Meer vertrautre Passagiere.

Und nach dem stürmischen Vorher
Geschaukelt, wie in einer Wiege,
Fand sie, daß diese Wiederkehr
In Amors Reich sie dreimal mehr,
Als ihre erste Fahrt, vergnüge.

Es war das heimische Gefühl
Der Laubbewohner in den Stunden
Des Abends, wenn das Waldgewühl
Nun aufhört, und sie froh und kühl
Sich in ihr Nestchen eingefunden.

Und das Bewußtseyn, der Barbar
Dort oben sey nun fehl gegangen,
Freut beide so, daß sie sogar
Gott, an dem rußigsten Altar,
Noch Dank für ihr Verschütten sangen.

Agnese sang: »Wenn's dem gefällt,
»Der uns vereinte, schwing ich lieber
»Mit Dir, der in dem Arm mich hält
»Seit heute, mich in jene Welt,
»Als gestern, ohne Dich, hinüber!«

Und sang, weil sie es nie versah,
Dem Altar-Sänger nachzuahmen:
»Gesegnet sey, was uns geschah
»Und noch geschieht; Halleluja!«
Und Wolf schloß, statt des Chors, mit Amen.

Noch ehe sie den Grenzvertrag
Mit dieß- und jenseits abgeschlossen,
War schon der zweite Feiertag
Des Fest's, an dem ihr Herz erlag,
Für beide unbemerkt verflossen.

So unbemerkt, daß von der Flucht
Der Zeit die Spuren sich verloren,
War's Tag? – War's Nacht? – In dieser Bucht,
Von keinem Lichtstrahl je besucht,
Verhallt' auch nie ein Klang der Horen.

Jetzt merkten sie, als ungefähr
Sie ihre Sinne überzählten,
Daß ihnen, die zwar einen mehr
Gewonnen, doch an den vorher
Fünffachgefühlten, zweie fehlten.

Denn einer wie der andre steckt,
Gleich Lichtern, unter einem Scheffel,
Die Sehlust findet kein Objekt,
Und dem Organ, durch das man schmeckt,
Ermangelt ein gefüllter Löffel.

Jetzt winkt der Schlaf. Die Fantasien
Der Sehnsucht und der Lieb' erstarben;
An der Verschwund'nen Stell' erschien
Des Ritters Bild der Träumerin –
Doch leider nur in Wasserfarben.

Und hinter seinem Rücken stahl
Ein Kobold sich der Hungerlaunen,
Verscheucht des Jünglings Ideal,
Und zeigt der Schlafenden ein Mahl
Von Austern, Trüffeln und Kapaunen.

Nicht übel für ein Hochzeitfest,
Wär' es nicht Dunst! – Voll Mißvergnügen
Fliegt sie nun nach dem Tafelrest
Des Vaters; keine Mücke läßt
Sich wohl mit wenigerm begnügen.

Sein Schüsselchen, ganz seinem Geiz
Gemäß, war selber ihres Traumes
Nicht werth, sie stöhnt, sie schlägt ein Kreuz,
Ein Kitzel weckt sie, doch sein Reiz
War dießmal nur ein Spiel des Gaumes.

Und nun ergreift Hyänen-Gier
Die zarte Brust. Für einen Teller
Voll Mehlbrei wär' der Ritter ihr,
Sein Kuß, – des Vaters Malvasier –
Ach, alles feil in diesem Keller.

Wer wagt hier, eines Doppelsinns
Dieß Kind der Tugend anzuklagen?
Solch Erbgut trägt zwar hohen Zins;
Doch seines köstlichen Gewinns
Verwendung leitet nur der Magen.

Er peinigt dich zur Uebelthat,
Fühlt er sich leer. Im Hungerfieber
Entflieht dein Heer, verkrümmt der Staat,
Die Treue geht in Hochverrath,
Zum Gastwirth geht die Unschuld über.

Auch Wolfen träumt, als Alpenhirt
Umfaß' er einen Topf voll Molken,
Und faßt, durch dieß Fantom gekirrt,
Mit einer Hand, die nie geirrt,
Wie Juno's Buhler einst – nur Wolken. –

Agnese weck' ihn und vergieb
Den Mißgriff ihm; an seinem Willen
Lag's wahrlich nicht, wenn das Getrieb
Des Lebensquells Dir trocken blieb,
Längst war sein Wunsch ja, ihn zu füllen.

Wohl gut, daß sie, des Tags beraubt,
Die Primeln, die sie gestern pflückten,
Vergangen – mit gesenktem Haupt
Die Lilien – und wie verstaubt
Den Hain der Liebe, nicht erblickten.

Auch der Erinnrung Wunderkraft,
Der dort erbeuteten Minuten,
Verschlich sich, wie ihr Lebenssaft,
Nur das Gefühl blieb unerschlafft,
Daß hier zwei Herzen sich verbluten.

So floh ein Tag, ein andrer noch;
Der Trieb, sich liebend zu ermannen,
Blieb aus. – Am dritten Morgen kroch
Freund Hain hervor, um in sein Joch
Die zwei Verschütteten zu spannen.

In welchem Grausen fand er euch,
O ihr, der göttlichen Erbarmung
Entlassene! Verstummt und bleich,
Auf Stroh, den Missethätern gleich,
In kalter, schrecklicher Umarmung.

»Ach, unsrer Liebe nicht mehr froh,«
Stöhnt Wolf, und sucht mit welken Händen
Die Hand der Sterbenden. – »Nun so
»Gefall' es Gott – auf einem Stroh
»Bald unsre Todesangst zu enden.«

Horch! als schon ihre Kraft erlag,
Die Qual des Andern zu bejammern,
Es war ihr fünfter Kerkertag,
Hört Wolf, – auch sie hört Schlag auf Schlag,
Dumpf über ihren Häuptern hämmern.

Eilt, eilt, ihr Rettenden – zersprengt
Das Kreuzgewölbe. – Ach! vergebens
Ist alle Müh, die sich verlängt,
Denn nur noch an Sekunden hängt
Der letzte Pulsschlag ihres Lebens.

Ein Ritz blinkt auf und wundersam
Durchschlüpft ein Zephyr ihn. Sein Fächeln
Erfrischt ihr Blut, der laute Gram
Schweigt – und ein Engel übernahm
Der Matten Thränen wegzulächeln.

Preis Gott dem Herrn! der letzte Stein,
Der sie vergrub, ist weggehoben,
Der Korb Petrarchs drängt sich herein
Mit Brot. »Trink' auch von meinem Wein,
»Wenn Du noch lebst,« schallt es von oben.

»Ja, Vater, meine Seele strebt
»Zu Dir,« tönt sie dem Ruf entgegen,
»Ich lebe, auch der Ritter lebt,
»Er liebt mich – war mein Trost und hebt
»Sein Haupt empor nach Deinem Segen.«

»Brot!« jauchzen beide – Jedes theilt
Schnell mit dem andern seine Bissen:
»Der Sänger Laurens hat geeilt
»Mit seinem Körbchen – stärkt und heilt,«
Scherzt sie, »nun Magen und Gewissen.«

Und eine Leiter klang herab,
Geröthet von dem Morgenschimmer,
Und beide Eins des Andern Stab,
Verlassen nun ihr finstres Grab,
Zum Aufblick in Messina's Trümmer.

Ein wahres Auferstehungsbild!
Im ersten Schauer des Erweckens
Umstaunt ihr wundes Auge wild
Das einst so lachende Gefild,
Jetzt eine Siedelei des Schreckens.

»Wo bist du hin, mein Vaterland?«
Entströmet beiden – doch darüber
Vergessen sie den Unschuldsstand,
In dem Agnese sich befand, –
Den Söhnen Adams desto lieber.

So wie, elektrischer Natur,
Ein Blitz, von Franklins Stab gelenket,
Durch tausend an der Leitungsschnur
Gereihte Körper fährt, – so fuhr
Durch Mann an Mann – was Ihr wohl denket.

Der Schönheit Feuerstrom umkreist
Die Abgelebten, wie die Jungen,
Bricht alle Dämme durch und reißt
Bis ins Verborgne Leib und Geist,
Zur Andacht und zu Huldigungen.

Es läuft ein summendes Getön
Durch den Bezirk des Kirchensprengels:
»Gevatter, habt Ihr ein so schön
»Geformtes Kind wohl je gesehn?
»Ist es nicht Abdruck eines Engels?«

Agnese wurde wechselsweis
Bald blaß, bald roth, vor all' dem Lärmen
Der jungen Herrn im dichten Kreis
Um sie herum, die wie Geschmeiß
Um reife Aprikosen schwärmen.

Ein Mönch mit grauem Bart, verdreht
Die Augen, als war' er verzücket
Im dritten Himmel, und gesteht
Es laut, solch eine Nudität
Hab' er zeitlebens nicht erblicket.

Der Ritter, der verklärt nun sah,
Was seine Hand selbst ihm zu hoffen
Kein Recht gab – stand wie jener da,
Den, als ein Glücksfall ihm geschah,
Der Schlag für frohen Schreck getroffen,

Er sah der Schöpfung Meisterstück
In ihr – nur gönnt' er keinem andern
Den herrlich reinen Wonneblick,
Eh' wünscht' er in die Kluft zurück
Zum zweiten Mal mit ihr zu wandern.

Wie sie nun, allen Brillen frei,
So da stand, nackt und unbeholfen,
Schickt einer von der Klerisei,
Ein Chorhemd ihr, und nebenbei
Auch einen Ablaßbrief für Wolfen.

So dachten freilich beide, – bis
Das Mönchsthier alle Busenfreunde
Des Zirkels aus dem Irrthum riß,
Zur wahren Seelenärgerniß
Der frommen weiblichen Gemeinde.

»Der Knabe, der das Hemd gebracht,
»Ist,« schwört er, »irr im Oberstübchen;
»Lest nur: – der Propst schickt seine Tracht
»Der Wäscherin, und für die Nacht
»Schickt er den Ablaß seinem Liebchen.«

Die Weiber schrien: »Was? der Prospect
»Soll doch wohl Heiden nicht bekehren?
»Das Hemd, nach Gottes Willen, deckt,
»Was es beim Propst, zu tief versteckt,
»Nie findet – ein Gefäß der Ehren.«

Agnese neu verstärkten Muths,
Hört weiter nicht auf das Getöse
Des Klausners, der von Kirchenguts
Entweihung schnaubt. In schönster Bluts-
Bewegung birgt sie ihre Blöße.

»Die Jungfrau,« denkt sie, »reicht das Hemd
»Mir, statt des Shawls, um den ich flehte,
»Als ich, in allem noch zu fremd,
»In finstern Mauern eingeklemmt,
»Mich nach dem Pol des Ritters drehte.«

Des Glaubens, durch den heil'gen Shawl
Sey sie nun ehlich eingeweihet,
Grüßt sie den Ritter als Gemahl,
Den sie zugleich der Höllenqual
Des eifersücht'gen Neids befreiet.

So thut ein Wachsbild der Marie,
Von einem Priester eingekleidet,
In Menge Wunder, weiß nicht, wie?
Der Pöbel sinkt vor ihr aufs Knie,
Der Kranke küßt es – und verscheidet.

Als Monument des Schreckensjahrs,
Das Gott verhängt, stand lang im schwarzen
Gehüll, fern von des jungen Paars
Gesichtskreis – ach! ihr Vater war's,
Gegeißelt von dem Chor der Parzen.

Er naht der Tochter sich und zieht
Ihr heißes Herz zu seinem kältern,
Die jugendliche Gruppe kniet
Ihm schnell zu Füßen und verrieth
Sich so, wie unsre ersten Aeltern.

Und er, der es wie Gott verstand,
Was ihrer Wangen Schmuck bedeutet,
Zürnt, nach dem Ritter hingewandt:
»Nimm, nimm nun auch der Dirne Hand,
»Zu Allem, was Du schon erbeutet.«

»Der Hungerthurm, der ihr gedroht,
»Liegt neben meiner Burg, es liegen
»Geld, Hund und Kasten dort im Koth,
»Nur Ihr seyd, wider mein Verbot,
»Zusammen heimlich fortgestiegen.

»Hat Euch der Liebe Eigensinn
»Vier Nächte schon in Schutz genommen;
»So sorge sie auch fernerhin, –
»Ich kann es nicht, arm wie ich bin!
»Für Euch und Euer Unterkommen!«

Nun schöpften die Gekränkten Luft;
Dem Hahn gleich, der am Morgen krähet,
Dreht Wolf zur Sonne sich und ruft:
»Froh ernt' ich, was in jener Gruft
»Ich der Verwesung ausgesäet.

»Und wenn der Erde Ball zerfiel,
»Blickt noch von ihrem Staubgerüste
»Ein fester Mann nach seinem Ziel,
»Und flieht aus ihrem Trauerspiel,
»Gleich mir, nach der ersehnten Küste.

»Auf keinem schönern Ankerplatz
»Hätt' ich die Sicherheit gefunden,
»Im Erdenrund lag, zum Ersatz
»Des obern Zeitverlusts, der Schatz
»Von tausend theuern Lebensstunden.

»So förderte aus einem Schacht,
»Verloren für des Kenners Wage,
»Ein Bergmann aus der Urwelt Nacht,
»Vom innern Werth zur äußern Pracht –
»Des Moguls Diamant zu Tage.«

Mit diesem Jubel führt der Mann
Sein schwer errung'nes Weib zum Tempel,
Und weihet dem Sanct Kilian
Sein Bild und die Beschreibung d'ran,
Geliebten Mädchen zum Exempel.


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