William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 2
William M. Thackeray

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Einundzwanzigstes Kapitel

Fräulein Amorys Tänzer

Der edle Foker, den wir einige Seiten lang aus den Augen verloren haben, ist in der Zwischenzeit, wie wir von einem Manne von seiner Beständigkeit voraussetzen dürfen, davon in Anspruch genommen worden, daß er seiner alles absorbierenden Liebesleidenschaft nachging und nachhing.

Er sehnte sich nach ihr und verfluchte das Schicksal, das ihn von ihr trennte. Als Lord Gravesands Familie sich aufs Land zurückzog (indem Seine Lordschaft dem ehrenwerten Lord Bagwig seine Stimme überließ), blieb Harry noch immer lungernd in London zurück, sicherlich nicht sehr zur Betrübnis der Lady Anna, mit der er verlobt war und die ihn nicht im geringsten vermißte. Wohin auch Fräulein Amory gehen mochte, stets folgte ihr dieser liebebetörte junge Mensch, und da er wußte, daß seine Verlobung mit seiner Kusine in der Welt bekannt war, sah er sich gezwungen, aus seiner Leidenschaft ein Geheimnis zu machen und sie in seiner Brust zu verschließen, so daß sie dort so eingepfercht und zusammengepreßt war, daß es ein Wunder ist, daß er nicht eines Tages mit dem stürmischen Geheimnis 409 explodierte und zusammenstürzend nach dem Losbrechen unterging.

Es hatte eines schönen Juni-Abends ein großes Fest in Gaunt House stattgefunden, und die Journale enthielten am nächsten Tage fast zwei enggedruckte Spalten von Namen des hohen und niederen Adels, die mit Einladungen zu dem Balle beehrt waren. Unter den Gästen befanden sich auch Sir Francis und Lady Clavering und Fräulein Amory, für die der unermüdliche Major Pendennis eine Einladung besorgt hatte, sowie unsere beiden jungen Freunde Arthur und Harry. Jeder von beiden tat sein bestes und tanzte viel mit Fräulein Blanche. Was den würdigen Major betrifft, so nahm er die Sorge für Lady Clavering auf sich und beeiferte sich, sie in jene Departements des Hauses einzuführen, wo Ihre Ladyschaft sich vorzugsweise auszeichnete, nämlich in das Erfrischungszimmer, wo unter Bildern von Tizian und Giorgione und Königsporträts von van Dyke und Reynold und gewaltigen Kredenztellern von Gold und Silber und Pyramiden von mächtigen Blumen und wahren Konstellationen von Wachskerzen – mit einem Worte, in einer Weise, die vollkommen jeden Gedanken an die Kosten ausschloß – ein Souper die ganze Nacht hindurch stattfand. Von wievielen Cremes, Gelees, Salaten, Pfirsichen, weißen Suppen, Weintrauben, Pasteten, Gelatinen, Tassen Tee, Champagner usw. Lady Clavering nahm und genoß, schickt sich für uns nicht zu sagen. Wieviel der Major litt, als er der wackeren Frau überall hin folgte und die feierlichen männlichen Diener und die lieblichen Dienerinnen herbeirief, und Lady Clavering 410 mit bewunderungswürdiger Geduld verschiedene Bedürfnisse reichte, weiß niemand, – er selbst hat es niemals eingestanden. Er gestattete niemals seiner Seelenqual, sich auch nur im mindesten auf seinem Antlitze zu zeigen, sondern brachte mit fortdauernder Freundlichkeit Teller auf Teller der Begum herbei.

Herr Wagg zählte alle die Gerichte, von welchen Lady Clavering genoß, solange er zählen konnte (aber da er den Abend selbst dem Champagner sehr tapfer zusprach, so war seiner Rechenfertigkeit am Schlusse des Festes nicht zu trauen), und er empfahl dem Herrn Honeyman, dem Hausarzte der Lady Steyne, sorgsam nach der Begum zu sehen und den nächsten Tag bei Ihrer Ladyschaft vorzusprechen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen.

Sir Francis Clavering erschien und drückte sich ein Weilchen in den prächtigen Zimmern herum, aber die Gesellschaft und der Glanz, dem er dort begegnete, waren nicht nach des Baronets Geschmack; und nachdem er einen oder ein paar Humpen Wein am Büfett hinuntergegossen, vertauschte er Gaunt House mit der Nachbarschaft von Jermyn Street, wo seine Freunde Loder, Punter, der kleine Moss Abrams und Kapitän Skewball um den wohlbekannten grünen Tisch versammelt waren. Beim Rasseln des Würfelbechers und ihrer angenehmen Unterhaltung erhob sich die Laune Sir Francis' bis zu ihrem gewohnten Punkte schwacher Heiterkeit.

Herr Pynsent, der Fräulein Amory zum Tanze aufgefordert hatte, kam bei einer Gelegenheit hinzu, um Anspruch auf ihre Hand zu machen, aber nachdem 411 bereits finstere Blicke des Wiedererkennens zwischen ihm und Herrn Arthur Pendennis im Tanzsaale hin- und herübergeflogen waren, erhob sich Arthur plötzlich und machte auf die Hand des Fräuleins Amory als seiner Tänzerin bei dem gegenwärtigen Tanze Anspruch, worauf Herr Pynsent, sich auf die Lippen beißend und noch finsterer aussehend, sich mit einem tiefen Bückling und der Erklärung, daß er seinen Anspruch aufgäbe, zurückzog. Es gibt gewisse Leute, die einem im Leben alle Augenblicke in den Weg treten. Pynsent und Pen hatten diese Ansicht voneinander und betrachteten einander nach derselben.

»Was für ein verwünscht hochnäsiger Lümmel vom Lande das ist!« dachte der eine. »Weil er eine Zweipfennignovelle geschrieben hat, ist sein abgeschmackter Kopf ganz verdreht, und ein tüchtiger Puff müßte ihn von seinem Hochmute kurieren.«

»Was für ein unverschämter Idiot dieser Mensch ist!« bemerkte der andere zu seiner Tänzerin. »Seine Seele ist in Downing Street, sein Halstuch ist Schreibpapier, sein Haar ist Sand, seine Beine sind ein paar Lineale, seine inneren Teile sind Aktenband und Siegelwachs, er war ein Philister in seiner Wiege, und er hat seit seiner Geburt nie gelacht, ausgenommen dreimal über denselben Witz seines Chefs. Ich liebe diesen Menschen ebenso sehr, Fräulein Amory, als kaltes gekochtes Kalbfleisch.« Hierauf bemerkte Blanche natürlich, daß Herr Pendennis ein gottloser, unliebenswürdiger, vollkommen abscheulicher Mensch wäre, und daß sie wohl wissen möchte, was er sagen würde, wenn sie den Rücken gewendet hätte. 412

»Sagen! – Daß Sie die allerschönste Figur und die schlankste Taille der Welt haben, Blanche – Fräulein Amory wollt' ich sagen. Ich bitte um Verzeihung. Noch einmal herum; diese Musik würde einen Alderman zum Tanze zwingen.«

»Und Sie haben das Hinpurzeln sein gelassen, wenn Sie jetzt Walzer tanzen?« fragte Blanche, indem sie boshaft zu ihres Tänzers Gesicht hinaufsah.

»Man fällt und man kommt wieder in die Höhe im Leben, Blanche; Sie wissen, ich pflegte Sie in alten Zeiten so zu nennen, und es ist der niedlichste Name der Welt; außerdem hab' ich mich seitdem geübt.«

»Und zwar mit einer großen Anzahl von Tänzerinnen, fürcht' ich,« versetzte Blanche mit einem geheuchelten Seufzerchen und einem Zucken der Achseln. Und in Wahrheit hatte Herr Pen in diesem Leben ein gut Teil Uebung gehabt und war unzweifelhaft auf dem Punkte angelangt, wo er besser tanzen konnte.

Wenn Pendennis impertinent in seinem Gespräche war, so war Foker dagegen, so angenehm und mitteilsam er bei den meisten Gelegenheiten war, völlig maulfaul und melancholisch, als er mit Fräulein Amory tanzte. Ihre zarte Taille zu umklammern war himmlische Wonne für ihn, und mit ihr im Saale herumzuwirbeln ein seliger Rausch; aber mit ihr zu reden – was konnte er da wohl sagen, was ihrer würdig gewesen wäre? Was für eine Perle der Unterhaltung konnte er zutage fördern, die geschaffen gewesen wäre, von solch einer Königin der Liebe und des Geistes wie Blanche angenommen zu werden? Sie war es, die das Gespräch führte, als sie in Gesellschaft dieses 413 liebeskranken Tänzers war. Sie war es, die sich nach dem Befinden jenes lieben kleinen Ponys erkundigte und ihn mit zärtlicher Freundlichkeit und solchem Bedauern ansah, ihm dankte und den lieben kleinen Pony mit solchem delikaten Seufzer ablehnte, als er ihn ihr zum Geschenk machen wollte. »Ich habe niemanden, mit dem ich in London reiten könnte,« sagte sie. »Mama ist zu ängstlich, und ihre Figur macht sich auch zu Pferde nicht gut. Sir Francis geht nie mit mir aus. Er liebt mich wie – wie eine Stieftochter. O, welche Wonne es sein müßte, einen Vater zu haben – einen Vater, Herr Foker.«

»O, eine ungemeine Wonne,« entgegnete Herr Harry, der sich dieses Segens nur sehr kühl erfreute, worauf Blanche mit ihren grauen Augen, indem sie die sentimentale Miene, die sie eben zuvor angenommen, ganz vergaß, Foker mit solch einem pfiffigen Zwinkern anschaute, daß sie beide in ein Gelächter ausbrachen, und Harry ganz hingerissen und nun voll guter Laune sie mit einer Menge unschuldigen Geplauders zu unterhalten anfing – gutmütiges, freundliches, einfältiges Fokergeschwätz, schmackhaft gemacht durch eine Fülle von Ausdrücken, die durchaus in keinem Wörterbuche zu finden sind, und die sich auf seine eigene Geschichte erstreckten oder die von Pferden oder anderen Dingen, die ihm teuer und wichtig waren, oder über Personen im Ballsaale, die in dem Augenblicke bei ihnen vorübergingen und über deren Aussehen oder Charakter Herr Harry mit kunstloser Ungezwungenheit und einem beträchtlichen Aufwande sprudelnder Laune sprach. 414

Und es war Blanche, die, als die Unterhaltung stockte und die Bescheidenheit des Jünglings zurückgeströmt kam und ihn überwältigte, ihren Gesellschafter wiederzubeleben verstand, ihm Fragen über Logwood vorlegte, namentlich ob es ein hübscher Ort sei? Ob er ein Freund der Jagd wäre und ob er es liebte, wenn Frauen jagten? (In diesem Falle war sie vorbereitet, zu sagen, daß sie das Jagen über alle Maßen liebte.) Aber Herr Foker drückte seine Abneigung von jagdliebenden Frauen aus und zeigte auf Lady Bullfinch, die zufällig vorüberging, als auf ein Mannweib, das er mit einer Zigarre im Gesicht auf der Hetzjagd gesehen hätte, und so drückte Blanche gleichfalls ihren Abscheu vor den Vergnügungen auf freiem Felde aus und sagte, es würde sie ein Schauder überlaufen, wenn sie sich dächte, daß so ein liebes niedliches Füchschen umgebracht würde, worauf Foker lachte und mit erneuter Kraft und Anmut drauflos walzte.

Und am Schlusse des Walzers – des letzten Walzers, den man diese Nacht tanzte – fragte ihn Blanche nach Drummington und ob es ein schönes Schloß wäre. Seine Kusinen, hätte sie gehört, wären sehr geistvoll; den Lord Erith hätte sie schon getroffen, und welche von seinen Kusinen ihm die liebste wäre? Ob es nicht Lady Anna wäre? Ja, sie wäre überzeugt, sie wäre es, überzeugt durch seine Miene und sein Erröten. Sie war des Tanzens überdrüssig; es wurde sehr spät. Sie mußte zu Mama gehen; und ohne noch ein Wort zu sagen, sprang sie von Harry Fokers Arm weg und hing sich an Pen, der durch den Tanzsaal schlenderte und sagte wieder: »Mama, Mama! Führen Sie mich 415 zu Mama, lieber Herr Pendennis!« wobei sie Harry mit einem parthischen Pfeile durchbohrte, als sie von ihm floh.

Mylord Steyne mit dem Hosenbandorden, mit kahlem Kopfe, glänzenden Augen und einem Kranze roten Backenbartes rings um sein Antlitz, sah bei einer großen Festlichkeit immer sehr erhaben aus und machte großen Eindruck auf Lady Clavering, als er sich ihr auf die Bitte des diensteifrigen Major Pendennis vorstellen ließ. Mit seiner eigenen weißen und königlichen Hand überreichte er Ihrer Ladyschaft ein Glas Wein, sagte, daß er von ihrer reizenden Tochter gehört hätte, und bat, derselben vorgestellt zu werden, und gerade an diesem Punkte des Gesprächs kam Herr Arthur Pendennis mit der jungen Dame am Arm herbei.

Der Peer machte eine tiefe Verbeugung und Blanche den tiefsten Knix, der je gesehen wurde. Seine Lordschaft gaben Herrn Arthur Pendennis ihre Hand, sagten, sie hätten sein Buch gelesen, das sehr boshaft und geistvoll wäre, fragten Fräulein Blanche, ob sie es gelesen hätte, worauf Pen errötete und einen Kratzfuß machte. Ei der Tausend, Blanche war ja eine der Heldinnen der Novelle! Blanche, mit schwarzen Locken und ein bißchen verändert, war die Neaera in ›Walter Lorraine‹.

Blanche hatte es gelesen; die Sprache ihrer Augen drückte ihre Bewunderung und Hingerissenheit vor dieser Leistung aus. Nachdem diese kleine Komödie durchgespielt war, machte der Marquis von Steyne vor Lady Clavering und ihrer Tochter noch zwei tiefe 416 Bücklinge und schritt dann weiter zu anderen seiner Gäste bei dieser glänzenden Festlichkeit.

Mama und Tochter waren laut in ihren Ausdrücken der Bewunderung über den edlen Marquis, sobald ihnen nur sein breiter Rücken zugekehrt war. »Er sagte, die machen ein sehr schmuckes Paar,« flüsterte Major Pendennis Lady Clavering zu. Sagte er das wirklich? Mama dachte, sie würden einig werden; Mama war von der Ehre, die ihr soeben erwiesen worden, und von den anderen berauschenden Ereignissen des Abends so überwältigt, daß ihre gute Laune keine Grenzen kannte. Sie lachte, sie winkte, sie nickte Pen pfiffig zu; sie klappste ihn mit ihrem Fächer auf den Arm, sie klappste Blanche, sie klappste den Major; ihr Behagen war grenzenlos und ihre Art, es zu zeigen, gleichfalls sehr ausgedehnt.

Als die Gesellschaft die große Treppe in Gaunt House hinunterging, hatte sich der Morgen stark und hell über den schwarzen Bäumen des viereckigen Platzes erhoben; der Himmel war rosa angehaucht, und die Wangen mehrerer Leute, die auf dem Balle gewesen, ach, wie geisterhaft bleich sahen sie aus! Jener bewunderungswürdige und hingebungsvolle Major vor allem, der stundenlang an Lady Clavering's Seite gewesen war, indem er ihr Proviant zugetragen und ihren Körper mit allem, was hübsch, und ihr Ohr mit allem, was süß und schmeichelnd war, gefüttert hatte – oh! was für ein Wesen war er! Die Ringe um seine Augen waren von nußbrauner Farbe; jene Kugeln selbst aber sahen wie die Regenpfeifereier aus, die Lady Clavering und Fräulein Blanche gekostet hatten; die Runzeln in 417 seinem alten Gesichte waren zu tiefen Rinnen gefurcht, und eine silberne Stoppel, gleich einem ältlichen Morgentau, glitzerte an seinem Kinn und an dem gefärbten Backenbarte entlang, der jetzt schlaff herabhing und dessen Locken sich gelöst hatten.

Da stand er, mit bewundernswerter Geduld, leidend, klaglos, ein schweigsames Bild des Seelenschmerzes, sich bewußt, daß die Leute den Zustand seines Antlitzes sehen konnten (konnte er denn nicht selbst den Zustand anderer, Männer und Frauen von seinem eigenen Alter bemerken?) – sich stundenlang schon nach Ruhe sehnend, wissend, daß Soupers ihm nicht bekamen, und doch gezwungen gewesen, ein wenig zu essen, um nur seine Freundin, Lady Clavering, bei guter Laune zu erhalten, gepeinigt von Rheumatismus im Rücken und in den Knien, mit müden Füßen, die ihm in den Lackstiefeln brannten, so müde, so müde und so sehr nach dem Bette sich sehnend! Wenn jemand, der mit hartem Geschick kämpft und es tapfer und mutig besiegt, ein Gegenstand der Bewunderung für die Götter ist, so muß jene Macht, in deren Kapelle der alte Major ein getreuer Anbeter war, mit Wohlgefallen von oben auf die Ausdauer des Major Pendennis in seinem Märtyrertum geschaut haben. Es gibt Dulder in dieser Sache so gut wie in einer anderen; die Neger im Dienste des Mumbo Jumbo tätowieren und durchbohren sich standhaft die Haut mit glühenden Speilern, und wir lesen, daß die Priester im Dienste Baals sich tiefe Wunden versetzten und freiwillig bluteten. Ihr, die ihr die Götzen umstürzen könnt, geht mit frischem Mute ans Werk, aber seid nicht zu heftig gegen die 418 Götzenanbeter, sie verehren das Beste, was sie kennen.

Die Pendennis, der ältere und der jüngere, warteten mit Lady Clavering und deren Tochter, bis der Wagen Ihrer Ladyschaft angekündigt wurde, wo, wie man sagen kann, das Märtyrertum des älteren sein Ende erreichte, denn die gutmütige Begum bestand darauf, ihn an seiner Tür in Bury Street abzusetzen; so nahm er nach einem oder ein paar matten Bücklingen und einer Dankesrede, höflich und entschlossen, seine Pflicht bis zuletzt zu tun, den Rücksitz der Kutsche ein. Die Begum winkte Arthur und Foker mit ihrer kleinen fetten Hand ein Lebewohl zu, und Blanche lächelte schmachtend auf die beiden jungen Leute herab, indem sie dachte, ob sie wohl sehr bleich und grünlich unter ihrer rosafarbenen Kapuze aussähe und ob es die Spiegel in Gaunt House oder die Müdigkeit und das Fieber ihrer eigenen Augen wäre, das die Wirkung hatte, daß sie sich so bleich vorkäme.

Arthur sah vielleicht recht wohl, wie gelb Blanche aussah, schrieb aber die Eigentümlichkeit ihrer Gesichtsfarbe weder der Wirkung der Spiegel noch einem Irrtum seines oder ihres eigenen Gesichtssinnes zu. Unser junger Weltmann konnte seine Augen sehr scharf gebrauchen und vermochte Blanches Gesicht ziemlich so zu sehen, wie es die Natur gemacht hatte. Aber für den armen Foker hatte es einen Strahlenglanz, der ihn verwirrte und blendete; er konnte darin nicht mehr Fehler sehen, als an der Sonne, die jetzt über den Spitzen der Häuser flimmerte.

Außer anderen gottlosen Londoner Gewohnheiten, die Pen angenommen hatte, wird der Moralist diejenige 419 bemerken, daß er mit den Stunden sehr übel umsprang und oft zu einer Zeit zu Bett ging, wo nüchterne Leute auf dem Lande daran dachten, es zu verlassen. Die Menschen gewöhnen sich an die eine Stunde so gut wie an die andere. Zeitungsredakteure, Leute vom Covent-Gardenmarkte, Nachtfiaker und Kaffeewirte, Schornsteinfeger und Herren und Damen der vornehmen Welt, welche Bälle besuchen, sind oft um drei oder vier Uhr morgens noch ganz lebendig, zu einer Zeit, wo gewöhnliche Sterbliche schnarchen. Wir haben im vorigen Kapitel gezeigt, wie Pen um diese Zeit in einer flotten Gemütsstimmung war, aufgelegt, seine Zigarre bequem zu schmauchen und von der Leber weg zu reden.

Foker und Pen wandelten also von Gaunt House fort und überließen sich beide den ebengenannten Vergnügungen, oder vielmehr Pen sprach, und Foker machte eine Miene, als ob er etwas sagen wolle. Pen war sarkastisch und stutzerhaft, wenn er in Gesellschaft vornehmer Leute gewesen war; er konnte nicht umhin, etwas von ihrem Gebahren oder ihrer Art zu reden nachzuahmen, und da er eine sehr lebhafte Einbildungskraft besaß, so hielt er sich sehr leicht fälschlich selbst für eine Person von Wichtigkeit. Er quasselte drauflos und griff bald diese, bald jene Persönlichkeit an; spöttelte über Lady John Turnbulls schlechtes Französisch, das Ihre Ladyschaft in alle Unterhaltungen einzuführen pflegt, trotzdem alle Welt spöttisch darüber lächelt, über Frau Slack Ropers ungewöhnliche Tracht und ihre falschen Juwelen, über die alten Dandys wie über die jungen; kurz, über wen hätte er nicht gehöhnt und gelacht? 420

»Du schimpfst aber auch auf alle Welt, Pen, – du bist ein entsetzlicher Mensch geworden, wahrhaftig,« sagte Foker. »Nun, du hast an Blondels gelber Perücke gezupft und an Colchicums schwarzer, warum tust du nicht auch mal 'nen Ruck an einer gewissen braunen, he? Du weißt, wessen ich meine. Sie kroch in Lady Claverings Kutsche.«

»Unter meines Onkels Hut? Mein Onkel ist ein Märtyrer, Foker, mein Junge. Mein Onkel hat die ganze Nacht peinigende Pflichten erfüllt. Er geht gern zeitig zu Bett. Er hat ein fürchterliches Kopfweh, wenn er lange aufbleibt oder ein Souper anrührt. Er hat stets die Gicht, wenn er auf einem Balle viel geht oder steht. Und er ist aufgeblieben, hat gestanden und soupiert. Er ist nach Hause gegangen mit seinen Kopfschmerzen und mit seiner Gicht und zwar meinethalben. Soll ich da Witze reißen über den alten Burschen? Nein, nicht um die Schätze Venedigs!«

»Wie meinst du, daß er's deinethalben getan hat?« fragte Foker mit ziemlich bestürzter Miene.

»Knabe! kannst du ein Geheimnis bewahren, wenn ich es dir anvertraue?« rief Pen in der besten Laune. »Vermagst du wohl reinen Mund zu halten? Willst du schwören? Willst du stumm wie ein Fisch sein oder plaudern? Willst du schweigen und hören, oder jetzt ein Wort nur sprechen und des Todes sein?« Und als er sprach, warf er sich in eine absurd theatralische Stellung, und die Leute an dem Fiakerstande von Piccadilly wunderten sich und grinsten über die wunderlichen Gebärden der beiden jungen Stutzer. 421

»Auf was, der Teufel, steuerst du nur los?« fragte Foker, der sehr aufgeregt aussah.

Pen jedoch bemerkte diese Gemütsaufregung nicht sehr, sondern fuhr fort, dieselbe sprudelnde und ausgelassene Witzader strömen zu lassen. »Freund meiner Jugend, Harry,« sagte er, »du Zeuge meiner einstigen Narrheiten, wenn auch vor deinen Büchern etwas blöd, bist du doch noch nicht ganz verstandesbar, nein, mein Henrico, wolle nicht erröten, hast noch ein gutes Teil davon und auch von Mut und Güte für der Freunde Dienst. Wär' ich bedrängt von Armut, allsogleich würde ich zu meines Fokers Beutel kommen. Wär' ich mit Gram beladen, würd' ich eilen, in sein mitfühlend Herz ihn auszuschütten –«

»Dummer Schnack, Pen – weiter,« sagte Foker.

»Ich wollte, mein Henrico, ja, bei deines Hemds Goldknöpfchen und bei deinem Cambrichemd, gestickt von schöner Hand, des Tapfern Brust zu schmücken! Wisse denn, Freund aus den Tagen meiner Knabenzeit, daß der Arthur Pendennis von dem oberen Tempel, Student der Rechte, fühlt, daß er alleinsteht in der Welt und Mutter Sorge seine Schläfe furcht und Kahlheit an seines Hauptes Krone nagt. – Sollen wir hier Halt machen und einen Tropfen Kaffee in diesem Laden genießen? Er sieht recht warm und schmuck aus. Sieh, wie der Fiakerkutscher in seinen Krug bläst. Nein, du meinst nicht? Aristokrat! Ich nehme meine Geschichte wieder auf. Ich werde alt. Ich habe höllisch wenig Moos. Ich brauche welches. Ich gedenke, mir welches zu verschaffen und mich im Leben festzusetzen. Ich denke daran, mich festzusetzen. Ich denke daran, 422 mich zu verheiraten, alter Junge. Ich gedenke, ein moralischer Mann zu werden, ein gesetzter Portwein- und Sherrycharakter, mit einem guten Rufe in meinem Viertel und einer bescheidenen Haushaltung mit zwei Mägden und einem Bedienten – mit einem gelegentlichen Wagen, um Madame Pendennis auszufahren, und einem Hause in der Nähe des Parks, zur Bequemlichkeit der Kinderchen. Ha! was sagst du dazu? Antworte doch dem Freunde dein, du wackerer Sohn des Bieres. Sprich, ich beschwöre dich bei allen deinen Fässern.«

»Aber du hast ja gar kein Geld, Pen,« meinte der andere, immer noch mit bestürzter Miene.

»Ich habe keins? Nein, aber sie hat welches. Ich sage dir, 's winkt mir ein goldener Schatz – nicht was du Geld nennst, aufgehängt im Schoß des Luxus und gewiegt auf Träbern und Reichtum trinkend aus vielen tausend Bottichen voll Maisch. Was weißt denn du vom Gelde? Was Armut dir, ist Pracht dem kühnen Sohne des bescheidenen Apothekers. Du kannst nicht leben ohne eine große Haushaltung, und deine Häuser in Stadt und Land. Ein schmuckes Häuschen irgendwo in Belgravia, ein Wagen für meine Frau, ein ordentlicher Koch und eine gute Flasche Wein dann und wann zu Hause für meine Freunde; diese einfachen Bedürfnisse genügen für mich, mein Foker.« Und hier begann Pendennis ernsthafter auszusehen. Ohne weiter zu witzeln, fuhr Pen fort: »Ich habe wirklich ernsthafte Gedanken, abzuschließen und mich zu verheiraten. Niemand kann in der Welt vorwärts kommen, der nicht einiges Geld hinter sich hat. Man muß einen gewissen 423 Einsatz haben, um damit zu beginnen, ehe man hingehen und sich an das große Spiel wagen kann. Wer weiß, ob ich's nicht am Ende versuche, alter Junge? Schlechtere Leute als ich haben dabei gewonnen. Und da ich von meinem Vater nicht genug Kapital habe, muß ich welches durch meine Frau kriegen – das ist die ganze Geschichte!«

Sie gingen Grosvenor Street hinunter, als sie sich unterhielten oder vielmehr als Pen in der selbstsüchtigen Ueberfülle seines Herzens sprach; und Herr Pen muß zu sehr mit seinen eigenen Angelegenheiten beschäftigt gewesen sein, um die Trauer und Aufregung seines Begleiters zu bemerken, denn er fuhr fort: »Wir sind keine Kinder mehr, weiß du, du nicht und ich nicht, Harry. Pah! Die Zeit unserer Romane ist dahingeschwunden. Wir heiraten nicht aus Leidenschaft, sondern aus Klugheit, und um uns eine sichere Existenz zu gründen. Weshalb nimmst du deine Kusine? Weil sie ein hübsches Mädchen und eines Grafen Tochter ist, und die alten Leutchen es wünschen und dergleichen Dinge mehr.«

»Und du, Pendennis,« fragte Foker, »du bist dem Mädchen also nicht sehr gut – und du willst sie doch heiraten?«

Pen zuckte die Achseln. Comme ça,« sagte er. »Ich kann sie ganz gut leiden. Sie ist hübsch genug; sie ist gescheidt genug. Ich denke, es wird sich mit ihr recht gut machen. Und sie hat Geld genug – das ist die Hauptsache. Na, du weißt, wer sie ist, nicht wahr? Ich dachte, du hättest dich selber in sie verliebt eines 424 Abends, als wir bei ihrer Mama speisten. Es ist die kleine Amory.«

»Ich – ich dachte mir's,« sagte Foker, »und hat sie dich angenommen?«

»Noch nicht ganz,« erwiderte Arthur mit einem zuversichtlichen Lächeln, das zu sagen schien: »Ich habe nur anzufragen, und sie kommt im Augenblick zu mir.«

»O, also nicht ganz,« meinte Foker, und er brach in ein so entsetzliches Gelächter aus, daß Pen zum ersten Male seine Gedanken von sich auf seinen Begleiter richtete und vor dem geisterhaft bleichen Gesichte des anderen erschrak.

»Mein lieber Junge, Fo! was ist denn los? Du bist krank,« sagte Pen in einem Tone wirklicher Angst.

»Du denkst, es ist der Champagner in Gaunt House, nicht wahr? Aber der ist's nicht. Komm mit hinein; laß mich eine Minute zu dir reden. Ich will dir sagen, was es ist. Verdammt, ich muß es jemandem erzählen,« sagte Foker.

Sie waren inzwischen zu Herrn Fokers Tür gekommen, und indem Harry sie öffnete, schritt er mit seinem Freunde in seine Gemächer, die im hinteren Teile des Hauses und hinter dem Speisesaal der Familie belegen waren, wo der ältere Foker seine Gäste empfing, umgeben von Porträts seiner selbst, seiner Frau, seines kleinen Sohnes auf einem Esel und des seligen Earl von Gravesand in seiner Robe als Peer. Foker und Pen gingen an diesem Zimmer, das jetzt wie ein Sarg verschlossen war, vorbei und traten in die eigenen Gemächer des jungen Mannes. Staubige Ströme von Sonnenlicht spielten in diesem Raume und beleuchteten 425 des armen Harry Galerie tanzender Mädchen und Opernnymphen mit glitzerndem Lichtgefunkel.

»Sieh mal! Ich kann mir nicht helfen, ich muß dir's erzählen, Pen,« sagte er. »Seit jenem Abend, wo wir dort aßen, bin ich diesem Mädchen so gut, daß ich denke, ich werde sterben, wenn ich sie nicht kriege. Mir ist manchmal, als ob ich verrückt werden sollte. Ich kann's nicht aushalten, Pen. Ich konnt's nicht ertragen, als ich dich eben jetzt sagen hörte, du wolltest sie bloß heiraten, weil sie Geld hat, Pen. Ach, Pen! Darum handelt sich's doch nicht beim Heiraten! Ich will alles mögliche darauf wetten, daß sich's nicht darum handelt. Vom Gelde reden bei einem solchen Mädchen ist – ist – wie heißt ihr's doch gleich – du weißt schon, was ich meine – ich bin kein großer Redner – nun, ein Sakrilegium. Wenn sie mich haben wollte, ich würde die Gasse kehren, wahrhaftig, das würde ich!«

»Armer Fo! Ich meine nicht, daß dies für sie viel Anziehendes haben würde,« versetzte Pen, indem er seinen Freund mit wahrhafter Gutmütigkeit und vielem Mitleid ansah. »Sie ist kein Mädchen für die Liebe in einer Hütte.«

»Sie sollte 'ne Herzogin sein, das weiß ich sehr wohl, und ich weiß auch, daß sie mich nicht nehmen würde, wenn ich ihr nicht eine hohe Stellung in der Welt verschaffen könnte – denn ich tauge selbst nicht viel – ich bin kein gescheidter Kopf und dergleichen,« sagte Foker betrübt. »Wenn ich alle die Diamanten hätte, welche die Herzoginnen und Marquisen heut Nacht auf dem Leibe tragen, würd' ich sie ihr nicht in den Schoß schütten? Aber was kommt bei dem 426 Gerede heraus? Ich habe meinen Platz anderswo. Das ist's, was mich umbringt, Pen. Ich kann davon nicht loskommen, wenn ich auch sterbe, ich kann davon nicht loskommen. Und obschon meine Kusine ein hübsches Mädel ist, und ich sie ganz gut leiden kann und so weiter, so hatte ich doch diese hier noch nicht gesehen, als unsere Alten diese Sache zwischen uns abmachten. Und als du eben jetzt davon redetest, daß sie sich ganz gut machen würde, und daß sie Geld genug für euch alle beide hätte, dachte ich so bei mir, 's ist nicht Geld oder daß man ein Mädel bloß leiden kann, das genügen sollte, einen Menschen zum Heiraten zu veranlassen. Er heiratet dann vielleicht und findet, daß er jemand anderes besser leiden kann. Alles Geld der Welt wird einen hernach nicht glücklich machen. Sieh mich an, ich habe Geld die Hülle und die Fülle oder werd' es wenigstens einmal haben, aus den Maischbottichen, wie du's nennst. Mein Alter dachte, er hätte alles wer weiß wie schön für mich angeordnet, als er meine Heirat mit meiner Kusine verlangte. Ich sage dir aber, es wird nicht gehen, und wenn Lady Anna ihren Mann bekommen hat, wird's für uns alle beide nicht glücklich sein, und sie wird den elendesten armen Teufel in der ganzen Stadt haben.«

»Armer alter Kerl!« sagte Pen mit einer ihm ziemlich wenig kostenden Großmut, »ich wünschte, ich könnte dir helfen. Ich hatte keine Idee davon, daß du so toll in das Mädchen verliebt wärst. Denkst du, daß sie dich ohne dein Geld würde haben wollen? Nein. Denkst du, dein Vater würde einwilligen, deine Verlobung mit deiner Kusine aufzuheben? Du kennst 427 ihn sehr gut, und daß er dich eher fallen lassen würde, als dies tun.«

Der unglückliche Foker ächzte bloß als Antwort und warf sich, mit dem Gesicht nach unten, den Kopf in den Händen vergraben, aufs Sofa.

»Was meine Sache betrifft,« fuhr Pen fort – »mein lieber Junge, wenn ich gewußt hätte, daß die Geschichte mit dir so kritisch steht, so würde ich dir wenigstens damit keinen Schmerz verursacht haben, daß ich dich zu meinem Vertrauten wählte. Und dann ist meine Angelegenheit nicht ernst, zum mindesten bis jetzt nicht. Ich habe noch kein Wort mit Fräulein Amory darüber gesprochen. Höchstwahrscheinlich würde sie mich nicht haben wollen, wenn ich sie darnach fragte. Ich habe bloß mit meinem Onkel ein Langes und Breites darüber gesprochen, welcher sagt, daß die Partie vielleicht für mich passen könnte. Ich bin ehrgeizig und arm. Und es scheint, Lady Clavering wird ihr ein gutes Stück Geld mitgeben, und Sir Francis könnte dazu gebracht werden – daß er – na, das übrige hat nichts zu bedeuten. Noch ist nichts abgeschlossen, Harry. Sie werden sogleich die Stadt verlassen. Ich verspreche dir, sie nicht fragen zu wollen, ehe sie geht. Es hat keine Eile; jedermann hat Zeit für sich. Aber, gesetzt den Fall, du kriegtest sie, Foker. Bedenke, was du soeben erst über Heiraten gesagt und über das Elend eines Mannes, der sich nichts aus seiner Frau macht, und ob du eine Frau haben möchtest, die sich nichts aus ihrem Manne macht?«

»Aber sie würde sich was aus mir machen,« sagte Foker von seinem Sofa aus – »das heißt, ich denke, 428 sie würde es. Erst gestern abend, als wir tanzten, sagte sie –«

»Was sagte sie?« schrie Pen, in großer Wut aufspringend. Aber er sah seine eigene Meinung deutlicher als Foker und brach mit einem Gelächter ab – »Nun, mag sie gesagt haben, was sie will, Harry. Fräulein Amory ist ein gescheidtes Mädchen und sagt tausend höfliche Dinge zu dir – zu mir vielleicht – und der Teufel weiß, zu wem sonst noch. Nichts ist abgemacht, alter Junge. Zum mindesten, mein Herz wird nicht brechen, wenn ich sie nicht kriege. Gewinne sie, wenn du kannst, und ich wünsche dir viel Vergnügen zu ihr. Leb wohl! Mach dir keine Gedanken über das, was ich dir sagte. Ich war aufgeregt und verwünscht durstig in diesen heißen Zimmern und goß vermutlich nicht genug Selterwasser in den Champagner. Gute Nacht! Ich werde hinsichtlich deiner gleichfalls reinen Mund halten. ›Pst‹ ist die Parole zwischen uns und ›mag's ein ehrlich Kämpfen sein und der beste Mann gewinnen‹, wie Peter Crawley sagt.«

Mit diesen Worten und indem er seinem Freunde einen sehr sonderbaren und ziemlich gefährlichen Blick zuwarf, schüttelte Herr Arthur Pendennis ihm die Hand, ungefähr mit derselben Herzlichkeit, die zu dem soeben von ihm angeführten Gleichnisse von dem Boxerkampf paßte, und die Herr Bendigo entwickelt, wenn er dem Herren Caunt die Hand schüttelt, ehe sie miteinander um den Gürtel des Siegers und außerdem um zweihundert Pfund kämpfen. Foker erwiderte den Gruß seines Freundes mit einem flehentlichen Blicke und einem kläglichen Händedrucke und sank wieder in 429 seine Kissen zurück, Pen aber setzte seinen Hut auf und schritt hinaus in die freie Luft und fast über den Körper der früh wachen Hausmagd, die die Stufen an der Tür scheuerte.

»So möchte er sie also auch haben? Wirklich?« dachte Pen, als er dahinwandelte, und er bemerkte bei sich selbst mit verhängnisvollem Scharfblicke und einer fast höllischen Schadenfreude, daß gerade die Schmerzen und Qualen, die das wackere Herz Fokers erlitt, seinem eigenen Streben nach Blanche einen Stachel und Antrieb gaben, wenn man das Streben nennen darf, was bis jetzt kein Streben, sondern bloßer Spaß und eitles Getändel gewesen war. »Sie sagte etwas zu ihm, also wirklich? Vielleicht gab sie ihm die gelbe Blume zu dieser hier;« und er nahm aus seinem Rocke eine arme kleine verschrumpfte und unansehnliche Knospe, die in der Hitze der Ballnacht verwelkt und verdorrt war, und drehte sie zwischen Daumen und Zeigefinger. »Möchte wissen, wie vielen anderen sie noch solche unschuldige Liebeszeichen gegeben hat – die kleine Kokette!« – und er warf die Blume in den Rinnstein, wo das Wasser sie vielleicht erfrischt und wo sie irgendein Liebhaber von Rosenknospen aufgelesen haben mag. Und als er dann sich überlegte, daß der Tag schon ganz hell war und daß die Vorübergehenden mit verwundertem Blicke auf seinen Bart und sein weißes Halstuch sehen könnten, nahm unser bescheidener junger Herr ein Cab und fuhr nach dem Tempel.

Ah! dies ist also der Jüngling, der erst vor wenigen Jahren am Knie seiner Mutter betete und für den 430 sie höchst wahrscheinlich in dieser Morgenstunde gleichfalls betete? Ist dieser verlebte und selbstsüchtige Weltling der Knabe, der vor kurzer Zeit noch bereit war, all sein weltlich Gut, seine Hoffnung, seinen Ehrgeiz, seine Aussichten auf Erfolg im Leben für seine Liebe von sich zu werfen? Das ist der Mann, auf den du stolz bist, alter Pendennis? Du rühmst dich, ihn gebildet, ihn aus seiner abgeschmackten Romanhaftigkeit und Narrheit zur Vernunft gebracht zu haben – und ächzend in deinem Bette über deinen Schmerzen und deinem Gliederreißen, gereicht dir der Gedanke zur Genugtuung, daß dieser junge Mensch endlich was tun wird, sich im Leben auf einen grünen Zweig zu bringen, und daß die Pendennis einen guten Platz in der Welt einnehmen werden. Und er ist der einzige, der auf seiner Laufbahn durch dies dunkle Leben vorsätzlich oder vom Verhängnis getrieben strauchelt, indem die natürliche Wahrheit und Liebe, die ihn erleuchten sollten, in der vergifteten Luft trübe werden und nicht mehr ausreichen, ihm zu leuchten?

Als Pen fortgegangen war, stand der arme Harry Foker von dem Sofa auf, und indem er aus seiner Weste – der glänzend beknöpften, der prächtig bestickten, dem Werk seiner Mama – eine kleine weiße Rosenknospe nahm, zog er aus seiner Toilette, ebenfalls einem Geschenk seiner Mutter, eine Schere, mit der er sorgfältig den Stil der Blume abknippste, und nachdem er sie in ein Glas Wasser, gegenüber seinem Bette, gestellt, suchte er dort seine Zuflucht vor Sorge und bitteren Erinnerungen.

Man darf annehmen, daß Fräulein Blanche 431 Amory in ihrem Strauße mehr als eine Rose hatte, und weshalb sollte das freundliche junge Geschöpf nicht von ihrem Ueberflusse spenden und so viele Tänzer als möglich glücklich machen wollen?



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