William M. Thackeray
Die Geschichte von Pendennis / Band 2
William M. Thackeray

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Dreizehntes Kapitel

Die Sylphe erscheint wieder

Es gab bessere Leute als Morgan, den Kammerdiener, die nicht so genau wie dieser Gentleman über den Betrag von Lady Claverings Vermögen unterrichtet waren, und in ganz London hieß es bei der Ankunft Ihrer Ladyschaft in der höflichen Hauptstadt, daß ihr Vermögen ungeheuer groß wäre. Indigofaktoreien, Opiumschmuggelschiffe, Koffer strotzend von Rupien, Diamanten und Kleinodien eingeborener Fürsten, und ungeheure Summen von Zinsen, für 249 Darlehen gezahlt, die von ihnen oder ihren Vorgängern bei Lady Claverings Vater aufgenommen worden wären, wurden als die Quellen ihres Reichtums genannt. Ihr Guthaben bei ihren Londoner Bankiers war genau bekannt, und die Summe wurde mit so vielen Nullen geschrieben, daß sie ebensoviele O's des Staunens bei dem verwunderten Hörer hervorrief. Es war eine bekannte Tatsache, daß der Gesandte eines indischen Fürsten, ein gewisser Oberst Altamont, der erste Günstling des Nabobs von Lucknow, ein außerordentlicher Mann, der, wie es hieß, den mohammedanischen Glauben angenommen und tausend wilde und gefahrvolle Abenteuer bestanden hatte, gegenwärtig im Lande wäre, um mit der Begum Clavering über den Verkauf des berühmten Nasenringdiamanten des Nabobs zu unterhandeln, der »das Licht des Himmels« hieß.

Unter dem Titel der »Begum« begann der Ruf der Lady Clavering sich in London schon zu verbreiten, ehe sie selbst sich noch in der Hauptstadt niederzulassen geruht hatte, und da es der Stolz Delolmes und Blackstones und aller Panegyristen der britischen Verfassung gewesen ist, daß wir dem Verdienste aller Art Zutritt in unsere Aristokratie gestatten, und daß der niedrigstgeborene Mann, wenn er es nur verdiene, das Gewand eines Peer tragen und in einer Reihe mit einem Cavendish oder einem Stanley sitzen könnte, so sollte es auch der Stolz unserer guten Gesellschaft sein, daß, so hochmütig, von Natur eifersüchtig auf ihre Privilegien und wählerisch in bezug auf die, welche Zutritt in ihre Kreise verlangen, sie auch sein möge, dennoch, wenn irgendein Individuum nur reich 250 genug ist, augenblicklich alle Schranken fallen und er oder sie willkommen geheißen wird, wie sie es nach ihrem Reichtum zu sein verdienen. Diese Tatsache zeigt unsere britische Unabhängigkeit und unser Ehrgefühl – unsere höheren Stände sind nicht solche bloß hochmütigen Aristokraten mehr, wie die Leute, die nichts davon verstehen, sie darstellen, im Gegenteile, wenn jemand Geld hat, so strecken sie ihm ihre Hände entgegen, essen bei ihm, tanzen auf seinen Bällen, heiraten seine Töchter oder geben ihre eigenen lieblichen Mägdlein seinen Söhnen, alles so leutselig, wie unser gewöhnlichster Roturier es tun würde.

Nachdem er die Einrichtung des Landhauses überwacht, erteilte unser Freund, der Chevalier Strong, in Sachen des guten Geschmacks auch den modischen Londoner Tapezierern seinen Rat, welche das Haus in der Stadt zum Empfange der Claveringschen Familie herrichteten. Bei der Ausschmückung dieser eleganten Wohnung jauchzte die Seele des ehrlichen Strong ebenso sehr, als ob er selbst der Besitzer derselben gewesen wäre. Er hing Bilder auf und nahm sie wieder ab, er studierte die beste Stellung der Sofas aus, er hatte Unterredungen mit Weinhändlern und Möbelverkäufern, die die neue Niederlassung mit ihren Lieferungen versehen wollten, und zur selben Zeit benutzte das Faktotum und der vertraute Freund des Baronets die Gelegenheit, sich selbst eine Wohnung zu möblieren und sich einen hübschen kleinen Keller anzulegen. Seine Freunde sagten ihm Schmeicheleien über die Nettigkeit seiner Wohnung, und die auserwählten Gäste, welche kamen, Strongs Kotelette zu teilen, fanden jetzt eine 251 Flasche ausgezeichneten Claret, um das Essen zu begleiten. Der Chevalier war nun, was er »in der Wolle« nannte; er hatte eine sehr komfortable Zimmerreihe in Shepherds Gasthof inne. Er ließ sich von einem früheren Soldaten der spanischen Legion und Kameraden von sich aufwarten, den er in der Bresche einer spanischen Festung verlassen und in einer Ecke des Tottenhamcourt Road wiedergefunden und hierauf zum Range eines Leibdieners für sich und den Zimmergefährten erhöht hatte, der gegenwärtig seine Wohnung teilte. Dieser aber war niemand anderes, als der Günstling Nabobs von Lucknow, der tapfere Oberst Altamont.

Kein Mensch war weniger neugierig oder mindestens verschwiegener, als Ned Strong, und es lag ihm nichts daran, sich nach der geheimnisvollen Verbindung zu erkundigen, die sehr bald nach ihrem ersten Zusammentreffen in Baymouth zwischen Sir Francis Clavering und dem Abgesandten des Nabobs zustande gekommen war. Der letztere wußte irgendein Geheimnis in bezug auf den ersteren, das Clavering irgendwie in seine Gewalt gab, und Strong, dem bekannt war, daß seines Gönners früheres Leben ziemlich unregelmäßig und seine Karriere bei seinem Regimente in Indien nicht besonders glänzend gewesen, vermutete, daß der Oberst, welcher schwur, daß er Clavering in Kalkutta wohl gekannt hätte, irgend etwas von Sir Francis wüßte, dem der letztere nachzugeben gezwungen wäre. In Wahrheit hatte Strong lange schon heraus, daß Sir Francis Claverings Charakter der eines äußerst willensschwachen Mannes, ohne Grundsatz und ohne 252 Geistesgaben, eines kindischen Menschens an Seele und Leib und eines Poltrons sei.

Seine Exzellenz hatte mit dem armen Clavering nach ihrer Begegnung in Baymouth ein paar Zusammenkünfte gehabt, deren Art der Unterhaltungen der Baronet Strong nicht anvertraute, obwohl er an Altamont durch diesen Gentleman Briefe sandte, der in allen Arten von Angelegenheiten seinen Botschafter machte. Bei einer dieser Gelegenheiten mußte der Gesandte des Nabobs in fürchterlich schlechter Laune gewesen sein, denn er zerknüllte Claverings Brief in seiner Hand und sagte mit der ihm eigenen Weise und Betonung:

»Hundert, hol Sie der Henker! Ich will keine Briefe und kein solches Gewäsch mehr haben. Sagen Sie Clavering, ich will tausend haben, oder, beim Zeus, ich will ihn zersplittern und zerstäuben zu Atomen. Mag er mir tausend schicken, und ich werde ins Ausland gehen; ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Gentleman, daß ich ihn ein Jahr lang nicht um mehr angehen will. Bringen Sie ihm diese Botschaft von mir, Strong, mein Junge, und sagen Sie ihm, wenn das Geld bis nächsten Freitag um zwölf Uhr nicht so gewiß hier ist, als mein Name so und so heißt, so soll Sonnabend ein Artikel in der Zeitung stehen, und ich will nächste Woche die ganze Geschichte zusammenblasen.«

Strong trug diese Worte zu seinem Herrn zurück, auf den sie eine solche Wirkung hatten, daß pünktlich zum bestimmten Tag und Stunde der Chevalier in Altamonts Hotel in Baymouth mit der geforderten 253 Geldsumme eintraf. Altamont war ein Gentleman, wie er sagte, und benahm sich auch als solcher; er bezahlte seine Gasthausrechnung, und die Zeitung von Baymouth zeigte seine Abreise ins Ausland an. Strong sah ihn in Dover aufs Schiff steigen. »Es muß zum allermindesten eine Wechselfälschung sein,« dachte er, »die Clavering in die Hände dieses Burschen gebracht hat, und der Oberst hat sich jenen Wechsel verschafft.«

Ehe dies Jahr indes verflossen war, sah dieses glückliche Land den Obersten wieder an seinen Ufern. Ein verwünschter Satz auf Rouge hätte ihn, wie er sagte, in Baden-Baden ruiniert, kein Gentleman könnte es mit einer Farbe aufnehmen, die vierzehnmal gewonnen hätte. Er war genötigt gewesen, auf Sir Francis Clavering einen Wechsel zu ziehen, um sich die Mittel zur Heimfahrt zu verschaffen, und Clavering, obwohl er in Geldverlegenheiten war (denn er hatte Wahlausgaben, hatte seine Niederlassung auf dem Lande aufgegeben und war von der Ausstattung seines Londoner Hauses in Anspruch genommen), fand dennoch Mittel, Oberst Altamonts Wechsel anzunehmen, obwohl augenscheinlich recht sehr gegen seinen Willen, denn, wie Strong hörte, wünschte Sir Francis mit vielen Flüchen vom Himmel, daß es möglich gewesen wäre, den Obersten lebenslänglich in ein deutsches Schuldgefängnis zu stecken, so daß er nicht mehr von ihm belästigt würde.

Diese Summen für den Obersten mußte Sir Francis ohne Wissen seiner Frau aufnehmen, denn, obschon sehr freigiebig, ja sogar verschwenderisch in ihren Ausgaben hatte die gute Dame doch ein 254 erträgliches Geschick für Geldgeschäfte zugleich mit dem großen Vermögen von ihrem Vater Snell geerbt und gab ihrem Gatten nur ein so schönes Taschengeld, als sie es für einen Gentleman seines Ranges für passend hielt. Dann und wann pflegte sie ihm auch ein Geschenk zu machen oder eine ausstehende Spielschuld zu bezahlen, aber sie verlangte stets eine ziemlich genaue Berechnung der so verwendeten Gelder, und was die dem Obersten gezahlten Unterstützungen betraf, so sagte Clavering Strong offen heraus, daß er darüber mit seiner Frau nicht sprechen könnte.

Ein Teil von Herrn Strongs Lebensberuf war, dieses Geld, sowie andere Summen für seinen Gönner herbeizuschaffen. Und in den Gemächern des Chevalier in Shepherds Gasthause fanden manche Unterhandlungen zwischen Herren aus der Geldwelt mit Sir Francis Clavering statt; und viele wertvolle Banknoten und Bogen Stempelpapier wurden zwischen ihnen ausgewechselt. Wenn ein Mann von seiner frühesten Jugend an es in der Gewohnheit gehabt hat, Schulden zu machen, und sein Versprechen, in zwölf Monaten zu zahlen, gegen sofortige Summen baren Geldes auszutauschen, so scheint es, als ob ihm auf keine Weise ein Glück zur dauernden Wohlfahrt gereichen könne; eine kleine Weile nach Eintritt des Wohlergehens ist ziemlich sicher der Geldwucherer wieder im Hause und die Wechsel mit der alten Unterschrift sind wieder auf dem Markte. Clavering fand es angemessener, diese Leute in Strongs Wohnung als in seiner eigenen zu sehen, und so groß war die Freundschaft des Chevaliers für den Baron, daß man, obwohl er nicht einen Schilling 255 eigenes Vermögen besaß, seinen Namen als den des Schuldners beinahe aller Wechsel sah, deren Betrag Sir Francis Clavering akzeptierte. Hatte er auf Clavering Wechsel gezogen, so ließ er sie in »der City« diskontieren. Wenn sie fällig wurden, so unterhandelte er mit den Inhabern der Wechsel, gab ihnen Zahlungsfristen ihrer Schuld oder erlangte Zeit gegen neue Akzeptionen. Gentleman müssen auf irgendeine Weise, sei es regelmäßig oder unregelmäßig, leben, und wie wir lesen, daß neulich zu Camorn die Truppen, die dort die Besatzung bildeten, heiter und guter Dinge waren, Schauspiele aufführten, auf Bällen tanzten und ihre Rationen verzehrten, obschon sie von dem Feinde vor den Mauern mit einem Sturme und dem Galgen bedroht wurden, falls die Oesterreicher Erfolg hatten, – so giebt's in London hundert flotte Geister, die in guter Laune umherwandeln, jeden Tag mit leidlicher Heiterkeit, in Fülle essen und behaglich schlafen gehen, obschon ihnen der Gerichtsdiener mehr oder minder nahe auf dem Leibe ist, und ihre Schulden ihnen einen Strick um den Hals legen – welche kleinen Unbequemlichkeiten Ned Strong, der alte Soldat, mit großer Seelenruhe ertrug.

Aber wir werden noch eine andere Gelegenheit haben, mit diesen und einigen anderen interessanten Bewohnern von Shepherds Gasthof Bekanntschaft zu machen, und halten in der Zwischenzeit Lady Clavering und ihre Freunde zu lange auf der Treppe von Grosvenor Place auf.

Zuerst gingen sie in den prachtvollen Speisesaal, der im mittelalterlichen Stil ausgestattet war, Lady 256 Clavering meinte, der liebe Gott wüßte, warum, »es müßte denn,« sagten Ihre gutmütige Ladyschaft lachend, »deshalb sein, weil ich und Clavering Leute mittleren Alters sind«; – und hier bot man ihnen die zahlreichen Reste des Frühstücks an, von dem Lady Clavering und Blanche soeben genossen hatten. Wenn niemand in der Nähe war, so war unsere kleine Sylphide, die sonst bei Tische kaum mehr als sechs Körner Reis von Amina, der Freundin der Ghouls in Tausendundeine Nacht, zu sich nahm, mit Messer und Gabel höchst tätig und verzehrte eine recht tüchtige Portion Hammelkoteletten, eine Heuchelei, in der sie, wie ich glaube, anderen jungen vornehmen Damen ähnlich war. Pen und sein Onkel lehnten es ab, zu essen, aber sie bewunderten den Speisesaal mit gebührenden Komplimenten und nannten ihn ›sehr keusch‹, eine Phrase, die damals in der Mode war. Da gab es nämlich hochlehnige holländische Stühle aus dem siebzehnten Jahrhundert, ferner ein mit Schnitzwerk verziertes Bufett aus dem sechzehnten, da war ein kleiner Anrichtetisch, geraubt aus den geschnitzten Geräten einer Kirche in den Niederlanden, und eine große messingene Kathedralenlampe über dem runden Eichentisch; da sah man alte Familienporträts von Mardour Street und Tapisserien aus Frankreich, Waffenstücke, zweihändige Schwerter und Streitäxte, verfertigt aus Steinpappe, Spiegel, kleine Statuen von Heiligen und Meißener Porzellan – nichts konnte, mit einem Worte gesagt, keuscher sein. Hinter dem Eßzimmer befand sich die Bibliothek, geschmückt mit Büsten und Büchern aller Größen, wundervollen Lehnstühlen 257 und feierlichen Bronzen im streng klassischen Stile. Hier war es, wo Sir Francis hinter den doppelten Türen Zigarren rauchte, in ›Bells Leben in London‹ las und nach Tische schlafen ging, wenn er nicht über dem Billardtische in seinen Klubs rauchte oder in den Spielhöllen von St. James setzte.

Aber was ließ sich mit der keuschen Pracht des Gesellschaftszimmers vergleichen? Die Teppiche waren so prachtvoll weich, daß der Fuß dessen, der darüberschritt, nicht mehr Geräusch machte, als sein Schatten; auf ihrem weißen Grunde blühten Rosen und Tulpen so groß wie Wärmflaschen; im Zimmer standen hohe und niedrige Stühle herum, krummbeinige Stühle, Stühle, so dünn, daß es ein Wunder war, wie irgend jemand anders als eine Sylphe auf ihnen sitzen konnte, Tische mit eingelegter Arbeit, bedeckt mit wunderbaren Kleinigkeiten, Porzellanschmuckgegenstände aller Zeitalter und Länder, Bronzen, vergoldete Dolche, Bücher voll schöner Frauenbilder, Yataghans, türkische Babuschen und Pariser Bonbonschächtelchen. Wo man sich nur hinsetzte, überall waren einem Meißener Schäfer und Schäferinnen am Ellbogen; dort waren ferner lichtblaue Pudel und Enten und Hühner von Porzellan, dort sah man Nymphen von Boucher, und Schäferinnen von Greuze, in der Tat sehr keusch; da waren Muslinvorhänge und Brokatvorhänge, vergoldete Käfige mit Papageien und Kolibris, zwei krächzende Kakadus, die einer den anderen mit Gekreisch und Geschnatter zu überbieten suchten, eine Uhr, die auf einem Säulentische Melodien spielte, und eine andere, die auf dem Kaminsimse wie der große Tom die 258 Stunden brummte – da war, mit einem Wort, alles, was der Komfort nur wünschen und der eleganteste Geschmack nur ersinnen konnte. Ein Londoner Gesellschaftszimmer, ohne Rücksicht auf den Kostenpunkt ausgeschmückt, ist sicherlich eines der nobelsten und wunderbarsten Erscheinungen des heutigen Tages. Die Römer des späteren Kaiserreichs, die lieben Marquisen und Gräfinnen Ludwigs des Fünfzehnten konnten kaum einen feineren Geschmack gehabt haben, als unsere modernen Vornehmen an den Tag legen, und jeder, der Lady Claverings Empfangsräume sah, war gezwungen, zu bekennen, daß sie höchst elegant waren, und daß die hübschesten Salons in London, Lady Harley Quins, Lady Hanway Wardours, Frau Hodge-Podgsons selbst, der Gemahlin des großen Eisenbahnkrösus', nicht mit vollendeterer »Keuschheit« ausgestattet waren.

Die arme Lady Clavering verstand indes wenig von diesen Dingen und besaß einen traurigen Mangel an Achtung vor der Pracht, die sie umgab. »Ich weiß nur, daß sie ein hübsches Stück Geld kosten, Major«, sagte sie zu ihrem Gaste, »und daß ich Ihnen nicht raten würde, einen dieser goldfädigen Stühle zu probieren. Ich brach mit einem an dem Abende zusammen, wo wir unsere zweite Tischgesellschaft gaben. Warum kamen Sie nicht schon vorher und besuchten uns? Wir hätten Sie auch dazu eingeladen.«

»Sie hätten Mama mit dem Stuhle zusammenbrechen sehen mögen, nicht wahr, Herr Pendennis?« sagte die liebe Blanche höhnisch. Sie war wütend, weil Pen mit Mama schwatzte und lachte, weil Mama einen Haufen Schnitzer gemacht, als sie das Haus 259 beschrieben – aus noch hundert anderen guten Gründen war sie böse.

»Ich wäre gern dabei gewesen, um Lady meinen Arm zu geben, wenn sie dessen bedurft hätte«, antwortete Pen mit einer Verbeugung und einem Erröten.

»Quel preux Chevalier!« schrie die Sylphide, ihren kleinen Kopf aufwerfend.

»Ich habe Mitgefühl mit denen, die fallen, erinnern Sie sich,« antwortete Pen. »Ich litt einst selbst sehr darunter, als es mir passierte.«

»Und Sie gingen nach Haus zu Laura, um sich von ihr trösten zu lassen,« sagte Fräulein Amory. Pen stampfte mit dem Fuße. Er liebte die Erinnerung an den Trost nicht, den ihm Laura hatte zuteil werden lassen, noch war er sehr erbaut darüber, entdecken zu müssen, daß seine Zurückweisung auf diesem Gebiete der Welt bekannt war; und so begann er denn, als er nichts zur Erwiderung zu sagen hatte, sich ausnehmend für die Möbelstücke seiner Umgebung zu interessieren und Lady Claverings Geschmack aus Leibeskräften zu preisen.

»Ach, loben Sie mich doch nicht,« sagte die ehrliche Lady Clavering, »das ist alles das Werk der Tapezierer und Kapitän Strongs; sie machten es, während wir im Park waren – und – und – Lady Rockminster ist hier gewesen und sagte, daß die Salons schön sind,« sagte Lady Clavering mit Miene und Ton großer Unterwürfigkeit.

»Meine Kusine Laura war bei ihr,« sagte Pen.

»Es ist nicht die Witwe, es ist die Lady Rockminster.« 260

»Ah!« schrie Major Pendennis, als er den Namen dieser großen Modedame hörte. »Wenn Ihre Ladyschaft sich beifällig äußerte, Lady Clavering, so muß es stimmen. Ja, ja, es muß stimmen. Lady Rockminster, muß ich dir sagen, Arthur, ist der wahre Mittelpunkt des Zirkels der Mode und des Geschmacks. Die Räume sind wirklich schön!« und die Stimme des Majors wurde leiser, als er von dieser großen Dame sprach; er blickte um sich und betrachtete die Gemächer mit Ehrfurcht und Achtung, als ob er in einer Kirche gewesen wäre.

»Ja, Lady Rockminster tat sich unserer annehmen,« sagte Lady Clavering.

»Hat sich unserer angenommen, Mama,« schrie Blanche mit schriller Stimme.

»Gut dann: hat sich unserer angenommen«, sagte Mylady; »es ist sehr gütig von ihr, und ich glaube, wir werden's gern haben, wenn wir erst daran gewöhnt sind, nur zuerst tut's einem nicht – ach, ich wollte sagen, gefällt's einem nicht so recht. Sie will Bälle für uns geben und wünscht die Einladungen zu all unseren Tischgesellschaften zu besorgen. Aber ich mag das nicht haben. Ich will meine alten Freunde bei mir sehen und will sie nicht all die Karten wegschicken und an der Spitze meiner eigenen Tafel sich breitmachen lassen, Sie müssen zu mir kommen, Arthur, und Sie, Major – kommen Sie, warten Sie mal, am 14. – Es ist keins von unseren großen Diners, Blanche,« sagte sie und sah zu ihrer Tochter hin, die sich auf die Lippen biß und für eine Sylphide höchst ärgerlich aussah. 261

Der Major antwortete mit einem Lächeln und einer Verbeugung, daß er viel lieber zu einem stillen Beisammensein, als zu einem großen Diner kommen wollte. Er hätte genug von diesen großen Fêten gehabt und zöge die Einfachheit des häuslichen Kreises vor.

»Ich denke immer, ein Diner schmeckt am Tage nachher am besten,« sagte Lady Clavering, die ihre erste Rede verbessern wollte. Am 14. wird so 'ne hübsche kleine Gesellschaft sein.« Wegen dieses zweiten Schnitzers schlug Fräulein Blanche in Verzweiflung ihre Hände zusammen und sagte: »O, Mama, vous êtes incorrigible.« Major Pendennis beteuerte, daß er hübsche kleine Schmäuschen von allen Dingen der Welt am liebsten hätte, und verwünschte Ihrer Ladyschaft Unverschämtheit, daß sie sich's erlaubte, einen Mann wie ihn zu einem Resteessen einzuladen. Aber er war ein Mann, der einen sparsamen Zug in seinem Gemüte hatte, und indem er sich's bedachte, daß er diese Leute ja über Bord werfen könnte, sobald sich irgend etwas Besseres darböte, nahm er die Einladung mit dem schmeichelhaftesten Lächeln an. Pen dagegen hatte sich noch nicht dreißig Jahre lang tagtäglich zu Tische bitten lassen, und die Idee eines schönen Schmäuschens in einem feinen Hause war ihm noch immer völlig willkommen.

»Was war das für ein hübsches kleines Gestreite, das sich zwischen deiner Wohlgeboren und Fräulein Amory entspann?« fragte der Major Pen, als sie zusammen fortgingen. »Ich glaubte, du wirst auf diesem Gebiete en mieux gewesen.«

»Wärst gewesen«, antwortete Pen mit stutzerhafter 262 Miene, »ist eine unbestimmte Phrase in bezug auf ein Frauenzimmer. War und ist sind zwei sehr verschiedene Begriffe, vorzüglich was Weiberherzen anlangt.«

»Mein Gott, sie wechseln so wie wir,« rief der Aeltere. »Als wir das Kap der guten Hoffnung nahmen, erinnere ich mich, daß dort eine Dame war, die sich wegen deines ergebensten Dieners hier vergiften wollte, und, weiß Gott, nach drei Monaten entlief sie ihrem Manne mit irgendeinem anderen. Verplempere dich nicht mit diesem Fräulein Amory. Sie ist mit dem Mundwerk vorweg, geziert und schlecht erzogen, und ihr Charakter ist etwas – aber kümmere dich nicht darum. Denk nur nicht an sie; zehntausend Pfund sind für dich nicht genug. Guter Junge, was sind denn zehntausend Pfund? Ich würde kaum die Putzrechnung dieses Mädchens mit den Zinsen des Geldes bezahlen können.«

»Sie scheinen ein Kenner von Putzsachen zu sein, Onkel,« sagte Pen.

»Ich war es, mein Junge, ich war es,« entgegnete der Aeltere; »und das alte Schlachtroß, wie du weißt, hört niemals den Ton einer Trompete, ohne daß es zu wiehern anfängt! – Du verstehst mich,« dabei machte er eine bezaubernde Miene und einen tiefen Bückling zu einem Wagen hin, der bei ihnen vorüber und in den Park hinein fuhr.

»Lady Katherina Martingales Wagen,« sagte er, »ungeheuer schöne Mädchen die Töchter, obwohl, weiß Gott, ich mich entsinne, daß ihre Mutter tausendmal schöner war. Nein, Arthur, lieber Junge, mit deiner 263 Person und deinen Aussichten, solltest du einen oder den anderen Tag einen guten Heiratscoup machen, und obschon ich das in Fairoaks nicht noch einmal sehen möchte, du Schlingel, – he! he! – so schadet ein Ruf als kleiner Bösewicht und homme dangereux einem jungen Menschen bei den Frauen nicht. Sie mögen das – sie hassen eine Milchsuppe . . . junge Leute müssen junge Leute sein, weißt du. Aber die Heirat,« fuhr der alte Moralist fort, »das ist ein ganz anderes Ding. Eine Frau mit Geld heiraten! Ich habe dir schon vordem gesagt, daß es ebenso leicht ist, eine reiche Frau zu bekommen, als eine arme, und ein verteufeltes Teil angenehmer, sich zu einem gutzubereiteten Diner mit kleinen hübsch servierten Entrées niederzusetzen, als nichts als verdammte kalte Hammelkeule zwischen sich und seiner Frau zu haben. Wir werden am 14. ein gutes Diner haben, wo wir bei Sir Francis Clavering speisen; halte dich an das, mein Junge, in deinen Beziehungen zur Familie. Kultiviere sie, aber richte es immer so ein, daß du zu Tische geladen wirst. Keine jugendlichen Tollheiten, kein Unsinn mehr von Liebe in einer Hütte!«

»Es müßte denn eine Hütte mit einer doppelten Wagenremise sein, eine Hütte der Vornehmheit,« sagte Pen, indem er auf die Fiakerballade im Spaziergang des Teufels anspielte, aber sein Onkel kannte das Gedicht nicht (obschon er Pen vielleicht grade auf derselben Promenade spazieren führte, von der darin die Rede ist), und fuhr mit seinen philosophischen Bemerkungen fort, sehr erfreut über die Gelehrigkeit des Schülers, an den er dieselben richtete. In der Tat, Arthur Pendennis war ein gescheidter Bursche, der seine Farbe sehr 264 bereitwillig von seinem Nachbar nahm und die Anwendung nur zu leicht fand.

Warrington, der Murrkopf, brummte, daß Pen ein so eitler Gauch würde, daß man bald nicht mehr mit ihm auskommen könnte. Aber in Wahrheit gefielen des jungen Mannes Erfolge und sein großartiges Auftreten seinem älteren Gefährten. Er sah Pen gern heiter und frohgelaunt und von Gesundheit, Leben und Hoffnung überschäumend, wie ein Mensch, der sich schon lange nicht mehr am Clown und Harlekin ergötzt, doch Vergnügen daran hat, ein Kind bei einer Pantomime zu beobachten. Herrn Pens früherer Trübsinn verschwand, als es ihm besser ging, und er blühte auf, als die Sonne auf ihn zu scheinen begann.



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