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Hoffnung ist Warten, denn sie steht auf dem Wege zwischen Wunsch und Erfüllung und streckt gläubige Hände aus.
Die ursprüngliche Phantasie des Menschen gab der Hoffnung ein grünes Kleid, wie die Erde es trägt zwischen Saat und Ernte.
Hoffnung ist frohes, gläubiges, vertrauensvolles Warten.
Die Hoffnung hat eine wehmütige Schwester, die heißt Sehnsucht. Aber die Sehnsucht richtet den weinenden Blick nur zu oft rückwärts auf verlorenes Glück, oder sie greift mit verzweifelten Händen in unerreichbare Fernen. Und wenn ihre Augen nach vorwärts gehen, denselben Weg, den die Hoffnung geht, so ist in ihren Augen das Leid des Entbehrens und der Hunger der Armut.
Sehnsucht ist Schmerz, aber Hoffen ist Freude. »Seid fröhlich in Hoffnung!« Hoffende Menschen sind immer fröhlich.
Auch das hat die Hoffnung gemeinsam mit dem Warten, daß ihr Einfluß auf den Menschen, der sie hegt, bestimmt wird durch die Art des Gegenstandes, auf den sie sich richtet. Wie andrerseits man von dem, was der Mensch hofft, schließen kann auf das, was er ist.
Hoffnung ist Warten auf das Ersehnte, Ungewisse und doch Geglaubte. Denn wenn der Mensch aufhört, zu glauben, so hört er auch auf, zu hoffen.
Die Welt sagt: Hoffen und harren hat manchen zum Narren.
Der von einem höhern Geist erfüllte Apostel aber sagt: Hoffnung läßt nicht zuschanden werden.
Und der zwischen Hoffen und Verzagen umhergetriebene Mensch weiß nicht, an wen von beiden er sich halten soll.
Liebe Seele, wenn du dich davor schützen willst, daß dein Hoffen dich zum Narren hält, so hoffe nichts Unvernünftiges. Frage dich, ob du ein Recht zu deiner Hoffnung hast.
Du sagst so oft: ich hoffe, es wird alles gut werden. Aber du tust vielleicht nichts dazu; läßt die Dinge gehen wie sie wollen, und wunderst dich dann, daß sie verkehrt gehen.
Oder du hoffst auf einen Glücksfall, durch den sich alles, alles wende – aber du tust vielleicht nichts dazu, dich solchen Glückes wert zu machen.
Oder du hoffst gegen alle Vernunft und Wirklichkeit, und vergißt, daß eine unbarmherzige Vernunft die Dinge dieser Welt regiert, und daß das Leben aus Wirklichkeiten besteht, und daß Wunder zu den seltenen, schönen Ausnahmen gehören und darum nicht in den Lebensplan mit aufgenommen werden dürfen. Daß Wunder – Gnade sind. Auf Gnade hofft man nicht – der ergibt man sich.
Oder du hoffst auf allerhand törichte und nebensächliche Dinge, von denen du nicht verlangen kannst daß eine ewige Weltordnung sich um sie kümmert, die dir oder andern vielleicht gar schädlich wären.
Oder du hoffst gar darauf, daß ein freundlicher Zufall oder der liebe Gott deine eignen Dummheiten und Gedankenlosigkeiten oder gar Sünden wieder gutmache. Der »freundliche Zufall« ist ein Ding, mit dem niemand rechnen sollte, und »der liebe Gott« ist nicht dazu da, daß er die Dummheiten der Menschen wieder gutmache.
Auf alle diese Dinge zu hoffen hast du kein Recht, und wenn solche Hoffnungen fehlschlagen, hast du kein Recht, dich »genarrt« zu fühlen, und keinen Grund, dich entmutigen zu lassen.
Am grünen Kleid der Hoffnung zupfen viel törichte und vorwitzige Finger herum, denen es eben nur um einen Zipfel dieses grünen Kleides zu tun ist, und nicht um das ganze. Darum schüttelt die Hoffnung diese vorwitzigen Finger ab und schlägt auf die törichten Hände, denen diese Finger gehören.
Die Hoffnung will nicht das täppische Greifen und hilflose Tasten von Händen und Fingern, sondern die bewußte Gefolgschaft des ganzen Menschen.
Darum richte dein Hoffen nicht auf kleine, nebensächliche und oft so armselige Dinge – solch Hoffen zersplittert, und die Enttäuschungen verbrauchen unnötige Kraft.
Ja – sagst du – soll ich denn aber auf all die kleinen Freuden und Erfolge nicht hoffen dürfen, die das irdische Leben angenehm, mir persönlich angenehm machen?
Nun möchte ich zu deiner Beruhigung sagen, daß mit dem Worte »hoffen« ein schauderhafter Mißbrauch getrieben wird, und daß du dir wohl manches wünschen kannst, für das die große, heilige Kraft des Hoffens zu mißbrauchen – sei es auch nur durch die gedankenlose Anwendung des Ausdrucks – viel zu schade ist.
»Ich hoffe auf ein gutes Mittagessen«, sagt man, wenn man zu einem guten Freunde oder Bekannten eingeladen ist.
»Ich hoffe, du nimmst mir das nicht übel«, sagt man, wenn man gerade dem andern Grund gegeben hat, sich verletzt oder geärgert zu fühlen – und es klingt schon beinahe wie eine Drohung.
»Ich hoffe, du wirst dich anständig betragen«, sagt man zu seinem Kinde, seinem Lehrjungen, seinem Dienstboten, wenn man ihn mit irgendwelchem selbständigen Auftreten betraut, wo doch eine liebevolle Ermahnung oder ein ernster Befehl richtiger am Platze wären.
»Ich hoffe, es wird halten«, sagt man, wenn man einen zerbrochenen Topf gekittet, ein zerrissenes Kleid geflickt oder sonst irgendeinen kleinen Schaden ausgebessert hat.
»Ich hoffe, ich werde mit dieser oder jener Entschuldigung oder Ausrede durchkommen.«
»Ich hoffe, dieser oder jener Streich wird mir glücken.« Dies beides ist nun schon beinahe unmoralisch.
Dies alles, und vieles andre auch noch, kannst du dir wünschen, kannst es verlangen, versuchen. Aber darauf hoffen, inbrünstig und gläubig darauf warten – das heißt nichts anderes, als die Hoffnung mißbrauchen.
Gar nicht zu reden von all den bösen und sündhaften Dingen, für die man die Hoffnung mißbraucht – das Wort nur, oder die seelische Kraft.
»Ich hoffe, der oder jener wird gründlich hereinfallen. Ich hoffe, der oder jener wird sich tüchtig den Kopf stoßen. Ich hoffe, das wird ihm eingetränkt werden. Ich hoffe, dies oder das wird sich rächen. Ich hoffe, der wird noch etwas erleben« (womit natürlich nichts Gutes gemeint ist).
Das alles ist nicht Hoffen, Warten, Wünschen, sondern Verwünschen, Fluchen, und solch Ansinnen schüttelt die Hoffnung ab von ihrem reinen Gewande.
Das Wesen der Hoffnung, des freudigen und zuversichtlichen Wartens, ist, daß sie sich auf große und gute Dinge richtet.
Hoffe, warte auf das Gute überhaupt. Auf den Sieg des Guten in allen Verhältnissen des Lebens und der Menschen untereinander. Wirf dein Hoffen und Warten, das Vertrauen ist, nicht weg, das heißt: vergeude es nicht mit nichtigen oder unguten Dingen; denn es soll einen großen Lohn haben, sofern es sich auf große und gute Dinge richtet. Das Gute wird doch endlich einmal siegen, auch in dieser oft so bösen Welt. Und wenn du es in deinem besondern Falle nicht mehr erlebst, so nimm deine Hoffnung mit ins Grab – jenseits des Grabes wirst du schauen, was du bislang nur hoffen durftest.
Hoffe auf den Triumph der Gerechtigkeit – er kommt, auch wenn du es nicht mehr erlebst. Es ist gar nicht nötig, daß deine großen Hoffnungen sich bei deinen Lebzeiten erfüllen – wenn sie dich nur durchs Leben tragen.
Hoffnung hat eine tragende Kraft. Hoffnungslosigkeit ist wie eine Binde vor den Augen, mit denen wir den Weg durchs Leben suchen. Laß dich nicht entmutigen, wenn diese oder jene Hoffnung trog. Es war vielleicht nur noch zu früh. Oder die Erfüllung liegt erst wie ein zarter Keim, deinem menschlichen Wissen verborgen, im Zeitenschoße.
Der Mensch ist wohl daran, von dem man sagen kann:
»Hoffnung auf Hoffnung ging zu scheiter –
Aber der Mensch hofft immer weiter.«
Nicht auf die Erfüllung kommt es an, sondern auf die Hoffnung.
Manches diesseitige Leben wäre nicht zu ertragen ohne die Hoffnung auf ein jenseitiges Leben. Und das ist nun eine Hoffnung, die keinesfalls hier unten ihre Erfüllung findet. Gerade diese Hoffnung aber, dieses gläubige, freudige Warten trägt uns hindurch durch alle Dunkelheiten, Unvollkommenheiten und Enttäuschungen und stellt die Verbindung her zwischen der irdischen Not und der ewigen Freude, die ihr verklärendes Licht auf die kleinen und kleinsten Dinge dieses Lebens wirft und das »Jammertal« zu einem Wege auf helle Höhen und zu einem Vorhof des Himmels macht.