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Frau Sorge, die graue, verschleierte Frau,
Herzliebe Eltern, Ihr kennt sie genau,
Sie ist ja heute vor dreißig Jahren
Mit Euch in die Fremde hinausgefahren,
Da der triefende Novembertag
Schweratmend auf nebliger Heide lag
Und der Wind in den Weidenzweigen
Euch pfiff den Hochzeitsreigen. –
Als Ihr nach langen, bangen Stunden
Im Litauerwalde ein Nest gefunden
Und zagend standet an öder Schwelle,
Da war auch Frau Sorge schon wieder zur Stelle
Und breitete segnend die Arme aus
Und segnete Euch und Euer Haus
Und segnete die, so in den Tiefen
Annoch den Schlaf des Nichtseins schliefen.
Es rann die Zeit. – Die morsche Wiege,
Die jetzt im Dunkel unter der Stiege
Sich freut der langverdienten Rast,
Sah viermal einen neuen Gast.
Dann, wenn die Abendglut verblichen,
Kam aus dem Winkel ein Schatten geschlichen
Und wuchs empor und wankte stumm
Erhobenen Arms um die Wiege herum.
Was Euch Frau Sorge da versprach,
Das Leben hat es allgemach
In Seufzen und Weinen, in Not und Plage,
Im Mühsal trüber Werkeltage,
Im Jammer manch' durchwachter Nacht
Ach! so getreulich wahrgemacht.
Ihr wurdet derweilen alt und grau.
Und immer noch schleicht die verschleierte Frau
Mit starrem Aug' und segnenden Händen
Zwischen des Hauses armen vier Wänden,
Vom duftigen Tische zum leeren Schrein,
Von Schwelle zu Schwelle aus und ein,
Und kauert am Herde und bläst in die Flammen
Und schmiedet den Tag mit dem Tage zusammen.
Herzliebe Eltern, drum nicht verzagt!
Und habt Ihr Euch redlich gemüht und geplagt
Ein langes, schweres Leben lang,
So wird auch Euch bei der Tage Neigen
Ein Feierabend vom Himmel steigen.
Wir Jungens sind jung – wir haben Kraft,
Uns ist der Mut noch nicht erschlafft,
Wir wissen zu ringen mit Not und Müh'n,
Wir wissen, wo blaue Glücksblumen blüh'n;
Bald kehren wir lachend heim nach Haus
Und jagen Frau Sorge zur Tür hinaus. |