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Herr Stegermeyer hatte einen Klamsch. Er gehört nämlich zu jenen Menschen, die nie ein gewisses Alter erreichen. Was unter diesem gewissen Alter gemeinhin zu verstehen ist, weiß man ja; entweder bedeutet es Zunahme an Verstand und Abnahme der Phantasie oder auch das Gegenteil. Die Grenzfälle bezeichnet der Wiener eben mit dem Ausdrucke »Klamsch«. Herrn Stegermeyers Grenzfall wurde seinerzeit im Freundeskreise eingehend durchbesprochen.
»Habt's schon g'hört, was da Stegermeyer wieder außasteckt?«
»Ja, i hab' was g'hört von an Schrebergart'n im Prater . . .«
»Aber na, des is schon wieder vurbei; seit 'hn die Göls'n halbert aufg'fress'n hab'n, hat er 's Zwief'lanbau'n aufgeb'n.«
»Der Kerl kann aa net alt gnua werd'n, bis er g'scheit wird, der muaß amal an urndlichen Patz'n narrische Schwammerln eing'numma hab'n!«
»Aber jetzt hat er was ganz Neuch's: jetzt hat er den Gasbuam-Klamsch!«
»No, was is denn des wieda?«
»A Lederhos'n hat er si kauft, a kurze, bis über die Knia auffa!«
142 »No also, was i immer g'sagt hab': Jetzt wird er schön langsam zeitig für Stanhof!«
»Was sagt denn sei Alte dazua?«
»De waß no nix, er hat nur so daherg'red't, daß er si ane kauf'n will, und da hat s' g'sagt: Wannst des tuast, geh' i kan Schritt mehr mit dir auf d' Straß'n.«
»No, wann i g'wiß wußt, daß des mei Alte aa tatat, kaufat i ma aa glei ane!«
»Aber er hat si jetzt do ane kauft! Sei Frau is schon auf'n Land, und er geht daweil in Wean mit der Gasbuamhos'n umma, er hat g'sagt, er kummt amal aa da her zum Weißen Ochs'n . . .«
Herr Stegermeyer hielt Wort; eines Abends erschien er in der Freundesmitte, kurz behost, mit Wadenstutzen und einem grauen Steirerröckel mit grünen Aufschlägen, am gleichfarbenen Hütel einen Stoß mit Trappenfeder und Adlerflaum. Die Begrüßung enthielt zugleich das Freundesurteil.
»Freunderl, du schaust guat aus!«
»Hat di ka Wachmann gsehgn? Hab'n s' di denn auf die Elektrische auffilass'n?«
»Auf was für an Berg willst denn auffikräull'n – vielleicht gar auf'n Konstantinhüg'l von da Wasserseit'n?«
»No, i waß net, gar so dumm is de Schäler net, Luft geht gnua eini von unt'n und außi aa, aber 143 du wirst d'r deine Knia gfrörn bei dera Kält'n im heurigen Summa.«
»No ja, mit die Knia wirst schon 's G'frett hab'n, mei Liaba, de san ja viel z' weiß für so a hanbuachane Hos'n!«
»De muaßt d'r mit was einreib'n – in der Alt'n Feldapodek'n kriagst vielleicht a Grindsalb'n, oder wart', bis die Nuß zeiti wer'n, dann kannst as mit da Schäler einreib'n . . .«
Herr Stegermeyer lächelte überlegen und setzte sich breit wie ein echter Gebirgssohn auf den Stuhl. »Ihr red'ts mir lang guat; i kann euch nur sag'n, des is a wunderbar's Trag'n, natürli: a Frosch oder a Zetz'n derf ma net sein, a Kern muaß da sein, und a jeder kann aa net so dahergehn, es mit euchare vagratscht'n Weinsteck'n könnts freili net in ana Ledernen geh'n!«
»Wo er recht hat, hat er recht! Aber waßt was? De Hos'n is no viel z' neuch, de muaß an urndlich'n Speck hab'n, daß ma glaubt, du bist drin aufg'wachs'n!«
»Jawohl, des is nix, a so a Schachterl-Gasbua, die Hos'n muß glanz'n vor Speck, de muaß an fett'n Spiag'l kriag'n!«
»Den wird s' schon kriag'n mit da Zeit . . .«
»Ah, da kannst lang' wart'n, hagli derfst mit so 144 ana Hos'n überhaupt net sein, kumm her da, i schmier d'r an Gollaschsaft drauf!«
»Aber na, da riacht's ja falsch, das beste is, mir wisch'n uns alle die Händ' drauf o!«
Das taten sie denn auch, und Herr Stegermeyer gab es zu, denn das allzu neue Aussehen der Gamsledernen trübte ihm einigermaßen die Freude an deren Besitz. Als ihm dann auch eine Sardine drauffiel, und sein Nachbar sie mit derbem Schlage auf Herrn Stegermeyers Schenkel in die Breite schlug, war er auch gar nicht ernstlich böse. Der Freunde Verfahren kam ihm gewissermaßen ganz gelegen, denn es machte der erregten Gattin den auf die Hälfte herabgelogenen Preis verständlicher. Lederhosen sind nämlich nicht billig, auch wenn sie nicht aus Leder sind, wie die des Herrn Stegermeyer, die eigentlich nur einer gamsledernen nachgeahmt war und doch eine Summe gekostet hatte, die bei Frau Stegermeyer unfehlbar einen Schlagfluß ausgelöst hätte. Uebrigens entging sie einem solchen auch so nur mit genauer Not. Hierüber liegt ein ziemlich eingehender Freundesbericht vor.
»Also vor drei Woch'n war er 's erstemal draußtn in Graffelsdorf mit da Gasbuamhos'n! Sei Alte hat 'hn am Bahnhof abg'holt – sie hat 'hn z'erscht gar net kennt und hat auf alle andern 145 g'schaut, nur net auf eahm, und wiar a dann auf sie zuaganga is, hat's ihr an Riß geb'n, dann hat s' an klan Schra g'macht, und die Aug'n san ihr in seine Knia steck'n blieb'n! Dann hat s' g'sagt: A so geh' i net mit dir ins Ort eini, wann i das g'wußt hätt', war i net außazog'n! Was müass'n si denn die Leut' denk'n? Dir werd'n ja alle Gäns' von Graff'lsdorf nachrenna! No, er hat ihr zuagredt, aber sie war ganz aus 'n Häusel und erst, als dann die Frau Grünbaum kumma is und g'sagt hat: Gott, der Herr Gemahl schaut aber fesch aus, das ist das richtige Kostüm für ein' Landaufenthalt – da hat s' dann nachgeb'n und hat si sogar in ihm eing'hängt. Da Bauer hat dann aa g'sagt, des is a praktische Hos'n, da kann ma si damit überall einisetz'n und ma siecht schon, daß de Hos'n was mitg'macht hat. No, und dann nachmittag im Gmoawirtshaus, da is 's erst zuaganga! De ganz'n Weiber und Madl'n von die Summerfrischler war'n um eahm umma, und alle hab'n die Knia angreif'n woll'n und hab'n g'fragt, ob eahm denn net kalt is, und die Tochter von der Grünbaum hat dann g'sagt: Gott, wie abgehärtet der Herr Stegermeyer is! Gnädige Frau, Sie sind zu beneiden! Das war ihr aber aa wieder net recht, und daham hat s' dann g'sagt, er derf die Hos'n net mehr anziag'n, in sein' Alter is das a Schand, 146 so mit nackerte Knia ummaz'geh'n, aber am andern Tag hat's g'regn't, da is er net furtganga, und dann hat er aa nix G'scheit's zum Anziag'n draußt g'habt, also hat er s' halt do wieder anziag'n derf'n; aber allani hat s' 'hn net mehr außi lass'n und is stundenlang bei eahm auf an Markstan g'sess'n, wo er si die Knia in der Sunn hat obrenna lass'n – jetzt hat er schon an ganz an schön Bamhackl d'rauf.«
Ein späterer Bericht lautet etwas düster. »Der arme Stegermeyer, der hat si weg'n der Gasbuamhos'n gnua ausg'stand'n! Wia viel warme Täg hat er denn g'habt? Dann hat 's g'regn't, und dann war's wieder saukalt, seine Knia war'n schon ganz blau, da hat dann die Frau g'sagt: Alles, was recht is, i hab' dir dei Freud lass'n, so lang's ganga is, aber jetzt ziagst a lange Hos'n an! Aber es war schon z'spat, denn die Madl'n san eahm aa in der langen Hos'n nachg'rennt, und a gewisse Swoboda hat an Tratsch ang'fangt und hat g'sagt, sie waß schon, wo si der Herr Stegermeyer die Knia warma tuat, und es is ka G'hörtsi, wann ana in so an Aff'ng'wand'l ummarennt. Sie san jetzt schon wieder herin . . .«
Der letzte Bericht datiert aus der jüngsten Zeit und strotzt von unklaren Andeutungen. »Neuli war i wieder amal beim Stegermeyer; er hat die 147 Gasbuamhos'n ang'habt, er derf s' jetzt nur mehr daham trag'n, na ja, es is jetzt aa schon z' kalt dazu, um auf da Gass'n ummaz'geh'n, aber i hab' g'hört, daß sei Frau g'sagt hat, er derf das »Hoserl« überhaupt nimmermehr anziag'n, nur z' Haus, weil a so a Hos'n so viel g'fährli für die Knia sein soll, aber so viel i gsehgn hab', san s' schon wieder fast ganz weiß, und da Stegermeyer sitzt jetzt allerweil vorn eisernen Oeferl und brennt sie die Knia wieder o, und sei Alte sagt, sie hat gar nix dageg'n, wann er si auf de Art die Knia warma tuat, aber wia s' draußt war, hat da Stegermeyer g'sagt, er wird dera Swoboda schon no amal mit seine Knia urndli über die Gosch'n fahr'n . . .« 149