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Am Eingangstor des Schlosses stand der Jäger Wegmann im eifrigen Gespräch mit seiner Braut, dem Kindermädchen Elise. Der Regen schüttete hart vor ihnen in rastlosen Güssen nieder, die Welt lag grau in grau, allein der Waldläufer lachte über das ganze Gesicht, daß die kohlfarbenen Augen und unter dem schwarzen, keck aufgedrehten Schnurrbart die weißen Zähne blitzten.
»Glück muß m'r halt hawwe, Elis'!« sagte er. »Un für unseraans is es halt e Glück, wanner e rechti Herrschaft find't. Dees is net so leicht mit dem heirate derfe! Annerswo brobiert's eener zehnmal un kriegt's von der Herrschaft verbotte! Herngege unsere Leit – die erlaawe's uns net norr – die geewe einem noch Geld dazu und gute Wort'.«
Das Kinderfräulein schwieg. Es lag eine auffallende Blässe auf ihren hübschen, feingeschnittenen Zügen, die nichts Bäuerliches an sich hatten. Sie war ja auch von Hause aus eine Lehrerstochter, sie klimperte etwas Klavier und konnte sogar ein paar Worte Französisch, so daß man sich in den unteren Regionen des Schlosses eigentlich gewundert hatte, als sie plötzlich die Werbungen Wegmanns erhörte.
Der stieß sie mit dem Ellbogen in die Seite. »Ja, so e Herrschaft!« fuhr er fort. »Ich war dir doch ganz baff, wie der Graf vorhin zu mir spricht: ›Wegmann, wie viel Lohn hawwe Se jetzt?‹ Ich sag': ›Fuffzig Mark, Herr Graf.‹ Un er: ›Dees kann Ihne bis jetzt gelangt hawwe! Aber jetzt, wann Sie e Fraa hawwe un . . . un so weiter, no langt's net. Ich geb' Ihne jetzt hunnert Mark uff'n Monat, weil ich mit Ihne recht zufrieden bin, un Sie könne mit Ihrer Fraa die Hinterwohnung im Rentamt beziehe.‹ Du, Elis' – vier Stube un e Küch' – und wann die Herrschafte verreise, nach Italie 'nunner, da derfe m'r aach mit. Du, Elis', e Hochzeitsreis' nach Italie – denk norr! Do hot's dir Affe und Palme, do is es anners wie hier.«
»Ja, 's is schon recht!« sagte Elise. »Ich bin auch froh. Aber jetzt muß ich ins Haus, zum Kind.«
»O mei, des schläft! Alleweil willst du fort von mir, Elis', in dere letzte Zeit? Was hoschte dann norr?«
Sie lachte. Eine flüchtige Röte färbte ihre blassen Wangen. »Was soll ich denn habe? Zu schaffen hab' ich, von früh bis spät, so lang', als das Kind krank is und . . .«
Sie brach ab und stand rasch auf. Auch der Jäger richtete sich stramm empor, während ihrer beider Herrin, von dem Diener gefolgt, aus dem Regengeriesel draußen eintrat.
»Wo ist mein Mann?« fragte Wera, fast ohne das Paar anzusehen.
»Gut. Sehen Sie, Wegmann, daß man uns jetzt nicht stört. Ich hab' mit ihm zu sprechen. Und Sie, Elise, schauen Sie nach dem Kleinen. Es ist doch nichts Besonderes mit ihm? Nein? – Sollte etwas sein, so finden Sie mich drüben im Arbeitszimmer.«
So hieß das Kabinett des Hausherrn, obwohl noch kein Sterblicher den Grafen Pius hatte arbeiten sehen. Die ganze Rückwand des Zimmers nahm ein mannshoher, in Hunderte von Wappen verästelter Stammbaum ein. Mit dem Rücken an ihn gelehnt, stand der Gebieter des Schlosses da und kaute unruhig an seinem Schnurrbart. Er hatte draußen die schnellen, elastischen Schritte seiner Gattin gehört. Mit ihr trat die Entscheidung in das Zimmer, vor der er, obwohl er sich wieder den ganzen Morgen mit den alten Herren beraten hatte, eine ängstliche Scheu empfand.
Auch jetzt versuchte er nach seiner Art, womöglich alles hinauszuschieben. »Du bist ja tropfnaß!« murmelte er, als sie vor ihm stand. »So im Regen herumzulaufen. Geh doch und zieh dich um, du erkältest dich ja.«
Sie warf den feuchten Lodenmantel lässig über einen Stuhl. »Ich erkälte mich nie. Und jetzt habe ich über Ernsteres mit dir zu sprechen. Ich bringe die Antwort auf gestern.«
»Wegen unserer Abreise von hier?«
»Ja«
»Also – wann soll sie sein?«
»Du kannst reisen, wann du willst. Ich gehe nicht mit.«
Es war still zwischen ihnen. Das trennende Wort war gefallen.
»Ich hab' es mir lange überlegt«, fuhr sie endlich fort, »und hab' gefunden: man hat doch auch Pflichten gegen sich. Als ich dich heiratete, war ich ein halbes Kind. Jetzt bin ich geistig frei und reif geworden und kann es nicht dulden, daß man nach Belieben mit mir schaltet und waltet.«
»Hat dir das der Doktor eben eingetrichtert?« Es zuckte böse um die Lippen ihres Mannes.
»Gesprochen habe ich mit ihm darüber. Freilich.«
»Und das . . . das sagst du mir einfach in dieser Stunde . . . so ganz ruhig ins Gesicht!«
»Ja, denn ich kann dir eben ganz ruhig ins Gesicht sehen, und er auch. Aber ich will mich gar nicht entschuldigen oder verteidigen. Ich bin eben so, wie ich bin! Und ich bleibe so, und ich kann gar nicht anders sein, weil mich die Natur nun einmal so geschaffen hat. Du hast dich eben in mir getäuscht. Leider. Von mir will ich gar nicht reden . . .«
»Das heißt . . . du hast dich auch in mir getäuscht.«
»In dir nicht. Denn wie du bist, gibst du einem ja nicht eben Rätsel zu raten auf. Aber in meinem ganzen Leben hier – in der ganzen Art unserer Ehe. Was wußte ich von der Welt, wie ich dich heiratete? Was wußt' ich von diesem Waldwinkel hier, wo am lichten Tage die Käuzchen schreien? Du fühlst dich wohl hier mit deinen Briefmarken, deiner Zither, deinen Karpfen. Aber ich . . .«
»Du sollst ja fort von hier. Ich will es ja selbst.«
»Ja, aber es ist eben doch ein großer Unterschied. Du willst fort von hier, und ich . . .«
»Nun?« Er trat auf sie zu.
»Ich will fort von dir!« Sie sprach ganz rasch und ruhig, wie sie sich die Worte zurechtgelegt hatte. »Ich möchte meine Freiheit wieder haben, ich brauche sie. Und ich hoffe, du gibst sie mir. Wir quälen uns ja doch nur. Vielleicht durch meine Schuld, gewiß sogar. Ich war eben außerstande, dir das Glück zu geben, das du erhofft hast. Du hast es eben in mir nicht gefunden und . . .«
»Nein!« Er lachte bitter auf. »Nein, das hab' ich wahrhaftig nicht, und ich war doch gar nicht so unbescheiden. Ich wollte ja nur ein bißchen Liebe. Einen Menschen, der mich lieb hat. Den brauch' ich zum Leben, und hatt' ihn nicht mehr, seit meine Eltern tot sind. Du solltest mir das sein, aber du hast ja nie auch nur versucht, mich lieb zu haben.«
»Ich kann mich doch nicht zwingen!« Sie preßte die Lippen zusammen, daß ihr Antlitz einen harten, feindseligen Zug gewann. »Das muß eben ein Mann sein, der mich wirklich versteht und zu dem ich emporschauen kann . . . beinahe, vor dem ich mich fürchten kann . . .«
»An andere Menschen denken muß man!« sagte ihr Gatte traurig. »Dann hat man sie auch lieb. Du aber denkst nur an dich, immer nur an dich – und nun gar, seit dieser Doktor . . . schau, du weißt ja gar nicht, wie ich dich gern gehabt hab', in der ersten Zeit. 's ist ja jetzt lange her, und recht ausdrücken hab' ich's nie können. Aber damals – ach, geliebt ist viel zu wenig! Aufgeschaut hab' ich zu dir. Du kamst mir gar nicht wie andere Menschen vor, sondern wie etwas ganz Besonderes, Ungewöhnliches . . . ich kann es gar nicht sagen, wie was. So froh war ich, wie ich dein Jawort hatte. Hier in dem Zimmer bin ich nachts auf und ab gelaufen und vor dem Bilde meiner seligen Mutter stehen geblieben und hab' die Hände gefaltet und gelacht und geweint. Gott weiß, was du alles aus mir gemacht hast . . . ein armer, einfacher Mensch, der ich nun einmal bin. Und womit hast du mir das alles gedankt? Mit Teilnahmlosigkeit, mit Langeweile – mit Verachtung. Ja, sei still, ich hab's wohl gefühlt – mit Verachtung. Und nun zuletzt mit dem einzigen Wunsche: Fort von mir! . . .«
»Ja, bitte . . . lasse mich fort!« Ihre Stimme klang weicher. »Ich weiß ja – ich bin schuld. Ich hab's ja vorhin schon gesagt. Aber eben darum: Gib mich frei! Mache dich selbst frei. Du wirst dann eine andere finden, die dich besser versteht, die . . .«
Er schüttelte den Kopf. »Zum zweitenmal will ich das nicht erleben. Ich hab' genug, durch dich. Du hast mir zu bitter weh getan. Du hast mir alle Freude und alles Zutrauen zu den Menschen genommen. Und gegeben hast du mir nur eines dafür – unser Kind.«
Sie schwieg und sah ihn an. Es war eine bange Stille.
»Ich bin dir also nicht genug!« stieß er plötzlich hervor. »Du willst einen Mann, vor dem du dich fürchtest. Nun schön, geh und such ihn! Geh – ich weiß ja, wohin.«
»Das heißt . . . wirklich . . . ich bin frei?«
»Ja! Ich hab' auch mit den Onkeln gesprochen. Es geht nicht zwischen uns. Ich seh' es selbst. Reise zu deinen Eltern oder wohin du willst – wann du willst. Ich laufe dir nicht nach, wenn es schon sein muß, ist es mir am liebsten, du gehst gleich.«
Sie sah ihn scheu an. Ein plötzlicher Verdacht stieg in ihr auf. Sie sah hinter ihrem Mann den Schatten des alten klugen Priesters aus Rom und hörte seinen leise zischelnden Ratschlag voll jesuitischer Menschenkenntnis.
»Jetzt kann ich doch nicht fort«, murmelte sie.
»Warum nicht?«
»Wulfi muß doch erst wieder gesund werden!«
Sie stockte, während sie die letzten Worte sprach. Sie bemerkte die Veränderung im Gesichte ihres Gatten. Zum erstenmal empfand sie vor ihm Angst. So hatte sie ihn noch nie geschaut, mit diesem feindseligen Glanz in den Augen und dem verbissenen Trotz in dem sonst so nichtssagenden, gutmütigen Gesicht.
»Wulfi?« fragte er schroff.
»Nun ja . . . du wirst doch einsehen, daß unser Kind . . .«
»Unser Kind?« Er lachte auf. »Nein, meine Liebe, eine Frau, die aus dem Hause geht, hat kein Kind mehr.«
Mit drei Schritten stand sie neben ihm, der in sich zusammengesunken und ohne sie anzusehen in einem Lehnstuhl kauerte. »Was sagst du . . . ich . . . ich versteh' dich nicht!«
»Du kannst gehen!« murmelte er scheu und verbissen und heftete den Blick auf den Boden. »Wulfi bleibt hier!«
»Mein Kind!«
»Meines!« Er hob die Wimpern, und sie erschrak. Sie hatte sich getäuscht, als sie ihn völlig für einen Schwächling hielt. Tief in ihm, bisher fast verborgen, lebte noch ein Rest von jener Kraft, vermöge derer sein Geschlecht so viele Jahrhunderte siegreich überdauert, die inbrünstige Liebe zu dem eigenen, uralten Blut, ein beinahe tierisches Sicheinsfühlen mit denen, die vom gleichen Stamme waren.
Aber war es nicht auch ihr Fleisch und Blut? Sie bemühte sich, ihre Fassung zu bewahren, und sprach ganz ruhig, während sich ihre Hände auf dem Rücken ineinanderballten.
»Wulfi gehört doch uns beiden«, begann sie. »Das mußt du doch zugeben! Und ich habe mir gedacht, wenn wir – wenn wir voneinander getrennt leben, so müssen wir uns eben in ihn teilen. Einen Teil des Jahres hab' ich ihn für mich, und dann kommt er wieder zu dir zu Besuch, oder du triffst ihn, wo du willst. Das ist doch immer so in solchen Fällen, das wird doch immer so ausgemacht. Und besonders so lange er so klein ist, gehört er doch zu mir . . .«
»Mir gehört er! Und wenn du weggehst, mir ganz allein. Ich hab' es dir vorhin schon gesagt: ich muß einen Menschen haben, der mich lieb hat und ich ihn. Und wer könnte das sein, wo meine Eltern tot sind und die eigene Frau mich verläßt, als mein Sohn? Den sollst du mir nicht auch noch nehmen und mir entfremden – mit dem Menschen, den du da draußen triffst – daß er schließlich, wenn wir uns sehen, über seinen Vater mitleidig lächelt, wie du über mich lachst. Nein! Wulfi ist ja alles, was ich jetzt vom Leben übrig hab'.«
»Ja – und ich?«
»Du tue, was du magst! Fange dein neues Leben an, wie du's verstehst. Du wirst es schon noch bereuen. Aber vorher nimm von Wulfi Abschied.«
»Ich? Von Wulfi?« Sie beugte sich über ihn. »Ja, ist das nicht mein Eigen? Wulfi und ich – das ist doch dasselbe? Ich kann doch nicht von mir selber weg.«
»Dann bleibe!«
Sie starrte auf ihn nieder. Es bäumte sich alles in ihr auf vor Zorn und Verzweiflung, aber sie hielt an sich. Dies bitterböse Funkeln in seinen sonst so mattblauen Augen lehrte sie Vorsicht. Es war wie der Blick eines wilden Tieres, dem man die Jungen rauben will.
»Dann bleibe!« wiederholte sie. »Das heißt: Ihr haltet mich gefangen hier . . . bei meinem Kinde. Ihr schleppt mich nach Italien . . . hinter meinem Kinde her. Ihr macht mit mir, was ihr wollt . . . durch mein Kind. Er hat freilich keine Kinder, dein Onkel aus Rom. Er hat's dir ja doch geraten, der Jesuit, und kein anderer. Er weiß nicht, wie das tut.«
Graf Pius zuckte mit den Achseln. »Lebe, wie du kannst, ich tu's auch.«
Wie er dasaß, die verkörperte blöde Ergebung in das Schicksal einer unglücklichen Ehe, gegen das in ihr sich alle Fibern sträubten – ein gleichgültiger Klotz an ihrem Fuße, ein kalter Riegel an der Pforte zur Freiheit. Der weißglühende Haß begann in ihr aufzukochen. Sie konnte nicht mehr an sich halten; sie wandte sich um und lehnte sich laut aufschluchzend an das Fenster, und ihre Finger krallten sich in ratlosem Grimm.
Er blieb sitzen, stumm und still. Und dieser Schwächling, diese Puppe, deren Drähte da draußen ihr Vater, der fromme Odenwälder aus Monaco oder der seelenlose römische Priester zogen, war stärker als sie! Er hielt sie fest und bezwang sie gerade mit dem Besten, was in ihr war, mit der Mutterliebe . . .
Das begriff sie nicht. Sie stand am Fenster in einem dumpfen Erstaunen. Wie im Traume hörte sie das eintönige Ticken der Wanduhr, das Rauschen des Windes, das boshafte Efeuzischeln und die ewige Burg.
Da öffnete sich die Türe. Elise erschien. Auf ihrem Arme, halb schlummernd, der kleine Blondkopf. Er hatte die Augen geschlossen. Die goldenen Locken fielen wirr um das blasse Gesichtchen, das müde an der Schulter der Wärterin lehnte.
»Verzeihung!« sagte das Kinderfräulein. »Aber ich möchte gern Wulfi einmal herbringen und zeigen. Er gefällt mir in den letzten Stunden gar nicht. Er will seine Milch nicht trinken und will nicht spielen und hat für nichts Freude. Nur immer daliegen und schlafen.«
Die beiden Gatten blickten stumm auf das kleine Geschöpf – dies geliebte Geschöpf, das sie in ihrem Hasse aneinander band – diese zarte knospende Blüte, in der der stolze, einst hundertfach verästelte Stammbaum dort in der Ecke als in seinem letzten Sprossen auslief.
»Fieber hat er ja nicht«, fuhr Elise fort. »Aber der Herr Doktor ist heute noch nicht dagewesen. Ich kann mir gar nicht denken, warum? Er ist doch sonst so pünktlich, wenn ich reden darf – ich meine, es wäre doch gut, nach ihm zu schicken.«
Graf Pius stand auf. »Gehen Sie hinunter, Elise: der Kutscher soll sofort anspannen und nach der Stadt fahren und den Physikus holen. Auf der Stelle. Es sei dringend.«
»Herr Graf!« Die hübsche, zarte Person zögerte und vermied, wie immer, ihn anzusehen. »Der Kutscher wird nicht über den Neckar können. Es ist Hochwasser.«
»Ach, Unsinn, Hochwasser!« Der Schloßherr brauste ganz gegen seine Gewohnheit zornig auf. »Er soll dem Fährmann fünf Mark geben! Zehn Mark! Dann bringt ihn der im Nachen schon hinüber und zurück. Den Physikus auch, der fürchtet sich nicht.«
»Aber wenn der Herr Doktor inzwischen kommt?«
»Dann soll man ihm sagen, ich ließe danken und hätte den Kollegen aus der Stadt berufen. Seine Bemühungen seien also von jetzt ab überflüssig. Wo steckt Wegmann? Ich will ausgehen. Jetzt gleich.«
»Ich werd' es ihm sagen, Herr Graf.« Elise verließ, das Kind auf dem Arme, das Zimmer. »Mach voran!« sagte sie draußen zu dem schwarzen Jäger, der, im Flur stehend, müßig an der Scheibe trommelte. »Der Herr geht aus.«
»O mei'!« Der verwegene Bursche lachte. »– Jetzt heißt's wieder Karpfe füttere und sich vom Rehbock ausschelte lasse. Aber wege meiner! Hunnert Mark im Monat, Elis'. Dees is e Wort. Un die Wohnung und die Reis' nach Italie.« Er nahm ein Zentralfeuergewehr aus dem Jagdschrank und rieb es mit einem Läppchen ab. »Ich hätt' ja aach lieber e annere Herrn, e hirschgerechten Mann, mit dem man Ehr' einlegt. Der Graf is mir zu still. Aber was hilft's, wann aaner hirschgerecht is un hot ka Geld? Der hot welches und gibt mir's, und dafor dien' ich. Und ich erwisch' ihm doch noch emol den Bazaine, den Lump, und wann der zehnmal droht, er wollt' mich kalt mache. Sell hot schon mancher gesagt, aber getan hot's kaaner. Angst' hawwe sie vor mir, alle zusamme.«
»Wegmann!« tönte ungeduldig unten aus dem Treppenhaus die Stimme des Grafen.
»Ich kumm' schon, Herr Graf!« Der Waldläufer sprang, elastisch wie eine Katze, drei Stufen auf einmal nehmend, die Stiege hinab. »Adje, Elis'! Und mach' net als so e kläglich Gesicht.«
Die hübsche Bonne sah den beiden nach, wie sie, die Flinten über der Schulter, durch den Park dahinschritten. Eine Weile stand sie still, es zuckte etwas auf ihrem blassen Antlitz. Dann fröstelte sie zusammen und trug langsam, mit gesenktem Kopfe, ihren kleinen Pflegling wieder hinüber in sein Gemach.