Rudolph Stratz
Du Schwert an meiner Linken
Rudolph Stratz

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20

Ich finde es ers–taunlich,« sagte John Bannersen, in seinem kaltblütigen und nachdrücklichen Deutsch von der Waterkant, und zündete sich seine Nachtischhavanna an, ». . . ich finde es offen ges–tanden ers–taunlich, wie ein Mensch in deinem Alter dies Nichtstun jahraus jahrein aushält! Als ich in den Dreißig war, mein lieber Otto, da hab' ich drüben in New Orleans im Baumwollgeschäft Blut und Wasser geschwitzt! Das war kein S–paß! . . . Aber du denkst: wozu hat der alte Mann da hinten seinen Arnheim s–tehen? Tja . . . Aber wenn der Kasten nun mal verschlossen bleibt? . . . Was dann, min Jong?«

Otto von Ottersleben stand am offenen Fenster des Arbeitszimmers seines Schwiegervaters. Draußen im Vorgarten der Charlottenburger Villa leuchtete das Sommergrün des Juni in der Sonne. Finkenschlag und Sperlinggezwitscher klang aus dem Laub der Lindenreihen auf der Straße, die ihren Schatten über den heißen Asphalt warfen. Sein hübsches Gesicht war verdüstert. Er drehte sich um und versetzte heftig: »Ich kann nichts dafür, Papa! Du weißt doch, was für gräßlichen Ärger ich mit dem Gut gehabt hab'! . . . Der Verwalter hat gestohlen . . . ich hab' jedes Jahr ein kleines Vermögen zugesetzt . . . da hab' ich schließlich verkaufen müssen – wenn auch mit Verlust.«

»Eingeseift haben sie den Herrn Leutnant a. D.!« nickte der alte Herr. »Das kommt davon, wenn man seine Branche im S–tich läßt. Ich bin nun schon 'n büschen schlecht auf den Augen, aber ich will dir jetzt noch auf der Liverpooler Baumwollbörse im arbitration-room auf zehn Schritte sagen: Das ist good middling und das ist fine – da macht mir keiner was vor! . . . Du aber vers–tehst nichts von Landwirtschaft. Seit vorigem Herbst sitzt du nun wieder mit Frau und Kindern in Berlin! Und was nun weiter . . . Hm?«

»Ich weiß nicht!«

»Dat 's ja nun wohl slimm!« versetzte John Bannersen phlegmatisch, entsandte wieder eine Weile blaue Havannawolken aus den Tiefen seines Klubstuhls und wurde plötzlich in einer ganz breiten und gelassenen Art ungemütlich. »Ich hätte mich als junger Mensch geschämt. Ich hätte lieber Säcke im Hafen getragen oder Holz gehackt, als den ganzen Tag unserm lieben Herrgott die Zeit s–tehlen!«

»Verzeihung, Papa . . . Diesen Umgangston bin ich nicht gewohnt!«

»Das glaub' ich!« sagte John Bannersen mit unerschütterlicher Ruhe. »Ich hab' auch lang genug gewartet. Ich hab' jahrelang s–till zugesehen, ich übers–türze nie etwas. Aber nun ist meine Geduld zu Ende. Leuten, die nicht arbeiten wollen, hänge ich den Brotkorb höher. Du vers–tehst . . .«

Sein Schwiegersohn biß sich auf die Lippen in hilflosem Widerwillen gegen diese plebejische Auffassung seiner Existenz. Er machte eine verächtliche Handbewegung und zwang sich zu hochmütiger Ruhe.

»Du entschuldigst, Papa, wenn ich dir auf diese Verkehrsformen nicht folge! Sie sind mir zu vulgär!«

Der Baumwollschwiegervater lächelte mit breitem Behagen.

»Geldverdienen ist immer vulgär! Geldausgeben immer fein! Nicht wahr? Aber ich s–pare das Geld lieber für meine Enkel. Ich leg' es testamentarisch fest, s–tatt daß ich es Leuten geb', die es verplempern. Wenn du, ein kräftiger Mensch, dich dein Leben lang von deiner Frau und deinen Kindern ernähren lassen willst . . .«

»Adieu!«

Otto von Ottersleben war schon an der Tür. Herr Bannersen erhob sich erstaunt aus dem Sessel.

»Ja, wenn du freilich mitten aus einer ruhigen geschäftlichen Bes–prechung davonläufst . . .«

»Adieu! Ich hab' genug gehört!«

Der junge Mann schlug dem Schwiegervater die Tür vor der Nase zu, der drinnen breitbeinig stehen blieb und ihm, die Hände in den Hosentaschen, voll Seelenruhe nachsah, und trat verstört in ein Nebenzimmer. Dort saß seine Frau mit ihrer Mutter. Sie schluchzte. Ihr niedliches Gesichtchen war verweint und verwaschen. Sie flog an seine Brust.

»Otto! . . . Mama sagt . . . Papa gibt von heut ab nur noch die Hälfte! Er sagt, wir täten nichts!«

»Er sagt noch viel mehr!« versetzte Otto von Ottersleben wütend und schob Adda sanft zur Seite. Er wollte nur fort aus diesem Hause, in dem man ihn so behandelte! Er mußte jetzt mit sich allein sein, um sich klar zu werden, was er sich schuldig war. Er küßte seine Frau auf die Stirne.

»Auf nachher, Adda! Wir treffen uns bei Maxe und gratulieren ihr zum Geburtstag! Also in 'ner Stunde! . . . Adieu! . . .« Er stürmte davon und lief ziellos, düster, mit dem Spazierstöckchen wippend durch die sonnenhellen Straßen Berlins. Überall wimmelte es von Menschen. Alle schienen etwas zu tun zu haben. Sie gingen ruhig, mit geschäftlich gespannten Mienen. Er sagte sich trotzig: ›Gottlob, daß ich nicht so zu schuften brauch' wie die Spießer!‹ aber ihm war nicht wohl dabei zumut. Ihm war, als antwortete ihm die breite schwere Stimme des Schwiegerpapas: ›Dafür bist du eine Drohne. Du wirst schlecht behandelt und mußt es dir gefallen lassen!‹ . . . Und in ihm war ein sonderbar katzenjämmerliches Gefühl, inmitten dieser Stadt, in der alles vom Morgen bis zum Abend, vom Kaiser bis zum Kärrner tätig war.

Er blieb unschlüssig stehen. Er hatte keine Lust, jetzt schon seine Schwester, die Exzellenz, aufzusuchen. Da saß alles voll Frauenzimmer, es wurde durcheinandergeschwatzt und Geburtstagskuchen gegessen. Dazu war er nicht in der Stimmung. Er fühlte das Bedürfnis, sich an irgend jemandem festzuhalten, mit einem vernünftigen Menschen zu reden. Hier in der Nähe wohnte sein Onkel Bruno, der Generalleutnant. Er war lange nicht bei ihm gewesen. Er hatte, als verwöhnter Gentleman von Paris oder der Riviera heimkehrend, eine unbestimmte, ein wenig geringschätzige Scheu vor diesem nüchternen, altpreußischen Haus. Aber heute schien es ihm, in seiner Gekränktheit und Ratlosigkeit, wie eine Heimat. Er stiefelte entschlossen drauf zu und war froh, als ihm gemeldet wurde, Exzellenz seien daheim und würden sich sehr freuen.

An dem General Bruno von Ottersleben waren die Jahre scheinbar spurlos vorübergegangen. Es war immer noch dieselbe aufrechte, breitschulterige, ein wenig schwere Gestalt, dieselben klugen, etwas grobgeschnittenen Züge voll ruhigen Wohlwollens und unerschütterlicher Festigkeit. So hörte er die Klagen an, in denen sein Neffe ihm das Herz ausschüttete und wütend schloß: »Wenn der Olle mir so kommt . . . mir so . . . sozusagen mir nichts dir nichts die Temporalien sperrt . . . ich lass' mir von dem alten Rauhbein nichts gefallen . . . da kennt er mich schlecht! Aber ich sitze ja rein auf dem Pfropfen . . . Wovon soll ich denn leben . . . zum Kuckuck . . . mit Frau und Kindern? . . . Ich bin ja ganz in seiner Gewalt! Schließlich wird er noch verlangen, ich soll in sein Geschäft eintreten . . . Baumwolle zupfen . . . hol' mich der Deubel . . . ich bin doch ein Ottersleben . . .!«

Der Blick des Generals lag ruhig prüfend auf dem aufgeregten, auffallend hübschen jungen Mann. Er musterte sein Äußeres von Kopf bis zu Fuß – den eleganten blauseidenen Knoten des Selbstbinders, der aus dem Schlitz des hohen Stehumlegkragens hervorquoll, die geblümte Phantasieweste unter dem taubengrauen Cutaway, die bunten Sockenzwickel zwischen dem aufgekrempelten Beinkleid und dem ausgeschnittenen Lackschuh. Er verstand nicht das Geringste von diesen Dingen vom Zivil, er ahnte nicht, daß dies Ganze ein aus dem Rahmen einer Schneiderzeitung gestiegenes Musterbild der Mode war – für ihn bedeutete es nur ein Gleichnis, und er sagte, nachdem der andere geendet, ruhig: »Dein ganzes Unglück ist, daß du falsch angezogen bist, Otto!«

»Ich? Wieso?«

Der Neffe sah erschrocken an sich hinab. Sein Onkel fuhr fort: »Du sagst selbst, du bist ein Ottersleben! . . . Ein junger, gesunder, kräftiger Ottersleben. Also solltest du von Gottes und Rechts wegen die Uniform tragen. Dann wäre dir gleich wohler . . .«

»Ich bin doch Reserveoffizier bei dem Kü . . .«

Der General unterbrach ihn mit einer Handbewegung und fuhr fort: »Hänge du mal den grauen Schwalbenschwanz und die Fastnachtsweste, die du anhast, an den Nagel und geh und suche dir wieder eine Uniform – ich will dir helfen . . . und wir werden leicht eine finden – aber . . . eine blaue, mein Sohn, mit schönem schwarzen Kragen . . .«

»Ich soll wieder Artillerist werden?«

»Paß mal auf!« sagte der General gelassen. »Wenn du das erste Mal kommandiert hast: ›Erstes Geschütz: Feuer!‹ – wie nützlich du dich gleich nach dem Knall wieder auf der Welt fühlst. Jetzt weißt du ja nicht, wozu du eigentlich da bist. Und wir anderen offen gestanden noch weniger!«

»Ja, aber ich in einem Artillerieregiment . . . mit dem rasenden Geld . . .«

»Wozu brauchst du denn das rasende Geld? Hat dein Schwiegervater nicht seinerzeit der Form wegen das Kommißvermögen für dich einzahlen müssen?«

»Ja . . . das schon . . . aber . . .«

»Gut! Dann leb doch mal von den Zinsen des Kommißvermögens! Wenigstens eine Zeitlang! Pfeif ihm auf seinen sonstigen Krempel! Dann bist du wahrscheinlich der einzige Mensch, der dem alten Herrn seit fünfzig Jahren imponiert hat!«

»Ja, aber . . . meine Frau ist doch so verwöhnt . . .«

»Stell sie doch mal auf die Probe! Sie hat dich doch lieb! Es wird schon gehen! . . . Deine Tante da drinnen und ich, wir haben in unserer Leutnantszeit überhaupt nicht gewußt, was warmes Abendbrot ist . . . Und wir leben auch noch . . . Das ist nicht so schlimm . . .«

»Aber es wäre doch furchtbar schwer, Onkel . . .«

Exzellenz von Ottersleben langte nach Mütze und Säbel. Er wollte in den Grunewald reiten. Unten auf der Straße harrte der Bursche mit den Pferden.

»Ja, wenn das alles so leicht wäre, lieber Neffe!« sagte er, »dann könnt' es jeder! Das sind eben die Kraftproben! Sieh zu, was in dir steck! Vielleicht mehr, als du glaubst und man dir zutraut! . . . So – nun weißt du meine Meinung. Ich muß jetzt fort! Adieu, Mutter!«

Frau von Ottersleben war so wenig gealtert wie ihr Mann – eine große, blonde, hausmütterliche und hausbackene Exzellenz mit den frischen Wangen und dem glatten Scheitel einer ländlichen Pfarrersfrau. Ihre beiden Söhne von der Garde-Infanterie, Günter und Busso, waren aus der fernen Kaserne zu einem Nachmittagsbesuch gekommen und eben im Begriff, sich zu verabschieden. Otto von Ottersleben schloß sich ihnen an. Er hatte die beiden jungen Leutnants lange nicht gesehen. Nachdenklich schritt er zwischen ihnen auf der Straße und hörte den Vettern zu. Der eine, der ältere, büffelte schon fleißig auf die Kriegsakademie hin . . . Man mußte sich beizeiten heranhalten bei dem schlechten Friedensavancement! Der andere hatte sich mit Einwilligung des Vaters zum Dienst nach Südwestafrika gemeldet, um einmal ordentlich Feldsoldat zu sein. Beide machten einen straffen, festen Eindruck. Sie wußten genau, was sie wollten. Und Otto von Ottersleben konnte sich nicht helfen: Wieder beschlich ihn, zwischen diesen Grünschnäbeln, ein sonderbares Gefühl der eigenen Zwecklosigkeit, und in seinem Ohr klang es wie aus weiter Ferne: ›Erstes Geschütz: Feuer!‹

Die Leutnants begleiteten ihn zu Maximiliane, um da auch ihre Geburtstagsaufwartung zu machen. Die Zimmer der verwitweten Exzellenz waren voll von Blumen und voll von Menschen. Es war ein Gedränge und Gelächter um den Geburtstagstisch mit seinen einunddreißig Lichtern, ein Kommen und Gehen. Die beiden Leutnants hörten, während sie vorgestellt wurden, klangvolle Namen, Titel und Würden. Die junge Witwe hatte sich in Berlin einen hübschen Kreis geschaffen. Sie war, so ungezwungen und einfach sie sich auch bewegte, immer noch in jedem Salon der Mittelpunkt, wie einst an der Spitze der Division. Man räumte es ihr als etwas Selbstverständliches ein, so wie sie mit ihrem hohen, schlanken Wuchs die meisten anderen Damen überragte. Sie war etwas blaß, aber heiter. Busso von Ottersleben beugte sich über ihre Hand und murmelte ernst: »Maxe . . . du wirst immer noch alle Tage schöner! Wo soll denn das hinaus?«

Sie entzog dem Schwerenöter ihre Rechte.

»Busso – das ist 'ne gräßliche Art! Schrecklich, wenn sich ein Mensch dümmer anstellt, als er ist! Weißt du denn gar nichts Besseres?«

»Ich?« Der junge Krieger richtete sich auf und wurde stolz. »Ich weiß wohl, was ich tu'! Ich geh' doch nach Südwest! . . . Es ist schon entschieden!«

Das Wort Südwest zündete. Die Umstehenden traten interessiert hinzu. Eine alte Dame klagte: »Ach Gott . . . die Schutztruppe! . . . Wieviel Herren haben wir da schon gelassen!«

»Dazu sind wir da, gnädige Frau!«

Und ein alter General nickte.

»Nur immer 'raus! Ist den jungen Leuten sehr gesund!«

»Nicht wahr?« meinte der angehende Schutztruppler eifrig. »Das hab' ich mir eben auch gesagt! . . . Wenn ich nur zum Beispiel an den Erich Logow denke! In was für 'ner Verfassung ist der vor drei Jahren hinüber nach Chile! Und nun wieder so famos zurück! . . . Gesund . . . Fidel . . . Wieder im Großen Generalstab . . . in allem tiptop . . . Findest du nicht auch, Maxe?«

»Ich weiß nicht. Ich hab' ihn noch nicht gesehen!«

»Wieso? Er ist doch schon seit drei Wochen in Berlin!«

»Aber bei mir war er nicht!«

»Komisch! Hat dir Ulla nicht verraten, warum?«

»Ulla war auch noch nicht da!«

»Hört mal, Kinder: ihr seid aber merkwürdig! Da würde ich doch an deiner Stelle einmal . . .«

Maximiliane von Glümke schnitt ihm das Wort ab.

»Laß sie doch machen, was sie wollen! Ich lass' mir keine grauen Haare drüber wachsen. Hast du schon Peters Braut guten Tag gesagt?«

Der kleine Grenadier, Maxes jüngster Bruder, war aus seiner schlesischen Garnison mit seiner künftigen Frau und ihrer Mutter herübergekommen. Die kleine Gräfin war ein niedliches Ding, mit rundem Stupsgesicht und großen Kinderaugen. Sie und ihr Verlobter saßen Hand in Hand. In acht Wochen sollte auf dem elterlichen Schloß die Hochzeit sein. Jetzt eben wurde in Berlin die bescheidene Aussteuer besorgt, und Edith Spalck, die Braut, sprang plötzlich stürmisch empor und faßte die Hausfrau um die Taille.

»Also, Maxe . . . du kommst mindestens acht Tage vorher zu uns hinüber! Du mußt's mir versprechen! Du hast doch sonst nichts zu tun!«

Die junge Exzellenz lächelte. Es lag einen Augenblick ein schmerzlicher Schatten auf ihrem schönen Gesicht.

»Da hast du recht, Edith!« sagte sie. »Ich weiß wirklich nicht, wozu ich auf der Welt bin! Was bringen Sie da, Minna?«

»Eine Depesche, Exzellenz!«

Sie war aus Darmstadt, von der Mutter: »Tausend Glückwünsche und herzliche Grüße an Dich und die anderen Kinder und die liebe Edith und den guten Erich! Eure alte Mama.«

»Danke schön!« versetzte die kleine Gräfin Spalck, die vor wenigen Wochen erst als Braut in den Familienkreis getreten war und noch nicht mit allen Zweigen der Verwandtschaft Bescheid wußte. »Aber wer ist denn Erich?«

Maximiliane von Glümkes Züge blieben unverändert.

»Erich ist mein Schwager Logow!« sagte sie. »Aber wie du siehst, ist er nicht hier, und so kann ich ihm die Grüße nicht bestellen! . . . Guten Tag, Onkel! . . . O, die schönen Blumen!«

Der Oberstleutnant a. D. Herr Wilderich von Koninck, der in der geöffneten Flügeltür erschien, hatte etwas Feierliches an sich. Er war Bräutigam auf seine alten Tage. Neben ihm wandelte seine Erwählte. Groß, blond, von stattlichen, frauenhaften Formen, nicht mehr jung, nicht mehr hübsch, aber sehr energisch. Sie wurde den Damen als Fräulein von Hornschuh vorgestellt. Hinter ihr machten die Leutnants vergnügte Gesichter, und Busso murmelte: »Na . . . der Olle steckt fest im Eisen!«

Herr von Koninck setzte sich mit seinem Brigittchen – so nannte er die strenge, die Länge eines Potsdamer Flügelmanns erreichende Braut – neben Maximiliane und erzählte ihr seine Zukunftspläne, und daß sie in Anbetracht der Sandwege auf ihrem märkischen Gut kein Auto anschaffen, sondern bei den ollen ehrlichen Gäulen bleiben würden, und von der anderen Seite berichtete ihr ihr Bruder Otto von den Feindseligkeiten, die der Schwiegervater plötzlich aus heiterem Himmel eröffnet. Und die junge Witwe hörte zerstreut zu und nickte, den Kopf müde von den vielen Geburtstagsbesuchen, die sich jetzt allmählich verloren. Es wurde leerer in dem kleinen, blumengeschmückten Zimmer. Auch die alte Gräfin Spalck mit ihrer Tochter und dem zukünftigen Schwiegersohn empfahl sich. Maximiliane stand noch im Gespräch mit ihr auf der Schwelle, da hörte sie draußen eine Stimme – die Männerstimme eines Neuangekommenen, der gedämpft mit dem Mädchen redete – drei Jahre hatte sie diese Stimme nicht gehört und erkannte sie auf den ersten Ton. Ihr Herzschlag stockte. Sie zwang sich, ein unbewegtes Gesicht zu machen. Sie blieb immer noch plaudernd mit dem Rücken gegen die Tür und gab der kleinen Gräfin einen Abschiedskuß und meinte auf deren Frage lächelnd: »Für wen ich die Kuchenstücke da einpacke? . . . Für Ottos Kinder!« und vernahm im selben Augenblick, wie jemand hinter ihr rief: »Na, endlich! Da ist der Logow ja . . . na – nu mal 'ran, du oller Deserteur! Wo hast du denn die Ulla gelassen?«

Sie wandte sich um. Da stand er. Ihr erster Eindruck beim Anblick seiner gebräunten Züge war eine Erleichterung, eine selbstlose Genugtuung. Wie gut sieht er aus! . . . Wieviel frischer und freier! Das allzu Harte an ihm hatte sich da draußen in die Ruhe eines Mannes ausgeglichen, der viel von der Welt gesehen und sich in ihr bewährt hatte. In seinen dunklen Augen lag ein kaltblütiges Kraftbewußtsein. So hatte sie ihn nur einmal, vor langen Jahren, gesehen – es schoß ihr durch den Kopf – wenige Tage hindurch – als er innerhalb von vierundzwanzig Stunden zum Hauptmann befördert, in den Generalstab versetzt und Ullas Bräutigam geworden war. Sie fühlte einen Stich im Herzen. Sie lächelte und streckte ihm die Hände hin.

»Ich dachte, ihr beiden hättet mich überhaupt schon ganz vergessen, Erich!«

Sie merkte, wie schwer es ihm fiel, vor den anderen auf ihren leichten Ton einzugehen. Und doch: es war ein Segen, daß andere im Zimmer waren. Sie wäre sonst geflohen. Sie spürte es. Sie hätte es nicht ausgehalten. Es erschreckte sie. Sie hatte weniger Widerstandskraft, als sie gedacht. Er sah ihr grade ins Gesicht und sagte scherzend: »Hab' du mal meinen Dienst, Maxe! . . . Jetzt geht das Schuften wieder los! . . . Na . . . du kennst ja die Generalstabsarbeit! Du warst ja schon einmal als Mädel mein Adjutant!«

Er lachte dabei. Er beherrschte sich. Sie auch! Aber in ihr war bei seinen Worten der Schmerz, der verzweifelte Schmerz: Nun hub das wieder an. Nun war das bißchen Frieden vorbei. Nun stöhnte wieder der Sturm und schüttelte zwei Seelen.

»Gott . . . das ist so ewig lange her!« meinte sie. »Das ist mir schon wie aus einem anderen Leben! . . . Sag mal: Wo steckt denn Ulla?«

Er zuckte die Achseln.

»Sie liegt wieder auf der Nase! . . . Sie läßt dich herzlich grüßen . . . Es ist immer die alte Geschichte! Ich verderb' euch nur damit die Feststimmung. Laß mal lieber schauen, was du Schönes gekriegt hast, Maxe!«

Er trat mit ihr in den Nebenraum, in dem der Geburtstagstisch stand. Außer ihnen war niemand im Zimmer. Vor dem Kuchen mit den Lebenslichtern blieb er stehen. Aber er achtete nicht auf den bunten Tand von Rosen, Handarbeiten, Fruchtkörbchen, Büchern, der ihn umrahmte. Er legte einen Busch weißer Lilien, den er bisher, ohne daran zu denken, in der Linken gehalten, achtlos zu den übrigen Blumen, und schaute Maximiliane an. In diesem Augenblick sahen sie sich erst wirklich wieder. Beide wurden blaß und ernst.

»Setz dich doch endlich!« sagte sie.

Er nahm auf dem Sofa Platz. Sie neben ihm. Die Tür zu dem anstoßenden Gemach stand offen. Dort hatte man sich um Otto gedrängt, der seinen Zwist mit dem Schwiegervater dem Familienrat unterbreitete. Die hier innen hörten, wie die kleine Frau Adda leidenschaftlich ausrief: »Ich geh' mit meinem Mann durch dick und dünn! . . . Da werden wir eben in Gottes Namen Artilleristen! . . . Ich verkauf' meinen Schmuck. Das Auto auch. Papa soll nur sehen!«

Und sie mußten, trotz der zitternden Spannung zwischen ihnen, lächeln, und Erich von Logow sagte: »Ich wär' froh für deinen Bruder, wenn ich ihn wieder in Uniform sähe. Das Nichtstun taugt den Teufel was! . . . Man muß sich Aufgaben stellen – so schwer wie möglich – und sie zu lösen suchen! Was darin für ein Segen liegt, das hab' ich in den drei Jahren erkannt . . . Ich hab' allen Grund, mit der Zeit da drüben zufrieden zu sein . . . Wie ich neulich so frühmorgens zum erstenmal nach drei Jahren die europäische Küste wiedergesehen hab', da hab' ich gar nicht begriffen, daß das noch derselbe Kerl sein sollte, der damals so verzweifelt ins Aschgraue hinübergefahren ist! Jetzt hab' ich, gottlob, meine alte Spannkraft wieder!«

»Bewahr sie dir nur, Erich!« versetzte sie leise mit einem kaum merklichen Zucken um die Lippen. »Bewahr sie dir ja!«

Sein Antlitz hatte sich plötzlich verdüstert.

»Ja . . . und nun sieh mal, wie das geht: Ulla hatte mir versprochen, mich in Hamburg zu erwarten. Sie ist auch rechtzeitig aus dem Süden dorthin gereist . . .«

»Ja. Mama hat es mir geschrieben.«

»Nun stand ich, wie das Schiff im Hafen festmachte, ganz vorne – unten auf dem Kai alles schwarz von Menschen – und hab' mir die Augen ausgeschaut. Umsonst! Im Hotel hab' ich Ulla dann getroffen. Im Bett. Wieder krank! Der rasche Klimawechsel war ihr zu viel gewesen!«

»Ach, du Armer . . .«

»Da war man so grade im Mai wieder daheim in Deutschland – bei blauem Himmel – ganz geladen mit gutem Willen und Hoffnungen auf die Zukunft . . . Und gleich die erste Nacht mußte ich im Hotel wach sitzen und Ulla pflegen, bis ich sie wieder nach Berlin bringen konnte. Ja – da spürte man wieder die alte Kugel am Bein . . .«

»Du mußt Geduld haben, Erich!«

»Wenn sie's nur mit mir haben! Schau: jetzt haben sie's noch einmal mit mir versucht. Ich bin wieder im Generalstab. Ich hab' noch einmal die Klinke zur großen Karriere in der Hand. Versag' ich diesmal, ja, dann sagen sie sich: ›Der Mann hat zu viel anderes im Kopf! Für den ist das zu schwer!‹ Und stecken mich einfach in die Front. Da kann ich dann mein Bataillon drillen und sachte meinen Abschied nehmen und grau und alt werden an Ullas Krankenbett . . .«

Plötzlich wurde er leidenschaftlich.

»Und was das Schrecklichste ist, Maxe: Sie verzehrt sich auf ihrem Krankenbett auch noch vor Eifersucht! . . . Vor grundloser, sinnloser Eifersucht! Denn wir beide, du und ich, haben uns doch seit Jahren nicht mehr gesehen und keine Zeile miteinander gewechselt! Das hab' ich ihr geschworen, und sie glaubt es mir auch. Aber es ist ihr nicht genug. Sie will bis in meine Gedanken eindringen. Ich soll ihr eigen sein mit Herz und Seele! . . . Sie quält sich und mich bis aufs Blut. Und macht uns beide krank und elend! . . . Das ist der Grund, warum du mich heute zum erstenmal siehst! . . . Einmal mußte ich ja schließlich kommen!«

Er reckte sich in den Schultern und hob den dunklen energischen Kopf.

»Eine Zeitlang geht's ja! Da hält der Kraftvorrat vor, den ich heimgebracht hab'! . . . Aber schließlich höhlt es einen aus, Tropfen um Tropfen, man wird mürbe. Man sieht's kommen! Ich weiß nicht, warum ich dich auch noch damit quäle! . . . Du kannst doch nicht helfen. Aber dir muß ich das alles sagen! Du bist ja das alles!«

»Schweig!« versetzte sie hastig, hart und leise. Von nebenan näherten sich Stimmen. Otto von Ottersleben und seine Frau traten über die Schwelle. Er schwenkte die Rangliste, in der er schon nach für ihn passenden, billigen Artillerieregimentern gesucht hatte.

»Na, adieu, Schwesterchen!« sagte er aufgeregt und erhitzt von dem großen Entschluß, mit dem er kämpfte. »Und vergiß in Zukunft deine darbenden Verwandten da unten bei den Kassuben oder Masuren nicht! Wir gehen jetzt dem Hungertuch entgegen! Der olle Bräsig hat ganz recht: Die Armut kommt von der Poverteh! Macht nischt! Auch recht! Mal was Neues im Leben!«

»Also willst du wirklich wieder eintreten!«

»Nu grade! Und wenn der Schwiegerpapa zehnmal vor Schreck vom Stengel fällt!« Der hübsche junge Mensch stand lässig und trotzig lächelnd vor seinem auf dem Sofa sitzenden Schwager, schaute auf dessen Achselstücke hinunter und machte plötzlich große Augen. »Du, Mensch . . . seh' ich denn recht? . . . Du trägst ja die dicken Epauletten . . .«

»Ja. Seit vorgestern bin ich Major!«

Major! Ein Aufschrei ging durch das ganze Zimmer. Otto von Ottersleben legte dem andern beinahe feierlich die Hand auf die Schultern.

»Herrschaften: er ist doch offenbar ein Kirchenlicht vor dem Herrn! Man sieht's ihm nicht an, aber in der großen Bude müssen sie's ja wissen! Wieviel Vorderleute hast du denn diesmal übersprungen?«

»Ein paar Hundert!«

»Na, Gott segne deine Studia!« sagte der Oberleutnant der Reserve von Ottersleben in stiller Wehmut, beim Gedanken an seine eigene rückständige Laufbahn.

Die übrigen drängten sich um den neuen Major. Es war ein Händegeschüttel und Glückwünschen. Alles machte frohe Gesichter. Erich von Logow lachte mit. Er war aufgestanden. Seine Augen blitzten. Unruhig spielte der Ehrgeiz über seine energischen Züge. Sein häusliches Elend war vergessen. Er war in dieser Minute ganz Offizier. Ganz Wille und Selbstbewußtsein. So blieb er, während sich allmählich der Schwarm der Besucher verlor. Nun gingen endlich die letzten. Er fand sich mit Maximiliane allein. Die sinkende Sonne schien schrägen Strahls durch die offenen Fenster. Draußen verblaßte der blaue Sonnenhimmel über den Dächern und Telephondrähten Berlins. Sie standen nebeneinander auf dem Balkon und schauten hinaus in diese steinerne Weite, in der zu Hunderttausenden und Millionen die Menschen gleich ihnen lebten und ihr Leid trugen. Um sie grünten und blühten auf dem schmalen Sims umher die Blumen. Ein süßer, schmeichelnder Duft stieg von ihnen auf, umwehte sie in dem lauen Abendwind. Maximiliane hätte gewünscht, daß ihr Gast sie jetzt verlassen möge. Aber sie wagte es ihm nicht zu sagen. Es schien ihr wie ein Eingeständnis von Schwäche. Die durfte er bei ihr vor allem nicht sehen. Sie wollte von etwas Gleichgültigem zu reden anfangen, da drehte er den Kopf zu ihr und sagte rasch: »Verzeih . . . ich hab' vorhin immer nur von mir gesprochen . . . das kommt davon, wenn man sich so in sein Schicksal verbockt und verbiestert! Man kommt davon nicht los!«

»Sprich mir nur von Ulla, wenn es dir das Herz leichter macht!«

Er schüttelte das Haupt, als wollte er sagen: Es hilft ja doch nichts! Dann frug er, nach einer Weile, vor sich hin: »Nun bist du schon lange Witwe, Maxe . . .«

»Bald werden's drei Jahre!«

Sie verstummten wieder. Endlich versetzte er: »Denke dir: ich hab' es erst beinahe nach einem halben Jahr erfahren: so tief im Innern war ich damals in Chile. Seitdem hab' ich so oft an dich denken müssen . . .«

Er brach ab und fügte dann hinzu: »Das heißt: vorher ebenso oft!«

Sie machte eine Bewegung, vom Balkon zurückzutreten. Er verstand sie. Er murmelte: »Ja, ja . . . ich bin schon still . . .«

Wieder war um sie nur das Fächeln des Windes, von der Straße her das unbestimmte Brausen Berlins. Dann forschte er trocken, anscheinend wieder völlig Herr seiner selbst:

»Wie lebst du nun denn so eigentlich, Maxe?«

»Du siehst's ja, Erich! Ich kann nicht klagen!«

»Also bist du zufrieden?«

Sie zeigte ihm ein ruhig lächelndes Gesicht.

»Es ist mir ja noch manches geblieben nach dem Schicksalsschlag! Vor allem die Erinnerung an einen Menschen, der's so gut mit mir gemeint hat und mich so geliebt hat wie gewiß keiner wieder auf der Welt. Ich bin viel durch ihn geworden, – glaub mir! Das wirkt jetzt noch nach. Das hat mir die Kraft zum weiteren Leben gegeben. Ich hab' die Trümmer gesammelt. Es ist doch hier ganz nett um mich – nicht?«

Er nickte.

»O gewiß,« meinte er. »So für die erste Zeit . . . bis das Schwerste überwunden ist . . . Aber dann . . .«

». . . aber dann?«

»Du kannst doch nicht immer so weiterleben . . . Das kann dir doch nicht genügen!«

Ihre Stirn blieb heiter, ihre Augen klar.

»Was soll denn noch Großes kommen? Ich erwarte mir nichts mehr.«

»So? Nun – das freut mich!«

Er sprach es bitter und wandte sich ab. So setzte er hinzu, während es düster unter seinem Schnurrbart zuckte: »Aber ich glaub' es nicht, Maxe!«

Maximiliane von Glümke lächelte wieder.

»Glaub ruhig daran, was du von mir siehst und hörst! Woher willst du denn sonst etwas wissen? Und nun wird's Zeit. Geh heim zu Ulla und grüße sie schön von mir!«

Er erwiderte nichts.

»Und richt ihr aus, ich käme morgen nach ihr schauen und wünschte gute Besserung. Adieu jetzt, Erich! Sie wartet gewiß schon auf dich!«

»Ich geh' ja schon . . .«

Erich von Logow sprach es finster und zerstreut, ohne sich von seinem Platz zu rühren. Endlich trat er vom Balkon in das schon halb dämmerige Zimmer zurück. Da blieb er wieder stehen. Sein Auge irrte ziellos durch den kleinen, von Blumenduft und Geburtstagsschmuck erfüllten Raum. Es schien, als suche er nach einem Anlaß, noch länger zu verweilen. Die junge Exzellenz stand vor ihm und wartete, daß er sich verabschieden würde. Plötzlich seufzte er schwer auf.

»Wenn man so denkt, Maxe . . . ein einziger Fehltritt im Leben . . . oder vielmehr eine wahnsinnige Blindheit in der entscheidenden Stunde . . . Und nun bis an sein seliges Ende darunter leiden zu müssen . . . jahraus . . . jahrein . . ., wo man alles so viel besser und schöner hätte haben können . . .«

»Gute Nacht, Erich!«

». . . siehst du . . . wenn ich darüber nachdenke, dann verlier' ich wieder allen Mut, alle Kraft . . . Es ist gräßlich . . . Es erscheint einem alles so unnütz, was man tut und soll . . . fremde Pflichten von außen, wo man mit sich selber nicht fertig wird! . . . Sei du froh, Maxe, und danke deinem Schöpfer, daß du dies Kunststück fertig bringst . . .«

»Gott sei Dank hab' ich meine Ruhe gefunden!«

Er schaute sie wieder wie vorhin zweifelnd an.

»Eigentlich sieht dir's gar nicht ähnlich! Du warst doch früher so wie ich: Alles oder nichts! Freilich, das Leben nimmt einen hart in die Lehre. Man wird bescheiden. Oder sollte es wenigstens endlich sein . . . Also adieu, Maxe!«

Die Generalin von Glümke wollte klingeln, um das Mädchen draußen zu benachrichtigen, daß der letzte Besucher ginge. Da trat diese eben über die Schwelle. Sie brachte einen Brief. Maximiliane öffnete ihn und sagte, während jene sich zurückzog: »Von der Dorle! Die Grotjans lassen dich auch schön grüßen, Erich, und dir zum Major Glück wünschen. Sieh mal an: da wußten die das schon in Thorn!«

»Das ist ja kaum möglich!«

»Doch: da steht's!«

Sie zeigte ihm mit dem Finger die Stelle. Er blickte über die Schulter und versetzte plötzlich: »Was ist denn da für eine Nachschrift?«

»Wo?«

»Da am Rand . . .«

Er las rasch, halblaut, die paar Zeilen vor: »Was machen denn deine Diakonissenpläne? Denkst du wirklich noch daran, der Welt zu entsagen? Hoffentlich nicht! Nochmals tausend Grüße! Dein getreues Dorle.«

Die junge Frau ballte hastig den Brief zusammen, als wollte sie ihn verstecken. Eine flüchtige Röte schoß über ihre Wangen. Erich von Logow blieb eine Zeitlang stumm. Endlich frug er mit trockener Kehle: »Was heißt denn das, du willst Diakonissin werden?«

»Nein, Johanniterschwester!«

»Das ist doch dasselbe!«

»Ungefähr ja.«

»Ich denke, du fühlst dich hier ganz wohl . . .«

Sie gab keine Antwort.

»Du behauptest doch, du seist so zufrieden . . .«

Sie hatte sich von ihm abgewandt. Er sprach langsam: »Mir scheint, mit deiner Seelenruhe ist es doch nicht so weit her, Maxe . . .«

Zum erstenmal verlor sie die Fassung. Sie warf gereizt den Kopf in den Nacken.

»Das geht dich nichts an, was ich tu' und lasse! Gar nichts . . . verstehst du?«

»O ja, ich verstehe.«

»Du hast daraus keine Schlüsse zu ziehen . . .«

»Ich tu' es doch!«

Er trat näher. Sie wich vor ihm zurück. Er folgte ihr. Er stand dicht vor ihr. Beide waren sie geisterbleich geworden in der Dämmerung. Maximiliane von Glümke nahm ihre äußerste Kraft zusammen.

»Geh!« sagte sie heiser. »Zum letztenmal: geh zu deiner Frau!«

Diesmal gehorchte er. Er gab ihr nicht die Hand. Er drehte sich schweigend um und nickte ihr auf der Schwelle durch das Zwielicht traurig zu, wie einem Kameraden. Sie rührte sich nicht. Sie holte kaum Atem. Sie stand unbewegt, wie eine Statue, bis er das Zimmer verlassen. Dann stürzte sie auf das Sofa nieder und barg, aufschluchzend, das Antlitz in die Hände.



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