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Ich habe mich einigen reichen Mailändern vorstellen lassen, die so glücklich sind, bauen zu können. Ich habe sie auf ihren Leitern stehend getroffen, leidenschaftlich bewegt, wie ein General der eine Schlacht liefert. Ich bin selbst auf die Leitern gestiegen, und ich habe Maurer gefunden voller Intelligenz. Jeder von ihnen urteilt über die Fassade, für die sich der Architekt entschieden hat.
Was die innere Einteilung anbetrifft, so schienen mir diese Häuser gegen die Pariser zurückzustehen.
In Italien ahmt man in der Einteilung noch die mittelalterlichen Paläste nach, die in Florenz z. B. um 1350 gebaut und seitdem von Palladio und seinen Schülern (um 1560) in der Schönheit gesteigert und verfeinert wurden.
Die Architektur hatte damals soziale Bedürfnisse zu befriedigen, die jetzt nicht mehr vorhanden sind. Nur die Schlafzimmer der Italiener erscheinen mir der Erhaltung wert zu sein; sie sind hoch, sehr gesund, mit einem Wort das Gegenteil von den unsrigen.
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Das Casino von San Paolo flößt Respekt ein. Unsre Ministerpaläste sehen aus wie vergoldete Boudoirs oder elegante Kaufläden. Und nichts paßt ja auch besser zu einem Minister, der ein Stimmen kaufender und Sitze verkaufender Robert Walpole ist.
Diese Physiognomie einer Architektur, die das Gefühl einflößt, daß sie mit ihrer Bestimmung in Einklang steht, sie nennt man den »Stil«. Und da die Mehrzahl der öffentlichen Gebäude dazu bestimmt ist, Achtung und selbst Schrecken einzuflößen, wie z. B. eine katholische Kirche, oder der Palast eines selbstherrlichen Königs, so muß man, wenn man in Italien hört: dies Gebäude hat Stil, darunter verstehen: Es flößt Respekt ein. Die Pedanten dagegen, wenn sie von Stil reden, wollen daß man versteht: »Diese Architektur ist klassisch, sie ahmt die griechische nach oder wenigstens eine gewisse französisierte griechische Nüance, wie Racine's Iphigenie die des Euripides nachahmt.«
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Die Architektur scheint mir in Italien lebendiger zu sein als die Malerei oder die Plastik. Ein Mailänder Banquier geizt fünfzig Jahre lang, um endlich ein Haus bauen zu können, dessen Fassade ihn hunderttausend Frank mehr kostet als eine einfache Mauer.
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Was der Italiener am allermeisten liebt, das ist die Architektur seines Hauses. Nach der Musik ist es die Architektur, die seine Seele am tiefsten berührt. Ein Italiener hält vor einer schönen Thür, die man an einem neuen Hause baut, eine Viertelstunde an und geht davor hin und her. Ich begreife diese Leidenschaft. In Vicenza z. B. vermag die boshafte Dummheit des Stadtkommandanten und des österreichischen Polizeikommissärs die Meisterwerke Palladio's weder zu zerstören, noch zu verhindern, daß man darüber spricht.
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Jede Nacht, gegen ein Uhr morgens, bin ich ausgegangen, um mir den Dom von Mailand wieder anzusehen. Von klarem Mondschein erleuchtet, bietet diese Kirche einen Anblick von einzigartiger, von entzückender Schönheit.
Nie hat mir die Architektur solche Gefühle erregt . . .
Das ist Gotik ohne den Gedanken an den Tod. Das ist wie ein melancholisches Gemüt, das sich auch einmal der Heiterkeit ergiebt. Diese aller Vernunft bare Architektur, die einer Laune entsprungen scheint, giebt eine Stimmung, die gut paßt zu den tollen Illusionen der Liebe . . .
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Was mir in Mailand am besten gefällt, das sind die Höfe im Innern der Gebäude. Ich finde da immer eine Menge Säulen, und Säulen wirken auf mich in der Architektur, wie die Melodie in der Musik.
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Hier – Mailand – giebt es eine Kommission di ornato. Vier bis fünf, wegen ihrer Kunstliebe bekannte Bürger und zwei Architekten bilden diese Kommission, die ihre Dienste umsonst thut. Jedesmal wenn ein Hausbesitzer die Vorderseite seines Hauses verändern will, ist er gehalten, seinen Plan der Stadtverwaltung vorzulegen, die ihn der Kommission di ornato zuweist. Diese giebt ihr Gutachten ab. Wenn der Hausbesitzer etwas gar zu häßliches machen lassen will, machen ihn die Mitglieder der Kommission, ansehnliche Leute, in ihren Unterhaltungen lächerlich. Bei jenem Volk, das für das »Schöne« geboren ist, und wo es überdies gefährlich oder hoffnungslos ist, über Politik zu sprechen, beschäftigt man sich Monate lang mit dem Grade der Schönheit einer neuen Hausfassade. Die moralischen Sitten von Mailand sind vollständig republikanisch, und das heutige Italien (1837) ist nichts als eine Fortsetzung des Mittelalters. Ein schönes Haus in der Stadt zu haben, giebt mehr Ansehen als Millionen in der Westentasche. Wenn das Haus durch Schönheit sich auszeichnet, so bekommt es auf der Stelle den Namen des Eigentümers . . .
Ein schönes Haus bauen zu lassen, giebt in Mailand den wahren Adelstitel.
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Florenz. – Ich fühlte mich glücklich, niemand zu kennen und mit niemand sprechen zu müssen. Diese mittelalterliche florentische Architektur hat sich meiner ganzen Seele bemächtigt. Ich glaubte mit Dante zu leben, und es sind mir heute vielleicht nicht zehn Gedanken gekommen, die ich nicht mit einem Vers dieses großen Mannes hätte übersetzen können. Ich schäme mich meiner Erzählung, man wird mich für einen Egotisten halten . . .
Was ist das für eine solide Bauart, diese Palazzi, aus ungeheuren Steinblöcken gefügt, die nach der Straßenseite zu aller Politur entbehren. Ihnen sieht man es an, daß in diesen Straßen oft die Gefahr umging. Die Abwesenheit aller Gefahr auf den Straßen aber ist es, die uns so klein macht.
Ich habe mich eine Stunde allein in dem kleinen düstern Hof des Palazzo in der Via Larga aufgehalten. Ihn baute jener Cosimo da Medici, den die Dummköpfe den Vater des Vaterlands nennen. Je weniger diese Architektur darauf aus ist, den griechischen Tempel nachzubilden, je mehr sie an die Erbauer und deren Bedürfnisse erinnert, je mehr erobert sie mich. Sie giebt mir eine vollkommene Illusion. Den ganzen Tag träume ich von Gastruccio Castracani, von Ugucione della Fagiola und andern. Es ist mir, als ob ich ihnen an jeder Straßenecke begegnen müßte. Um mich nicht aus meinen düstern Träumen herausreißen zu lassen, vermeide ich's, meine Blicke auf die kleinen verwimmerten Menschlein zu senken, die in diesen herrlichen Straßen herumwandeln, wo noch alle Leidenschaften des Mittelalters als Gespenster zu spuken scheinen. Ach, diese Florentiner Bürger von heute! Sie haben keine Leidenschaften. Gar keine, denn ihr Geiz ist nicht einmal eine. Er ist bei ihnen nur ein verständiges Uebereinkommen ihrer ungeheuern Eitelkeit mit ihrer noch ungeheurern Dürftigkeit.
Mit großen weißen Steinblöcken gepflastert, ist Florenz von seltener Reinlichkeit. Man riecht die Reinlichkeit förmlich in seinen Straßen. Wenn man einige holländische Flecken ausnimmt, so ist Florenz vielleicht die sauberste Stadt der Welt. Jedenfalls ist es eine der elegantesten. Seine griechisch-gothische Architektur hat alle Sauberkeit und Peinlichkeit der Ausführung wie ein schönes Miniaturbild.
Zum Glück für die materielle Schönheit von Florenz verloren seine Bewohner, mit der Freiheit, auch alle zum Bauen im großen Stil notwendige Thatkraft. So wird das Auge hier nicht beleidigt durch jene unwürdigen Fassaden eines Piermarini, und nichts stört die schöne Harmonie dieser Straßen, wo die ideale Schönheit des Mittelalters atmet. An hundert Orten in Florenz kann sich der Reisende im Jahre 1500 wähnen.
Aber trotz der seltenen Schönheit so vieler von Größe und Melancholie erfüllter Straßen und Plätze, kann doch nichts dem Palazzo Vecchio verglichen werden.
Die strenge Wirklichkeit des Mittelalters im Palazzo Vecchio, rings umgeben von Werken der großen Kunst, bildet einen erschütternden Kontrast zu der Unbedeutendheit der modernen »Marchesini«. Mit Staunen und Bewunderung steht man vor den Meisterwerken der alten Zeit, gezeugt von der Kraft der Leidenschaften, und dann sieht man, wie später alles unbedeutend wird, kleinlich, verrenkt, sobald der Sturm der Leidenschaften aufhört das Segel zu schwellen, das die menschliche Seele vorwärts treiben muß, jene Seele, die nichtig und armselig wird, wenn sie ohne Leidenschaften ist, das heißt, ohne Laster und Tugenden.
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Dieser Brunelleschi ahmte die alte Architektur mit Genie nach. Seine Kuppel von Santa Maria del Fiore übertrifft, wenigstens an Festigkeit, die von St. Peter, ihre Kopie. Ein Beweis für die Superiorität dieses großen Mannes ist die Mißgunst seiner Zeitgenossen, die ihn für toll hielten, das schmeichelhafteste Lob, das die gemeine Masse aussprechen kann, weil es ein unangreifbares Certifikat von Ungleichartigkeit bedeutet. Als die Florentiner Ratsherren mit der Schar der Baumeister über die Art und Weise, die Kuppel zu bauen, verhandelte, gingen sie so weit, Brunelleschi durch ihre Scharwächter aus dem Saale hinaustragen zu lassen. Auch besaß er alle Talente, von der Dichtkunst bis zu der Kunst Uhren zu machen; und ein solcher Mann ist mit Recht toll in den Augen aller Herren Gevatter der Welt, selbst in Florenz im fünfzehnten Jahrhundert.
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Der Architekt, der das Kolosseum gebaut hat, hat es gewagt, einfach zu sein. Er hat sich gehütet, seine Architektur mit hübschem und kleinlichem Schmuckwerk zu überladen, wie solches das Innere des Louvre verunziert. Der öffentliche Geschmack in Rom war eben nicht verdorben durch Feste und Ceremonien eines Hofes, wie der Ludwigs XIV. war. (Man sehe die Memoiren von Dangeau.) Ein König, der auf die Eitelkeit wirken muß, ist genötigt, Auszeichnungen zu erfinden und sie oft wechseln zu lassen.
Die römischen Kaiser hatten die einfache Idee, in ihrer Person alle Aemter zu vereinigen, die die Republik nach dem Maße der Zeitbedürfnisse erfunden hatte. Sie waren Consuln, Tribunen u. s. w. Hier ist alles Einfachheit und Festigkeit. Aus demselben Grunde nehmen die Klammern der ungeheuren Travertinblöcke, die man allenthalben bemerkt, einen so erstaunlich grandiosen Charakter an. Der Betrachter dankt diese Empfindung, die durch die Erinnerung noch erhöht wird, der Abwesenheit jeder kleinlichen Einzelheit. Die Aufmerksamkeit bleibt allein auf die Gesamtheit der wunderbaren Architektur gerichtet.
Man muß im Orient, unter den Ruinen von Palmyra, von Balbec oder von Petra Bauwerke suchen, die diesem an Größe gleichkommen; aber jene Tempel setzen in Erstauen, ohne uns innerlich so zu bewegen. Wenn sie auch ausgedehnter sind als das Kolosseum, sie machen auf uns doch nie denselben Eindruck. Sie sind nach anderen Schönheitsregeln erbaut, nach Regeln, die wir nicht mehr gewöhnt sind. Die Civilisationen, die diese Schönheit geschaffen haben, sind von dem Erdboden verschwunden.
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Nikolaus V., Julius II., Leo X. waren würdig, zugleich von den Kolosseumsruinen und der Peterskuppel begeistert zu werden.
Als Michelangelo an dieser Kirche arbeitete, fand man ihn, der schon sehr alt war, an einem Wintertag, nach einem großen Schneefall, im Kolosseum herumschweifen. Er wollte seine Seele zu der Stimmung erheben, die nötig war, um die Schönheiten und die Mängel seiner eigenen Zeichnung zur Peterskuppel herauszufühlen. So groß ist die Herrschaft der göttlichen Schönheit: ein Theater giebt die Idee zu einer Kirche.
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Sobald andere Neugierige zum Kolosseum kommen, ist es um das Vergnügen des Reisenden geschehen. Anstatt sich in erhabenen Träumen zu verlieren, beobachtet er unwillkürlich die Lächerlichkeiten der Neuangekommenen, und es scheint ihm immer, daß sie deren viele haben. Das Leben sinkt auf das Salon-Niveau herunter: man horcht immer, ohne es zu wollen, nach den Aermlichkeiten hin, die die andern aussprechen. Wenn ich die Macht dazu hätte, würde ich ein Tyrann sein und ich würde, während ich mich in Rom aufhielte, das Kolosseum schließen lassen.
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Bis zur Zeit der wahnsinnigen Tyrannen wie Caligula und Nero, war die Architektur in Rom immer vernünftig. Denn die Patrizier herrschten, aber unter der Bedingung, daß sie sich dem Volke gefällig zeigten. Und gewisse Institutionen hinderten die Patrizier, das zu werden, was heutiges Tages die englischen Pairs sind. Ein Patrizier, der sein Leben mit Fuchsjagden oder mit Bilderhandel oder mit Trinken zugebracht hätte, wäre vor dem Volke verklagt und verbannt oder wenigstens durch die Censoren von der Senatsliste gestrichen worden.
An die erste Stelle wurde ein Patrizier nur durch einen Triumphzug gesetzt, und um Anspruch darauf zu erheben, mußte er dem Feinde fünftausend Männer erschlagen haben. In Rom regierte also die öffentliche Meinung. Hungersnöte und Krieg sorgten, daß man während der ersten Jahrhunderte der Republik nur an das Nützliche dachte. Das Schöne erschien in jener Zeit als eine Korruption bei den Reichen. Aus diesem Grund hatten die Catone und andere verknöcherte alte Römer, die mehr Anhänglichkeit an alte Gebräuche als wirkliche Tugend, und mehr Tugend als Witz besaßen, immer einen Zorn gegen das Schöne, und infolge davon, gegen den Reichtum und gegen Griechenland, von wo das Schöne gekommen war.
Das Pantheon, vom Schwiegersohn des Augustus erbaut, war das erste große nicht nützliche Baudenkmal.
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Das Pantheon hat einen großen Vorzug: zwei Augenblicke genügen, um von seiner Schönheit durchdrungen zu werden . . . Ich glaube niemals einen Menschen getroffen zu haben, der beim Anblick des Pantheon gänzlich unbewegt geblieben wäre. Dieser berühmte Tempel hat also etwas an sich, das sich weder in den Fresken des Michelangelo noch in den Statuen des Kapitol findet.
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Ein Gefühl der Neugier, das nichts aufhalten kann, treibt den Reisenden das ganze Forum zu durchstreifen. Wir sind dann zum Triumphbogen des Septimius Severus am Abstieg vom Kapitol zurückgekehrt.
Beim Anblick dieses Denkmals begreift man den tiefen Verstand, der den Geist der Alten regierte. Man kann sagen, daß bei ihnen das Schöne nur der Ausfluß des Nützlichen war. Was am Severusbogen zuerst auffällt ist die lange Inschrift, die dazu bestimmt war, die Geschichte seiner Thaten bis in die fernste Nachwelt zu tragen. Und diese Geschichte kommt wirklich bis zu ihr.
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Der römische Corso ist vielleicht die schönste Straße der Welt, trotz des Gestanks von faulem Kraut und des Anblicks der Lumpen, die man durch die Fenster in den Wohnungen sieht.
Ein Gebirgspass kann schön sein durch die Aussicht, die man von ihm aus genießt. Der Corso ist schön der Steine wegen, die aufeinander getürmt sind. Die Paläste, die diese Straße einfassen, haben viel Stil. Dieser Stil ist erhaben und dem der Balbistraße in Genua sehr überlegen. Regent-Street in London setzt in Erstaunen, aber macht kein Vergnügen und hat keinen Stil.
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Wären die Päpste nicht von Avignon wieder zurückgekommen, wäre das priesterliche Rom nicht auf Kosten des antiken Rom aufgebaut worden, so hätten wir viel mehr römische Denkmäler; aber die christlich-katholische Religion wäre dann nicht eine so innige Verbindung mit dem Schönen eingegangen, wir hätten heute weder Sankt Peter noch die andern herrlichen Kirchen, die auf der ganzen Erde verteilt sind . . . Wir selbst, die Kinder des Christentums, wären dem Schönen weniger zugänglich . . .
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Nichts läßt in der Architektur von St. Peter die Anstrengung merken; alles scheint groß von Natur zu sein. Die Gegenwart des Genies eines Bramante und Michelangelo macht sich so fühlbar, daß Lächerlichkeiten hier nicht mehr lächerlich sind, sie sind nur bedeutungslos.
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Eine der Quellen des Vergnügens, das ein großes Baudenkmal bietet, ist vielleicht die Empfindung der Macht, die es geschaffen hat. Und dem Begriff von Macht ist nichts so tötlich, als der Anblick einer aus Mangel an Reichtum unzulänglichen Nachahmung.
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Der Pont du Gard. – Dieses Bauwerk, das nichts als ein Aquädukt war, erhebt sich majestätisch mitten in der tiefsten Einsamkeit.
Die Seele wird in langes tiefes Staunen versetzt. Kaum das Kolosseum in Rom hat mich in so tiefe Träumerei versenkt. Diese von uns bewunderten Arkaden bildeten einen Teil des sieben Meilen langen Aquäduktes, der die Wasser der Quellen von Eure nach Nîmes führte. Sie mußten über ein enges und tiefes Thal weggeführt werden, deshalb das Bauwerk.
Man findet daran keine Spur von Luxus oder Zierrat. Die Römer schufen derartig erstaunliche Dinge, nicht um Erstaunen einzuflößen, sondern einfach aus Nützlichkeitsgründen. Die echt moderne Idee der Effekthascherei wird hier weit weggewiesen von der Seele des Beschauers, und wenn er dennoch daran denkt, so ist es, um sie zu verachten. Die Seele wird von Empfindungen erfüllt, die sie nicht zu beschreiben, geschweige denn zu übertreiben wagt. Die wahren Leidenschaften haben ihre Keuschheit.
Drei Arkadenreihen in Rundbogen in toskanischer Ordnung übereinander errichtet, bilden diese große Masse von sechshundert Fuß Längen-Ausdehnung auf einhundertsechzig Fuß Höhe.
Die erste Reihe, die den ganzen Grund des Thales einnimmt, ist nur aus sechs Arkaden gebildet.
Die zweite höhere Reihe findet das Thal breiter und hat elf Arkaden. Die dritte Reihe besteht aus fünfunddreißig kleinen sehr niedrigen Bogen, und trägt unmittelbar den Kanal von sechs Fuß Breite und sechs Fuß Tiefe. Ich werde es nicht versuchen, Redensarten über ein so herrliches Denkmal zu machen, von dem man eine Abbildung sehen muß, nicht um die Schönheit zu empfinden, sondern um den außerordentlich einfachen und genau nur für den Nutzen berechneten Bau zu begreifen.
Zum Glück für den Reisenden, der künstlerisch zu empfinden vermag, nach welcher Seite sein Blick sich auch hinwendet, er trifft auf keine Spur menschlicher Behausung, auf keine Andeutung irgendwelcher Kultur. Thymian, wilder Lavendel, Ginster, die einzigen Produkte dieser Wüstenei, hauchen ihre einsamen Düfte aus unter einem Himmel von blendender Heiterkeit. Die Seele ist ganz sich selbst überlassen, und gewaltsam wird die Aufmerksamkeit hingezogen zu diesem Werk eines königlichen Volkes. Dies Denkmal muß, meiner Ansicht nach, wie eine erhabene Musik wirken. Für einige auserwählte Menschen ist sein Anblick ein Ereignis, die andern grübeln verwundert über die Geldsummen nach, die es gekostet haben mag.
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Um fünf Uhr Morgens in Nîmes angekommen, denn man kann wegen der großen Hitze nur Nachts reisen, stürme ich zur Maison Carrée. Was für ein philiströser Name für diesen entzückenden kleinen Tempel! Vor allem ist er gar nicht quadratisch, er hat die Form einer Spielkarte, wie jeder anständige antike Tempel. Sein kleiner, offener, von reizenden korinthischen Säulen gestützter Portikus zeichnet sich auf dem blauen südlichen Himmel ab. Die anderen ihn umgebenden Säulen sind zur Hälfte in die Mauer eingebaut.
Die Wirkung des Ganzen ist bewundernswürdig. In Italien habe ich großartigere Denkmäler gesehen, aber nichts so Zierliches, von jener antiken Zierlichkeit, die obgleich mit Zierrat beladen, die Schönheit nicht ausschließt. Das ist das Lächeln eines gewöhnlich ernsthaften Menschen. Man wird tief gerührt beim Anblick des Tempels, der trotz alledem nur zweiundsechzig Fuß lang und sechsunddreißig Fuß breit ist. Wie man sieht, ist er kleiner als die meisten unserer gotischen Dorfkirchen: und welch ein Unterschied für die Größe der Dinge, die sie der Seele sagen.
Die Tempel der Alten waren klein, und die Cirkusse sehr groß. Bei uns ist es umgekehrt. Bei uns verdammt die Religion das Theater und gebietet sich zu kasteien. Die Religion der Römer war festlich. Sie heischte von ihren Gläubigen nicht die Aufopferung ihrer Leidenschaften, sondern nur deren Bethätigung auf eine dem Vaterland nützliche Weise. Sie hatte kein Bedürfnis, die Menschen viele Stunden lang zu versammeln, um ihren Seelen die Höllenfurcht einzugraben . . . . .
Der Leser sollte ein Bild der Maison Carrée besitzen. Das fünfte oder sechste Mal bereits sehe ich mir diesen entzückenden Tempel an, und bei jeder Reise macht er mir mehr Freude. Colbert hatte den Plan, die Steine numerieren und sie nach Paris transportieren zu lassen. Im Prinzip war diese Idee gut, Voltaire hätte sich dann nicht sein ganzes Leben lang bemüht, den »wundersamen« Springbrunnen von Grenelle in den Himmel zu erheben. Aber es ist gut, daß man den Gedanken nicht ausgeführt hat: ein talentloser Architekt, namens Mansard, der, in seinem Stand, eine Art Günstling Ludwigs XIV. war, hätte zweifellos dem antiken Bauwerk, indem er es wieder zusammensetzte, irgend einen schönen Zierrat zugefügt.
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Ich habe mich nur einen halben Tag aufgehalten, um Orange zu sehen. Ich finde alle Straßen mit Leinwand überdeckt, es herrscht eine wahre Gluthitze. Dies Klima entzückt mich, es würde allein genügen, mich vierzehn Tage glücklich zu machen. Fast möchte ich mit Aramintha sagen, es versenkt in süße Traumesseligkeit.
Ich wollte das Theater und den Triumphbogen sehen. Das Gemäuer des Theaters beobachtet man schon von weitem, es beherrscht die ganze Stadt. Der Triumphbogen, wahrscheinlich zur Zeit Mark Aurels erbaut, hat eine wundervolle Lage. Er erhebt sich in der staubigen Ebene, fünfhundert Schritt von den letzten Häusern nach Lyon zu. Sein orangegelbes Aussehen steht in schöner Harmonie zu dem tiefen Azurblau des provençalischen Himmels.
Man nennt ihn heute den Bogen des Marius, aber nichts an ihm deutet weder auf den Zeitpunkt der Entstehung noch auf den Zweck dieses Denkmales. Als dieser pomphafte Bau errichtet wurde, um den Ruhm einer großen Nation und ihrer Feldherren zu verewigen, wer hätte da vorhersehen können, daß es einmal eine Zeit gäbe, wo er fast noch vollständig bestehen würde, ohne daß es möglich wäre, irgend etwas über seinen Zweck zu wissen.
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Das ist wundervoll in Rouen, daß die Wände aller Häuser aus großen Holzbalken gebildet sind, die senkrecht einer auf dem andern stehen. Der Zwischenraum ist mit Mauerwerk ausgefüllt. Aber die Holzteile sind nicht etwa vom Mörtel überdeckt, und so sieht das Auge allerwärts spitze Winkel und vertikale Linien. Die spitzen Winkel werden durch Querbalken zwischen den vertikalen gebildet, gleich dem Mittelstrich des großen N.
Meiner Ansicht nach liegt hierin die Ursache der wunderbaren Wirkung, die die gotischen Bauwerke in Rouen hervorbringen; sie sind die Hauptleute der sie umgebenden Soldaten.
Zur gotischen Zeit war Rouen die Hauptstadt sehr reicher Herren, geistvoller Leute, die noch ganz berauscht waren von Freude über das unerhörte Glück der Eroberung Englands, die sie wie durch ein Wunder vollführt hatten. Rouen ist das Athen der gotischen Epoche.
Ich habe mich mühsam von der Kathedrale losgerissen; ich wollte noch die Kirche Saint Ouen sehen, die König Richard II. von England gebaut hat. Das ist ein Meisterwerk der gotischen Kunst. Und dazu noch ragt die Ostseite der Kirche mitten in einen englischen Garten hinein . . . Aus Abscheu gegen das Tier, das man Cicerone nennt, dankte ich für die Angebote eines kleinen Männchens, das mir die Thüre aufschloß, da die Kirche nach 11 Uhr Morgens geschlossen wird. Aber sie wird in der Dämmerung wieder geöffnet, wo dann Weiber aus dem Volke Litaneien abbeten. Ich empfehle es dem Kenner angelegentlich, dieses Denkmal nicht zu übersehen: es ist der Triumph des gotischen Stils. Glücklicherweise ist Saint Ouen auch durch keinen unwürdigen modernen Zierrat verdorben worden.
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Der gotische Stil sucht die Phantasie des Gläubigen im Innern zu überraschen. Aber im Aeußeren schämt er sich nicht, seine Bauwerke mit stützenden Schwibbogen zu umgeben, die, wenn das Auge nicht daran gewöhnt wäre, den Anschein drohenden Einsturzes hervorbringen müßten. Die allmächtige Gewohnheit hindert uns, diese Häßlichkeit zu empfinden. Sie hindert uns, das Augenscheinliche zu bemerken, das man uns von Kind auf zu verneinen gelehrt hat.
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Nichts einfacheres als die Architektur griechischer Tempel; das Komplizierte, das Ueberraschende, das Minutiöse macht im Gegenteil das Hauptverdienst der Gotik aus.
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Im elften Jahrhundert, als die Gesellschaft von neuem gebildet wurde, brachte sie in Frankreich mancherlei hervor, unter anderm die romanische Architektur, welche sich nach und nach mit Zierraten belud. Diese Zierrate, die ihre Reize erhöhten, mißfielen aber zuletzt. Und am Ende des zwölften Jahrhunderts zog man ihr die kühne und schlanke gotische Architektur vor, die inbezug auf Ornamentales zuerst einfach und streng blieb. Allmählich belud auch sie sich mit Schmuck, und als ihre charakteristischen Formen unter dem Bauwerk verschwunden waren, wurde sie ihrerseits verlassen. Man kehrte zu den antiken Formen zurück. Das ist die Renaissance von 1500.
So kann man also sagen, daß das Uebermaß an Zierraten diese zwei Architekturen getötet habe, wie das Uebermaß des Schmuckwerkes und der falschen Delikatesse auf dem Punkte waren, am Ende der Regierung Ludwigs XVI., die französische Litteratur zu töten. Betrachtet Delille und seinen Abscheu vor der Hälfte aller Wörter.
Etwas Aehnliches ereignete sich mit der Architektur beim Tode der romanischen und, im Jahr 1500, beim Tode der gotischen Bauart.