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So wuchs Amiele heran. Sie war fünfzehn Jahre alt, als sich um die Augen der Herzogin von Miossens die ersten Krähenfüße bemerkbar machten. Sie war außer sich über diese Entdeckung. Schleunigst wurde ein reitender Bote nach Paris gesandt, der den berühmtesten Augenarzt, den Doktor de la Rouze, herbeiholte. Der geistvolle Mann stand in nicht geringer Verlegenheit vor dem Bette seiner Patientin, nachdem er die Untersuchung vorgenommen hatte. Er kramte seinen gesamten Schatz an höflichen Redensarten aus, um irgendein griechisches Wort zu finden, das Altersschwäche ausdrückt. Nehmen wir an, dieser schöne Ausdruck hieß »Amorphose«.
Herr de la Rouze setzte der Herzogin lang und breit auseinander, die Krankheit rühre von einer akuten Kopferkältung her, wie sie mit Vorliebe junge Frauen zwischen zwanzig und fünfundzwanzig Jahren heimsuche. Er verordnete ihr strenge Diät und verschrieb ihr zwei Schachteln Pillen, die verschiedene Namen trugen, in Wirklichkeit aber beide aus nichts weiter denn Brotkügelchen mit Koloquinte bestanden. Vor allem aber riet er seiner Patientin, sich zu hüten, irgendwelche Ignoranten zu konsultieren, die ihre Krankheit mit einer anderen verwechseln könnten, die eine schwächende Behandlung nötig mache. Weiterhin schrieb er ihr vor, ein halbes Jahr lang nicht zu lesen, zumal nicht abends. Es hieß also, eine Vorleserin zu nehmen; und der Arzt war so gewandt, daß er ihr dies schreckliche Wort »Vorlesen« in den Mund legte, ebenso das noch schrecklichere Wort »Brille«. Er tat so, als denke er scharf nach, und schließlich meinte er behaglich, während der Behandlung, die sechs bis acht Monate dauere, sei eine Brille zur Schonung der Augen nicht unangebracht. Er werde es übernehmen, ihr beim besten Optikus von Paris die richtigen Gläser auszusuchen.
Die Herzogin war entzückt von diesem charmanten Manne, der übrigens Ritter sämtlicher europäischen Orden und noch keine vierzig Jahre alt war. Reichlich honoriert, reiste er nach Paris zurück.
Frau von Miossens war in großer Verlegenheit. Wo sollte sie in ihrem Dorf eine Vorleserin auftreiben? Eine derartige Kammerjungfer war selbst in der Normandie schwer zu finden. Es nützte nichts, daß Fräulein Anselma den Wunsch der Gutsherrin im Dorfe bekannt machte.
Der biedere Küster kam sofort auf den Gedanken, das sei ein Posten für seine Nichte Amiele.
›In ganz Carville‹, sagte er sich, ›ist niemand geeignet, dies Amt auszufüllen, und die Herzogin ist gescheit genug, daß sie von selbst an Amiele denken wird.‹
Immerhin konnte folgender Einwand erfolgen: Ist ein Findelkind würdig, einer so feudalen Dame vorzulesen?
Zwei volle Wochen ertrugen die Küstersleute die Qual, die ihnen die Ausführung ihres großen Planes bereitete, da trafen eines Abends wichtige Nachrichten über die Vorgänge in der Vendée ein, und zwar durch die »Quotidienne«, die regelmäßig abends mit der Post aus Paris kam und im Schlosse abgegeben wurde.
Fräulein Anselma setzte ihre große Lesebrille auf, erfüllte ihr Amt aber so langsam und unverständlich, daß die Herzogin vor Ungeduld schier verging.
Die alte Jungfer war viel zu klug, als daß sie gut vorgelesen hätte. Sie sah darin eine Mehrarbeit, die ihr aufgebürdet wurde, ohne daß ihr Gehalt auch nur um einen Groschen aufgebessert ward. Sie hielt ihren passiven Widerstand für richtig, aber die kluge Jungfrau täuschte sich da doch. In der Folge sollte sie diese Eingebung ihrer Trägheit tausendmal verwünschen.
Plötzlich unterbrach die Herzogin die schauderhafte Vorleserei.
»Amiele!« rief sie. »Man soll sofort anspannen und Amiele holen, Hautemares kleine Nichte! Ihr Onkel oder ihre Tante soll mitkommen!«
Zwei Stunden später erschien Amiele in ihrem Sonntagskleide. Zuerst las sie schlecht, doch so schelmisch, daß die Herzogin sogar das Interesse an den Neuigkeiten aus der Vendée darüber verlor. Die hübschen Augen der Kleinen leuchteten vor Eifer beim Vorlesen der begeisterten Phrasen der »Quotidienne«.
›Sie ist bei der Sache!‹ sagte sich die Herzogin.
Und als sich Amiele samt ihrem Pflegevater gegen 11 Uhr abends von der Herzogin verabschiedete, war diese bereits fest entschlossen, die Kleine in ihren Dienst zu nehmen.
Frau Hautemare hegte nun aber Bedenken, daß das fünfzehnjährige reife Mädchen abends nach 9 Uhr allein den Weg vom Schloß zum Schulhause zurücklegen sollte, was eine mehr denn drei Wochen lange Verhandlung zur Folge hatte. Diese Verzögerung genügte, um in der Herzogin den zunächst nur oberflächlichen Einfall, Amiele zur Vorleserin für die Abendzeitung bei sich zu haben, zum leidenschaftlichen Wunsche zu steigern. Nach endlosem Hin und Her ward endlich vereinbart, daß Amiele in Anselmas Zimmer über Nacht bleiben solle. Dieses Gemach hatte die Ehre, an das Schlafzimmer der Herzogin zu stoßen. Selbiger Umstand beschwichtigte die Bedenken der eitlen Küstersfrau durchaus, beunruhigte sie jedoch wieder in anderer Hinsicht.
Als alles schon so gut wie abgeschlossen war, sagte Frau Hautemare zu ihrem Mann:
»Höre! Die bösen Zungen im Dorfe werden sagen, unsere Nichte sei in Dienste gegangen. Das ist Wasser auf die Mühle deines Neffen, des Jakobiners. Was hat er uns nicht schon alles nachgesagt! Schändlichkeit über Schändlichkeit!«
Dieses neue Bedenken führte beinahe zum Scheitern der ganzen Sache. Die Herzogin war nämlich der Meinung, es sei eine besondere Ehre für ein Schulmeisterskind, ins Schloß zu kommen, und so sprach sie sich vor Frau Hautemare aus. Da machte die Oberklatschbase des Dorfes einen tiefen Knicks vor der grande dame und ging wortlos von dannen.
»Da haben wir die reine Revolution!« rief die Herzogin außer sich. »Wir irren uns, wenn wir glauben, wir kämen um sie herum. Sie ist im Anmarsch! Schon treibt sie ihr Wesen unter den Leuten, deren Glück wir machen.«
Sie war empört, zugleich von Schmerz und Furcht erregt. Nach einer geradezu schlaflosen Nacht ließ sie frühmorgens den biederen Hautemare rufen, um ihm den Kopf gehörig zu waschen. Um so mehr betroffen war sie, als der Schulmeister, verlegen und den Hut in den Händen drehend, vor ihr stand und ihr verkündete, daß Amiele denn doch zu schwach auf der Brust sei, um der hohen Ehre gewachsen zu sein, die ihr die Frau Herzogin gnädigst zugedacht habe.
Die Antwort auf diese Impertinenz war dem »Bajazet« des Racine entlehnt. Sie bestand in dem einzigen Wörtchen:
»Hinaus!«
Die Herzogin hatte sich erkühnt, diese Angelegenheit zu erledigen, ohne mit dem Herrn Pfarrer Rücksprache zu nehmen. Der hohe Geist des schlauen Seelenhirten hatte öfters ihren Widerspruch erregt, und so hatte sie zuweilen auf seine allzu törichten Einreden sehr kurzgefaßte Antworten gehabt.
»Noch schöner!« hatte sie ihm einmal gesagt. »Vor Anno 1789 wäre das unmöglich gewesen!«
Seitdem vermied sie es nach Möglichkeit, mit dem Pfarrer über wichtige Dinge zu sprechen. Manchmal, wenn sie ihn zu Tisch gebeten, redete sie nur zwei Worte mit ihm, eins, wenn er erschien, und das andere, wenn er sich empfahl. Den klugen Mann belustigte dies hochmütige Gebaren; geduldig harrte er der Stunde, da sie ihn nötig haben würde.
In ihrem Grimm über den Schulmeister befahl sie den Pfarrer unverzüglich zu sich, war aber nicht genial genug, ihn zunächst zu Tisch zu bitten und erst gegen Ende der Mahlzeit von Amiele zu sprechen.
Dusaillard meinte, die Angelegenheit sei nicht gut eingefädelt und gründlich verfahren. Ehe man etwas fordere, hätte man irgendwelchen Tadel an der Hautemareschen Schule finden sollen. Diese sei die Quelle des Wohlstands und der Überhebung des Küsters und seiner Frau. Man hätte ihm androhen sollen, die Schule zu schließen, ja, man hätte sie im Notfalle tatsächlich schließen müssen. Dann wären die Hautemares de- und wehmütig gekommen und hätten himmelhoch um Amielens Aufnahme im Schloß gebeten.
Der Pfarrer ließ die Herzogin den begangenen großen Fehler in seiner ganzen Ärgerlichkeit fühlen. Warum sie sich nicht von vornherein seines Beistandes bedient habe? Nun, in ihrer mißlichen Lage, wo sie in ihrer Eitelkeit durch einen Bauernlümmel gekränkt sei, könne er ihr keinen Rat erteilen.
Die große Dame regte sich derart auf, daß sie das bißchen gesunden Menschenverstand verlor, das sie sonst in geschäftlichen Dingen hatte. Sie vergaß sogar ihre Würde. Fräulein Anselma mußte an den Küster einen Brief schreiben, in dem sie ihm im Auftrag der gnädigen Frau mitteilte, Fräulein Amiele Hautemare habe die Ehre, als Vorleserin bei der Frau Herzogin angestellt zu sein, bis eine gelehrtere Person aus Paris eintreffe. Das ganze Dorf entrüstete sich über den Titel »Fräulein« vor dem Namen Amiele.
Dieser war keiner der Schritte entgangen, die ihre Pflegeeltern seit drei Wochen unternommen hatten. Sie sehnte sich glühend nach dem Schlosse. Sie hatte die schönen Möbel in allen Gemächern flüchtig bewundert, hatte vor allem die prächtige Bibliothek mit lauter Bänden in Goldschnitt gesehen, wobei ihr freilich entgangen war, daß alle die herrlichen Bücher in Glasschränken standen, deren Schlüssel die mißtrauische Herzogin immer an ihrer Uhrkette trug.
Als Amiele in dem prächtigen Schlosse ankam, um nun unter seinem ernsten hohen Schieferdache zu wohnen, übermannte sie eine so starke Empfindung, daß sie auf den Stufen der Freitreppe stehenbleiben mußte. Ihre Seele war zwanzig Jahre alt. Als Rat auf den Weg hatte ihr die Tante (die bis an das Tor mitgegangen war, aber nicht eintreten wollte, um sich nicht bedanken zu müssen) eingebläut, sie dürfe niemals vor den Dienstboten lachen und sich nie mit ihnen einlassen. »Andernfalls«, hatte sie hinzugefügt, »werden sie dich als Bauernmädel verachten und dich mit allerlei Sticheleien quälen, die so geringfügig sind, daß du dich bei der Herzogin nicht beschweren kannst, aber so grausam, daß du nach wenigen Monaten überglücklich sein wirst, wenn du das Schloß wieder verlassen darfst.«
Diese Mahnung wurde verhängnisvoll für Amiele. Mit einem Schlage entschwand ihr ganzes Glück, und tiefe Mutlosigkeit befiel sie, als sie die Gesichter der Kammerfrauen erblickte. Nach drei Tagen war sie bereits so unglücklich, daß sie die Eßlust verlor. Ihr Schlafzimmer hatte einen wunderschönen Teppich, aber sie durfte nicht rasch darüber gehen. Das sei nicht schicklich. Alles in dem herrlichen Schlosse müsse langsam und in gemessener Art geschehen, dieweil es der Wohnsitz einer vornehmen Dame sei. Die Herzogin hatte einen eigentümlichen Hofstaat; er bestand aus acht Kammerfrauen, von denen die jüngste fünfzig Jahre alt war. Der Kammerdiener Poitevin war noch älter; ebenso die drei Lakaien, die den Vorzug hatten, die Gemächer des ersten Stockes zu betreten. Vor dem Schlosse lag ein prachtvoller Garten mit Lindenalleen und verschnittenen Hecken, die dreimal im Jahre zugestutzt wurden. Zwei Gärtner pflegten die Blumenbeete, die sich vor den Fenstern hinzogen.
Am zweiten Tage wurde verfügt, daß Amiele nirgends, selbst nicht an diesen Beeten, wenn nicht in Begleitung einer der Kammerfrauen, einhergehen dürfe; und diese weiblichen Wesen fanden immer, es sei zu feucht oder zu warm oder zu kalt zum Spazierengehen. Innerhalb des Hauses hatten sie, die sich allesamt für noch jung hielten, entdeckt, daß ungedämpftes Licht unvornehm sei, und ähnliches mehr.
Ehe vier Wochen verronnen waren, war Amiele voller Lebensunlust. Die »Quotidienne«, die sie alle Abende ihrer Herrin vorlas, trug auch nicht zur Erheiterung ihres Lebens bei. Was war diese ewig gleiche Zeitung gegen die Räubergeschichten, die Amielen die vergnüglichste Lektüre der Welt dünkten! Leider hatte sie vergessen, diese Hefte mit ins Schloß zu nehmen, und wenn sie zuweilen auf ein paar Augenblicke nach Hause fahren durfte, so ließ man sie nicht eine Sekunde allein. Somit konnte sie auch nicht zu ihrem Bücherversteck schleichen.
Sie verlor die Lust am Spazierengehen. Sie fühlte sich so unglücklich, daß ihre noch geringe, aber doch bereits erwachte Eitelkeit nicht einmal wahrnahm, welchen Erfolg sie bei der Herzogin hatte. Er war ungeheuer. Besonders schätzte die große Dame, daß Amiele nicht daran dachte, das »Fräulein« zu spielen.
Von allen den abscheulichen Nachwirkungen der Revolution empfand die Herzogin nichts unangenehmer als die Sucht der Mädchen aus dem Volke, sich als »Damen« zu spreizen. Amiele war viel zu lebendig und bewegungslustig, als daß sie ihren Gang verlangsamt und mit gesenkten Augen einherstolziert wäre. Die Ermahnungen der Kammerfrauen fruchteten nicht viel. Amiele ging zwar langsamer, aber wie eine Gazelle an der Leine: tausend kleine Gesten verrieten ihre ländliche Herkunft. Die Gehweise der guten Gesellschaft, der die Gemessenheit ein Ideal ist, vermochte sie sich nicht anzueignen. Sobald sie sich nicht unmittelbar von den strengen Blicken der Frauenzimmer bewacht sah, flog sie wie der Wind durch die Flucht der Gemächer bis zu dem, wo die Gebieterin weilte. Frau von Miossens war durch die Angebereien ihrer Kammerfrauen von der Unbändigkeit ihres Lieblings unterrichtet. Sie ließ einen der Wandspiegel so aufstellen, daß sie die Heranspringende von ihrem Lehnstuhl aus beobachten konnte.
Der allgemeinen Entrüstung zum Trotz gereichte Amielens lebhaftes Wesen ihr schließlich doch zum Vorteil. Sowie die Herzogin überzeugt war, daß es Amielen nicht einfiel, eine Dame sein zu wollen, schloß sie sie erst recht in ihr Herz.
Amiele verstand nicht die Hälfte der Wörter, die tagtäglich in der Zeitung vorkamen. Frau von Miossens behauptete aber, um tadellos vorzulesen, müsse man jedes Wort verstehen. Von diesem Standpunkte machte sie sich ein Vergnügen daraus, Amiele alle Abende zu belehren, was die »Quotidienne« brachte. Das war keine Kleinigkeit; aber ohne daß es die Herzogin wahrnahm, entstand ihr aus der allabendlichen Bemühung um die Bildung des kleinen Mädchens eine Beschäftigung, die sie ganz erfüllte. Dadurch dauerte das Vorlesen der Zeitung immer drei Stunden, anstatt eine halbe. Die Weltdame erklärte dem kleinen Bauernmädel, das eine gute Auffassung hatte, aber drollig unwissend war, alle Dinge des Lebens. Schließlich währte der Kommentar zur Zeitung, die der Diener um 8 Uhr ins Zimmer brachte, häufig bis Mitternacht.
»Was? 12 Uhr?« rief die Herzogin vergnügt. »Ich hätte gewettet, es sei erst 10! Das war wieder einmal ein netter Abend!«
Die Herzogin hatte einen Abscheu davor, zeitig schlafen zu gehen. Oft begannen die Erläuterungen am nächsten Morgen von neuem, und zuguterletzt erklärte Frau von Miossens, – deren drittes Wort (welche Lästerung!) war: die Normandie habe Frankreich ins Verderben gestürzt, – die Erklärung der Zeitung genüge nicht zur Erziehung der »Kleinen«; so hieß Amiele im ganzen Schlosse. Ihrer Meinung nach mußte eine vollendete Vorleserin auch die Pointen aller der boshaften Histörchen verstehen, die die »Quotidienne« ihren Leserinnen über die Frauen der Hochfinanz und der Liberalen im Feuilleton auftischte. Nun las die Kleine die »Vieilles du Château« der Madame de Genlis vor, dann eine Reihe anderer Romane der berühmten Moralheuchlerin. Später fand die Herzogin Amielen sogar für würdig, den »Dictionnaire des Etiquettes« kennenzulernen, den tiefsinnigsten Schmöker des neunzehnten Jahrhunderts. Alles, was zur Unterscheidung und vor allem zur Abgrenzung der einzelnen Klassen der Gesellschaft dient, wurde besonders erläutert, denn die Herzogin war in ihrer Jugend nahe daran, gewesen, Herzogin zu werden, und nur die Tücke des Schicksals war schuld gewesen, daß sie den ersehnten Titel erst als Vierzigjährige erwarb, als sie, ihrer eigenen Aussage gemäß, keinen Wert mehr darauf legte, in der Gesellschaft eine Rolle zu spielen. Das lange Wartenmüssen hatte ihren von Natur schwachen und mißtrauischen Charakter verbittert. Mit der Jugendfrische fehlte ihr alles andere. Für irgendeinen ins Schloß verschlagenen armen Menschen leidenschaftlich sorgen zu können, hätte ihr Trost vielleicht gebracht; aber ihr Beichtvater hatte eine kleine Entgleisung dieser Art mit solchem Entsetzen aufgenommen, daß sie dann ohne weiteren Sündenfall an der Pforte des Alters angelangt war. Jener Fehltritt aber vermehrte nur ihre bittere Stimmung. Zuweilen fand sie das Bedürfnis, zornig zu sein. Ihr Hochmut wurde von den Damen der Nachbargüter als Verschrobenheit gedeutet, und alsbald stand der Salon der Frau von Miossens im Geruche der höchsten Langweiligkeit. Nur mit Widerwillen ging man hin und wegen der guten Tafel, die sie von ihrer ehemaligen fürstlichen Lebensführung beibehalten hatte.