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10. Aufgaben der Staatsbehörden.

20. August 1816.

Das Oberpräsidialschreiben d.d. Berlin den 16. Juni a.c. enthält die Gegenstände, welche bei der Verwaltung der westfälischen Provinzen vorzüglich und dringend die Aufmerksamkeit der Staatsbehörden in Anspruch nehmen ...

Die Bildung einer Staatsverfassung halte ich für den preußischen Staat für eine unerläßliche Bedingung seiner Erhaltung und Entwicklung.

Ihm fehlt geographische Einheit, Volkseinheit, denn er besteht aus reinen Slawen, aus germanisierten Slawen, aus Sachsen, aus Franken – Religionseinheit, denn 2/5 seiner Bevölkerung sind Katholiken – und diesen Mängeln kann nur durch Bildung eines Vereinigungspunktes für alle diese fremdartigen Teile abgeholfen werden, einer Nationalanstalt, wo alle zusammentreten und über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten sich beraten. Dann erst werden die Gesetze Achtung und Ehrfurcht erhalten, und man wird nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sein, daß die Gesetzgebung denen Händen ungeschickter, dummdreister, ökonomisch-politischer Empiriker und Abenteurer anvertraut ist.

Eine Nation wie die deutsche, die durch ihre ganze Geschichte den Charakter der Besonnenheit und der Treue behauptet, die ihn in den letzten Jahren auf eine so glänzende Art bewiesen und ungeheure Opfer gebracht, um das Joch zu zerbrechen, das der Unverstand seiner Regenten ihnen zugezogen, diese verdient nicht den Verdacht, daß sie das ihr bewiesene Vertrauen mit Undank, Untreue und Aufruhr erwidern werde.

Soll eine Verfassung gebildet werden, so muß sie geschichtlich sein, wir müssen sie nicht erfinden, wir müssen sie erneuern, ihre Elemente in den ersten Zeiten der Entstehung unseres Volkes aufsuchen und aus diesen sie entwickeln. Wie dieses vorzunehmen, was dieses für Resultate gibt, ist hier nicht der Ort auszuführen. Es ist ein sonderbarer Widerspruch, in den die verfallen, welche der Meinung sind, der Deutsche sei noch nicht reif zu einer Verfassung, da sie doch nicht verlegen sind, die Behörden zu bilden, denen die Gesetzgebung und Staatsverwaltung anzuvertrauen; finden sich Menschen zu Staatsbeamten in hinlänglicher Menge, warum sollen sich dann nicht Menschen zu Abgeordneten in eine Ständeversammlung finden? Mir scheint ferner, daß die Deutschen da, wo sie in Ständeversammlungen bisher vereinigt waren, im Württembergischen, Weimarischen, Hessischen, in den freien Städten, daß sie dort verständig, gründlich, gesetzlich, folgerecht gesprochen und gehandelt haben. Hat Frankreich und Polen eine Verfassung, und Deutschland soll keine haben?

Provinzialstände sind Teile der Staatsverfassung, ihre zweckmäßige Wiederherstellung sowie der Erbentage würde die Verwaltung vereinfacht, erleichtert und minder kostbar gemacht haben.

Die Verbesserung der bäuerlichen Verhältnisse in dem Teil Westfalens, wo Eigenbehörigkeit galt, beschäftigte schon seit dem Anfang des 18. Jahrhunderts die preußische Regierung. Das Dekret vom 13. September 1811 hat die bäuerlichen Verhältnisse auf eine sehr willkürliche Art aufgehoben. Diese unvollkommene und höchst drückende Verfassung wiederherzustellen, nachdem sie bereits seit fünf Jahren aufgehoben, wird wohl niemand raten, man würde bei einem zahlreichen und achtbaren Stand, dem Bauernstand, der die Stärke des Staates ausmacht, einen tiefen und lebhaften Unwillen erregen.


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