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27. April 1806.
Zu der Untersuchung des Zustandes der Angelegenheiten dieser Monarchie wird jeder bedeutende öffentliche Beamte aufgefordert durch die Gefahr, die sie bedroht, ihre Selbständigkeit und die ergiebigsten Quellen des Nationalreichtums zu verlieren, und durch den Unwillen der Nation über den Verlust ihres alten, wohlerworbenen Ruhms.
Der preußische Staat hat keine Staatsverfassung; die oberste Gewalt ist nicht zwischen dem Oberhaupt und den Stellvertretern der Nation geteilt. Er ist ein sehr neues Aggregat vieler einzelner durch Erbschaft, Kauf, Eroberung zusammengebrachter Provinzen. Die Stände dieser Provinzen sind örtliche Korporationen, denen eine Mitwirkung bei der Provinzialverwaltung anvertraut ist, die aber nur örtliche und nicht allgemeine Verhältnisse zu beurteilen und zu leiten berechtigt sind, wenn nicht der Gang der allgemeinen Angelegenheiten gelähmt und irregeleitet werden soll.
Da der preußische Staat keine Staatsverfassung hat, so ist es um so wichtiger, daß seine Regierungsverfassung nach richtigen Grundsätzen gebildet sei, und da er eine solche besitzt, da sie nur durch den Gang der Zeit untergraben worden, so ist es notwendig, sie in einer dem gegenwärtigen Zustand der Dinge angemessenen Form wiederherzustellen.
Nach der gesetzlich bestehenden Regierungsverfassung ist der Inbegriff der ganzen Staatsverwaltung verteilt zwischen den Hauptdepartements, der Militärbehörde, dem Kabinettsministerium, dem Generaldirektorium, dem Justizministerium und der schlesischen Ministerialbehörde.
Der Vereinigungspunkt sämtlicher Hauptdepartements ist der Staatsrat, der gegenwärtig aus fünfzehn Mitgliedern besteht.
Er ist aber gegenwärtig nur auf wenige und nicht bedeutende Geschäfte eingeschränkt und kann in Hinsicht auf Ansehen und Wirksamkeit als nicht existierend betrachtet werden.
Friedrich Wilhelm I. herrschte selbständig, beratschlagte, beschloß und führte aus durch und mit seinen versammelten Ministern.
Er bildete die noch vorhandenen Verwaltungsbehörden und regierte mit Weisheit, Kraft und Erfolg.
Friedrich der Große regierte selbständig, verhandelte und beratschlagte mit seinen Ministern schriftlich und durch Unterredung, führte durch sie aus, seine Kabinettsräte schrieben seinen Willen und waren ohne Einfluß.
Er besaß die Liebe der Nation, die Achtung seiner Bundesgenossen, das Zutrauen seiner Nachbarn.
Friedrich Wilhelm II. regierte unter dem Einfluß eines Favoriten, seiner Umgebungen, sie traten zwischen den Thron und seine ordentlichen Ratgeber.
Gegenwärtig verhandelt, beratschlagt, beschließt der Regent mit seinem Kabinett, dem mit diesen affiliierten Grafen von Haugwitz, und seine Minister machen Anträge und führen die in dieser Versammlung gefaßten Beschlüsse aus.
Es hat sich also unter der jetzigen Regierung eine neue Staatsbehörde gebildet, und es entsteht die Frage, ist diese Anstalt nützlich? und ersetzt die Güte ihrer subjektiven Zusammensetzung das Unvollkommene der Einrichtung selbst? Diese neue Staatsbehörde hat kein gesetzliches und öffentlich anerkanntes Dasein; sie verhandelt, beschließt, fertigt aus in der Gegenwart des Königs und im Namen des Königs.
Sie hat alle Gewalt, die endliche Entscheidung aller Angelegenheiten, die Besetzung aller Stellen, aber keine Verantwortlichkeit, da die Person des Königs ihre Handlungen sanktioniert.
Den obersten Staatsbeamten bleibt die Verantwortlichkeit der Anträge, der Ausführung, die Unterwerfung unter die öffentliche Meinung.
Alle Einheit selbst unter den Ministern ist aufgelöst, da sie unnütz ist, da die Resultate aller ihrer gemeinschaftlichen Überlegungen, ihrer gemeinschaftlichen Beschlüsse von der Zustimmung des Kabinetts abhängen.
Diese Abhängigkeit von Subalternen, die das Gefühl ihrer Selbständigkeit zu einem übermütigen Betragen verleitet, kränkt das Ehrgefühl der obersten Staatsbeamten; man schämt sich einer Stelle, deren Schatten man nur besitzt, da die Gewalt selbst das Eigentum einer untergeordneten Influenz geworden ist. Wird der Unwille des beleidigten Ehrgefühls unterdrückt, so wird mit ihm das Pflichtgefühl abgestumpft und diese beiden kräftigen Triebfedern der Tätigkeit des Staatsbeamten gelähmt.
Der Geist des Dienstgehorsams verliert sich bei den Untergebenen der obersten Vorsteher der Departements, da ihre Ohnmacht bekannt ist, und jeder, der den Götzen des Tages nahe kommen kann, versucht sein Heil bei ihnen und vernachlässigt seine Vorgesetzten.
Der Monarch selbst lebt in einer gänzlichen Abgeschiedenheit von seinen Ministern, er steht mit ihnen weder in unmittelbarer Geschäftsverbindung, noch in der des Umgangs, noch in der der besonderen Korrespondenz; eine Folge dieser Lage ist Einseitigkeit in den Eindrücken, die er erhält, in den Beschlüssen, die er faßt, und Abhängigkeit von seinen Umgebungen. Diese Einseitigkeit in den Ansichten und Beschlüssen ist eine notwendige Folge der gegenwärtigen Einrichtung des Kabinetts, wo alle innere Angelegenheiten nur durch einen und denselben Rat vorgetragen werden, der mit den verwaltenden Behörden in keiner fortdauernden Verbindung steht und dem die Geschäfte nur bei einzelnen Veranlassungen, sehr oft nur durch einzelne Berichte eines einzigen Ministers zukommen.
Man vermißt also bei der neuen Kabinettsbehörde gesetzliche Verfassung, Verantwortlichkeit, genaue Verbindung mit den Verwaltungsbehörden und Teilnahme an der Ausführung.
Da sich nun aus diesen Betrachtungen das Fehlerhafte der Einrichtung der neuen Staatsbehörde des Kabinetts ergibt, so entsteht die Frage: mildert ihre subjektive Zusammensetzung das Fehlerhafte ihrer Einrichtung?
Das Kabinett, insofern es sich nicht auf die Militärverwaltung bezieht, besteht aus den beiden Kabinettsräten Beyme und Lombard und dem mit ihnen vereinigten und von ihnen abhängigen Minister Grafen von Haugwitz.
Der Geheime Kabinettsrat Beyme besaß als Kammergerichtsrat Achtung wegen seines geraden, offenen Betragens, seiner gründlichen und gesunden Beurteilung, seiner Arbeitsamkeit. Er besitzt Kenntnisse der Rechtsgelehrsamkeit; mit den zur Leitung der inneren Staatswirtschaft nötigen Kenntnissen ist er nicht im mindesten vertraut.
Das neue Verhältnis, in welches er als Kabinettsrat trat, machte ihn übermütig und absprechend, die gemeine Aufgeblasenheit seiner Frau war ihm nachteilig, seine genaue Verbindung mit der Lombardschen Familie untergrub seine Sittenreinheit, seine Liebe zum Guten und verminderte seine Arbeitsamkeit.
Der Geheime Kabinettsrat Lombard ist physisch und moralisch gelähmt und abgestumpft, seine Kenntnisse schränken sich auf französische Schöngeisterei ein, die ernsthaften Wissenschaften, die die Aufmerksamkeit des Staatsmannes und des Gelehrten an sich ziehen, haben diesen frivolen Menschen nie beschäftigt. Seine frühzeitige Teilnahme an den Orgien der Rietzischen Familie, seine frühe Bekanntschaft mit den Ränken dieser Menschen haben sein moralisches Gefühl erstickt und an dessen Stelle eine vollkommene Gleichgültigkeit gegen das Gute und Böse gesetzt.
In den unreinen und schwachen Händen eines französischen Dichterlings von niederer Herkunft, eines Roués, der mit der moralischen Verderbtheit eine gänzliche physische Lähmung und Hinfälligkeit verbindet, der seine Zeit in dem Umgang leerer Menschen mit Spiel und Polissonnerien vergeudet, ist die Leitung der diplomatischen Verhältnisse dieses Staates in einer Periode, die in der neueren Staatengeschichte nicht ihresgleichen findet.
Das Leben des mit dem Kabinett affiliierten Ministers von Haugwitz ist eine ununterbrochene Folge von Verschrobenheiten oder von Äußerungen von Verderbtheit.
In seinen akademischen Jahren behandelte er die Wissenschaften seicht und unkräftig, sein Betragen war süßlich und geschmeidig.
Er folgte dann den Toren, die in Deutschland vor dreißig Jahren das Geniewesen trieben, strebte nach dem Nimbus der Heiligkeit, der Lavater umgab, ward Theosophe, Geisterseher und endigte mit der Teilnahme an den Gelagen der Rietz, an den Intrigen dieser Frau, verschwendete die dem Staate gehörige Zeit am L'hombre-Tisch und seine Kräfte in sinnlichen Genüssen jeder Art. Er ist gebrandmarkt mit dem Namen eines listigen Verräters seiner täglichen Gesellschafterin, eines Mannes ohne Wahrhaftigkeit und eines abgestumpften Wollüstlings.
Die Zusammensetzung des Kabinetts ersetzt also nicht durch seine Eigenschaft das Fehlerhafte der Einrichtung selbst, und eine notwendige Folge der Unvollkommenheit der Einrichtung und der Auswahl der Personen ist das Mißvergnügen der Bewohner dieses Staates über die gegenwärtige Regierung und die Notwendigkeit einer Veränderung.
Es ist demnach notwendig, daß eine unmittelbare Verbindung zwischen dem König und den obersten Staatsbeamten wieder hergestellt werde, daß die Personen, welche den Vortrag der Staatsgeschäfte zur endlichen Entscheidung bei dem König haben, gesetzlich und öffentlich hierzu berufen, ihre Versammlungen zweckmäßig organisiert und mit Verantwortlichkeit versehen werden.
Die Staatsgeschäfte lassen sich unter folgende Abteilungen ordnen:
Jeder dieser Geschäftszweige würde einem Minister anvertraut werden, der in der versammelten Deputation des Staatsrates dem König die zu seinem Geschäftskreis gehörigen Angelegenheiten vorträgt, der nach erfolgter Abstimmung sämtlicher Mitglieder seine Befehle bekannt macht.
Die Minister müssen die wichtigeren Angelegenheiten selbst vortragen und schriftlich ihre Meinung abgeben, die übrigen tragen die Kabinettsräte vor, diese fertigen die Angaben aus, die Minister unterzeichnen die Konzepte der Kabinettsordres.
Der Großkanzler wohnt den Versammlungen der Deputation des Staatsrats bei einzelnen, auf die Rechtspflege sich beziehenden Veranlassungen bei.
Die Kabinettsräte arbeiten in einem gemeinschaftlichen Bureau, welches während der Anwesenheit des Königs in Berlin und Charlottenburg hier ist, während der Anwesenheit des Monarchen in Potsdam nach Potsdam folgt.
Die Minister besuchen das Bureau täglich, um über die zum Vortrag kommenden Sachen zu deliberieren. Das regelmäßige und öftere Versammeln der Minister ist nötig, damit die Geschäfte gemeinschaftlich und nicht einseitig, nach übereinstimmenden Grundsätzen und nicht nach zufälligen, momentanen Ansichten und Einfällen bearbeitet werden.
Der Geschäftskreis des geheimen inneren Staatsrats würde sämtliche bisher zur königlichen unmittelbaren Entscheidung gebrachte Angelegenheiten umfassen, die Erfahrung würde Materialien zu einer genaueren und zweckmäßigen Bestimmung des Geschäftskreises verschaffen.
Eine gänzliche Umschmelzung der Geschäftsformen, eine Veränderung der Grundsätze erfordert eine Veränderung mit den Personen, welchen die Staatsverwaltung anvertraut ist.
Die gegenwärtigen Mitglieder des Kabinetts werden sich das untergeordnete Verhältnis, welches ihnen bestimmt ist, entweder nicht gefallen lassen oder es untergraben und hierzu den Einfluß, den Gewohnheit, Kenntnis der Individualität und Geschäftserfahrung gibt, benutzen.
Die neueren Ereignisse, wo wir feierlich sanktionierte Verträge im Augenblick der Erfüllung umgangen und bald darauf umgestoßen sahen, sind ein fürchterlich belehrendes Beispiel, wie notwendig es ist, Personen zu ändern, wenn man Maßregeln ändern will.
Die neue Staatsverwaltung kann auch nur durch die Entfernung der Mitglieder das alte Zutrauen erlangen, da diese in der öffentlichen Meinung sehr tief gesunken und zum Teil mit Verachtung gebrandmarkt sind.
Sollten Seine Königl. Majestät sich nicht entschließen, die vorgeschlagenen Veränderungen vorzunehmen, sollten Sie fortfahren, unter dem Einfluß des Kabinetts zu handeln, so ist es zu erwarten, daß der preußische Staat entweder sich auflöst oder seine Unabhängigkeit verliert, und daß die Achtung und Liebe der Untertanen ganz verschwinde.
Die Ursachen und die Menschen, die uns an den Rand des Abgrundes gebracht, werden uns ganz hineinstoßen; sie werden Lagen und Verhältnisse veranlassen, wo dem redlichen Staatsbeamten nichts übrig bleibt, als seine Stelle mit unverdienter Schande bedeckt zu verlassen, ohne helfen zu können oder an den sich alsdann ereignenden Verworfenheiten teilzunehmen.
Wer mit Aufmerksamkeit die Geschichte der Auflösung Venedigs, des Falls der französischen und sardinischen Monarchie liest, der wird in diesen Ereignissen Gründe finden zur Rechtfertigung der traurigsten Erwartungen.