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3. Darlegung der Lage von Europa und der von Preußen zu verfolgenden Politik.

11. August 1808.

Der Prinz von Ponte Corvo und Herr von Bourienne halten den gegenwärtigen Augenblick für geeignet, die Anträge wegen der Allianz Nämlich Preußens mit Frankreich und wegen Überlassung eines Truppenkorps unter Kommando, eines französischen Feldherrn zu erneuern, weil der Kaiser nötig haben werde, die Verhältnisse mit Preußen zu ordnen, da die mit Spanien und Österreich immer verwickelter würden. Der Prinz von Ponte Corvo sieht den ganzen jetzigen Zustand der Dinge nur als vorübergehend an; er glaubt, es komme nur darauf an, die gegenwärtige verhängnisvolle Epoche zu überleben, um die alsdann eintretenden günstigeren Verhältnisse zu benutzen.

Der jetzige Zeitabschnitt wird allerdings neue große Ereignisse herbeiführen, und man wird wohltun, ihn zu benutzen, um den Unterhandlungen über das Schicksal Preußens einen neuen Anstoß zu geben ...

Es ist übrigens sehr zweifelhaft, ob der gegenwärtige Zustand der Dinge vorübergehend oder dauernd ist – es kann sein, daß die durch die Kraft eines großen Mannes zusammengehaltene Masse nach seinem Tode sich auflöst, es kann auch sein, daß durch seine Ungebundenheit und Rücksichtslosigkeit solche Verwicklungen entstehen, die er aufzulösen nicht imstande ist. So scheint die Beharrlichkeit des Papstes bei seinen Grundsätzen, der Widerstand der Spanier, der ihn nötigt, Truppen zu brauchen, um sie zu bezwingen und, wann sie bezwungen sind, sie gehorsam zu erhalten, ganz außerhalb seiner Berechnung gelegen zu haben. Auf der anderen Seite ist es aber auch möglich, daß der Kaiser Napoleon alle diese Schwierigkeiten besiege und Österreich zertrümmere, alle alten Dynastien wie die Bourbonsche vernichte, die Monarchien ihrer Selbständigkeit beraube und Europa von Frankreich abhängig mache. Äußere Kriege werden alsdann nicht mehr entstehen, statt ihrer wird die Menschheit durch bürgerliche Kriege und den Ausbruch innerer Faktionen gepeinigt, alle Nationalität zerstört oder verkrüppelt, und die Leitung aller großen Angelegenheiten des Menschengeschlechts einer Bureaukratie, die von einem entfernten fremden Regenten die endliche Richtung erhält, anvertraut werden. Ein solcher Zustand der Dinge kann lange fortdauern, wie uns die Geschichte des römischen Reiches beweist.

Der gegenwärtige Zustand der Dinge sei nun vorübergehend auf das Leben des Kaisers Napoleon berechnet oder fortdauernd, so ist beides sehr unglücklich für die Nationen und für die Oberhäupter, und sie werden zur Anwendung aller Mittel, um das sie bedrohende Schicksal von sich zu entfernen, aufgefordert.

Es muß daher in der Nation das Gefühl des Unwillens erhalten werden über den Druck und die Abhängigkeit von einem fremden, übermütigen, täglich gehaltloser werdenden Volke – man muß sie mit dem Gedanken der Selbsthilfe, der Aufopferung des Lebens und des Eigentums, das ohnehin bald ein Mittel und ein Raub der herrschenden Nation wird, vertraut erhalten, man muß gewisse Ideen über die Art, wie eine Insurrektion zu erregen und zu leiten, verbreiten und beleben.

Hierzu werden sich mehrere Mittel auffinden und anwenden lassen, ohne daß die Regierung dabei tätig erscheint, die aber bei schicklicher Gelegenheit und unter günstigen Umständen diesen Geist wird benutzen können ...

Ein solcher Schritt setzt aber eine Verbindung mit Österreich und England voraus, um Waffen, Geld und die Mitwirkung des ersteren Staates zu erhalten, und um diese Verbindung zu erhalten, könnte man Vorbereitungen treffen.

Man würde beiden Mächten die Hauptidee, bei dem Ausbruch eines österreichisch-französischen Krieges durch Insurrektionen mitzuwirken, vorlegen lassen und von ihnen die Erklärung abfordern, was sie zu leisten bereit seien. Mit Österreich müßte der Operationsplan, mit England die Unterstützung an Geld und Waffen verabredet werden, und im Fall des Mißlingens die Sicherheit der königlichen Familie.

Denn man muß die Möglichkeit des Mißlingens fest im Auge halten und wohl erwägen, daß die Macht, die man angreift, groß und der Geist, der sie leitet, kräftig ist, daß der Kampf begonnen wird weniger in Hinsicht auf Wahrscheinlichkeit des Erfolges als auf die Gewißheit, daß ohnehin eine Auflösung nicht zu vermeiden, und daß es pflichtmäßiger gehandelt ist gegen die Zeitgenossen und die Nachkommen und ruhmvoller für den König und seine Nation, mit den Waffen in der Hand unterzuliegen, als sich geduldig in Fesseln schlagen oder gefangen halten zu lassen. Man muß sich mit dem Gedanken der Entbehrung jeder Art und des Todes vertraut machen, wenn man die Bahn betreten will, die man jetzt zu gehen sich vornimmt. Hat man auf diese Art sein Inneres vorbereitet, und treten günstige Umstände ein, so fange man in Gottes Namen die Sache an, und erinnere sich, daß durch Mut und Unerschrockenheit mit kleinen Mitteln große Zwecke erreicht worden sind. Man entferne aber auch alle träge, gegen edlere Gefühle abgestumpfte und jeder Hingebung und Aufopferung unfähige, elende Menschen, die alles lähmen und verderben, und denen es nur am ruhigen Genuß ihrer Erbärmlichkeit zu tun ist ...

Die Allianz muß nur zum Deckmantel dienen der Anstalten, die man treffen wird, um sich loszureißen...


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