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Unsere Bauernpolitik wird ausgelegt als Erweiterung der Demokratie für das Bauerntum und Änderung des Charakters der Regierung. Ist eine solche Auslegung richtig?
Erweitern wir tatsächlich die Demokratie auf dem Lande? Ja, das tun wir.
Ist das ein Zugeständnis an das Bauerntum? Zweifellos.
Ist dieses Zugeständnis groß und ist es zulässig auf Grund der Verfassung unseres Landes? Das Zugeständnis ist, wie mir scheint, nicht sehr groß und es ändert um kein Jota unsere Verfassung.
Was ändern wir dann und worin besteht das Zugeständnis?
Wir ändern die Praxis der Arbeit auf dem Lande, die unter den neuen Entwicklungsbedingungen vollkommen ungenügend war. Wir ändern die eingebürgerte Ordnung auf dem Lande, die das Bündnis zwischen Stadt und Land hemmte und die Arbeit der Partei für den Zusammenschluß des Bauerntums mit dem Proletariat störte.
Bisher war es so, daß in einer ganzen Reihe von Bezirken eine kleine Gruppe von Leuten, die mehr mit dem Gouvernement und dem Kreis zusammenhingen als mit der Dorfbevölkerung, das Land verwalteten. Dieser Umstand hat dazu geführt, daß diese Dorfverwalter mehr nach oben, auf den Kreis, schauten als nach unten, auf die Dorfbevölkerung; sie fühlten sich nicht dem Dorf, nicht den Wählern gegenüber verantwortlich, sondern dem Kreis und dem Gouvernement, ohne scheinbar zu verstehen, daß »oben« und »unten« nur eine Kette darstellen, und daß diese Kette, wenn sie unten zerrissen wird, ganz zerfallen muß. Hieraus ergaben sich unkontrollierbare Handlungen und Willkür einerseits, Unzufriedenheit und Mißstimmung in den Dörfern andererseits. Eine ganze Reihe von Mitgliedern der Dorf-Bezirks-Komitees und der Zellen sind aus diesem Grunde ins Gefängnis gesteckt worden. Jetzt wird dieser Mißwirtschaft auf dem Lande entschlossen und unwiderruflich ein Ende gemacht.
Bisher war es so, daß in einer ganzen Reihe von Bezirken die Sowjetwahlen auf dem Lande nicht wirkliche Wahlen darstellten, sondern eine leere Kanzleiprozedur, mit deren Hilfe »Delegierte« durchgedrückt wurden, wobei eine kleine Gruppe von Verwaltungsbeamten, die ihre Macht zu verlieren fürchteten, oft Zwangsmittel anwandte. Es ergab sich daraus, daß die Sowjets aus Organen, die den Massen nahestehen sollen, zu Organen werden konnten, mit denen die Massen nichts zu tun hatten. Die Partei war infolgedessen gezwungen, Neuwahlen der Sowjets anzuordnen, wobei diese Neuwahlen gezeigt haben, daß die alte Wahlpraxis in einer ganzen Reihe von Bezirken ein Überbleibsel aus der Zeit des Kriegskommunismus darstellte, daß sie als schädlich und durch und durch faul geworden beseitigt werden mußte. Jetzt wird einer solchen Wahlpraxis auf dem Lande entschlossen und unwiderruflich ein Ende gemacht.
Das ist die Grundlage des Zugeständnisses, die Grundlage der Erweiterung der Demokratie auf dem Lande.
Dieses Zugeständnis braucht nicht nur das Bauerntum; auch das Proletariat braucht es, denn es stärkt das Proletariat, hebt seine Autorität auf dem Lande, festigt das Vertrauen der Bauern zum Proletariat. Der Hauptzweck der Zugeständnisse und Kompromisse überhaupt besteht bekanntlich letzten Endes in der Stärkung und Festigung des Proletariats.
Welches sind die Grenzen dieser Zugeständnisse in diesem Moment?
Die Grenzen dieser Zugeständnisse sind von der 14. Konferenz der KPR und dem 3. Sowjet-Kongreß der USSR festgelegt worden. Sie wissen, daß sie sich auf den Rahmen beschränken, von dem ich eben gesprochen habe. Das bedeutet aber nicht, daß sie bis in alle Ewigkeit unerschütterlich bleiben müssen. Im Gegenteil. Sie werden sicher erweitert werden mit dem Wachstum unserer Volkswirtschaft, mit der Festigung der wirtschaftlichen und politischen Macht des Proletariats, mit der Entwicklung der revolutionären Bewegung im Westen und Osten, mit der Stärkung der internationalen Positionen des Sowjetstaates. Lenin sprach im Jahre 1918 von der Notwendigkeit der »Ausdehnung der Sowjetverfassung auf die ganze Bevölkerung in dem Maße, in dem die Ausbeuter ihren Widerstand aufgeben«. (Siehe Lenin, Werke, Band XV). Wie Sie sehen, ist hier die Rede von der Ausdehnung der Verfassung auf die gesamte Bevölkerung, darunter auch auf die Bourgeoisie. Das ist im März 1918 gesagt worden. Von dieser Zeit bis zum Tode Lenins sind mehr als 5 Jahre vergangen. Trotzdem hat Lenin in diesen Jahren mit keinem Worte von der Notwendigkeit der Durchführung einer solchen Maßnahme gesprochen. Warum? Weil die Zeit hierfür noch nicht gekommen war. Aber daß sie einmal kommen wird, wenn die inneren und internationalen Positionen des Sowjetstaates endgültig gefestigt sein würden, daran konnte kein Zweifel bestehen.
Aus diesem Grunde sind wir, obgleich wir die Notwendigkeit der Erweiterung der Demokratie in der Zukunft voraussehen, doch jetzt der Ansicht, daß in diesem Moment die Zugeständnisse in bezug auf die Demokratie beschränkt werden müssen auf den Rahmen, den die 14. Konferenz der KPR und der 3. Sowjet-Kongreß der USSR festgelegt haben.
Ändern diese Zugeständnisse den Regierungscharakter? Nein, das tun sie nicht.
Tragen sie Änderungen in das System der Diktatur des Proletariats im Sinne einer Schwächung hinein? Nein, in keinem Falle.
Die Diktatur des Proletariats wird nicht schwächer, sondern stärker durch die Belebung der Sowjets und die Hinzuziehung der besten Elemente des Bauerntums zur Verwaltungsarbeit. Die Führung des Bauerntums durch das Proletariat bleibt dank der Erweiterung der Demokratie nicht nur bestehen, sondern schöpft aus ihr noch neue Kräfte, da eine Atmosphäre des Vertrauens zum Proletariat geschaffen wird. Das aber ist das Wichtigste in der Diktatur des Proletariats, wo es sich um die Beziehungen zwischen Proletariat und Bauerntum im System der Diktatur handelt.
Die Genossen haben nicht recht, die behaupten, daß der Begriff der Diktatur des Proletariats erschöpft wird durch den Begriff der Gewalt. Die Diktatur des Proletariats bedeutet nicht nur Gewalt, sondern auch die Führung der werktätigen Massen durch die proletarischen Massen, den Aufbau der sozialistischen Wirtschaft, die einen höheren Typus als die kapitalistische Wirtschaft darstellt und über eine größere Produktivität der Arbeit verfügt. Die Diktatur des Proletariats bedeutet 1. die durch kein Gesetz begrenzte Gewaltanwendung in bezug auf Kapitalisten und Grundbesitzer, 2. die Führung in bezug auf das Bauerntum durch das Proletariat und 3. den Aufbau des Sozialismus in bezug auf die gesamte Gesellschaft. Keine von diesen drei Seiten der Diktatur kann fortfallen, ohne die Gefahr, den Begriff der Diktatur des Proletariats zu entstellen. Nur diese drei Seiten zusammengenommen geben uns einen vollständigen und abgerundeten Begriff von der Diktatur des Proletariats.
Bringt der neue Kurs der Partei in der Richtung der Sowjet-Demokratie irgendwelche Verschlechterungen in das System der Diktatur hinein?
Nein, das tut er nicht. Im Gegenteil! Der neue Kurs verbessert nur die Lage, er festigt das System der Diktatur des Proletariats. Wenn man vom Element der Gewalt im System der Diktatur spricht – der Ausdruck der Gewalt aber ist die Rote Armee – so braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden, daß eine Erweiterung der Demokratie auf dem Lande die Lage der Roten Armee nur bessern kann; denn sie gruppiert sie, die ja vorwiegend aus Bauern besteht, noch enger um die Sowjet-Regierung. Wenn man vom Element der Führung im System der Diktatur spricht, so kann wohl kaum bezweifelt werden, daß die Losung der Belebung der Sowjets dem Proletariat die Führung nur erleichtern kann, da sie das Vertrauen der Bauern zur Arbeiterklasse stärkt. Wenn man aber vom Element der Aufbauarbeit im System der Diktatur spricht, so braucht wohl nicht erst bewiesen zu werden, daß der neue Kurs der Partei den Aufbau des Sozialismus nur fördern kann, denn er bezweckt die Festigung des Bündnisses zwischen Stadt und Land, ohne die der Aufbau des Sozialismus nicht möglich ist.
Die Schlußfolgerung ist folgende: Die Zugeständnisse an das Bauerntum stärken in den jetzigen Verhältnissen das Proletariat, festigen seine Diktatur und ändern um kein Jota den Charakter der Regierung.
So steht es mit der fünften Frage. Gehen wir jetzt zur sechsten über.