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Es war ein trüber Tag. Kein Hauch, kein Atem ging
Im stummen Nebel, der erstaunt vom Himmel hing.
Und scheuen Seitenblickes, mit erhobener Zehe,
Stockten die leisen Stunden, witternd Schicksalsnähe,
Und Schweigen horchte hinterm Hag und bang Erwarten.
Da wandelte in seinem herbstentlaubten Garten
Prometheus glückversonnen und gedankenschwer
In lässigem Schlenderschritte stetig hin und her,
Mit unbewußtem Blicke einem Sonnenstrahl
Nachschauend, der sich durch den Nebelschleier stahl,
Und nach der Amsel horchend, wenn im dürren Hag
Sie zwitschert einen träumerischen Zungenschlag.
Darob versah er sich, vergaß die Willenswacht.
Der Aufsicht los, entschlüpft ihm seine Seele sacht,
Und steilen Fluges in die Lüfte sich erhebend,
Mit stolzen Schwingen über seinem Scheitel schwebend,
Entließ sie einen übermütigen Jauchzerstoß:
«Wie ist die Welt so klein! Wie ist der Mensch so groß!»
Aufschreckend zürnt er: «Wehe dir, vermeßne Seele!
Schuld über deinem Haupt! Steig nieder! Ich befehle.»
Nur lauter lachte sie die Jauchzer in die Weite.
Mit einmal stand der Engelgottes ihm zur Seite.
«Prometheus», grüßt er, «schmerzlich hab ich und empört
Das freche Lachen deiner Seele angehört,
Die sonder Zucht und Scham im Hochmutüberschwall
Verachtung höhnt dem heiligen, gotterschaffnen All.
Darum gebiet ich dir, Prometheus, und befehle:
Weil ruchlos ist und eigengötzisch deine Seele,
Von spöttischer Hoffart geil, so trenne dich von ihr!
An ihrer Stelle ein Gewissen schenk ich dir,
Das nach der heiligen Vorschrift deine Taten leite
Und auf dem Pfad der Tugend streng voran dir schreite.»
«Herr und Gebieter, Fürst des Himmels und der Erde»,
Erwidert er mit untertäniger Gebärde,
«Sieh mich in schuldiger Ehrerbietung dir zu Füßen;
Gewährung aber kann ich deinem Wunsch nicht grüßen.
Wie ruchlos meine Seele sei – dein Urteil sagt es;
Es anzuzweifeln, wer vermäße sichs, wer wagt es? –
Mag ich sie gleichwohl nicht verstoßen; ihrer stillen,
Erbarmungkundigen, schönen Menschenaugen willen,
Die wärmer wärmen mit den keuschen Freundschaftflammen
Als alle andre Wärme in der Welt zusammen.
Der Seele bar, so sind mir Mut und Kraft verdorben,
Sind Erd und Himmel grau und ich bin ausgestorben.»
Zum andern Male jetzt der Engelgottes sprach
– Und was er sagte, drückte seine Stimme nach –:
«Wenn gegen den Befehl dein Trotz sich sträubt, vielleicht
Daß er der weisen väterlichen Mahnung weicht.
Vernimm: Ich habe dich entdeckt seit langer Zeit
Und ausgehoben und geprüft in Heimlichkeit,
Dein Tun und Lassen Tag und Nacht mit Fleiß belauschend,
Bis auf den Atemstrom, durch deinen Schlummer rauschend.
Die Prüfung abgeschlossen und dein Maß gewonnen,
Hab ich auf eine Gunstbezeugung mich besonnen.
Du aber siehe zu, daß du mirs auch erlaubst
Und nicht durch steifen Trotz des Lohnes dich beraubst.
Du hast vernommen, was dir mein Gebot befahl.
Wohlan, in Gnaden frag ich dich zum zweiten Mal:
Willst du, gehorchend meinem Freundesrat, Verzicht
Auf deine arge Seele leisten? Willst du nicht?
's ist ja und nein. Nun die Entscheidung reichlich wäge
Und, eh du redest, deine Worte überlege.»
So sprechend tändelt er als wie zum Zeitvertreibe
Mit einem farbigen Bilderfächer, dessen Scheibe,
Indem er sie, verführerisch entfaltet, stäte
Mit spielerischer Hand im Pfauenrade drehte,
Des Erdenglückes tausendfache Süßigkeiten
Vor seinen durstigen Augen ließ vorüber gleiten.
Und Bild um Bild. Jedoch das Köstlichste verhieß
Das, was des Fächers flüchtig Rad nur ahnen ließ.
Jetzt, vor des Zauberfächers Blendespiel, erkrankte
Des Stolzen Sicherheit; er zweifelte, er schwankte.
Bald sprang sein Wille hitzig vor, bald rückwärts wieder,
Und stürmisch flatterte sein Atem auf und nieder.
Schließlich, den Blick wegzerrend – mühsam wards erkämpft –
Gab er mit fester Stimme, düster und gedämpft:
«Ich bin ein schwacher Mensch, bin jung, bin lebenslüstern,
Die Heißgier hör ich winseln und die Klugheit flüstern;
Denn was des Engelgottes mächtige Gunst bedeutet,
Weiß meine Trauer, die das Sterbeglöcklein läutet.
Darf dennoch deine väterliche Hand nicht fassen.
Verwehrt! Von meiner Seele kann ich nimmer lassen.
Und wärs mein Unheil, wärs mein bitter Herzeleid:
Umsonst. Ich kenne keinen anderen Bescheid.»
«Ist das dein letztes, denk mit Macht, dein letztes Wort?»
Und als der andere verstummte, schied er fort.
Doch zögernd schritt er dannen, widerwillentlich.
Und mehr als einmal blinzt er, hoffend, hinter sich,
Ob nicht, wer weiß, im letzten Augenblicke noch
Der Störrische sich füge und gehorche doch.
Endlich, ob ungern, angelangt am Gartentor,
Setzt er den Fuß auf eine Latte, bog sich vor
Und nestelte an seinem Schuh; mit linkischen Händen,
Denn niemals mocht er mit dem Nestelknüpfen enden.
Hinter dem Holzstoß aber, lauernd im Verstecke,
Hatt' Epimetheus, spähend um die Mauerecke,
Ein jeglich Wort, was von den beiden her und hin
Gesprochen worden war vom ersten Anbeginn,
Mitangehört und auch dem listigen Kreiseldrehen
Des Engelgottes mit dem Fächer zugesehen.
Und wie er nun – o Schicksalswink! – beim Tor im Garten
Ihn weilen sah und auf des Bruders Reue warten,
Zwickt ihn die Schlauheit, daß geschwind, dem Zaun entlang,
Er ihn einholte und ihm seine Knie umschlang.
Dann frommen Blickes aus den Augen rein und klar
Reicht er aus freien Stücken seine Seele dar.
Mißtrauisch erst, die Augen forschend aufgetan,
Schaute der Engelgottes sich den Neuling an.
Ha, Überraschung! Recht geschaffen und ansehnlich,
War er im Bild des Angesichts Prometheus ähnlich,
So daß, je mehr die Prüfung in dem Antlitz las,
Des mehr des Prüfers Wohlzufriedenheit genas.
«Was ist dein Name?» fragt er ihn mit gnädigem Lob
Für seine Frömmigkeit. Und tröstet ihn und hob
Ihn auf und nahm das Opfer huldreich an. Hernach
Schenkt er ihm ein Gewissen zum Ersatz und sprach:
«Folg ihm, es wird dein zuverlässiger Führer sein.
Glaub ihm, vor Irrtum schützt es dich und Zweifelspein.»
Also der heilige Tausch einträchtiglich vollzogen,
Verschied der Engelgottes freundlich und gewogen.
Doch Staunen, welcherlei Verwandlung wunderbar
Mit Epimetheus dank dem Tausch geschehen war!
Denn siehe des Gewissens zaubermächtige Werke:
Gestützt von eines steifern Rückenmarkes Stärke,
Die Schultern wie von Engelsflügeln hochgehoben,
War größer er an Wuchs vom Fuß zum Scheitel oben,
Indes, geschöpft aus einem brünstigen Dankgebete,
Ein Leuchten ihn verklärt, ein Odem ihn umwehte.
Und wie er nun nach Hause steuerte den Gang,
Geschah es diesmal nicht im Schlich dem Zaun entlang,
Nein: herzhaft auf dem Wege, in des Gartens Mitte.
Und hörbar pochten seine festen, sichern Tritte.
«Wohl mir, daß ichs getan!» Ihn sang, ihn jauchzte schier.
Anders jedoch vor seines Bruders Auge. Hier
Verhuscht er auf den Zehen, duckte das Genick
Und flüchtete ins Nebelgrau vor seinem Blick.