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Prometheus und Epimetheus

Ein Gleichnis


Erster Teil

Faksimile

Erste Seite der Druckhandschrift zum ersten Teil der Erstausgabe von »Prometheus und Epimetheus« (1880)
Aus dem Besitz von Herrn R. Sauerländer-Oehler in Aarau

Einleitung

Es war in seiner Jugendzeit – Gesundheit rötete sein Blut und täglich wuchsen seine Kräfte –,

Da sprach Prometheus Übermutes voll zu Epimetheus, seinem Freund und Bruder:

«Auf! laß uns anders werden als die Vielen, die da wimmeln in dem allgemeinen Haufen!

Denn so wir nach gemeinem Beispiel richten unsern Brauch, so werden wir gemeinen Lohnes sein und werden nimmer spüren adeliges Glück und seelenvolle Schmerzen!»

Und in dem andern zündete das Wort, und also machten sie sich auf, und wo am stillsten war ein Tal und wo am lauschigsten sich fügeten die Berge, da wählten sie ihr Heim und baueten ein jeglicher sein Haus von hüben und von drüben an dem klaren Brunnen.

Und allda lebten sie getrennt von allem Volk und gingen nicht zu opfern bei der Brüder Göttern und gingen nicht zu Markte kaufen von den richtigen Begriffen, und wenn die andern sangen, sangen sie nicht mit.

Und legten einen Balken vor den Weg und sperreten mit Schloß und Riegel wohl das Tal und nahmen kein Gesetz und keine Sitte an, und war ihr einziges Gebot der eignen Seele Flüstern, wenn sie sinnend wandelten in Wald und Hain und an des Berges duftgen, blumigen Geländen.

 

Und über alle dem, so ward besonders ihre Art und anders ihre Sprache, also daß sie sagten «r», wo alle sprachen «l», und daß sie rücklings sich verneigten, wo die andern sich bekreuzigten in ihres Herzens andachtvoller, staunender Verehrung.

Und ward daraus ein gegenseitges Mißverhältnis hin und her, und es geschah, wenn ab und zu ein Zufall oder auch geselliges Verlangen sie verführte in der Brüder Kreis, so stockte allsofort das Spiel und wurde stumm das trauliche Gespräch – und fanden keinen Platz und paßten nirgends hin und waren allerorten fremde, unwillkommne Gäste.

Und abends, wenn sie gleich den andern auf der großen Straße sich erlabten an der sommerlichen Luft, da saßen vor dem Tor die Ältesten des Volks im Sonnenschein und flüsterten und sprachen einer zu dem andern mit Behagen:

«Von wannen kommen die? und nicht gemein ist ihre Art, jedoch es fehlt darin ein Etwas, das ich sehr vermisse.»

Und gleichgestimmten Muts ergänzete und sprach der andre:

«Und auch ein Etwas ist darin zu viel, das mir mißfällt auf eine jede Weise.»

Und niemand, der nicht Anstoß nahm an ihrer Art, ein jeglicher von einer andern Seite.


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