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Nach der Meinung der beiden aufwartenden Diener war die Tafel seit mindestens zehn Minuten zu Ende. Friedrich, der das Dessert herumgereicht hatte, stand mit müßigen Händen da; Johann spähte vergebens nach einem leeren Glase und wiegte sich in der Hoffnung, die kaum angeschänkte Flasche Röderer, die er am Henkel hielt, in die Küche retten zu können.
»Wir sitzen Ihnen zu lange, gnädige Frau,« flüsterte der Kammerherr von Brenken, der zu Susis Rechten saß. »Ich sehe es Ihnen an.«
»Ich mag die Leute nicht, die mir alles ansehen,« antwortete Susi in demselben leisen Ton. »Uebrigens haben Sie diesmal ausnahmsweise recht. Aber Astolf –«
»Wenn Sie ihm einen Wink gäben!«
»Als ob er auf Winke reagierte! Ich winke schon seit einer Viertelstunde. Und dabei hat er Ihren reizenden Toast noch nicht einmal erwidert!«
»Sie beschämen mich, gnädige Frau! Reizenden Toast! Lieber Gott! nicht annähernd, nicht im entferntesten so reizend wie sie, der ich ihn brachte.«
Susi errötete bis in die kleinen Ohren.
»Sie müssen so nicht reden,« erwiderte sie mit einem Schmollen, das ihr allerliebst stand; »Sie wissen, ich mag das nicht. Aber Astolf ist wirklich unerträglich. Haben Sie einen Bleistift, Herr von Brenken?«
Odo griff in die Brusttasche seines Fracks und produzierte ein Visitenkartentäschchen, dessen Silberstift er der Dame reichte.
Sie schrieb hastig auf die Rückseite ihrer Tischkarte ein paar Worte und winkte Friedrich herbei. Im nächsten Moment war Friedrich hinter den Stuhl seines Herrn getreten.
»Herr Baron –«
»Was soll's?«
Astolf warf einen Blick auf das Kärtchen, das der Diener neben seinen Dessertteller auf den Tisch gelegt hatte. Er schlug sich vor die Stirn, suchte vergebens die Augen Susis, die bereits wieder mit Brenken sprach, lachte ein kurzes verlegenes Lachen, räusperte sich verstohlen, hob seine große Gestalt vom Stuhl auf, klingte an das Glas und sagte:
»Meine Damen und Herren! Sie haben es sich selber zuzuschreiben – insonderheit unsre verehrte Excellenz von Bartenstein zu meiner Rechten und unser liebes Fräulein von Merbach zu meiner Linken – wenn ihm, der das Glück hat, Sie an seiner Tafel zu sehen, eher das Gewissen als die Stunde schlägt; und ihm auch nicht einmal das Gewissen schlagen würde, wäre es ihm nicht durch sie geweckt worden, die ihm der liebe Gott eigens zu dem Zwecke zur Gesellin gab. Hier halte ich in meiner großen Faust ein Kärtchen, auf welchem auf dem Avers: ›Die Wirtin‹ und auf dem Revers von einer zierlichsten, kleinsten, weißesten Hand in kaum entzifferbaren Lettern, die mir trotzdem wie Flammenschrift in die Seele brennen, geschrieben steht: ›Willst du nicht endlich unsre Gäste leben lassen?‹ Meine Damen und Herren, wenn ich es recht bedenke: eine gar nicht aufzuwerfende Frage! Ob ich Sie leben lassen will? Ja, wie arm wäre mein eigen Leben, würde es nicht durch Ihr Mitleben so herrlich bereichert und verschönert? Wahrlich, ich bin nicht undankbar gegen die Segnungen, mit denen der Himmel mich begnadigt hat. Im Gegenteil! ich danke Gott täglich aus vollem Herzen dafür, daß er mich hier sitzen läßt auf einer Scholle, auf der meine Vorfahren schon vor dreihundert Jahren saßen; daß er mir gegen mein Verdienst und Würdigkeit ein solches Weib beschert und unsern Bund mit einem Töchterlein gesegnet hat, dessen ersten, heute wiederkehrenden Geburtstag Sie mit den glücklichen Eltern zu feiern gekommen sind. Dennoch verstehe ich Wallensteins schönes Wort: ›Ueber alles Glück geht doch der Freund, der's fühlend erst erschafft, der's teilend mehrt!‹ Meine Damen und Herren! Ich müßte Sie nun bitten, Ihre Gläser auf Ihr eigenes Wohl zu leeren. Das wäre kein Unglück. Warum sollte man – besonders wenn man ein Deutscher ist – nicht gelegentlich einmal auf seine eigene Gesundheit trinken! Aber ich weiß, mehr Freude macht es Ihnen doch, und fröhlicher werden die Gläser zusammenklingen, wenn ich meine Dankbarkeit gegen die Freunde zusammenfasse in dem Namen dessen, den Freund zu nennen mir die Ehrfurcht verbietet, und der es mir doch in der idealsten Bedeutung des Wortes Zeit meines Lebens gewesen ist. Und der auch heute, wie er selbst die Gnade gehabt hat, mir zu depeschieren, in unsrer Mitte sein würde, hätte er der Einladung an den benachbarten Hof nicht Folge leisten müssen. Meine verehrten Freunde, auf das Wohl seiner Hoheit, unsres gnädigen geliebten Herzogs und Herrn!«
Bereits bei den Worten »im Namen dessen« hatte sich die verständnisvolle Gesellschaft von ihren Sitzen erhoben und stimmte nun diskret in das dreimalige Hoch ein, das Astolf mit seiner lauten Stimme in den Saal schmetterte. Er blickte ein wenig verwundert drein, als die Herrschaften nicht wieder Platz nahmen, sondern dem Beispiel der schönen Wirtin folgten, welche den Arm ihres Kavaliers, des Oberhofmarschalls, genommen hatte und von der Tafel zurückgetreten war.
»Schade!« sagte Astolf, während er seine Dame aus dem Speisesaal in den Salon führte; »wir saßen noch so nett beisammen!«
»Volle anderthalb Stunden, lieber Baron,« erwiderte Excellenz von Bartenstein. »Zu viel für ein so zartes Wesen, wie unsre liebe Susi. Ich habe es ihr angesehen.«
Astolf teilte mit einer gewissen Hast rechts und links seine Händedrücke und sein »gesegnete Mahlzeit!« aus. Er hatte es so eilig zu Susi zu kommen. Endlich war er bei ihr und streckte ihr beide Hände weit entgegen:
»Gesegnete Mahlzeit, liebste Susi!«
»Aber Astolf!« flüsterte Susi errötend.
Es hatte wirklich ausgesehen, als ob er sie vor der Gesellschaft umarmen wollte, und sie hatte das satirische Lächeln in den matten, immer halbverschleierten Augen von Brenkens, der nahe dabeistand, wohl bemerkt.
»Freilich!« murmelte Astolf, die geliebte Hand, die er nur an den Spitzen der zarten Finger hatte ergreifen dürfen, wieder fallen lassend.
Die alte Geschichte! Er war und blieb der plumpe Bär, der in dem Ausdruck seiner Empfindungen nicht Maß zu halten wußte, und damit anstieß, wie mit seinen großen Gliedmaßen, für die er selten den rechten Platz fand.
»Ich gratuliere Ihnen zu Ihrem Speech,« sagte von Brenken herantretend. »Hat er nicht brillant gesprochen, gnädige Frau?«
»Spricht er denn jemals anders?« sagte Susi, die großen dunkelblauen Augen, wie in zärtlicher Bewunderung, zu ihrem Gatten erhebend.
»O, du – du –« murmelte Astolf.
Und nun hätte er wirklich die ungeheure Unschicklichkeit begangen und die holde Gestalt an seine Brust gezogen, wenn in diesem Augenblick nicht Friedrich mit dem Kaffeebrett und Johann mit den Likören auf der Tablette zwischen sie getreten wäre.
Die Herrschaften schoben sich, die Tassen in den Händen, plaudernd durcheinander; wie immer war der Herzog das Hauptthema der Unterhaltung. Wie schade, daß er gestern abend zur Jagd hatte fahren müssen! Und er ging immer so ungern an den Nachbarhof, dessen steife Etikette ihm ein Greuel war! Ja, wenn es mit der Etikette gethan wäre! Aber die Geschichten, die da passieren! Jetzt wieder die Affaire mit der Komtesse – Gnädigste, ich schweige ja schon, obgleich ich es aus dem Munde unsres gnädigsten Herrn selber habe! Was ich sagen wollte: Hoheit mußten diesmal hinüber, weil Prinz August drüben ist und, wie die Dinge nun einmal liegen, es in Berlin sehr übel bemerkt wäre, hätte Hoheit sich entschuldigen lassen. – Und wie zartfühlend von ihm, den trip beinahe ohne Gefolge zu machen, bloß mit Breitenbach und Nöda, weil sie nicht zu den Intimen unsrer lieben Wirte gehören und also gewissermaßen bei einem Familienfeste abkömmlich waren. – Ja, Hoheit ist stets die Delikatesse selbst! – Und dann, gnädigste Gräfin, vergessen wir nicht: ein Jugendfreund, wie unser Vachta, hat bei Hoheit noch immer einen Stein im Brette vor uns voraus. – Den Sie ihm doch nicht mißgönnen werden, cher Baron? – Ums Himmelswillen! den ich so begreiflich, so völlig in der Ordnung finde! – Ach! sieh da!
Die Flügelthür nach dem Hausflur hatte sich aufgethan und unter dem Vortritt einer behäbigen Matrone in großer weißer Haube war eine hübsche junge Altenburger Bäuerin erschienen, die in ihren kräftigen nackten Armen eine große Wolke Spitzen trug, in welcher man, wenn man genau zusah, ein kleines blondes Kinderköpfchen entdecken mochte. Die Damen drängten sich herzu: Wie entzückend! – Nein, zu süß! – Der Mama wie aus den Augen geschnitten! Finden Sie nicht? – Ich meine, um das Mündchen herum hat es einen Zug von dem Papa. – Aber keine Spur!
»Meine Damen, ich werde Ihnen die Vergleichung erleichtern,« rief Astolf, der Amme die Spitzenwolke abnehmend und sie in seinen eigenen mächtigen Armen triumphierend herumzeigend.
»Um Gotteswillen, er wird es doch nicht fallen lassen,« sagte Fräulein Merbach angstvoll zu Susi. »Fürchten Sie sich wirklich nicht?«
»Ich fürchte mich nie,« erwiderte Susi lächelnd.
»Das ist wahr. So zart Sie sind. Sie haben erstaunlich starke Nerven. Ich muß Sie immer wieder deshalb bewundern.«
»Aber Astolf, nun ist es genug!«
Susi hatte Frau Poltrok einen Wink gegeben; Frau Poltrok das Baby Astolf, der eben mit ihm in dem Nebenraum verschwinden wollte, abgenommen, es der Amme wieder in die Arme gedrückt und verließ stolz, wie sie gekommen, mit dem ihrer Obhut anvertrauten Schatz den Salon.
»Nun haben Sie das Beste versäumt,« sagte Astolf, zu dem Lieutenant von Rörlach und dem Maler Fritz Sommer tretend, die in dem Nebenraume die große Scene verplaudert hatten. »Ich wollte es Ihnen eben bringen, aber die Weiber haben es mir konfisziert – Baby nämlich.«
»O, wie schade!« rief der Lieutenant.
»Na, dann ein andermal!« sagte Astolf, und sich zu dem Künstler wendend:
»Ich habe Sie noch gar nicht gefragt: fleckt's mit Ihrem Porträt von Hoheit?«
»Das ist eine ver– eine schwierige Sache,« erwiderte der Maler. »Malen Sie mal jemand, den Sie nicht zum Sitzen kriegen!«
»Hoheit ist so viel in Anspruch genommen,« meinte der Lieutenant entschuldigend.
»I, er hätte schon Zeit,« sagte der Maler. »Er hat auch im Anfang zweimal wirklich jedesmal eine halbe Stunde ausgehalten. Dann hat er die Sache satt gehabt; und wenn ich ihn jetzt einmal auf zehn Minuten zum Sitzen bringe, kann ich von Glück sagen. Na, acht Tage will ich die Geschichte noch mit ansehen. Dann heißt es: sauve qui peut!«
»Der Herzog läßt Sie nicht weg,« sagte der Lieutenant.
»So brenne ich durch. In meinem Atelier in Karlsruhe stehen zwei angefangene Bilder, die ich für Wien fertig haben muß. Da beißt kein Mäuslein ein Fädlein ab.«
»Haben Sie die Skizze meiner Frau von Lenbach schon gesehen?« fragte Astolf, dem die Wendung, die das Gespräch genommen hatte, peinlich war.
»Von Lenbach?« rief Sommer erstaunt, »Der Tausend, wie kommen Sie denn dazu?«
»Wir waren auf unsrer Hochzeitsreise in vorvorigem Herbst eine Woche in München, Ich kannte Lenbach von früher. Meine Frau sollte ihm durchaus sitzen.«
»Das will ich glauben,« sagte der Maler lächelnd, »Na, lassen Sie doch einmal sehen!«
»Darf ich mich anschließen?« fragte, herantretend, Fräulein von Merbach.
»Sie kennen es ja bereits. Gnädigste,«
»Das kann man nicht oft genug bewundern.«
Ein paar andre Gäste hatten sich hinzugesellt.
»Ich muß die Herrschaften dann aber die enge Hühnersteige in mein Arbeitszimmer hinaufführen,« sagte Astolf.
»Eine große Ehre!« rief der Oberjägermeister von Feuchtleben. – »Sie müssen nämlich wissen, da hat er auch die reizenden Zeichnungen und Skizzen der gnädigen Frau aufgestellt; und die hütet er argwöhnisch vor jedermann, wie ein Drache seine Schätze.«
»Das ist ja interessant,« sagte der Maler.
»Sie werden anders denken, wenn Sie sie gesehen haben,« sagte Susi, die in der Thür erschienen war.
»Was gilt die Wette, gnädige Frau?«
»Ich wette nie, wenn ich sicher weiß, daß ich gewinnen muß. Astolf, konntest du unsre Gäste nicht damit verschonen?«
»Aber Susi! Nicht wahr, Herr Sommer, Raphaels verlangen Sie von meiner Frau nicht?«
»Wer verlangt jetzt noch nach Raphaels?« erwiderte der Maler, spöttisch lächelnd. »Ich hoffe, die gnädige Frau schwört zum plain air,«
»Na, versteht sich,« rief Astolf mit seinem breiten herzlichen Lachen, »Großartig, sage ich Ihnen! Komm doch mit, Susi! Kannst dann gleich hören, was Herr Sommer sagt,«
»Ich denke, es ist besser, ich höre es weder gleich, noch später,« erwiderte Susi anmutig lächelnd und hinter der Portiere in dem Salon verschwindend, während Astolf die Gesellschaft in sein Arbeitszimmer hinaufführte, einen großen Kandelaber mit brennenden Kerzen in der Hand für den Fall, daß die Lampen, welche Friedrich auf sein Geheiß oben angezündet hatte, nicht die gebührende Helligkeit verbreiten sollten.
Der Salon war ganz verlassen; nur Herr von Brenken lehnte mit übereinander geschlagenen Armen an einem Pfosten der offenen Balkonthür. Susi stellte sich an den andern. Brenken ließ die Arme sinken.
»Nun, gnädige Frau, Sie wollen nicht Zeugin Ihres Triumphes sein?«
»Der gute Astolf! Einem Kenner, wie Herrn Sommer, meine Stümpereien zu zeigen! Und bei künstlichem Licht sind die Sachen vollends unmöglich.«
»Offen gestanden, gnädige Frau, ich ziehe auch das Mondlicht vor, wenigstens in diesem Augenblicke. Sehen Sie, wie träumerisch es da drüben auf dem Hügelrücken liegt! Und wie scharf die schwarzen Silhouetten der Bäume sich von dem hellen Hintergrunde abheben! Und dazu das dumpfe Rauschen des Baches! Es ist göttlich.«
»Wissen Sie, Brenken, Sie sind niemals komischer als wenn Sie sentimental werden?«
»Niemals komischer? Also bin ich es auch sonst manchmal in Ihren schönen Augen?«
»Manchmal?«
»Wollen Sie durchaus, daß ich mich hier vom Balkon herabstürze?«
»Was hätten Sie davon?«
»Freilich, ob ich lebe oder tot bin – für Sie ist es gleichgültig. Und das der Lohn für meine Anbetung!«
»Sie haben mir gesagt: alle Männer beteten mich an.«
»Die reine Wahrheit!«
»Dann können Sie doch aber nicht verlangen, daß die Anbetung eines Einzelnen mir besonders imponiert.«
»Es käme vielleicht nur darauf an, wer der betreffende Einzelne ist.«
»Sie werden indiskret, lieber Brenken,«
»Kann ich gar nicht, gnädige Frau; ich bin die Diskretion selbst.«
»Das ist vielleicht zu viel behauptet. Immerhin kann ich Ihnen zugeben. Sie sind diskreter als die meisten. Sie hätten, glaube ich, einen vortrefflichen Ehemann abgegeben.«
»Ja, ich habe meinen Beruf kläglich verfehlt. Wie Sie, gnädige Frau, den Ihren, als Sie heirateten.«
»Jetzt werden Sie impertinent.«
»Gnädige Frau, ich wiederhole nur die Worte, die ich – wann war es doch? richtig, vorgestern abend aus einem erlauchten Munde hörte.«
»Und was glauben Sie, daß der erlauchte Mund damit hat sagen wollen?«
»Ja, gnädige Frau, da fragen Sie mich zu viel. Vielleicht daß Sie viel, viel zu schön sind, um nicht in den Herzen aller, die in Ihre Nähe kommen, eine wilde Leidenschaft zu entflammen, und so für den einen, den Sie beglückt haben, tausend Unglückliche zu machen.«
»Zu denen auch der – eh bien! der Herzog gehört?«
»In allererster Linie.«
»Und Ihre Diskretion, die ich noch eben rühmte?«
»Geheimnisse, die sich selbst verraten, verrät man nicht.«
»Herr von Brenken, Sie vergessen – scheinen wenigstens zu vergessen: ich bin eine tugendhafte Frau.«
»Mein Gott, Gnädigste, was hat das mit der Tugend zu thun? Schlechterdings gar nichts. Alle Welt weiß, daß Sie Ihren Gemahl lieben, wie er es verdient. Er ist in diesem Reiche der Herr; wir andern alle sind nur Vasallen. Eine Königin muß viele haben, das bringt ihre Würde so mit sich. Wenn sich unter die Schar ein Herzog mischt – warum nicht? Vasall ist und bleibt Vasall.«
»Wenn Sie es so nehmen!«
»Wie sollte ich anders!«
»Und der Herzog es so nimmt!«
»Davon bin ich –«
Brenken konnte den Satz nicht zu Ende bringen. Friedrich war vom Flur her in den Salon gestürzt gekommen, atemlos rufend:
»Hoheit, der Herzog sind eben vorgefahren!«
Brenken verfärbte sich; Susi sah mit einem Blick, daß er es nicht gewußt hatte. Auch sie war sehr rot und dann ebenso blaß geworden; aber ihre Stimme klang vollkommen ruhig:
»Laufen Sie, Friedrich, und melden Sie es dem Herrn! Und Sie, lieber Brenken, bitte, gehen Sie ihm schnell entgegen und erklären Sie die Situation!«
Friedrich und der Kavalier waren nach zwei Seiten davongerannt. Susis erste Bewegung, als sie sich ganz allein fand, war, nach dem Pfeilerspiegel in der Ecke des Salons zu eilen; aber dazu blieb keine Zeit: Brenken mußte dem Herzog bereits auf der Treppe begegnet sein; schon vernahm sie die wohlbekannte, laute, etwas schnarrende Stimme. So trat sie denn nur ein paar Schritte nach der Thür zu, weg von dem Kronleuchter, unter dem sie gestanden hatte: ein grelles Licht, das von oben fällt, wirft immer so häßliche Schatten über das Gesicht. Ihr Busen hob sich einmal hoch unter dem weißen Spitzenkleide. Dann stand sie ruhig da, die großen Augen mit ihrem glänzendsten Blick auf die Thür gerichtet, ein Lächeln auf den erwartungsvoll halbgeöffneten Lippen. So sollte er sie sehen.