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Neunundfünfzigstes Capitel.

In einem schönen Salon der Bel-Etage eines der ersten Hotels saßen spät am Abend des zweiten Tages nach den Ereignissen in Tuchheim Leo und der Marquis de Sade; der Marquis hatte ein Notizbüchelchen in den Händen und einen Silberbleistift, mit welchem er, während er sprach, Strichelchen auf die halb vollgeschriebenen Blätter zeichnete.

Ich habe mir Alles notirt, sagte er, ich kann seit einiger Zeit meinem Gedächtnisse nicht mehr recht trauen, und in solchen Dingen muß man exact sein. Also fünf Schritte Distanz und eben so viele Barriere; wir werden uns meiner Pistolen bedienen, da ich Monsieur de Kerkow mein Ehrenwort gegeben, daß Sie niemals einen Schuß daraus gethan haben. Zeit: morgen früh sechs ein halb Uhr; Rendezvous: das Kastanienwäldchen hinter dem Park. Man hat von dort gleichweit bis zur nächsten Station und zurück in die Stadt.

Mein Weg, wissen Sie, führt unter allen Umständen hierher zurück, sagte Leo.

Ich weiß, erwiederte der Marquis.

Denn dies Duell mit dem armseligen Menschen ist doch schließlich nur eine Farce, fuhr Leo fort.

Der Marquis schüttelte den Kopf. Nehmen Sie die Sache nicht so leicht, cher ami, sagte er, der Lippert ist ein unberechenbarer Mensch, der Sie eben so gut todtschießt wie nicht todtschießt. Ueberdies weiß ich, daß seine Wuth gegen Sie keineswegs nachgelassen hat. Sagen Sie, lieber Freund, ist es denn wahr, daß Sie beide Nebenbuhler in der Liebe einer jungen Dame gewesen sind?

Sie meinen Eve?

O nein; dieselbe Dame, die – enfin das arme Mädchen, von dem Sie mir sagten, daß es ein so unglückliches Ende genommen?

Ueber Leo's Gesicht flog eine fieberhafte Röthe; der Marquis sagte schnell: Verzeihen Sie, mein Freund, ich sehe in solchen Dingen, wo es sich um ein oder ein paar Menschenleben handelt, gern vollkommen klar, wenn es ohne Indiscretion möglich ist; aber um Alles in der Welt möchte ich kein Thema, das Ihnen peinlich ist, berühren; sprechen wir von etwas Anderem. Also eine lächerliche Neuigkeit: Mademoiselle Eve hat, wie ich eben von Monsieur de Kerkow höre, die Stadt gestern Abend verlassen, und zwar in Begleitung jener alten Dame aus dem Schlosse.

Wie ist das möglich? fragte Leo, indem er mit einiger Ueberraschung den gesenkten Kopf hob.

Es scheint, erwiederte der Franzose, daß die alte Dame bei Mademoiselle, die sie noch immer für die Geliebte ihres Sohnes hielt, gegen ihren Sohn Schutz gesucht hat. Nun, les beaux esprits se rencontrent. Man scheint sich bald verständigt und ein Wink Ihres Polizei-Präfekten die gemeinschaftliche Abreise der beiden Damen beschleunigt zu haben. Die Route geht über Baden-Baden nach Paris; als chapeau fungirt der Legationsrath von Dirkheim. Petite bonne, agraçante et jolie, d'un vieux garçon doit être le soutien!

Und der Marquis lehnte sich in seinen Fauteuil zurück und lachte in seiner anmuthigen Weise, wurde aber sogleich wieder ernsthaft und rief, indem er das Cigarren-Etui, das er eben aus der Tasche genommen hatte, ungeöffnet auf den Tisch legte: Vraiment, mon ami, es ist abscheulich, daß Sie, ein Mann von diesen Gaben, diesem Wissen, dieser Welterfahrung und Tournure, sich mit solchen Menschen schlagen sollen!

Aber es geht doch nicht anders, sagte Leo mit melancholischem Lächeln, und überdies: Henri von Tuchheim ist kein verächtlicher Gegner. Ich schieße in ihm einen Mann todt, der aller Wahrscheinlichkeit nach, würde er noch am Leben bleiben, meinem Vaterlande, ja vielleicht Europa noch viel Blut und Thränen kosten wird.

Meinen Sie? rief der Marquis.

Ich zweifle nicht daran, erwiederte Leo, ja, ich behaupte, dieser Mann wird binnen wenigen Jahren der Lenker unserer Geschicke sein. Der Prinz wird seine paar liberalen Trümpfe bald genug ausgespielt haben, und dann muß er immer einem Manne, wie Henri, der ihm durch seine Festigkeit imponirt und der vor keinem Mittel zurückschrickt, in die Hände fallen. Das Alles ist mir so klar, als läse ich es Wort für Wort in dem Buche des Schicksals, und die Haltung der paar Blätter, die ich da vorhin aus Langerweile durchblättert habe – die Kurzsichtigkeit, Charakterlosigkeit, Feigheit und Dummheit, die aus jeder Zeile spricht – das Alles erfüllt mich mit einem Ekel, daß ich heute lieber sterben möchte, als morgen. Ich glaube, Ihr Voltaire war es, der am Ende seines Lebens sagte, er verlasse die Welt so dumm, wie er sie gefunden. Ich habe nicht das Alter des Philosophen von Ferney, aber ich bekenne mich von Herzen zu seiner traurigen Weisheit.

Eine traurige Weisheit, in der That, sagte der Franzose lächelnd, denn sie verdammt Jeden, der, wie ich, kein Genie ist, sondern einfach ein Mann von einigem Esprit, dazu, sich nothwendig ruiniren zu müssen, wenn er nicht vor Ennui umkommen will. Ich habe das Erstere vorgezogen, moi! Und nun für heute adieu, cher ami! Sie müssen schlafen, damit Sie morgen frisch sind. Verlassen Sie sich vollkommen auf mich; ich hole Sie zur rechten Zeit, und es soll mich freuen, wenn ich Sie noch schlafend finde. Adieu!

Er reichte Leo die feine, durchsichtige Hand und ging. Leo klingelte nach seinem Philipp, schickte denselben zu Bett und rückte sich dann einen kleinen Tisch, auf dem neben einer Cassette verschiedene Papiere bereits geordnet lagen, an den Kamin, in welchem ein lebhaftes Kohlenfeuer brannte.

Es ist Zeit, murmelte er, diese Spuren auszutilgen, ich will nicht, daß, wenn ich sterben sollte, jeder Hund und jeder Schakal den Weg zu der Höhle findet. Königen gebührt der Vortritt: Geh Du zuerst.

Es war der letzte Brief des Königs. Der Brief war vom Sonnabend Abend datirt – dem Abend der Gesellschaft beim General, und von derselben Stunde – denn auch die Stunde war angegeben – in welcher Ferdinand in den Salon trat. Der Verrath also an Dem, welchen er so oft mit Thränen in den Augen seinen Freund, seinen besten Freund, den einzigen Menschen, der ihn je verstanden und jemals verstehen würde, genannt, den er noch Tags zuvor an sein Herz gedrückt, war schon beschlossene Sache gewesen.

Ich habe eine Pyramide aus Schlamm bauen wollen, murmelte Leo, wie kann ich mich wundern, daß der Regen sie weggewaschen hat!

Er stützte den Kopf in die Hand. Er hat mich fallen lassen, als er mich in seiner Weise nicht mehr brauchen zu können glaubte, wie ich ihn hätte fallen lassen, wenn ich mit ihm fertig gewesen wäre. Ich war ihm ein Spielding, er mir ein Werkzeug, und er ist der Letzte, dem man den Unterschied zwischen Spiel und Arbeit hätte begreiflich machen können. So fahre hin!

Und er warf den Brief in die Gluth.

Du gehörst dazu, fuhr Leo fort, indem er einen zweiten zur Hand nahm, einen Brief Josephe's, der ebenfalls das Datum jener Nacht trug.

Es waren nur wenige Zeilen. Sie wolle ihm jetzt die Antwort geben, an der sie durch das Eintreten der Frau von Barton verhindert worden. Ja! sie verzichte auf die Ehre einer Verbindung, an der ihm selbst offenbar so wenig liege und die nach dem, was vorgefallen, so wie so eine Unmöglichkeit sei. Ihr Vater werde sich, sobald er sich von dem gehabten Schrecken erholt, von dem Landsitz einer entfernten Verwandten aus, wohin sie sich zuvörderst begeben würden, die Erlaubniß nehmen, ausführlich an Herrn von Gutmann zu schreiben.

Die entfernte Verwandte war eine alte, gänzlich taube und halb erblindete, sehr geizige Tante, nach deren beträchtlichem Vermögen Josephe wiederholt sehr lebhafte Wünsche geäußert hatte.

Dem Andern ist doch nicht wohl gewesen, als er den Absagebrief schrieb, murmelte Leo, man sah es deutlich an der verworrenen Handschrift; ihr hat die Hand nicht gezittert, es war ein Geschäft, das sie abbrach, als es nicht mehr rentabel schien. Nun, ich kann mich nicht beklagen, ich habe es ja nicht besser gewollt.

Er warf das Blatt auf die Kohlen und nahm ein anderes zur Hand.

Der Schein des alten Krafft über den Empfang der viertausend Thaler, ich habe ihm heute noch die anderen Fünftausend geschickt. Er soll sie unter die armen Teufel vertheilen, und den Rest mag Se. Majestät wiedernehmen. Weg damit!

Leo war gestern Abend, als er von Tuchheim zurückkehrte, gleich an dem Hotel vorgefahren. Es war ihm unmöglich gewesen, sein Haus wieder zu betreten. Er hatte heute Morgen Philipp hingeschickt und sich durch diesen die etwa eingelaufenen Briefe – es waren die beiden, die er eben verbrannt hatte – und seine Cassette holen lassen, in welcher er sein baares Geld und die wichtigeren Papiere zu verwahren pflegte. Er schloß jetzt die Cassette auf und nahm das Geld heraus. Es waren noch gerade fünfhundert Thaler in Kassenscheinen. Er zählte davon zweihundert Thaler ab, that das Uebrige in ein Couvert, das er versiegelte und »An Philipp« adressirte, und legte Beides in sein Portefeuille.

Dann nahm er das Andere aus der Cassette. Ein vergriffenes, vergilbtes Heftchen kam ihm zuerst in die Hände. Es war das Tagebuch seines Vaters, das der Onkel lange Zeit in seinem Pulte verwahrt und ihm, nachdem er wieder zurückgekehrt, durch Walter hatte zustellen lassen. Er hatte seitdem oft darin geblättert, voller Verwunderung über den seltsamen Geist, der aus diesen Blättern zu ihm sprach. Sein Blick fiel auf ein paar Zeilen, die unterstrichen waren: »Ich bin geworden, was ich bin, weil sie nicht wollten, daß ich würde, was ich doch hätte sein können. Der Gedanke bringt mich manchmal der Verzweiflung nahe. Dann aber sage ich mir immer: du bist es nur den Anderen nicht geworden, dir selbst bist du es doch – in deinem Denken, Fühlen, Träumen – eine Welt! Was liegt daran, wenn eine Welt zertrümmert und erloschen ist, ob ihr Licht nach ein paar tausend Jahren noch irgend wohin auf eine dunkle Erde fällt und ein paar Liebende mit entzückten Blicken zu dem Stern aufschauen, der nicht mehr ist! Was liegt daran!«

Ein trübes Lächeln flog über Leo's Gesicht: Ja wohl, sagte er, was liegt daran!

Er nahm das Heftchen mit dem Uebrigen – angefangenen und vollendeten Aufsätzen, in denen er die besten Gedanken seiner besten Stunden niedergelegt, Entwürfen, Plänen, Skizzen – und warf Alles in den Kamin. Die Flamme loderte hell auf und leckte an den Blättern hinauf, hinab, bis Alles verzehrt und nur noch ein Haufen schwarzer Asche zurückgeblieben war. Was liegt daran!

Er stützte den Kopf in die Hand. Ich würde dennoch das bleiche Gesicht nicht vergessen können, das bleiche, schöne, vom nassen Haar umrahmte Gesicht mit den gebrochenen Augen! Vergessen! was vergißt der Mensch nicht! Vielleicht ist diese weiche, sterbeselige Stimmung nur eine Folge der furchtbaren Anstrengungen der letzten Tage; und nach vier Wochen würde ich darüber lächeln. Vielleicht! aber wirft sich doch auch der übermüdete Wandersmann an der Wegseite hin und will lieber sterben, als seinen wunden Füßen zumuthen, die noch übrige Strecke zurückzulegen. Ich bin so ein Wandersmann.

Ich habe mir meine Last zu schwer gemacht; ich hätte es leichter haben können, hätte im Sonnenschein meinen Mückentanz tanzen können mit anderen Mücken. Doch dazu ist es nun zu spät. Wer solchen Flug gewagt hat, kann nicht wieder auf der Erde kriechen. Wenn ihm in der Sonnennähe die wächsernen Flügel schmelzen, so stürzt er eben herab und bricht das Genick. Das ist Ikarus-Geschick. Es muß Jeder leben, wie er kann.

Ich gehe zum Vater! schrieb sie; nun wohl! dahin gehe ich auch, zum Allvater! – dahin gehen wir Alle, ob früher oder später, was liegt daran!

Nein, sie ist nicht mir zum Trotz gestorben; sie ist gestorben, weil sie nicht weiter leben mochte, nachdem sie erkannt hatte, was das Leben ist. Es ist nicht wahr, daß sie mit mir, durch mich glücklicher geworden wäre. Was ist ein einzelner Mensch, daß er uns ausfüllen könnte? Und woraus besteht die Menschheit, als wieder aus einzelnen Menschen? Nur daß wir uns durch den Nimbus einer Ganzheit blenden lassen, die doch nirgends besteht als in unserer Idee, mit der wir in großmüthiger Thorheit und in thörichter Großmuth die Erbärmlichkeit des Daseins vor uns selbst verdecken. Reiß diesen trügerischen Schleier ab – und du siehst, was der Jüngling von Saïs sah, den die schlauen Priester am nächsten Morgen zerschmettert liegen fanden vor dem Bilde der Isis. Am nächsten Morgen!

Er strich sich mit der Hand über die Stirn.

Da schleichen sie noch, die Gedanken, wie die Funken vorhin in der Asche; aber Asche brennt nicht mehr, und morgen ist Alles kalt und still und ruhig. Ganz ruhig, ganz still, – das muß eine Wonne sein nach dieser heißen Lebensjagd.

Er erhob sich und fing an langsam in dem Zimmer auf und nieder zu gehen. Ein Wagen fuhr vor dem Hotel vor; die Klingel des Portiers ertönte. Er trat an das Fenster. Es war der Hotel-Omnibus, der eben die Gäste absetzte, die mit dem Nachtzuge gekommen waren. Die Stimme des Oberkellners rief: Nummer sieben! Nummer zwölf!

Der Mann kennt seine Leute – wie der Todtengräber. Nummer sieben in der zwölften Reihe, oder Nummer zwölf in der siebenten. Was liegt daran!

Er trat von dem Fenster zurück und warf sich angekleidet, wie er war, auf das Sopha. Das Feuer im Kamin sank zusammen und verlosch, die Kerzen brannten herab und verloschen; er fiel in tiefen Schlaf.

Und ihm träumte: er wandle in einer schönen Gegend unter wunderbaren Bäumen, die wohl Palmen sein mochten. Durch die breiten Blätter, die ein lauer Wind hob und senkte, schien ein mildes, weiches Licht, in welchem die Gegend wie in Zauberglanz gebadet war. Und zwischen den Palmen, die sich zu einer langen Vista öffneten, kam eine Gestalt dahergeschwebt in weißen, sanft leuchtenden Gewändern. Ihre Füße berührten nicht den Boden, sie hatte die Hände in anmuthiger Geberde über der Brust gefaltet, und als sie näher kam, erkannte er Silvia an den strahlenden Augen, deren Lider unbeweglich waren. Warum bewegen sich deine Lider nicht? fragte er. Und eine Stimme, die ihre Stimme sein mußte, obgleich sie die Lippen nicht öffnete, sprach: Hast du denn vergessen? daß sie nicht mit den Wimpern zucken, daran erkennt man ja die Götter. – Auf einmal verschwand der Palmenhain und das Bild, und er sah das Gesicht des Marquis de Sade, das sich über ihn beugte.

Ach! daß Sie kommen mußten, sagte er.

Ich komme nicht zu früh, erwiederte der Marquis, es ist halb sechs Uhr. Wir brauchen eine halbe Stunde, um hinaus zu fahren.

Ich meinte nicht das, sagte Leo.

Sie haben gut geschlafen, sagte der Marquis, ich sehe es Ihnen an: das freut mich. Sie sind in guter Stimmung?

In der allerbesten!

Das ist superbe. Bleiben Sie so; visiren Sie ganz ruhig, aber nicht zu langsam, und schießen Sie dem Burschen eine Kugel in die rechte Schulter. Dem Monsieur de Tuchheim können Sie morgen früh eine unter die siebente Rippe plantiren; aber es sollte mir doch leid thun, wenn Sie ce pauvre buffone todtschössen; er hatte manchmal ganz passable Einfälle, und schließlich ist er doch Ihr Cousin.

Ja wohl! sagte Leo.

Der Marquis ging im Zimmer auf und ab. Er hatte eine Neuigkeit, die ihm auf der Zunge prickelte und die er doch, aus Furcht, sie könnte Leo aufregen, nicht mitzutheilen wagte. Endlich kam, ganz wider seinen Willen, heraus:

Denken Sie, cher ami, der König ist heute Nacht gestorben.

In der That, sagte Leo.

Es wurde um zwei Uhr auf der Gesandtschaft gemeldet; ich wurde herausgeklingelt, um die Depesche an unseren Hof zu redigiren. Was sagen Sie?

Mir ist er schon lange gestorben, erwiederte Leo.

Der Marquis blickte ihn verwundert an, sagte aber nichts.

Leo war bereit; sie gingen hinab und stiegen in den verschlossenen Wagen des Marquis, der vor der Thür hielt.

Philipp war zurückgeblieben, verwundert über den frühen Besuch und die frühe Ausfahrt.

Ich bin in einer Stunde spätestens wieder hier, hatte sein Herr gesagt.

Philipp ordnete das Zimmer und die Sachen, die hier und da zerstreut lagen. Er hätte das keinem Kellner überlassen mögen, und an dem Bett war nichts zu thun. Der Herr war wieder einmal nicht zu Bett gegangen.

Dann, als er fertig war, stellte er sich an das offene Fenster und blickte die Straße hinab nach der Richtung, in welcher der Wagen fortgefahren war und also auch vermuthlich zurückkommen würde. Es kamen einzelne Wagen die Straße herauf, nicht viele. Die sonst sehr belebte Straße war in dieser frühen Morgenstunde wie ausgestorben. Die Stunde war vergangen, und da kam auch richtig der Wagen, aber ganz langsam.

Das ist doch wunderlich, dachte Philipp.

Er schloß die Fenster, rückte die Fauteuils um das Sopha zurecht und eilte dann hinab, den Herren beim Aussteigen behilflich zu sein.

Der Wagen kam heran. Es war noch ein dritter Herr im Wagen, den Philipp nicht kannte. Der unbekannte Herr sprang zuerst heraus und sagte: Ihrem Herrn ist ein Unglück zugestoßen. Helfen Sie ihn mit hinaufführen und machen Sie kein Geschrei.

Philipp rieselte es kalt durch die Adern, und jetzt richtete sich sein Herr, der ganz in der Ecke des tiefen Wagens gelehnt hatte, mit Hilfe des Marquis auf und lächelte Philipp mit bleichen Lippen zu. Philipp ahnte, was geschehen war, aber er blieb stark, machte auch kein Geschrei, sondern half dem Unbekannten, der wohl ein Arzt war, seinen Herrn die breite, sanfte Treppe hinauf in das Zimmer führen. Sie legten ihn auf das Sopha. Philipp rückte ihm ein Kissen zurecht. Sein Herr lächelte ihn noch einmal wie vorhin an, ohne ein Wort zu sprechen; dann athmete er plötzlich tief auf, und sein Kopf neigte sich auf die Seite.

Großer Gott, er stirbt! rief Philipp.

Ich dachte es mir wohl! murmelte der Arzt.

Sie hatten den Todten auf das Bett gelegt; der Arzt war gegangen, um nach einer Weile wieder zu kommen. Philipp saß zu Füßen des Bettes und weinte heiße, heiße Thränen um seinen lieben Herrn. Der Marquis trat an ihn heran und legte ihm die Hand auf die Schulter. Pauvre enfant! sagte er, Du bist eine treue Seele. Es wird wohl nicht lange währen, dann werde auch ich Jemanden brauchen, auf den ich mich verlassen kann. Du bleibst bei mir. Pauvre enfant!


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