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In dem Osseckschen Salon hatten der Zimmerkellner und Adalberts Diener Friedrich die Lichter angezündet. Friedrich hatte Jean seine Leidensgeschichte erzählt: daß er auf der Reise in Berlin erkrankt, dort acht Tage gelegen; und wie er sich freue, nun endlich heute eingetroffen zu sein und seine Lisette wieder zu haben, mit der er sich gleich nach der Rückkehr verheiraten werde. Jean hatte diese Konfidenzen durch die vertrauliche Mitteilung erwidert, daß Ursel, der gnädigen Frau neues Kindermädchen, seine verlobte Braut sei; und wie schlau er es angefangen, daß von drei Bewerberinnen gerade sie gewählt wurde. Nun wollten sie: die beiden Brautpaare, gut zusammenhalten; dann solle es ein vergnügtes Leben geben, gerade so eines, wie die Herrschaften selber führten, an denen Friedrich noch sein blaues Wunder erleben werde. Es sei bloß ein Hindernis bei der zu hoffenden Vergnüglichkeit: das sei die Frau Pult, eine verdammte alte Katze, die überall umherschleiche, die Augen überall habe; und die er –Jean – mit Vergnügen vergiften würde. – Die brauche man ihn nicht erst kennen zu lehren, meinte Friedrich; die kenne er schon selber gut genug von Ossecken her, wo sie im vergangenen Winter vier Wochen gewesen, um die gnädige Frau zu pflegen, und von der er gelegentlich ein hübsches Stückchen erzählen wolle, wodurch Jean über manches in betreff der Herrschaften ein Licht aufgehen würde, das ihm höllisch in die Augen beißen solle. Jean wünschte, auf diese Gefahr hin, zu wissen, was es wäre? Friedrich meinte, sich in dem Haar krauend, die Sache sei zu delikat; er kenne Jean auch noch nicht lange genug; überdies sei es hier, wo jeden Augenblick jemand kommen könne, zu gefährlich.
Dummes Zeug, sagte Jean; ich sage Dir ja, wir wollen zusammenhalten; und wer soll denn kommen? Deine gnädige Frau ist bei der Generalin und hilft sie anziehen mit Lisetten und der Pult. Ich will schon hören, ob einer kommt. Na, man los!
Er hatte Friedrich bei einem Knopfe seiner Livree in die entfernteste Ecke des Salons an das dort aufgestellte Büffett gezogen, wo sie sich im Ueberraschungsfalle sofort mit den Theesachen zu schaffen machen konnten.
Du mußt mir aber versprechen, daß Du es nicht weiter erzählen willst; flüsterte Friedrich mit einem ängstlichen Blick auf die Thür zum Salon der Generalin.
I, wie werde ich denn? flüsterte Jean zurück.
Na, also; sagte Friedrich, nachdem er sich vorsichtig geräuspert; die Pult war vier Wochen dagewesen und ein Zank mit uns andern vom Morgen bis zum Abend – davon kannst Du Dir keinen Begriff machen. Unser Herr ist sonst sehr gutmütig; aber zuletzt war sie auch gegen ihn frech geworden, und was zu viel ist, ist zu viel. Kurz, unser Herr bat die gnädige Frau, daß sie die alte Katze wieder wegschickte; und je eher, je lieber.
Das hast Du alles mit angehört? fragte Jean mit einem ungläubigen Lächeln.
Warte doch, flüsterte Friedrich; es kommt gleich. Also die gnädige Frau, die gerade in der Zeit mit dem Herrn ganz gut stand – sie stehen nämlich nicht immer so –
Jean hob die Augen zum Plafond und winkte wiederholt mit der Hand.
Na, Du weißt! also die gnädige Frau wird ja dann die Pult noch an demselben Abend kommen lassen und ihr sagen, daß sie wieder absocken könne. Aber die Wut! ich dachte doch, die alte Hexe würde gleich zum Schornstein herausfahren.
Ja, aber – sagte Jean.
Ich hatte nämlich die Pult rufen müssen, und weil ich neugierig war, wie das wohl ablaufen möchte, hatte ich die Thür zu dem Herrn seinem Zimmer – der Herr war auf der Jagd – so recht forsch zugemacht, als ich 'rausging, und sie dann gleich wieder leise –
Jean spitzte die Lippen zum Pfeifen; Friedrich lächelte.
Es war auch noch eine Portiere davor; und die Pult und ich waren von der andern Seite gekommen; nach der sie auch wieder verschwinden mußte, sodaß ich ganz sicher war. Na, und nun gings los, sage ich Dir, – verstehst Du: von der Alten gegen unsern Herrn! Sie wisse recht gut, warum der sie nicht im Hause haben wolle bei seinem schlechten Gewissen; und wenn sie nur alles sagen dürfte; aber sie werde sich wohl hüten, – na, Du kennst das ja. Und was unsre junge gnädige Frau ist, der darf man so was nicht bieten, oder muß mit der Sprache heraus, wie die Pult zuletzt auch.
Friedrich blickte noch einmal scheu nach der Salonthür und dämpfte sein Geflüster so, daß Jean ihm das Ohr dicht an den Mund halten mußte:
Der Herr hat nach dem Tode des Generals die Frau Generalin, die damals wohl noch eine schmucke Person gewesen sein muß, selber heiraten wollen, und nur deshalb hat sich die Generalin gefallen lassen, daß er alle die schrecklichen Schulden von dem General bezahlt hat; dazu alljährlich so viel, daß sie bequem leben konnten, nämlich die Generalin mit den beiden kleinen Fräulein Töchtern. Mittlerweile ist ihm das aber leid geworden, und er hat sich an andre Damen gemacht – ein Kostverächter ist er nicht, verstehst Du? und Geld genug hat er ja – und das ist bis vor zwei Jahren so fortgegangen, während die Frau Generalin ihn immer gemahnt und er Ausreden gehabt hat. Dann hat er wieder ein Techtelmechtel angefangen mit einer schönen vornehmen Dame, die ihn hat abblitzen lassen; und da hat er aus Aerger heiraten wollen, aber nicht die Frau Generalin, Gott bewahre! – die war ihm mittlerweile zu alt geworden – bloß eine von den Fräulein Töchtern, verstehst Du: unsre jetzige gnädige Frau; und wenn sie – die Frau Generalin – ihm die nicht gäbe, so müsse sie alles wieder herauszahlen. Na, da hat die Dame ja wohl in den sauren Apfel beißen müssen, verstehst Du!
Glaubte Deine gnädige Frau denn das? fragte Jean.
I wo! erwiderte Friedrich, kein sterbendes Wort! Aber die alte Hexe verschwor sich hoch und teuer, und wenn die gnädige Frau ihr nicht glauben wollte, so sollte sie doch den Herrn fragen, wie sich das mit den Schulden und der jährlichen Pension verhalte – natürlich das andre nicht; aber, wenn er das eine zugeben müsse, werde das andre ja auch wohl wahr sein. Indem kommt der Herr herein –
Durch die andre Thür?
Versteht sich, – vom Hausflur her. Kriegte ich Dir einen Schrecken! Aber ich war wie festgenagelt. Die Alte hatte sich natürlich sogleich fortgemacht, und der Herr, der sein Jagdzeug draußen abgelegt hat, will der gnädigen Frau einen Kuß geben, ehe er in sein Zimmer geht. Aber sie gibt ihm keinen, sondern sagt ganz ruhig, daß es mir ordentlich über den Buckel läuft: Erzähle erst, was du geschossen hast. – Nicht viel, sagt der Herr; ich hatte heute einen schlechten Tag. – Ich auch, sagt die gnädige Frau. – Es thut dir leid, daß du die Pult wegschicken sollst? sagt er. – Ein bischen, sagt sie; sie weiß so viel lustige Geschichten und erzählt so drollig; ich muß immer so lachen. – Na, sagt er; das hätte ich ihr nun am allerwenigsten zugetraut. Dann mag sie in Gottes Namen hier bleiben. – Ist nicht mehr nötig, sagt sie; sie hat mir eben ihre letzte erzählt; es war auch die beste; ich habe mich fast totgelacht. – Kannst du sie mir nicht wiedererzählen? fragt er. – Nein, sagt sie; es ist nur eine Geschichte für Frauen; die Männer spielen darin eine zu erbärmliche Rolle. – Dann will ich sie lieber nicht hören, sagt er. – Würde dir auch keine Freude machen, sagt sie.
Nun? fragte Jean, als Friedrich schwieg.
Weiter habe ich nichts gehört, sagte Friedrich; ich machte, daß ich wegkam. Aber ist es nicht schauderhaft, wie sich so die Herrschaften anlügen?
Die könnens viel besser, als wir, sagte Jean. Und glaubst Du denn, daß Deine gnädige Frau den Herrn Baron gefragt hat von wegen?
I wo! sagte Friedrich; die wird sich hüten. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Aber ich meine, daß der Unfrieden zwischen ihnen erst eigentlich von da angefangen hat.
Na, und davon kann ich Dir Geschichten erzählen –
Die beiden Bursche fuhren auseinander; Jean wischte mit seinem Tellertuche an den Tassen, Friedrich rückte an dem Fauteuil, auf welchen er während der Unterredung das Knie gestemmt hatte. Die Thür zu dem Salon hatte sich aufgethan, und die gnädige Frau war eingetreten, Frau Pult hinter ihr. Jean drückte sich hinaus, Friedrich fragte, ob die gnädige Frau noch etwas zu befehlen habe, und erhielt den Auftrag, draußen vor der Thür zu bleiben und den Herrschaften zu öffnen. Die Pult huschte durch das Gemach hin und her, mit mißtrauischen Blicken die getroffene Einrichtung absuchend, ob sie nicht etwas Tadelnswertes herausfinden könne. Hilde, die vor einen der großen Wandspiegel getreten war, musterte ihre Toilette.
Du kannst auch gehen, Pult, sagte sie; es ist alles in Ordnung.
Beim Auskehren findet es sich; murmelte Frau Pult, mit triumphierendem Grinsen ein Tellertuch, das Jean in der Eile zwischen den Tassen liegen gelassen hatte, hervorziehend und weiter suchend.
Höre, Pult, was ich Dich immer fragen wollte: hast Du der Mama gesagt, daß Du mir damals das erzählt hast?
Hilde hatte sich bei der Frage nicht umgewandt; Frau Pult, die in ihre Nähe gekommen war, stand still und sah scharf in den Spiegel, der ihr Hildes Gesicht wenigstens zum Teil zeigte.
Ich weiß nicht, was Sie meinen; erwiderte sie tückisch.
So? dann will ich Dir sagen: ich weiß jetzt, daß Du mich belogen hast.
Sie hatte sich blitzschnell umgedreht und stand vor der Pult, deren gelbes runzliges Gesicht unter dem drohenden Blick der blauen großen Augen aschgrau wurde.
Ich weiß nicht, was Sie wollen; stammelte sie.
Was ich will? sagte die junge Frau mit leiser, heftiger Stimme: meine Ruhe will ich wieder, die Du mir durch Deine schändlichen Lügen gestohlen hast. Damals war ich noch so dumm, und Du hattest leichtes Spiel; jetzt macht man mir nichts mehr weis; und ich sage Dir: mein Mann hat Mama nie heiraten wollen, und Mama hat meinen Mann gehaßt von Anfang an. Willst Du es jetzt gestehen?
Nun, dann habe ich mich darin geirrt; sagte die Pult frech.
Ach! darin hast Du Dich geirrt! Und in dem andern? in der Schuldengeschichte und so weiter?
Das ist, wie es ist, sagte die Pult; ich weiß, was ich weiß. Fragen Sie doch Ihre Frau Mama! Aber dazu haben Sie ja den Mut nicht, sonst hätten Sie es längst gethan, wie ich Ihnen ja schon damals gesagt habe, daß Sie es nur thun sollten. Oder wenn Sie sich vor Ihrer Frau Mama fürchten und vor dem Herrn Gemahl, fragen Sie den Herrn Professor! der hat auch dazwischen gesteckt. Mit dem sind Sie ja nicht verheiratet. Der sagt's Ihnen vielleicht.
Die Pult war an Hilde vorbei zum Gemach hinausgerannt, die Thür hinter sich zuschlagend, Hilde war wieder vor den Spiegel getreten, trotz der Aufregung, die ihr in allen Gliedern bebte, lächelnd.
Das wäre gelungen, sprach sie bei sich; ich weiß selbst nicht, woher ich den Mut genommen; ich werde mit jedem Tage sicherer. Wie bodenlos dumm, daß ich es auch nur einen Tag, nur eine Stunde geglaubt habe! Freilich, so hatte ich doch wenigstens eine Erklärung für Mamas grenzenlose Eifersucht auf ihn. Und was sie mir dann von seinem Verhältnis mit Poly erzählte – großer Gott, das war ja alles für mich wieder nur die pure Eifersucht! Die arme Mama! ich habe ihr bitter Unrecht gethan. Und wenn das eine Lüge war, ist es das andre auch. Es ist zu gräßlich zu denken, daß wir zehn oder zwölf Jahre lang seine Pensionäre gewesen sind, und Mama und Kora es noch sind. Die stolze Kora! ins Wasser ginge sie lieber. Also sie wenigstens weiß sicher nichts davon. Escheburg! das ist wahr, den könnte man fragen. Freilich, aus dem wird nichts herauszubringen sein. So werde ich nie erfahren, woran ich bin.
Sie warf den Kopf stolz in die Höhe und blickte ihr Spiegelbild mit festen Augen an.
Es ist auch besser so, murmelte sie. Dann müßte ich ihm am Ende noch dafür dankbar sein. Nun ja, wenn man seinen Mann liebt, dann ist es wohl sehr schön, und man liebt ihn vielleicht nur um so mehr. Aber wenn man ihn nicht mehr liebt, und von ihm nicht mehr geliebt wird – nein! nicht mehr! Verlobt ist er mit der roten Poly nicht gewesen, aber das ist ganz gleich. Und hat er sie damals nicht geliebt, so thut er es jetzt – mir zum Trotz – meinetwegen! nur daß ich auch trotzig sein kann! Ich –
Die Thür dem Spiegel gegenüber wurde aufgerissen; Hilde hatte nur noch eben Zeit, schnell vom Spiegel weg an den Blumentisch vor den heruntergelassenen Vorhängen der Balkonthür zu treten; und wandte sich jetzt Udo entgegen, der mit raschen Schritten auf sie zukam. Sie brach in ein helles Lachen aus.
In Uniform? rief sie. Zum erstenmal. Was fällt Ihnen denn ein?
Wir erscheinen bei Haupt- und Staatsaktionen stets in Uniform, erwiderte Udo; das müssen Sie, als Generalstochter, doch wissen. Und wenn Poly ihren Julius Cäsar ins Treffen führt, so ist das eine Haupt- und Staatsaktion.
Er hatte ihr feurig die Hand geküßt und stand nun vor ihr, schlank und elegant, das schöne bräunliche Gesicht mit lebhaftem Rot übergossen. Hilde fühlte, wie auch ihr das Blut in die Wangen stieg, aber sie hielt den bewundernd anbetenden Blick der auf sie niederblitzenden Augen aus und fragte mit gut gespielter Harmlosigkeit:
Was sehen Sie mich so seltsam an? findet Ihr verwöhntes Auge an meiner Toilette etwas auszusetzen?
Ich wußte doch nicht, daß Sie so schön sind, sagte er leise.
Sie sind toll; sagte Hilde, die Augenbrauen zusammenziehend.
Es wäre kein Wunder; flüsterte er.
Dann trinken Sie eine Tasse Thee, damit sie wieder zur Vernunft kommen! Ich werde Ihnen selbst eine zurechtmachen. Unterdessen legen Sie Ihren Helm ab und stellen Ihr Schlachtschwert in die Ecke. So! Und nun setzen Sie sich ganz ruhig da in den Stuhl – nein, in den! so! Und dann lassen Sie uns plaudern, bis die andern kommen!
Udo hatte gethan wie sie ihm geheißen, und dabei jede Bewegung der zierlichen Gestalt mit trunkenen Blicken verfolgt. Jetzt saßen sie sich einander gegenüber, Hilde auf dem Sofa; er zwei Stühle von ihr entfernt, die Tasse in der einen Hand, während die andre rastlos mit dem Löffel rührte. Hilde nippte ruhig an ihrer Tasse und sagte:
Ich habe Sie gebeten, ein wenig früher zu kommen, um Ihnen noch besonders für die Ueberraschung heute mittag zu danken. Wie haben Sie es nur angefangen, den steifen Engländer geschmeidig zu machen? das heißt, eigentlich ist er ja wohl ein Schotte?
Das Kunststück war nicht so groß, gnädige Frau. Ihr Herr Gemahl hätte es eben so gut fertig gebracht.
Mein Mann?
Er hat die Bekanntschaft von Mister Douglas im Klub an demselben Tage gemacht, wie ich. Krell hat ihn uns vorgestellt.
Krell? aber er hat doch immer gesagt, er könne das nicht vermitteln.
Vielleicht hat Poly es nicht gewünscht. Sie ist ein wenig eifersüchtig. Haben Sie nicht bemerkt, wie kühl sie heute gegen die schöne Frau war?
Natürlich habe ich es bemerkt. Es hat mir köstlichen Spaß gemacht. Ich bin nicht eifersüchtig; oder ich müßte es schon längst auf Ihre Schwester sein.
Pah!
Drücken Sie sich despektierlicher aus, wenn von Ihrer Schwester die Rede ist! Also mein Mann kennt Mister Douglas auch – aus dem Klub? Was treibt Ihr Herren denn eigentlich da? Mein Mann lebt ja nur noch im Klub. Und da ist Mister Douglas zugänglich?
Ja, das heißt: er sieht sich doch seine Leute sehr genau an. Ich wollte ihm zum Beispiel gestern Mister Swalwell vorstellen; er lehnte es ab.
Natürlich! der stolze schottische Lord und der alte Manchester Messerfabrikant! Nun, ich bin nicht so exklusiv, wenn ich meine Freunde verpflichten kann. Ich habe den liebenswürdigen alten Herrn so lange gebeten, bis er versprochen hat, die Mädchen zu begleiten. Was sagen Sie?
Daß ich den alten Herrn beneide.
Um seine drei hübschen Enkelinnen, die Sie sämtlich lieben? mit gleicher Leidenschaft, wie sich das für die »drei Gleichen« schickt?
Spotten Sie nur! Nein, ich beneide ihn – für heute abend wenigstens – weil er kein Wort deutsch versteht.
Das werde ich Ihrer Schwester wiedererzählen.
Meinetwegen. Es wird furchtbar werden. Gnädige Frau, warum haben Sie mir das angethan? Es ist wirklich zu schlecht von Ihnen.
Schlecht von mir? wenn ich Ihrer Schwester zu einem Triumph verhelfe, die sonst schon beständig über mich armes unbedeutendes Geschöpf triumphiert?
Und dazu lächeln Sie so malitiös? Nun, Sie werden freilich Ihre Absicht erreichen.
Jetzt aber werde ich ernstlich böse. Ich wiederhole: ich verspreche mir für Ihre Schwester einen vollen Triumph, uns allen einen großen Genuß.
Und ich wiederhole: es wird furchtbar. Schon als Junge bin ich immer krank geworden, wenn Poly mir ihre Gedichte vorlas. Ich träume noch manchmal davon und wache stöhnend auf: das reine Alpdrücken! Mein einziger Trost, als ich von Berlin fortging, war, daß ich nicht mehr in ihren gräßlichen litterarischen Abenden anzutreten brauchte. Nun muß mich das Unglück auch hier treffen. Wenn es wenigstens noch Gedichte wären! Das genießt man doch nur theelöffelweise, und es ist im schlimmsten Fall nach einer halben Stunde vorüber. Aber eine Tragödie, die den ganzen Abend vorhält – das ist einfach Massenmord. Sie hat mir, wie sie denn überhaupt jetzt gegen mich sehr gnädig ist, den dritten Akt, auf den sie sich am meisten einbildet, zu lesen gegeben: man könnte Ratten und Mäuse damit vergiften. Und wenn der Greuel von ihr allein ausginge! Aber ich bin überzeugt, daß der Jägerianer ihr das Pensum korrigiert – wer weiß, vielleicht zum größten Teil gemacht hat; und wir bringen das Opfer nicht einmal Poly, sondern Gönnich.
Sie lieben den Herrn Doktor nicht?
Wüßte nicht, weshalb?
Und verkehren doch so viel mit ihm?
Mein Gott, Poly zu Gefallen, die ihn ja so protegiert!
Sie sind – ein sehr guter Bruder.
Der junge Offizier wurde feuerrot und warf einen finstern Blick auf sein reizendes Vis-a-vis, das ihm in diesem Momente gar nicht so reizend erschien. Es war doch selbst für sie unerlaubt, dergleichen unzweideutige Anspielungen zu machen, wenn sie auch freilich nicht ahnen konnte, wie er in dieser Sache an Händen und Füßen gebunden war. Auch Hilde war ein wenig betreten: sie hatte Udo nicht beleidigen wollen, es war ihr nur so herausgefahren. Und dann: sie hatte geglaubt, daß seine Hingabe an sie grenzenlos sei; nun hatte sie doch die Grenze gefunden und – überschritten.
Seien Sie mir nicht bös! sagte sie, sich vornüberbeugend und ihn mit ihrem süßesten Lächeln die Hand weit entgegenstreckend. Aber mehr noch, als der nachhaltige Groll, hinderte Udo der Stuhl, der zwischen ihnen war, die kleine Hand sofort zu ergreifen. Und als er eben aufgesprungen war, öffnete Friedrich geräuschvoll die Flurthür, und herein kamen die »drei Gleichen«, hinter ihnen die stattliche Gestalt des Mister Swalwell.