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Nun kam eine schlimme Zeit, Eva wurde krank. Zerschlagen, fröstelnd, von bohrenden Kopfschmerzen und Schnupfen gequält, lag sie in ihrer Schlafgrube. Es war so grimmig kalt, daß in den Nächten die Füchse bellten und in den Höhlen dicker Nebel stand, während draußen das Frostwetter die Luft weithin klar und durchsichtig machte. Eva hegte einen Groll gegen Peter, der sie in die nasse Kälte hinausgetrieben hatte und so an ihrer Erkrankung schuld war. Seine Pflege war rührend, aber unzulänglich, mindestens anfangs. Er legte ihr erhitzte Steine in das Lagermoos; sie nahm es dankbar hin. Doch seinem Vorschlag, allerlei herbe Kräuter zu kauen, folgte sie höchst ungern. Sie schmeckten so abscheulich bitter, daß Eva nach kurzer Zeit genug hatte und weitere Heilversuche rundweg ablehnte. Nur die hellste Zeit des Tages verbrachte sie außerhalb ihres Lagers und bereitete die Mahlzeiten. So zog sich ihr Zustand wochenlang hin. Anfangs blieb Peter noch ganze Tage daheim und bearbeitete die Felle oder schliff an seinem Beil. Auch die Versuche, das Steinbeil zu durchlochen, nahm er wieder auf, ohne viel zu erreichen. Schließlich aber mußte er den Vorrat an Brennholz und Fleisch erneuern.
Auf seinen Streifzügen in der Nähe der Eichenbestände am Alten Steinschlag stieß er auf einen Wildschweinwechsel. Wie ein Hohlweg führte er durch die Schneemassen. Peter entschloß sich, dort eine Falle aufzurichten, wie er sie in schlaflosen Nächten ausgedacht hatte.
Als Schlagbolzen, der über der engsten Stelle des Wechsels hängen sollte, hackte er ein armlanges, schenkeldickes Stück einer Föhre zurecht und ließ vom Astquirl spannenlange Stummel daran; an die wollte er Steine binden, um die Wucht des Bolzens zu steigern, in dessen unteres Ende er eine Hartsteinspitze schäftete. Aus Bocksgedärm drehte er ein langes Seil, das stark genug sein mußte, das Gewicht großer Fallsteine zu tragen. Es sollte, über den Wechsel gespannt, den Weg versperren und, unter einer Baumwurzel durchgezogen, am Stamm des nächsten Baumes bis zum ersten Ast und an ihm bis zu einer Gabelung geführt werden. Dort mußte der Schlagbolzen fallbereit befestigt werden. So weit war Peter mit seinen Überlegungen, als er im Schutz seines qualmenden Feuerkorbes die Falle in den Wechsel einbaute. Noch wußte er nicht, wie er den Schlagbolzen anbringen sollte, damit dieser bei einer Berührung des Seiles niedersauste. Er verließ sich darauf, daß ihm schon noch etwas einfallen werde.
Durch einen Zug unten am Seil mußte dem Bolzen oben der Halt entzogen werden. Also befestigte er am oberen Ende des Spannseiles einen zwei Finger dicken, glattgeschabten, gut eingefetteten Gleitpflock, um den er die Tragschlinge des Schlagbolzens legen wollte. Quer über den Schenkeln der Astgabel, genau über der Mitte des schmalen Wechsels, band er Hölzer fest, die den vom Schlagbolzen beschwerten Gleitpflock tragen sollten.
Endlich war es soweit; der Schlagbolzen hing so hoch über dem Spannseil, daß Peter die Stummel des Astquirls gerade noch mit den Händen fassen konnte. Nun holte er von der nahen Schutthalde des Alten Steinschlags Felsbrocken, die er am Quirl des Bolzens befestigen wollte. Vorsichtig versuchte er, ein schenkeldickes Felsstück von halber Armlänge an dem Aststummel festzubinden, ohne daß der Gleitpflock oben aus seiner Lage käme. Aber mit den kältestarren Fingern legte er den Stein so unvermittelt auf, daß der Bolzen ins Schwingen und der Gleitpflock aus seiner Lage geriet; im nächsten Augenblick sausten Stein und Bolzen herab. Nur der Schwingung des Bolzens hatte es der Fallensteller zu verdanken, daß der schwere Stein ihm nicht die Zehen zerquetschte, sondern sich dicht vor seinen Füßen in die Erde bohrte. Das war ein schöner Schreck für Peter! Immerhin, die Schlagfalle war gelungen. Ehe er sie richtete, trabte er heim, um Köder zu holen. Gegen Abend, als der Schneefall aufgehört hatte, kehrte er zu der Falle zurück und streute in Schrittabständen Kastanien auf den Wechsel, und zwar vor und hinter der Falle. Dann erst kletterte er mit einem Fellstreifen, an dessen Ende er den Schlagbolzen angebunden hatte, auf den Baum, der das Spannseil führte, hangelte am Ast seitwärts bis zur Traggabel, zog den Bolzen auf und hängte ihn mittels der Tragschlinge an den Gleitpflock.
Vorsichtig kletterte er hinunter und machte sich ans Beschweren des Schlagbolzens. Durch sein vorheriges Mißgeschick gewitzt, verhinderte er das Schwanken des Bolzens, indem er wiederholt je zwei Steine gleichzeitig rechts und links auflegte, soviele der Quirl halten konnte.
Der tragende Ast bog sich unter dem Zug der Steinbrocken, das Spannseil war gestreckt. Ehe Peter die Falle verließ, verwischte er seine Spuren im Schnee und kehrte heim.
Als sich am anderen Morgen der Nebel von den Hängen löste, trabte Peter voll Zuversicht vor seinem Schlitten her, der Südwand zu. Aus dem mit Laub und grünen Fichtenreisern bedeckten Glutkorb quoll der Rauch in dicken Schwaden und trieb, vom Wind erfaßt, vor ihm her. Bei der Falle fand Peter ein junges Wildschwein, einen sogenannten Überläufer, das die Längsstreifen des Frischlings verloren hatte. Tot lag es unter dem Schlagbolzen, von dem sich die Trümmer gelöst hatten. Die Beute war steif gefroren, mußte also schon nachts oder am frühen Morgen der Jägerlist erlegen sein.
Sie war eine leichte Bürde für den Schlitten. Ehe der vergnügte Fallensteller sich mit seiner Last heimwärts wandte, stellte er die Falle wieder her, bedeckte die Blutflecken und seine Fußspuren mit frischem Schnee und streute den Mundvorrat, den er mitgebracht hatte, als Köder.
In der Höhle angekommen, eilte Peter zu Eva hinauf. Sie sah ihm verdrossen entgegen und rührte sich nicht aus ihrer Schlafgrube. Unbekümmert darum zeigte er ihr seine Beute, begann ausführlich von seiner Erfindung und dem Erfolg zu erzählen und auszumalen, wie der Braten schmecken würde, ja müsse: mit Lauch und Kümmel gewürzt und triefend von Fett! Salzspeck und Rauchfleisch, das nach Wacholder roch! Wie zu Ahnls Zeiten!
Vor so viel Vorfreude vergaß Eva ihre Mißstimmung; auch ihr lief das Wasser im Munde zusammen. Sie stützte sich auf den Ellbogen, putzte sich die Nase mit einem Büschel Moos, strich sich die Haare aus der Stirn und stand auf. Nach flüchtiger Morgenwaschung trat sie zur Feuerstelle, legte eine Handvoll Kastanien in die Glut und begann, Reiser zu brechen und ein tüchtiges Feuer anzufachen.
Peter zog das Wildschwein ab. Ihm lag daran, aus der Schwarte, die sich nur schwer vom angemästeten Speck löste, ein widerstandsfähiges Leder für Schuhe zu gewinnen. Noch ehe er mit dieser langwierigen Arbeit fertig war, nahm Eva Herz, Leber und Milz des Schweines, schlitzte sie mit dem Steinmesser und würzte die Innereien mit Salz, Lauch und Wildkümmel. Die so vorbereiteten Stücke spießte sie mit dazwischengelegten Speckstreifen auf einen grünen Stab und begann, sie über den Flammen zu drehen.
Ehe das Mahl so weit ausgekühlt war, daß es genossen werden konnte, hing das gespannte Fell neben Schinken und Speckseiten am Gestänge des Trockenbodens im Rauch.
Dann aber kam ein Schmaus, der alles übertraf, was die Höhlenmenschen bis dahin an Leckerem genossen hatten. Das eingesalzene Fleisch des Jungschweins kam in die Fleischgrube.
Den Nachmittag verbrachte Peter am Klammbach, wo er im offenen Wasser Gedärm und Blase des Schweins reinigte. Schlotternd vor Kälte kehrte er in der Dämmerung heim und stürzte sich auf das Essen, das Eva aus den Resten vom Mittagsmahl bereitet hatte: Wildschweinbraten mit gerösteten Kastanien, getrockneten Beeren und Birnen, das konnte man gut zweimal essen!