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Im Laufe des achtzehnten Jahrhunderts sahen wir in allen europäischen Staaten einen kulturgeschichtlichen Prozeß sich vollziehen, demzufolge die Hexenverfolgung, die im Anfange des Jahrhunderts noch im vollsten Gange war, an seinem Ende aufhörte. In diesem Vorgange stellte sich die Tatsache dar, daß im Laufe des Jahrhunderts die Stellung der Männer der Wissenschaft, vor allem die der Juristen und der Theologen, überhaupt der gebildeteren Stände zum Hexenglauben allmählich eine andere geworden war wie ehedem, daß darum die Strafgesetzgebung sich änderte, und daß schließlich vor dem Forum des Staates und der Rechtspflege die Hexerei nur als ein Phantom galt. Die breiteren Volksschichten waren jedoch von dieser Änderung der Ansichten zunächst nur insofern berührt, als sie von den Gerichten nicht mehr wegen Hexerei gequält wurden. Der Hexenwahn selbst, den die Hexenverfolgung dem ganzen Volke eingeimpft hatte, lebte in ihm noch unerschüttert und ungeschwächt fort, und erst allmählich konnten die finsteren Mächte des Zauberglaubens etwas verblassen, als die Volksschule im Leben der unteren Schichten eine Macht zu werden und es im Denken der Volksmassen etwas lichter zu werden begann.
Lichter, aber nicht hell, denn:
»Unten im Volke haftet noch heute der Glaube an den Teufel und seine Hexen, und noch heute versucht der alte Wahn in der orthodoxen Lehre der Katholiken und Protestanten ans Tageslicht zu dringen«, sagte Gustav Freytag Bilder aus der deutschen Vergangenheit, 24. Aufl., Leipzig 1900, 2 II, S. 380.. Aber so unantastbar wahr diese Worte sind, so wenig trifft es für die Allgemeinheit zu, wenn er fortfährt: »Aber die jetzt noch wagen, eine reale Existenz des Versuchers zu behaupten, müssen sich gefallen lassen, selbst die Bezeichnung zu ertragen, welche der Böse in dem letzten Jahrhundert vorzugsweise erduldete, das Prädikat armer Teufel!«
Freytag irrt. Gar einflußreiche Herren in Amt und Würde, hochgelahrte Lehrer der Theologie lassen sich nicht mit der von ihm gewählten Bezeichnung abtun. Da würde das Gericht ein Wörtchen mitsprechen. Sie wollen ernst genommen werden, wie dies – leider auch noch der Fall ist.
Wenn in der früheren Auflage dieses Buches auf Seite 346 zu lesen stand: »In der evangelischen Kirche hat sich während des laufenden (19.) Jahrhunderts (so viel wir wissen) nur eine Stimme von Bedeutung für den Glauben an die Wirklichkeit der Hexerei erhoben, nämlich August Vilmar zu Marburg«, so sind wir heute, fast vier Jahrzehnte später, in der Lage feststellen zu können, daß Vilmars Lehren auf guten Boden gefallen sind. Der »Stimmen von Bedeutung« sind gar manche laut geworden, deren Besitzer gleich dem orthodoxen Marburger Theologen und Literaturhistoriker († 1868) »des Teufels Zähnefletschen aus der Tiefe gesehen (mit leiblichen Augen gesehen; ich meine das ganz unfigürlich!) Theologie der Thatsachen wider die Theologie der Rhetorik, Marburg 1856, S. 39.«.
Hier gleich einer der bedeutendsten jener modernen Theologen, nach denen der leibhafte Gottseibeiuns noch lebt und wirkt wie in der finstersten Zeit der Hexenbrände.
Professor Dr. A. Freybe, der Geschichtsschreiber des Todes, eine der Größen der modernen protestantischen Orthodoxie, legt folgendes Glaubensbekenntnis ab Der deutsche Volksaberglaube in seinem Verhältnis zum Christentum und im Unterschiede von der Zauberei, Gotha 1910, S. 151 ff.: »Vom Standpunkt der Offenbarung aus wird man die Realität dieser heillosen modernen Nekromantie und Magie – des Spiritismus – keinen Augenblick leugnen. Ohne auch nur das Triviale, Alberne, Gemeine der Aussagen der Geister besonders zu betonen und ohne die Frage entscheiden zu wollen, ob die erscheinenden Geister mit den abgeschiedenen Personen, für welche sie sich ausgeben, wirklich identisch seien, wissen wir eben aus der Offenbarung, nicht nur, daß es unsaubere Geister, πνεύματα άκάδαρτα, δαιμόνια gibt, sondern auch, daß die Seelen, welche Gott vergessen haben, oder gar bewußt Christum verwerfen, ihre Selbständigkeit einbüßen, also von dem Teufel und seinen Werkzeugen, sei es diesseits oder jenseits des Grabes leicht in ihre Gewalt gebracht und auch zum Wiedererscheinen, sei es auch im Tischklopfen, genötigt werden können. Daß die Toten wiederkommen können ( ), lehrt das Alte Testament ganz bestimmt. Ist es doch auch, wie Vilmar in seiner Dämonologie Dogmatik, herausgegeben von Piderit, 2 Bde., Gütersloh 1874/75, I, 323. sagt, eins der gewissesten Zeichen der bösen Geister und der von ihnen in Besitz Genommenen, daß sie irgendwelch heiliges Wort, zumal den Namen Jesu Christi nicht aussprechen, oder das Signum crucis, das Kreuzschlagen nicht vertragen, oder wenigstens nicht selbst vollziehen mögen; dasselbe gilt schon vom Händefalten zum Gebet, vollends vom Beten des heiligen Vaterunsers, das sie rückwärts lesen. Der Christ, sagt J. v. Görres, welcher von der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen also ißt, von jener Frucht, die der Böse ihm gesegnet, ißt den Fluch in sich hinein, wie er dem Segen Gottes in gleichem Verhältnisse absagt. Statt mit Christo im Baume des Lebens das Nachtmahl zu feiern, hat er mit dem Dämon im Baume der Erkenntnis Mahl gehalten, und so an Stelle des Sakraments, wenn man so sagen darf, das Exekrament gesetzt.« In einer Anmerkung erklärt Freybe: »Als ein solches Exekrament erscheint auch das Mahl auf dem Blocksberg, das in niederdeutschen Hexenprozeßakten oft wiederkehrt. Züge davon kehren auch in der mecklenburgischen Sitte des Blocksbergreitens wieder, bei der Röcke und Jacken mit Kreuzen bezeichnet wurden«, zitiert er nach K. Bartsch' »Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg«, weil er Soldan-Heppe nicht kennen oder vielleicht auch nicht kennen will, da die Ansichten dieser Theologen mit den seinen zu himmelweit auseinandergehen. Doch weiter im Texte. »Nun handelt er ›in des duvels, in drier duvel, in dusent duvel namen, tövert de lüde doff un blinth, köpt ok in aller duvel namen einen poth, makt den poth ful tuges van adderen (Ottern) vnd slangen, de up der rösten braden sind und melck dartho gedan, maket den poth tho in aller duvel namen un get en vor de doren der naberschop in aller duvel namen.‹ Daß das Sakrament der heiligen Taufe bei diesem Bunde mit dem Teufel gelästert wird, kann im Grunde nicht befremden: ›Jacob du schalt töfen in aller duvel namen drie mhal.‹ ›Wasser holen in Gottes Namen und darein legen negenderlei Holtz und negenderlei steine von dem velde in taussen düfel namen‹, oder Wasser füllen gegen den Strom in aller Teufel Namen, oder sagen: ›Düfel, help help in deinem nahmen, das es diesem Man vergehet und den andern bestehet‹. Das alles kehrt in den niederdeutschen Zauberformeln oft wieder.«
»Diese Zauberei darf nach der Heiligen Schrift wie nach der Erfahrung nicht in das Gebiet des Aberglaubens und Wahnglaubens verwiesen werden, sondern gehört in das des Abfalls von Gott und seiner Offenbarung. Daß bei dieser Zauberei unendlich viel Aberglaube, ja Betrug mit unterläuft, benimmt der Realität derselben nichts Freybe, S. 153..«
Glaubt man nicht einen Inquisitor zu hören oder einen Hexenmeister des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts? Und doch ist es ein Geistlicher unserer Zeit, der ein »für die Praxis bitter notwendiges Lehrstück über die pastorale Behandlung des Volksaberglaubens« jungen Pastoren darbietet, »in dessen Behandlung oft die schwersten, für die Seelsorger oft verhängnisvollsten Mißgriffe erfahrungsgemäß erfolgen«. Doch nicht der Volksaberglaube allein bedrückt Freybe: »Auch die moderne Zauberei ist als Realität und als Abfall von Gott zu behandeln. Gerade in unserer Zeit der Akedie, in welcher so viele dem Spiritismus zunächst nur aus curiositas verfallen, als einem der stärksten Reizmittel für den abgestumpften Geist, der sich im Geniekultus oft stumpf und verrückt gelesen hat(!), ist dieser Abfall von Gott und seinem Wort der modernen Welt als solcher zum Bewußtsein zu bringen. Damit wird das Heilverfahren beginnen müssen, um dann in ruhiger Lehre und Betrachtung des Wortes Gottes die Satanalogie und Dämonologie der Heiligen Schrift zu entfalten, die Abgefallenen womöglich zur Taufe und Taufgnade zurückzuführen und in ihnen wieder einmal die Freude an Christo zu erwecken, der gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören.«
Herr Professor Freybe, der auch seine dumpftönende Stimme gegen die Leichenverbrennung erhob Erdbestattung und Leichenverbrennung, Halle 1908., hat recht, wenn er auf Seite 67 seines Buches zitiert: »Es gibt eben, wie Goethe (!!) sagt, viele Dinge, von denen die Gelehrten sich nichts träumen lassen.«
Noch einen Schritt weiter als Prof. Freybe geht Ernst Mühe, Pfarrer zu Derben in Pommern. Seine Sehnsucht steht direkt nach der Hexenverfolgung von Rechts wegen! Nach ihm ist Hexerei und Zauberei Gotteslästerung, was ja auch bereits die Inquisitoren eingesehen hatten. Pfarrer Mühe will dem Hexengeschmeiß mit Predigt und Belehrung zu Leibe gehen, »da leider (!) die neue Gesetzgebung den Obrigkeiten keine genügende Handhabe bietet, um diesem Frevel wirksam zu steuern« Der Aberglaube. Eine biblische Beleuchtung der finsteren Gebiete der Sympathie, Zauberei, Geisterbeschwörung usw., 2. Aufl., Leipzig 1886, S. 45.. Nicht ganz so radikal ist Herr Friedrich August Röschen, Pfarrer zu Wimmerod bei Gießen. Er schreibt: »Der Teufel bezweckt durch die Zauberei die Menschen ganz und gar von Gott loszureißen und an sich, als Helfer und Gott, und an das Reich der Finsternis zu ketten; bei den Christen besonders den Taufbund zu brechen, den seligmachenden Glauben zu rauben, die Kirche zu zerstören und den Menschen zum ewigen Tode zu verstricken Die Zauberei und ihre Bekämpfung, Gütersloh 1886, S. 73..«
Wie drüben, so hüben. Was Joseph von Görres in seiner »christlichen Mystik« lehrte, wuchert heute noch üppig fort und trägt die eigenartigsten Blüten, die man sich hüten muß als Aberglaube zu bezeichnen, da anerkannte katholische Kapazitäten und Kongregationen Hoensbroech, I, S. 263 f. sie als unantastbare Wahrheiten von der Kanzel und vom Katheder herab verkünden. All die »Tatsachen« wie Hexensabbate, Incubi und Succubi, Hexenzeichen, die eingehenden Beschreibungen des Teufels, seiner Sippe und der Hölle, die Görres in den vier Bänden seines Lebenswerkes zusammengetragen, sind unvergessen geblieben und werden jungen, angehenden katholischen Seelsorgern mit auf den Lebensweg gegeben.
So doziert Professor Dr. Bautz an der Kgl. Universität in Münster über die Hölle und das Fegfeuer, die er anscheinend wie seine Tasche kennt.
»Die Hölle, so lautet nämlich unsere These, befindet sich nicht in weitentlegener Ferne, sie befindet sich im Innern unserer Erde, wie im Anschluß an die H. Schrift Väter und Theologen in größter Übereinstimmung lehren Die Hölle, Mainz 1882, S. 22, 2. verbesserte und vermehrte Auflage. Mainz 1905. Dr. Marcus Landau, Hölle und Fegfeuer. Heidelberg 1909, S. 66..« Die Vulkane sind die Schlote dieser Hölle, was lange vor Bautz schon Caesarius von Heisterbach entdeckte, die Riesenwogen ihres Feuermeeres machen als Erdbeben »die Erde, die uns trägt, in banger Angst erzittern«. Und »das Bewußtsein, daß die Hölle uns so nahe ist, daß ihre grausigen Flammen hart unter unseren Füßen drohend lodern, daß es der Hölle Schloten sind, die vor unsern Augen giftig qualmen, daß die Riesenwogen ihres ewigen Feuermeers aus der Tiefe herauf die Erde, die uns trägt, in banger Angst erzittern machen, das alles dürfte wohl geeignet sein, den erschütternden Eindruck – des Gedankens an die Hölle – nicht wenig zu verschärfen Ba utz, Hölle, 2. Auflage, S. 49 und 72..« Wie der Jesuit Suarez ist Bautz der Überzeugung, daß es vier unterirdische Räume gibt: den Schoß Abrahams, das Fegfeuer, den Aufenthaltsort für die mit der Erbsünde gestorbenen Kinder und die Hölle. »Auch vom Standpunkte des vernünftigen Denkens empfiehlt sich unsere Lehre.« »Daß die eigentliche Hölle am tiefsten, dem Zentrum der Erde am nächsten liege, oder mit diesem identisch sei, wird von allen Theologen eingeräumt; nicht minder, daß der »Schoß Abrahams« sich in höherer und würdigerer Lage befinde. Man könnte geneigt sein, den »Raum für die ungetauften Kinder« in die unmittelbare Nähe der Hölle zu verlegen. Dennoch verlegen ihn viele Theologen in einige Entfernung von der Hölle. Das Fegfeuer befindet sich aber wohl in unmittelbarer Nähe von der Hölle. Nach der Auferstehung freilich wird das Fegfeuer keine Bewohner mehr haben, wie schon jetzt »der Schoß Abrahams«; beide Orte werden dann wohl zur eigentlichen Hölle gezogen. Gegen die Annahme, daß in einem Teile des Erdinnern Feuer sei, kann die moderne Wissenschaft keinen Widerspruch erheben, und sie tut es auch tatsächlich nicht a. a. O., S. 25..« »Wie dem auch sei, das Feuer der Hölle ist ein materielles Feuer, durch Gottes Hauch entzündet. Diese Lehre erklärt der Jesuit Perrone für so gewiß, daß sie nicht ohne Verwegenheit bezweifelt werden kann S. 107 ff..« »Wie immer die Entwicklung unseres Erdballs in den Jahrtausenden, die ihm vor dem Weltende noch beschieden sind, verlaufen mag, für den Fortbestand des Höllenfeuers wird die Weisheit und Allmacht des strafenden Gottes Sorge tragen.«
Nun die Beherrscher dieses Feuermeers.
Die Annahme ist durchaus nicht unwahrscheinlich, daß einzelnen bevorzugten Teufeln ein weiteres Arbeitsfeld gegeben ist. »Ihnen liegt es ob, hervorragende, heiligmäßige Personen durch stärkere und listigere Versuchungen zu beunruhigen, ihnen liegt es ob, gegen eine größere Kommunität den Kampf zu leiten, und zu dem Ende werden ihnen Teufel niederer Ordnung zur Hilfeleistung unterstellt; sie unterrichten und ermuntern dieselben, schicken sie hierhin und dorthin, eilen wohl auch selbst hinzu, um hilfreich einzugreifen. Die Besessenheit kommt dadurch zustande, daß der Teufel seiner Substanz nach innerlich im Menschen Wohnung nimmt. Die Realität solcher Besessenheit und zwar bis in die Gegenwart hinein muß zugegeben werden. Der Teufel ist imstande, die einfachen Elemente in mannigfacher Weise zusammenzubringen, damit sie sich chemisch unter den gewöhnlichen Erscheinungen (Licht, Wärme, Feuer, Schall, Elektrizität) verbinden. Er ist ferner imstande, die Samenzellen organischer Wesen an die geeignete Stelle zu tragen, damit sie dort nach Umständen zuvor, durch männlichen Samen befruchtet, zu lebendigen Wesen sich entwickeln.« Das schreibt schon der Hexenhammer in seiner Lehre von der geschlechtlichen Vermischung zwischen Teufel und Mensch. Nach Bautz vermag der Teufel ferner Schäden und Krankheiten zu heilen. Er kann mannigfache Erscheinungen wie Schall, Licht, Wärme, Elektrizität herbeiführen. »Durch Kondensierung des Wasserdampfes erzeugt er Regenwolken und Regen; durch gewaltigen Impuls der Luft erzeugt er verheerende Sturmwinde, entzündet Feuer durch elektrische Bewegungen und läßt es vom Himmel fallen. Er bildet aus geeigneten Stoffen für sich selbst oder für andere Zwecke Körper, die menschlichen oder tierischen Leibern nachgebildet sind, und gibt ihnen durch mechanische Kraftanwendungen die entsprechenden äußeren Qualitäten: Schwere, Festigkeit, Wärme, Farbe. Er läßt in rapider Bewegung solche Körper plötzlich erscheinen oder verschwinden, versetzt sie oder andere Gegenstände durch unsichtbare Gewalt von Ort zu Ort, läßt sie in Wirklichkeit oder zum Schein durch andere Körper hindurchgehn. Was die teuflische oder schwarze Magie betrifft, so ist sie von der weißen oder natürlichen sorgfältig zu unterscheiden. Wir verstehen unter ihr das gottlose Bestreben eines Menschen, auf Grund eines ausdrücklichen oder stillschweigenden Paktes mit dem Satan Wirkungen zu setzen, die über die Kraft des Menschen hinausgehen. Daß derartige Dinge tatsächlich vorkommen, kann ohne Irrtum im Glauben nicht geleugnet werden a. a. O., S. 136 ff..« Die Theologen geben zu, daß der Teufel in einem »wirklich organisierten Leibe« erscheine, wozu er sich eines Leichnams bemächtigt Caes. v. Heisterbach, dialog. miraculorum, XII. 4.. Sonst ist ihm nicht gestattet, dem Leib, den er sich bereitet, das Bild eines vollkommenen Menschenleibes aufzudrücken. »Er ist genötigt, ihm teilweise eine tierische Bildung oder eine andere verzerrte oder fratzenhafte Form zu geben; und während der gute Engel seinen Leib aus edlen, ätherischen Stoffen bildet, ist der Teufel für diesen Zweck auf unreine, schmutzige Materien angewiesen. Unter den denkbar verschiedensten Gestalten ist Satan schon erschienen: als Wolf, Bär, Stier, Bock, Ziege, Fuchs, Kater, Hund, Maus, Fledermaus, Vogel, Hahn, Eule, Drache (!), Kröte, Eidechse, Skorpion, Spinne, Fliege, Mücke; oder er erscheint in Menschengestalt als Mohr, Bauer, Schiffer, Geistlicher, Eselstreiber, geputztes Weib.« Bauern, Schiffer, Geistliche und geputzte Weiber können sich bei dem Herrn Verfasser dafür bedanken, daß er sie als aus »unreiner, schmutziger Materie« hergestellt erklärt.
Vorsichtiger als Bautz drückt sich der Jesuit Lehmkuhl in seiner vielverbreiteten, in den Priesterseminaren vielfach als Handbuch benützten »Theologia moralis« aus Freiburg i. B., 6. Auflage, 1890.. »Liegt ein ausdrückliches Bündnis mit dem Teufel vor, dessen Vorkommen wir nicht leugnen können, obwohl allzu große Leichtgläubigkeit vermieden werden muß, so sind damit andere Sünden gewöhnlich verbunden, z. B. Anbetung des Teufels. Der mit dem Teufel abgeschlossene Vertrag, der von beiden Seiten durch ein äußeres Zeichen bekräftigt worden ist, muß aufgelöst, verbrannt, zerstört werden. Mit dem Teufel während des Exorzismus Scherz treiben ist schwer sündhaft. Zur Bestialität ist auch der geschlechtliche Verkehr mit dem Teufel zu rechnen, wenn er unter menschlicher oder tierischer Form erscheint. Obgleich dies selten geschieht, so ist es doch nicht unmöglich, daß es zuweilen geschieht.«
Nicht der geniale Schwindler Taxil allein, der einst die ganze ultramontane Welt narrte, hält die Freimaurer für diejenigen, die heute noch im lebhaftesten persönlichen Verkehr mit dem Teufel stehn. Auch wenn man nicht einer Loge angehört, muß man das Gefasele belächeln, das gläubigen Lesern in unverkennbarer Absicht über »das lichtscheue Treiben« der Freimaurer aufgetischt wird. Der phantasievollste Hintertreppenroman-Fabrikant muß vor Neid erbleichen, wenn er die breit ausgemalten Schauerszenen bei den Versammlungen der Freimaurer liest Hoensbroech, I, S. 321 ff..
Als Illustration diene hierzu ein Bericht in der Abendausgabe des Berliner Tageblattes vom 26. Juli 1910:
Den Zöglingen der katholischen Präparandenanstalt in Merzig (Rheinprovinz) wurde von einem Lehrer folgende Ferienaufgabe zur Bearbeitung während der Pfingstfeiertage gestellt:
»Fragen über die Freimaurerei« (nur zu volkskundlichen Zwecken).
1. Wie wird der Name »Loge« und »Freimaurer« gedeutet?
2. Was erzählt man sich von der Aufnahme der Freimaurer?
3. Was erzählt man sich über ihre Versammlungen?
4. Was erzählt man sich über ihren Zauberkuß?
5. Was erzählt man sich über ihre Häuser?
6. Was erzählt man sich über ihren Reichtum?
7. Was erzählt man sich über ihre Werkzeuge?
8. Was erzählt man sich über ihre Erkennungszeichen?
9. Was erzählt man sich über den mit ihnen verkehrenden Teufel?
10. Was erzählt man sich über ihr Ende?
11. Was erzählt man sich über die in der Loge hängenden Bilder?
12. Was erzählt man sich darüber, wie sie wieder loskommen?
13. Was erzählt man sich über ihren Schutz gegen Verrat?
14. Was erzählt man sich über ihre Lebensdauer?
15. Was erzählt man sich über ihr Verhältnis gegen Religion und Staat?
16. Welches sind die allgemeinen Vorurteile gegen die Freimaurer?
Besonders erwünscht sind zusammenhängende Erzählungen, wie zum Beispiel: Beim Leichenbegängnis eines Freimaurers war auch ein fremder Mann unter den Leidtragenden, den niemand kannte und der beim Gebet des Geistlichen plötzlich verschwunden war. Noch lange Zeit danach hörte man laute Klagetöne in der Luft. Die Fenster am Hause des Verstorbenen sprangen wie durch eine unsichtbare Macht auf und zu. Das hat so lange gedauert, bis ein frommer Nachbar den Spuk gebannt hat. Auf dem Grabe wuchsen keine Blumen länger als ein Jahr, darauf gepflanzte Sträucher waren alsbald verdorrt.«
Das ist die genaue Abschrift des mit Schreibmaschine hergestellten Originals.
Von den Priesterseminaren werden diese Lehren in die Bildungsstätten der Lehrer getragen. An einem Königlich Sächsischen Lehrerseminar trug ein Religionslehrer nach einer Nachschrift vor: »Im Morgenlande schieben die Bewohner die Entstehung von Krankheiten auf die Geister. Ich glaube das aufs Wort, weil ich an der Bibel festhalte. Das Bewußtsein des Menschen verbindet sich mit dem des Geistes. In gewissen Momenten wird aber der Mensch seiner selbst bewußt und unterscheidet sich von dem Geist, der in ihm ist. Es treten hier Erscheinungen ein, die diese Geschichte (Markus 5) unmöglich als Dichtung erscheinen lassen, nämlich, daß die Geister in die Säue fahren; letztere ersaufen im Meer. Die bösen Geister haben bestimmte Aufenthaltsorte, die sie ohne Jesu Erlaubnis nicht wechseln dürfen. – – Es gibt einen persönlichen Teufel; denn sonst brauchten wir keine Erlösung. Kunst und Wissenschaft sind Blendwerk vom Teufel und bringen den Menschen von Gott ab Nach dem Bericht in der »Leipziger Lehrerzeitung«, »Berliner Tageblatt«, Abendausgabe vom 23. Juli 1910..«
In der Berliner Morgenpost vom 16. Mai 1911 findet sich die nachstehende Notiz:
»Aus dem ›Handbuch der Pastoralmedizin von Dr. Aug. Stöhr, 5. Auflage, von Dr. Kannamüller-Freiburg, Herdersche Verlagsbuchhandlung 1909‹ zitierte der bekannte Mediziner Prof. Dr. v. Hansemann in der Berliner klinischen Wochenschrift folgende Sätze:
›Die Möglichkeit der Entstehung von Krankheiten durch dämonische Einflüsse muß von jedem gläubigen Katholiken als eine über allen Zweifel erhabene Tatsache angenommen werden.‹ Es heißt dann einige Zeilen weiter, nachdem verschiedene Gründe dafür angeführt sind: ›es gibt also dämonische, in ihrer Aetiologie (Ursache) von den durch den Einfluß natürlicher Dinge entstandenen pathologischen Vorkommnissen grundverschiedene, mit Zulassung Gottes durch übernatürliche Kräfte und durch die Macht böser Geister erzeugte menschliche Krankheiten.‹ Für diese Krankheiten sind die Gnadenmittel die erfolgreichsten und berechtigtsten Heilmittel.«
Kannamüller stellt im weiteren seinen »aufgeklärten« Standpunkt der mittelalterlichen Auffassung gegenüber und bestreitet, daß der Satan, wie die alte Zeit geglaubt habe, durch besonders auffallendes Gebaren oder durch den Hokuspokus der Volkssage seine Anwesenheit verkünden müsse. Der Gelehrte schreibt:
»Der Gedanke, daß dämonische Kräfte unter der Maske eines akuten Gelenkrheumatismus oder Typhus sich bergen können, hat für mich wenigstens etwas viel Bestechenderes, insofern sich eben der dämonische Intellekt unter solchem Trugbild als feiner und raffinierter operierend darstellt als die Annahme, daß die Einwirkung feindlicher übernatürlicher Gewalten sich immer nur auf außergewöhnlichen, von dem natürlichen Verlauf der Dinge abweichenden Bahnen bewege. Die Erkenntnis solcher Krankheitszustände als dämonischer dürfte dann allerdings lediglich Sache des Theologen sein, für den Arzt unterscheiden sie sich in keiner Weise von den gemeinen Affektionen der nämlichen Form.«
Tatsächlich hat ja auch seinerzeit im Alexianerprozeß Sanitätsrat Dr. Kapellmann die grausame Behandlung der Irren mit dem Vorhandensein dämonischer Krankheiten, die die Austreibung des Teufels bedingten, gerechtfertigt. Aber wenn die Blätter des evangelischen Bundes, vorab die Tägliche Rundschau, mit dieser Postoralmedizin ausschließlich das katholische Konto belastet wissen wollen, so sind sie im Unrecht. Wir erinnern an die famosen Debatten der Kurpfuscherkommission des Deutschen Reichstages über das Gesundbeten, das Besprechen von Vieh und dergleichen. Da fanden sich die alten Weiber unter den Kommissionsmitgliedern interkonfessionell zusammen und verschrieben unter andern Gnadenmitteln auch die Korinthen eines jungfräulichen Ziegenbocks.
Der Glaube an Besessenheit, den Justinus Kerner verfocht und neue Nahrung zuführte, ist bei einem Teil des katholischen Klerus in vollster Blüte. Nur wenige Jahre sind verflossen, seit eine Teufelsaustreibung in einem deutschen Lande allgemeines Aufsehen erregte. 1892 war's, da exorzierte in Wemding der Kapuzinerpater Aurelian mit Bewilligung des Bischofs von Eichstätt aus einem Besessenen einen Teufel, der dem Beklagenswerten von einer Protestantin mittelst Backobst in den Körper gezaubert worden war. Der Teufel wurde glücklich davongejagt und sein Bändiger wegen Beleidigung der protestantischen »Hexe« zu 50 Mark Geldstrafe und Tragung der Kosten verurteilt Münchner Neueste Nachrichten Nr. 532, 20. XI. 1892.. Mit welch ungeschwächter Kraft aber auch im Volke der Hexenglaube fortlebt, davon im folgenden einige Stichproben nach den fast immer neuesten Quellen. Nur Stichproben, denn eine Durcharbeitung des ganzen vorliegenden Materials würde ein starkes Buch ergeben. Ich glaube aber, das Mitgeteilte wird genügen. Ich beschränke mich hauptsächlich auf Europa und räume den Deutschen den breitesten Raum ein. Italien und die pyrenäische Halbinsel, die Heimstätten des finstersten Aberglaubens, sind nur gestreift. Es genügt zu sagen, daß dort Inquisitions- und Hexenprozesse jetzt noch ebenso Opfer sonder Zahl finden würden, wie geistliche Ankläger und – vielleicht auch weltliche Richter. Denn, so schreibt Hans Barth im Berliner Tageblatt vom 14. Oktober 1910 in einem römischen Brief über einen Hexenzauber, dem die Frau des Bänkelsängers Piovani erlegen sein soll:
»Und doch ist Giuseppe Piovani, der nebenbei ein sehr frommer Mann ist und ganze Tage in den Kirchen verbringt, durchaus nicht ›verrückter‹ als viele seiner Landsleute, die in einem Punkte, im Aberglauben, noch völlig auf dem Niveau der guten, alten Zeit, ja, der antiken Römer stehen. Trägt das Volk, wie G. Belli irgendwo sagt, zugleich ›Rosenkranz und – Messer in der Tasche‹, so der Gebildete in zahlreichen Fällen zugleich – Darwin und Traumbüchlein. Noch glaubt der Römer, und ein wenig auch der Norditaliener, steif und fest an die ›jettatura‹ und an den ›bösen Blick‹, und die als ›jetattori‹ bezeichneten Leute sind gebrandmarkt wie Aussätzige, werden gemieden und verabscheut, und wer in ihre Nähe kommt, macht rasch mit der Rechten das Zeichen der Beschwörung, zeigt sein an der Uhrkette baumelndes Korallenhörnchen (den Abkömmling des antiken Phallus) oder greift etwas unästhetisch an die Hosennaht. Noch bedienen sich sogar Gelehrte und Staatsmänner (und wäre es nur aus Gewohnheit) des schützenden Hörnchens, und selbst der größte moderne Politiker Italiens, Francesco Crispi, schwur ganz offen auf diesen unfehlbaren Talisman. Freilich war er Süditaliener. Wie viele Familien der besten Kreise Roms schmücken nicht ihre Kinder zugleich mit Madonnenbild und ›Cornetto‹, denn man hat nicht immer einen Buckeligen zur Hand, vor dem alle Hexen und Hexenmeister ihre Kraft verlieren, wie Simson die seine unter Delilas Schere. Und was das Kapitel ›Hexen‹ betrifft, so ›kann man nicht wissen‹. Denn schon die Alten (und die waren klüger als die Jungen) fürchteten sich vor Werwölfen, Lamien und ›strigae‹. Wer wollte es darum den Modernen verargen, wenn sie beim Anblick gewisser Vetteln oder Zauberer, bezw. jettatori, schleunigst zur Abwehr greifen? Hört man nicht sogar im skeptischen Deutschland allerorts die Beschwörungsformeln ›unberufen‹ und ›unbeschrieen‹? Und darum hatte auch Giuseppe Piovano völlig recht, wenn er sich und seine arme Antonia von der ›strega‹ von San Carlo verhext hielt. Wie denn Belli, der römische Dialektdichter, singt:
Questa vecchiaccia qua in faccia è er mio spavento ...
E ogni notte, sopr' aqua sopr' a vento,
Er Demonio la porta a Benevento ...«
(Wie mir die Alte Angst und Schrecken macht ...
In Wind und Regen wird sie jede Nacht
Vom Teufel hin nach Benevent gebracht.)«
Am 18. Oktober 1911 wurde in Umbertide bei Perugia eine alte Hexe von Bauern in einem Kalkofen verbrannt B. Z. am Mittag, 19. IX. 1911..
Aus Frankreich nur ein kurzer Bericht nach dem Illustr. Wiener Extrablatt vom 15. Dezember 1910:
»In Dijon wurde eine junge Frau verhaftet, eine gewisse Jeanne Noel, 26 Jahre alt, deren Treiben neuerdings den Beweis erbringt, daß der stupideste Aberglaube nicht auszurotten ist. Diese Jeanne Noel hat es verstanden, zwei Frauen, einer Hausbesitzerin Helus und ihrer verheirateten Tochter Beau, einzureden, daß sie verhext und bezaubert seien. Die Frau Beau stand mit ihrem Gatten im Ehescheidungsprozeß. Die Noel wußte ihr einzureden, daß sie imstande sei, ihr den unzufriedenen Gatten zurückzuführen. Der Mutter der Frau machte sie vor, daß sie vom Satan und von bösen Geistern besessen sei. Um den Gatten der Tochter zurückzuführen und um sie selbst vom Satan zu befreien, müsse die Frau allerlei Opfer bringen. Frau Helus mußte auf das Skelett eines Kindes, das sich die Beschwörerin auf eine bisher noch nicht aufgeklärte Weise beschafft hatte, zahlreiche Eide schwören. Dann wieder trug die Frau Noel ihr auf, bestimmte Geldsummen unterm Dach zu verstecken und schließlich mußte sie sogar allerlei verrückte Tänze und Zeremonien in halbnacktem Zustand in ihrer Wohnung aufführen. Schließlich ging die Noel sogar so weit, allerlei Getränke zu brauen, von denen ihre beiden Opfer trinken mußten. Am 15. Juli reichte sie der Witwe Helus einen Beschwörungstrank, nach dessen Genuß die Frau erkrankte und noch am selben Tage starb. Der Sohn der Verstorbenen richtete nun an die Staatsanwaltschaft eine Anzeige. Das Gericht ließ die Leiche der Frau Helus exhumieren und gerichtschemisch untersuchen. Es wurde festgestellt, daß die Frau tatsächlich am Genusse eines giftigen Getränkes gestorben war.«
In Rumänien nehmen nach dem Volksglauben die Hexen die Gestalt einer roten Flamme an. Wem eine solche auf den Kopf steigt, wird stumm und wahnsinnig. Nur der kann sich des Geistes erwehren, der sich rasch bekreuzt oder die Daumen der beiden Hände der Flamme entgegenspreizt Bernh. Stern, Medizin, Aberglauben und Geschlechtsleben in der Türkei. 2 Bände. Berlin 1903, I, S. 343.. Die Freitagskinder sind gegen Hexenglauben gefeit.
In Griechenland treiben die Hexen an den Neumondstagen im März ihr Wesen. Sie vertauschen ein an einem dieser Tage geborenes Kind gern gegen einen Wechselbalg Stern, II, 330..
Über den Hexenglauben bei den südslavischen Völkern, den Serben, Kroaten, Neu-Slawonen und Bulgaren, macht Krauß die Angaben:
»Es gibt drei Arten von Hexen. Zur ersten gehören die Lufthexen. Diese sind von sehr böser Gemütsart; sie sind den Menschen feindlich gesinnt, jagen ihnen Schreck und Entsetzen ein und stellen ihnen auf Weg und Steg überall nach. Nächtlicherweile pflegen sie dem Menschen aufzupassen und ihn so zu verwirren, daß er das klare Bewußtsein vollständig verlieren muß. Zur zweiten Art gehören die Erdhexen. Diese sind von einschmeichelndem, edlem und zugänglichem Wesen und pflegen dem Menschen weise Ratschläge zu erteilen, damit er dieses tun und jenes lassen möge. Am liebsten weiden sie die Herden. Die dritte Art bilden die Wasserhexen, die höchst bösartig sind, doch, wenn sie frei auf dem Lande herumgehen, mit den ihnen begegnenden Menschen sogar gut verfahren. Wehe und ach aber demjenigen, den sie im Wasser oder dessen Nähe erreichen: denn sie ziehen und wirbeln ihn so lange im Wasser herum, oder reiten ihn der Reihe nach so lange, bis er jämmerlich ertrinken muß Friedrich S. Krauß, Sitte und Brauch der Südslaven. Wien 1885..«
Sehr interessant ist der Vergleich, den der verdiente Slavenforscher zwischen süd- und nordeuropäischem Hexenwahn zieht:
»Vergleicht man den südslavischen Hexenglauben mit dem abendländischen, vorzüglich mit dem deutschen und italienischen, aus welchem die Südslaven so manche Elemente entlehnt haben, so fällt es auf, daß in allen Sagen Hexenmeister nicht erwähnt wird. Ferner ist dem Teufelsglauben eine sehr untergeordnete Stellung eingeräumt. In den deutschen und italienischen Hexenprozessen spielt der Teufel eine sehr große Rolle. Die Hexen verschreiben sich ihm mit Leib und Seele unter Hersagen besonderer Schwurformeln. Davon ist keine Rede im südslavischen Hexenglauben. Merkwürdigerweise wird den Hexen bei den Südslaven die Gabe der Weissagung in keiner Weise zugeschrieben. Die Vještice war eben ursprünglich keine Wahrsagerin, sondern lediglich Ärztin. Die Weissagung erscheint noch heute den Südslaven als nichts Verächtliches. An gewissen Festtagen im Jahre, z. B. am Tage der heil. Barbara und zu Weihnachten, weissagen noch gegenwärtig Frauen und Männer. Die Frauen z. B. aus Fruchtkörnern, die Männer aus dem Fluge der Vögel oder aus den Eingeweiden oder Schulterstücken geschlachteter Tiere. Bei den Südslaven gab es offenbar ursprünglich keineswegs wie bei den Italienern und Deutschen einen besonderen Stand der Priesterinnen, Weissagerinnen und Ärztinnen. Das streng demokratisch-separatistische System der Hausgemeinschaft (zadruga), der Phrarie (brastvo) und der Phyle (pleme), welches die Südslaven als uraltes indogermanisches Erbstück bis auf die Jetztzeit zum Teil festgehalten haben, bot der Entwicklung von Priesterinnenkollegien nicht geringe Hemmnisse. Zudem nahm und nimmt das Weib im Volksleben der Südslaven eine ganz untergeordnete Stellung ein. Dem Weibe, das man sich wie irgendeinen Gegenstand von ihren Eltern und Verwandten kaufte, konnte man unmöglich eine höhere geistige Befähigung einräumen, die sie über den Mann gestellt hätte. Infolgedessen konnten die Hexenprozesse des Abendlandes auf dem Balkan keinen günstigen Boden finden. Die mittelalterliche Dämonologie des Abendlandes fand hier keinen Eingang.«
Die Slaven in Deutschland haben sich den Hexenglauben aus ihrer ursprünglichen Heimat nach ihren neuen Wohnsitzen mitgebracht.
Die Wöchnerin bei den Mähren in Schlesien darf ihr Neugeborenes sechs Wochen lang nicht ohne Aufsicht lassen, sonst kommt die Tscharotenitza, die Hexe, nimmt das Kindchen und legt einen Podhodek, d. h. Wechselbalg, dafür in die Wiege Dr. Frz. Tetzner, Die Slaven in Deutschland, Braunschw. 1902, S. 278..
Bei den Wenden werden zu Walpurgis die schrägen Kreide- und Teerkreuze an den Stalltüren erneuert, der uralte Viehschutz gegen das Behexen. Denn in der Walpurgisnacht schwärmen die Hexen umher Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube der Gegenwart, 3. Bearb. von El. Hugo Mayer, Berlin 1900, S. 157, S. 76.. Früher zog man gegen die Hexen mit brennenden Besen los, doch machte dem die Polizei ein Ende Tetzner, S. 332..
Wo abends ein Schmetterling in der Stube herumfliegt: »Da ist eine Hexe.«
Wer sich unter eine »abgestorbene« Egge – eine Egge, die von einem inzwischen gestorbenen Pferde gezogen worden war – setzt, die an eine Wand gelehnt ist, der sieht, wenn eine Hexe in den Stall zum Vieh kommt Willib von Schulenburg, Wendisches Volkstum, Berlin 1882, S. 75 ff.. Bei den Zolaben oder Elbslaven im hannoverschen Wendlande können Hexen nicht in den Stall wenn Grasbündel davor liegen. Sie müssen erst die Halme zählen. Wenn man unter einer dreibalkigen Egge durchblickt, dann kann man die Hexen am ersten Maitag auf einem Besenstiel reiten sehn. Donnerstagkinder müssen auf dem Altar getauft werden, sonst sehen sie Spuk Tetzner a. a. O., S. 385 f..
Bei den Kaschuben in Pommern sind der Teufel, Alp, Mahrt, die Leutchen, d. h. Kobolde und Heinzelmännchen, kopflose Gespenster und Hexen heute noch zu Hause. Hinter dem Mistkäfer verbirgt sich der leibhafte †††, ebenso kommt er im Wirbelwind. Wo Irrlichter funkeln, hat er Geld verborgen Tetzner, S. 462..
Am Johannisabend legen die Polen in den deutschen Gebieten Kornblumenkränze zum Schutze gegen die Hexen vor die Ställe Tetzner, S. 491..
In der Herzegowina wird die Hexe an den trüben, tiefliegenden Augen, den zusammengewachsenen Augenbrauen und einem kleinen Schnurrbart unter der Nasenscheidewand erkannt Ploß-Bartels, Das Weib etc., Leipzig 1902, 7. Auflage, II. Bd., S. 671..
Jedes alte Weib auf der Insel Lesina in Dalmatien, das ein aufwärts gebogenes Kinn, eingefallene Augen hat und unter einem besonderen Stern geboren ist, übt nach dem Glauben der Eingeborenen Hexenkünste Ploß-Bartels, S. 671..
In der russischen Allgemeinen Gesetzsammlung vom Jahre 1890 handeln die Artikel 28-55 vom Aberglauben. In ihnen wird von Personen gesprochen, die sich für Hexen und Zauberer ausgeben. Und diese Gesetze sind nötig, denn nirgend ist der Zauberwahn lebendiger als im Reiche des weißen Zaren. »Der Russen träge Phantasie«, schrieb der Arzt Wichelhausen im Jahre 1803, »wird am meisten noch durch das Übernatürliche und Fabelhafte erschüttert. Leicht glaubt er deswegen an das Daseyn unsichtbarer Mächte, deren Einflüsse ihm uralte Sagen verkünden und die Furcht ihm mit neuen Farben ausmahlt.«
Dieser Glaube an unreine Kräfte, an gute und böse Geister, an Dämonen, Hexen und Zauberer ist in allen Kreisen, auch in denen der Geistlichkeit verbreitet. In Kleinrußland stellt man sich heute eine Hexe fast immer als eine alte Frau vor; auffallend Langlebige sind verdächtig, weil die Kunst der Verlängerung des Lebens ein Hauptgeheimnis der Zauberei ist. Das meist verbreitete russische Bild, das man sich von einer Hexe macht, ist dieses: Eine bejahrte Frau, hoch, mager, knochig, mit einem kleinen Buckel, mit zerzausten, unter dem Kopftuch hervordrängenden Haaren, roten Augen, zornigem Blick, breitem Munde, vorspringendem Kinn Bernh. Stern, Geschichte der öffentl. Sittlichkeit in Rußland, 2 Bde., Berlin 1907, I. Bd., S. 81 ff.. Nach kleinrussischer Ansicht hat die Hexe immer einen kleinen Schweif und einen schwarzen Streifen auf dem Rücken. Im Jahre 1900 stellte ein Vater in einem Vororte Kischenews seine menschenscheue und etwas verwachsene zweiundzwanzigjährige Tochter drei ganze Stunden vor die Nachbarn hin, damit sie an der Splitternackten den Hexenschwanz suchen Stern, S. 82..
Europäische Berühmtheit hat der Prozeß vom Jahre 1878 erlangt, der sich in einem Aul des Kreises Jekaterinodar im Kaukasus abspielte und in den Folterungen einer Hexe und eines Zauberers gipfelte.
Weit krasser noch war der Fall vom 4. Februar 1879 im Tischwinschen Kreise im Kaukasus Die mangelhaften Angaben bei Soldan-Heppe nach Stern, I, S. 84 f., berichtigt und ergänzt.:
»In dem Dorfe Wratschewska lebte die Frau Katharina Ignatjew, die ihres hohen Alters und ihrer Kränklichkeit wegen als Hexe betrachtet wurde. Diese Frau benutzte den Schrecken, den sie verbreitete, um auf fremde Kosten zu leben, und dies sollte ihr schließlich übel bekommen. Es ereignete sich, daß zufällig mehrere Frauen nacheinander Nervenkrämpfe erlitten. Sofort wurde allgemein der alten Hexe die Schuld an diesen Erkrankungen gegeben. Die Ältesten des Dorfes zogen mit einer großen Schar der Bewohner vor die Hütte der Hexe. Man vernagelte hier alle Türen und Fenster mit Brettern, legte Holz und Stroh um die ganze Behausung und zündete das Dach an. An dem erhabenen Schauspiel beteiligten sich siebzehn der Ältesten als Gerichtsvollstrecker und Henker, während mehr als dreihundert Menschen als Zuschauer assistierten. Unter ihnen befand sich auch der Pope des Ortes. Alle meinten, daß sie ein wahres Gotteswerk ausgeübt; und als sie vor Gericht gestellt wurden, erfolgte die vollständige Freisprechung der meisten. Bloß drei wurden, sozusagen aus formalen Gründen, zu einer gelinden Kirchenbuße verurteilt.«
Im Gouvernement Pensa gab es während des Jahres 1879 fünf Ermordungen von Hexen und Zauberern. Derartige Lynchjustiz an »Zaubergesindel« scheint, wenn man Sterns Mitteilungen nicht in Zweifel ziehen will, in Rußland an der Tagesordnung. Die von ihm mitgeteilten Fälle reichen bis in das Jahr 1904 Stern, S. 86 f..«
Hier noch einen der letzten russischen Hexenprozesse:
»Am 16. März 1896 hatte das Bauerngericht im Dorfe Ustj-Mulljänka im Permschen Kreise des Kama- u. Wolgagebietes über die Klage eines Bauern zu entscheiden, der behauptete, im Dorfe wäre eine Hexe, die seinen Stier bezaubert hätte. Er verlangte, daß man, um die Hexe herauszufinden, alle Weiber des Dorfes durch ein Kummet kriechen lassen sollte; diejenige, die nicht hindurch käme, sei die Hexe. Und das löbliche Dorfgericht entschied wirklich im Sinne des Klägers Stern, a. a. O., I, 56..«
In den Dörfern der Bretagne ist heute wie ehedem die Hexe zu Hause. Man fürchtet ihre Rache und Bosheit, aber man sucht sie in den Stunden der Bedrängnis auf. Sie kann in die Zukunft schauen, Krankheiten anhexen, aber auch heilen, sie weiß uralte Sprüche, die Fische in die Netze zu locken, das Vieh vor Schaden bewahren und der Dorfschönen den Herzallerliebsten verschaffen. Aber auf dem Besen reiten, das kann sie nicht mehr. Das hat sie in den letzten Jahrhunderten verlernt.
In Ballyvadlea bei Clonmel in Irland wurde am 15. März 1895 eine 26jährige hübsche und unbescholtene Frau als Hexe verbrannt. Der Mann dieses armen Weibes, Michael Cleary, ein Faßbinder, war von der Überzeugung durchdrungen, daß ihm Hexen seine Frau entführt und an deren Stelle einen Dämon zurückgelassen hatten, der nur die Gestalt seines Weibes aufwies. Der eigene Vater des Opfers und mit diesem die ganze Sippe teilten die Meinung Clearys, und ein »Geisterdoktor« bestärkte sie darin. Um den Dämon aus dem Leibe der Frau zum Entweichen zu bringen versuchte man erst allerlei Torturen und verbrannte schließlich den mit Petroleum begossenen Körper auf dem Rost über flackerndem Herdfeuer. Der Haupttäter Cleary und seine Helfer wurden zu ihrer großen Verwunderung von den Geschworenen zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt Binz, Weyer, II. Aufl., S. 39 ff..
Im skandinavischen Norden, namentlich in Norwegen, treiben die Hexen weiter ihr frevles Spiel. Sie vermögen sich in allerlei Getier zu verwandeln und fügen besonders den eigenen Ehemännern empfindlichen Schaden an der Habe, an Leib und Leben zu. Nur Sonntagskindern gelingt es, diesen Hexen das tückische Handwerk zu legen H. Freiberg in »Am Urquell«, N. F., Linden b. Hann., 1892, S. 1 f..
Nach den Anschauungen des dänischen Landvolkes vernichtet Blutzauber das Hexenwerk. Hat man jemand im Verdacht, ein »böses Auge« zu haben, mit dem er das Vieh behexen kann, dann gilt es immer für das beste, die betreffende Person bis auf das Blut zu hauen. Dadurch wird die Gefahr beseitigt Ploß-Bartels, II, S. 672..
Auf dem einsamen Island ist seit der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts infolge der zunehmenden Aufklärung und der erleichterten Verbindung zwischen den verschiedenen Landesteilen der Glaube an Spuk und Zauberei zum größten Teil ausgerottet, rühmt Valtyr Gudmundsson Island am Beginn des 20. Jahrh., übersetzt von Richard Palleske, Kattowitz 1904, S. 33 f..
Das politisch so reife Ungarn vermag dies nicht von sich zu behaupten.
Johann Vargas erzählt in seinem Buche »A babonàk Könyoe. »Das Buch des Aberglaubens« Arad, 1877, S. 140.: »Vor einigen Jahren entdeckte in Debreczin die Polizei eine Hexenküche. Richtiger gesagt: eine Höllenküche; denn wahrlich das, was dort gebraut wurde, das kochte bei teuflischem Feuer. Dort fand man Menschenschädel, auf denen noch die Haare waren; das alte Weib (die Besitzerin der Küche) kaufte vom Totengräber die Leichen und verbrannte deren Gebeine – zu Medizinen. Da waren gedörrte Schlangen, Frösche und anderes ekelhaftes Getier; Totennägel, Stricke von Erhängten und deren Haare, und Gott weiß noch was alles, woraus Speisen, Getränke und Salben bereitet wurden Dr. H. von Wlislocki, Aus dem Volksleben der Magyaren, S. 68..« Eine ähnliche »Anstalt« wurde bald darauf in Marmaros aufgespürt. Und daß der Teufels- und Hexenglaube in den letzten Jahrzehnten nicht weiter abgenommen hat, geht auch aus einer Gerichtsverhandlung hervor, die sich am 12. Januar 1903 vor dem Bezirksgericht in Fadd abspielte.
Der Pester Lloyd schreibt darüber: Der wohlhabende Landwirt Andreas Schukkert kränkelte schon seit zwei Jahren unaufhörlich, und angeblich hatten ihn bereits sämtliche Pakser Ärzte behandelt, ohne jedoch imstande zu sein, eine Besserung bei ihm herbeizuführen. Während seiner langen Krankheit hatte sich sowohl bei ihm wie auch bei seiner Frau der Gedanke festgesetzt, daß ihn jemand »verwunschen« habe und daß dies niemand anders als sein Schwiegersohn sein könne, der Fleischhauermeister Stefan Szalai. In dieser Bedrängnis ließ das Ehepaar den »Teufelsbeschwörer« von Fadd holen, der auch bald erschien, und, nachdem er verschiedene geheimnisvolle Zeremonien vorgenommen hatte, in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise herausfand, daß Schukkert in der Tat »verwunschen« worden sei. Das erste, was das Ehepaar tat, war nun, daß es Szalai aus dem Hause jagte und die Tochter zwang, ihren Gatten zu verlassen. Außerdem reichte das Ehepaar auch eine Klage beim Kgl. Bezirksgericht ein. Natürlich nahm der Richter diese Anzeige nicht ernst. Allein nun verklagte auch Stefan Szalai seine Schwiegereltern wegen Verleumdung, so daß sich das Gericht mit der kuriosen Affäre beschäftigen mußte und ein Urteil zu fällen genötigt war. Bei der Verhandlung klagte Schukkert dem Richter fast unter Tränen, was er leiden müsse, und daß die Ursache all dieser Leiden niemand anders als Szalai sei, der ihn durch seine teuflische Kabbala verhext habe, um ihn zu verderben und sich dann durch Erbschaft in den Besitz seines Vermögens zu setzen. – »Wie können Sie so dummes Zeug reden!« sagte der Richter zu Schukkert. »Wissen Sie denn nicht, daß es weder Hexen noch Zauber gibt?« Das Ehepaar Schukkert ließ sich aber dadurch in seinem Hexenglauben nicht erschüttern, sondern begann mit felsenfester Überzeugung die Details der geschehenen »Verwünschung« zu schildern. »Als ich vor einiger Zeit in meinem Bette lag,« erzählte der alte Schukkert, »ging plötzlich die Türe von selbst auf und ein großer schwarzer Hund kam herein. Ich sprang aus dem Bette und wollte ihm mit dem Besen einen Streich versetzen, da hatte sich aber der Hund in Luft aufgelöst. Als ich dann in die Küche hinausging, fand ich ihn dort wieder; ich wollte ihn auch von da vertreiben, da begann aber der Hund ein schauerliches Gelächter auszustoßen. Ich hatte mich auch davon nicht überzeugen lassen und begann auch bereits die Sache zu vergessen, als plötzlich die an der Wand hängende Uhr mir in ihrem Tiktak zurief: »Du bist verwunschen, dein Schwiegersohn hat dich verzaubert!« Jetzt erst wandte ich mich an den Teufelsbeschwörer, der mir – mein Schwiegersohn befand sich damals auf dem Markte – sagte, daß er denjenigen, der mich verhext habe, zitieren werde, und zwar wäre das die erste Person, die ins Zimmer treten werde. Kaum hatte er jedoch erst die Beschwörung begonnen, als mein Schwiegersohn hereintrat mit gesträubtem Haar, als ob ihn der Teufel an ihm herbeigezogen hätte.« – Und nun brachte Stefan Szalai seine Klage vor. Er sagte, daß man auf Schritt und Tritt diese Geschichte über ihn verbreitet habe, daß die Leute ihn beschimpften und verfluchten, so daß er nicht mehr unter Menschen gehen und auch keine Arbeit bekommen könne. Nach Vernehmung der Zeugen verurteilte der Richter das Ehepaar Schukkert wegen Ehrenbeleidigung. Der arme Schukkert bezahlte die ihm auferlegte Geldstrafe und betrachtete auch dieses neue Mißgeschick als eine Folge der Teufelskünste seines Schwiegersohnes, des Hexenmeisters Nach B. Stern. I, S. 87 ff..
So geschehen in Ungarn, in dessen Hauptstadt sich der ††† gleichfalls des besten Wohlseins erfreut. Folgende Notiz entstammt einer März-Nummer der Berliner »Welt am Montag«, Jahrgang 1910:
Die Zeiten, da die Existenz des Gottseibeiuns einfach damit zu beweisen war, daß auf die entsprechenden Stellen der göttlich geoffenbarten Bibel hingewiesen wurde, sind vorbei. Heutzutage muß die »Wirklichkeit« Beelzebubs anders bewiesen werden. Wie? Das kann der neugierige Leser aus einem Vorfall ersehen, der sich am 14. d. Mts. in einer Budapester Bürgerschule ereignet hat. Dort fragte ein Schüler den Klassenlehrer, ob es einen Teufel gebe; er erhielt zur Antwort: »Nein! Ein gescheiter Mensch glaubt nicht daran!« In der Stunde darauf aber gab es Religionsunterricht, und der Religionslehrer erklärte die Hölle voll von Teufeln. Derselbe Schüler stand auf und sagte: »Aber der andere Herr Lehrer hat ja eben erst versichert, es gebe keine Teufel, an sie glaubt kein gescheiter Mensch!« Der Religionslehrer unterbrach daraufhin sofort den Unterricht und eilte zum Direktor. Der fand die Sache so wichtig, daß er sogleich den Unterricht einstellen ließ und eine Lehrerkonferenz einberief, damit sofort die Frage erklärt werde, ob es einen Teufel gebe oder nicht. Die wichtige Sache wurde in streng parlamentarischer Form debattiert und nach vielem Hin und Her schritt man denn auch zur Abstimmung. Diese ergab mit zwei Stimmen Majorität: »Der Teufel existiert in Wirklichkeit!« Das Resultat wurde den Schülern feierlich bekanntgegeben.
Bei den Sachsen im Siebenbürgenlande wurzelt noch tief »der Aberglaube, daß die Hexen über den Gewalt bekommen, von dessen Körper oder Eigentum sie etwas zu erlangen vermögen. Darum müssen ausgefallene Zähne, abgeschnittene Haare und Fingernägel sorgfältig versteckt werden Haltrich-Wolff, Zur Volkskunde der Siebenbürger Sachsen, Wien 1885, S. 314.«. Um das Neugeborene vor Hexen zu schützen, muß man bis zur Taufe Tür und Fenster geschlossen halten; auch darf man das Kind nie allein in der Stube lassen. Muß dies dennoch geschehen, so legt die Mutter einen Besen, ein Brot, ein Gesangbuch oder ein Messer, die Schneide nach aufwärts, in die Wiege Joh. Hillner, Volkstümlicher Glaube und Brauch bei Geburt und Tod im Siebenbürger Sachsenlande. (Schäßberg. Gymnasialprogramm 1877, S. 24.. In der ersten Zeit nach der Geburt soll man in der Wochenstube während der Nacht das Licht brennen lassen, damit das Kind vor den Hexen (Truden) geschützt ist, die ihm das Herz aussaugen wollen Dr. Heinr. Von Wlislocki, Volksglaube und Volksbrauch der Siebenbürger Sachsen, Berlin 1893, S. 150.. Ein probates Hexenschutzmittel ist auch ein altes Lederstück, das man abends vor dem Schlafengehen in die Herdasche legt Hillner, S. 25..
Nun von Cis nach Trans. Über den Hexenglauben im Salzkammergut gibt gleichfalls eine Gerichtsverhandlung (Wiener Extrablatt vom 11. Juli 1908) Aufschluß.
»Hexenaustreibungen in aller Form waren es, die den Gegenstand einer in den letzten Tagen vor dem Bezirksgerichte in Gmunden stattgehabten Betrugsverhandlung bildeten. Die Eheleute Heinrich und Anna Hüttner und ein gewisser Mathias Schneed aus Krottenden waren angeklagt, durch Gebete und allerlei Zeremonien »Hexenaustreibungen« vorgenommen zu haben, wofür sie sich jedesmal 10 bis 20 Kronen bezahlen ließen. Beschädigte gab es jedoch in diesem Betrugsprozesse nicht; die Bauern, in deren Hause je eine Hexe ausgetrieben wurde, erklärten im Gegenteile ausdrücklich, daß die Hexenaustreibungen den gewünschten Erfolg hatten und daß sie dem Angeklagten zu großem Danke verpflichtet seien! Auch die Angeklagten waren von dem Ernste ihrer Mission durchdrungen. Gewöhnlich war es ein Viehstall, in dem die Hexe hauste. Dann wurde der als Hexenaustreiber bekannte Hüttner herbeigeholt, der die eigentliche, überaus feierliche Prozedur der Hexenaustreibung vornahm, während seine Frau und Mathias Schneed bloß Gebete murmeln mußten. Er wußte am Schlusse der Prozedur geschickt einige Gegenstände vorzuweisen, die von der soeben ausgetriebenen Hexe in der Eile zurückgelassen wurden: eine Schweinsblase, einen Würfel, einen Knochen usw. Diese Sachen wurden unter großem Geschrei, wobei die drei Personen sich wie toll gebärdeten, im Ofen verbrannt, womit die Prozedur ihr Ende hatte. Die als Zeugen vor Gericht gerufenen Bauern erklärten bei der Verhandlung, daß sie sich nicht für geschädigt erachten, da sie die Tätigkeit Hüttners und seiner Gehilfen für eine ersprießliche zu halten allen Anlaß hätten. Der Richter war freilich anderer Meinung. Er qualifizierte die Hexenaustreibung als Betrug und verurteilte Hüttner zu einem Monat, seine Gattin zu vierzehn Tagen und Schneed zu acht Tagen strengen Arrests.«
In der deutschen Schweiz findet sich derselbe Zauberglaube, der den Alpenbewohnern in Österreich und Bayern eigen ist, teilweise mit unwesentlichen Abweichungen. Wie in den anderen Alpengebieten, steckt auch dort in den eidgenössischen Tälern und Triften noch unendlich viel vom Hexenwahn der alten Zeit Stoll, Zur Kenntnis des Zauberglaubens etc., in dem Jahresberichte der Geogr. und Ethnograph. Gesellschaft in Zürich 1908/09..
Aus der grünen Steiermark berichtet ihr berufenster Schilderer, Peter Rosegger: Wenn auch die alten Geschichten vom Verwünschen, Verhexen und Teufelholen nicht mehr in Mode sind, zu Pfingsten ist im Gebirge Hexensabbat noch heute. »In der Regel kennt der Aberglaube im steierischen Gebirge heutzutage noch zwei Gattungen von Hexen: die Wetterhexen und die Butterhexen. Die erste Gattung gründet sich auf Bosheit, die andere auf Habsucht Peter Rosegger, Das Volksleben in Steiermark, 14. Auflage, Leipzig 1910, S. 248 ff..« Die steirische Wetterhexe unterscheidet sich in gar nichts von ihrer Ahne aus der guten alten Zeit. Die Butterhexe hingegen weist einige individuelle Züge auf.
Die Butterhexe vermag die fette Buttermilch aus den Eutern ihrer Nachbarskühe in die Euter ihrer eigenen Kühe zu übertragen, ein Glaube, der über fast ganz Deutschland verbreitet ist Wuttke, S. 158 f., 266.. Jedoch in Steiermark ist man imstande die Butterhexe leicht zu erkennen und zu entlarven. Man braucht nur durch eine von der Sonne gezogene Bretterfuge dies Treiben einer Hexe zu beobachten Rosegger, S. 249.. Am Pfingstmorgen verwandelt sich die Hexe in irgendein fliegendes oder kriechendes Tier und saugt als solches den Kühen auf der Weide die Milch und das Fett aus. »So ist es geschehen, daß am Pfingstsonntag sogar Hasen und Rehe aus dem Walde hervorgekommen sind und an den Eutern der Kühe ihr Frühstück getrunken haben Rosegger, S. 250..«
In Kärnten ist das Hexensehen umständlicher als in der benachbarten grünen Styria. »Wer ein Brett mit einem Astloch aus einem frisch aufgeworfenen Grabe erhascht, der soll, wie es heißt, während des Leichenzuges damit in den Turm hinaufeilen und vom Schallfenster durch das Astloch herabschauen. Da kann er die Hexen in dem Leichenzug sehen, der sich gerade zum Friedhof begibt. Gewöhnlich gehen sie zuletzt und sind durch das Gelterle (Melkschaff) kenntlich, das sie auf dem Kopfe tragen Franz Franziski, Volksleben, Sitten und Bräuche in Kärnten, Graz und Wien o. J., S. 136..« Denn der Glaube an Hexen ist in diesem Berglande keineswegs ausgestorben. »Vor nicht gar langer Zeit soll in einer Ortschaft bei einem Hochgewitter ein Bauer, der sein Gewehr mit einigen Blättern aus einem alten Mandlkalender geladen hatte, in die hagelschwangeren Wolken geschossen haben, und patsch – fiel die alte als Hexe verdächtigte Wurzelgraberin auf das Pflaster herab, soll aber augenblicklich wieder verschwunden sein. Wenn die Hexe in den Wolken von einem Mandl im Kalender getroffen wird, fällt sie herab, ohne sich zu beschädigen.« Auch Hexenringe gibt es, ebenso werden Hexentanzplätze gezeigt Franziski, S. 114..
Im Umlande von Viechtach liest man an Bettstellen oft den Spruch: »Trudenkopf, ich verbiete dir mein Haus und Hof, Pferd- und Kuhstall und meine Bettstatt, daß du mich nicht trudest. Trude in ein anderes Haus; bis du alle Berge steigst, alle Zaunstecken zählst und über alle Wasser steigst, so kann der liebe Tag wieder in mein Haus Sepp, Orient und Occident, S. 122 f..«
Auf die Milch haben es die Hexen allerorten abgesehen. In der Oberpfalz wirft die Bäuerin die Haut der abgekochten Milch ins Feuer, um dadurch die Kühe vor Hexen zu schützen und sich vor Milch-, Butter- und Schmalzschaden zu bewahren; denn mit der Milchhaut verbrennt die Hexe, die dem Vieh geschadet hat oder ihm schaden wollte F. J. Bronner, Von deutscher Sitt' und Art, Volkssitten und Volksbräuche in Bayern etc., München 1908, S. 157 ff.. Im Regnitztal und im Fränkischen Jura ist das »Hexenauspeitschen« Meyer, Deutsche Volkskunde, S. 142. Brauch. »Am Vorabend des Walpurgistages, wenn es »mault« (mondet), knallen die Burschen im Dorfe straßauf und straßab und rufen: »Hexen raus Hexen raus!« Auch das Peitschen auf Kreuzwegen am 1. Mai, wie es in luxemburgischen Dörfern üblich Ed. de la Fontaine, Luxemb. Sitten und Gebräuche, Luxemburg 1883, S. 46., dann das Hexenausblasen mit Schalmeien und Hörnern aus Weidenrinden Wuttke, S. 158. Bronner, S. 157. Sepp, S. 231 f., das Hexenausklatschen im Voigtland und im Fichtelgebirge, das Hexenaustuschen mit kreuzweisem Peitschen im Takte und das Hexenplaschen mit Schießen, wie es in der nördlichen Oberpfalz üblich war, gehören hierher Bronner, S. 157..« Am Jörgentag, am 23. April, ziehen die Buben in einzelnen Dörfern des Unterinntals vom Anger aus, Schellen, Kuh- und Dachglocken aus Leibeskräften läutend, der starke Melker voran, durch das Dorf auf die Felder und dann durch eine andere Gasse nach dem Anger zurück. Dieses Hirtenfest des Grasausläutens soll ebenfalls die bösen Geister durch schreckhaften Lärm von der Weide verjagen Meyer, Volkskunde, S. 142.. Das Hexenauspeitschen findet da und dort auch beim erstmaligen Weidetriebe am 1. Mai statt. Wo man an diesem Tage Kücheln bäckt, läßt man das Schmalz recht prasseln, daß es den Hexen die Augen ausbrennt.
An der Böhmerwaldgrenze geschieht das Hexenauspeitschen am Pfingstvorabend oder schon am 1. April. Da legt man auch nachts frischen Rasen vor die Haus- und Stalltüre und besprengt ihn mit Weihwasser Hugo Meyer, Deutsche Volkskunde, Straßburg 1898, S. 142., um bösen Geistern den Eintritt zu wehren Bronner, S. 159..
In Tirol findet in der Walpurgisnacht ein allgemeines Ausbrennen der Hexen statt. Unter entsetzlichem Lärm, mit Schellen, Glocken, Pfannen, Hunden und dergleichen werden Reisigbündel von Kien, Schlehdorn, Schierling, Rosmarin und anderen Hexenkräutern auf hohe Stangen gesteckt und angezündet. Mit diesen Flammenbündeln läuft man lärmend siebenmal um das Haus und das Dorf und treibt so die Hexen hinaus v. Alpenberg, Mythen und Sagen Tirols, Wien 1857, S. 260.. Das Jahr über schützt der im Stall aufgehängte »Hexenbesen«, der Mistelzweig, gegen Trud und Hexe, besonders wenn er auf einer Eiche gewachsen ist, an der ein Christusbild hängt Franz Söhns, Unsere Pflanzen, 4. Auflage, Leipzig 1907, S. 143.. Die Tiroler Hexen sind gezeichnet. Sie tragen an den Armen dunkle Flecken, die Spuren des Fingers des Teufels und an der Wirbelsäule ist ihnen des Teufels Siegel, der Bocksfuß, eingebrannt. Eine Hexe antwortet niemals auf den Gruß »Gelobt sei Jesus Christus«. Vom Stubaital in Tirol meldet Greußing: »Was die Hexen anbetrifft, so gibt es solche in Stubai noch in großer Menge. Jeden »Pfinstig« (Donnerstag) versammeln sie sich zum Hexensabbat am Sailjoche. Sie machen die bösen Wetter, und wenn die große Glocke in Telfes nicht wäre, dann würden die Fruchtfelder schon längst in Murbrüche verwandelt sein. Besonders kräftig gegen das Verhexen der Früchte ist es, wenn man im Fruchtjahr geweihte Kohlen in die Erde legt.« ... »Die Glocke von Telfes aber hat eine solche Kraft gegen die verhexten Wetter, daß schon beim ersten Ton die Wolken nördlich gegen Kreith ziehen. Aus diesem Grunde trugen die Kreither den Telfesern 2000 fl. unter der Bedingung an, daß sie die Glocke nimmer läuten. Die Telfeser aber natürlich, als die ›Gescheitern‹, gingen diesen Vertrag nicht ein Paul R. Greußing, Im Stubaital, München o. J., S. 144 ff..«
Die Tiroler Zauberweiber erlernen ihre Kunst von alten Hexen. Erst wenn sie sich in allen Proben der Hexenmeisterei dreimal sieben Jahre bewährt haben und durch wirkliche Buhlschaft mit dem Teufel und seinen Geistern geweiht sind, erhalten sie das Siegel eingebrannt und damit die volle Zaubermacht, wie auch den bösen Blick Alpenberg, S. 256..
Die Ostpreußen haben das leichter. Dort braucht man nur nach Empfang des heiligen Abendmahles hinter dem Altar mit einer Peitsche zu knallen, dann kann man gleich hexen Wuttke, S. 156, § 214..
Von den Marschen schreibt Hermann Allmers:
»... der Glaube an Hexen und ihren häufigen Einfluß, z. B. wenn die Kühe wild werden, die Milch keine Butter absondert, Kinder erkranken usw., wurzelt noch tief und fest im Volke. Ist man ›verhext‹, so holt man sich Rat und Gegenmittel aus Bremen, wo allerlei weise Männer und Frauen wohnen sollen. Überall hört man vom Vorhersehen der Feuersbrünste, Leichenzüge Unglücksfälle, ja selbst lustigen Hochzeiten, und ganze Bände der wunderbarsten und grausigsten Spukgeschichten ließen sich in den Marschgegenden sammeln Marschenbuch, 5. Auflage, Oldenburg und Leipzig o. J., S. 167..«
Die Niedersachsen auf der Lüneburger Heide erzählen, daß jeder, der sich in der Neujahrsnacht auf einem Kreuzweg unter zwei aufeinander gelehnte Eggen setzt, den Teufel tanzen sieht. Im Kirchspiel Moisburg wählt man dazu die Mainacht, dann erblickt man wie die Hexen nach dem Blocksberg ziehn Dr. Ed. Kück, Das alte Bauernleben der Lüneburger Heide, Leipzig 1906, S. 43.. »Man glaubt hier und da auch heute noch an Hexen. Ich entsinne mich noch deutlich,« sagt Kück, »wie in der Mitte der siebziger Jahre sich eines Tages wie ein Lauffeuer in meinem Heimatsort das Gerücht verbreitete, in einem bestimmten Garten habe sich eine Hexe gezeigt Kück, S. 239..«
Gar tolle Orgien feierte bis vor kurzem noch der Hexenglaube in Braunschweig. Dem mustergültigen Werke Rich. Andrees über »Braunschweiger Volkskunde 2. Aufl., Braunschweig 1901, S. 380 ff.« entnehme ich: »Um 12 Uhr nachts (in der Walpurgisnacht) reiten die Hexen auf Mistforken und Gresten, auf Besenstielen, Braken, Schweinen oder Ziegen zu ihren Zusammenkünften mit dem Teufel, um dort ihre Feste zu feiern. Die bei uns erzählten Hexenfahrten decken sich mit den anderweitig schon beschriebenen Schambach und Müller, Niedersächsische Sagen und Märchen, Göttingen 1854, S. 177.. Man kann die Hexen erkennen, wenn man an einem Kreuzwege in der Geisterstunde der Walpurgisnacht sich verbirgt und aufpaßt; da ziehen sie vorüber. Darunter versteht man entweder und gewöhnlich die Stunde von 11 bis 12 oder die von 12 bis 1 nach dem Spruche:
Von twelwen bet einen
Sind alle Geister to beinen.
Ganz sicher aber erkennt man in Waggum die Hexen, wenn man durch eine Egge schaut, deren Zähne nach auswärts gerichtet sein müssen, am besten eine ererbte Egge, wie denn ererbten Gegenständen eine besondere Kraft innewohnt, so dem Erbschlüssel, dem Erbgander. Ist es eine Hexe, die den Kühen die Milch verhext, so trägt sie einen Eimer, die Butterhexe führt ein Butterfaß bei sich. Die drei Kreuze, die vor Hexen schützen, werden am besten am Wolpertstage (Walpurgis) über der Tür mit Kreide angebracht. Ein Arbeiter aus Klein-Schöppenstedt erzählte mir, er habe als Knabe öfter in der ersten Mainacht zur Mitternachtsstunde auf einem Kreuzwege auf die Hexen gewartet, ohne sie zu sehen. Dabei habe er zum Schutze gegen die Hexen einen Kreis um sich gezogen. Wie alt dieser Aberglaube ist, erkennt man aus folgendem: Der dreizehnjährige Sohn des Opfermannes zu Geitelde, Hans Reinhart, wollte (1661) die Hexen sehen und wendete, laut Bericht des Wolfenbütteler Amtmanns Wulfen, dazu folgendes Manöver an. »Habe sich in der Walpurgisnacht auf einen hölzernen dreibeinigen Schemel überärsch gesetzt, sei damit von seines Herrn Hofe in des Teufels Namen dreimal um und durch das Dorf und vor dasselbe auf einen Kreuzweg gerücket, habe mit der rechten Hand einen runden Kreis und über ihn in vier Ecken ein Kreuz gemacht und sich darein gesetzet. Nach anderthalb Stunden Wartens, als seine Genossen schon müde geworden und sich entfernt, sei ein grausamer Windsturm entstanden und sechs alte Weiber aus Geitelde um den Kreis gekommen, die hätten ihn herausziehen wollen, aber es, da er gebetet, nicht vermocht; er aber sei dabei so angst geworden, daß er weder hinter noch vor sich hätte sehen können.« Er nannte dann sechs Frauen aus Geitelde, darunter die eigene Mutter (!) als Hexen, »worüber groß Geschrei in dem Orte entstanden«. Hans kam mit einer Züchtigung davon H. Rhamm, Hexenglauben in braunschweigischen Landen, Wolfenbüttel 1892, S. 94..
Die Hexen schaden besonders der Milch, verzaubern die Kühe, daß sie keine oder rote Milch geben. Das sind die molkentöverschen, von denen wiederholt die Rede ist. Eine Hexe ist leicht zu erkennen. Sie vermag nicht über kreuzweise gelegte Gegenstände, z. B. Besen zu gehen. Die Hexe fängt an zu zittern, wenn man ihr ein Stück Kreuzdorn vorhält, denn aus Kreuzdorn bestand Christi Dornenkrone, und darum kann ihn die Hexe nicht vertragen. Auch am Gründonnerstag vermag man die Hexe zu erkennen, wenn man ein an diesem Tage vor Sonnenaufgang gelegtes Ei bei sich trägt. Man hat sich nur zu hüten, daß die Hexe das Ei nicht zerdrückt, da sonst dessen Besitzer stirbt. Ein junges Mädchen aus Schandelah erkannte auf diese Art eine Hexe. Als sie heimwärts ging, folgte ihr die Hexe, zertrümmerte das Ei, und das Mädchen stürzte tot nieder.
Eine besondere Art von Ei, das n berei, schützt dagegen vor Hexen, wenn man es in die Ständer und Pfosten des Tores hineinbohrt, wie dieses im Vorsfeldischen noch geschieht. Aber nicht jedes gewöhnliche Ei ist dazu geeignet, sondern nur die mißgestalteten, auffallend kleinen Hühnereier, die kaum größer als Taubeneier sind. Der Brauch ist durch ganz Niedersachsen verbreitet. Baldrian ins Zimmer gehängt, schützt vor Hexen und läßt sie erkennen. Tritt ein altes Weib ein, und der Büschel Baldrian beginnt sich zu bewegen, so ist es eine Hexe. Ballerjân is Hexenkrût – auch der Göttinger nennt die Valeriana Hexenkraut Franz Söhns, Unsere Pflanzen, S. 122.. – Außer diesem wirkt aber namentlich Dill, der zu vielen Dingen gut ist und in hohem Ansehen beim Landvolke steht, gegen Hexen, ebenso Dost (Origanum vulgare).
Um in Oldenburg eine Hexe zu werden und die Fahrt nach dem Blocksberge mitmachen zu können, braucht die Betreffende nur zu sagen:
Ik versw
re ûsen herrgott
Un gl
we an düssen pott
Ludw. Strackerjan, Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg, 2. Auflage, bes. von
Karl Willoh, Oldenburg 1909, I. Band, 369..
»Die Hexen vermögen den Menschen Tiere in den Leib zu zaubern. Man soll daher von alten Weibern nichts Eßbares, besonders keine Birnen und Äpfel, annehmen. Namentlich bringen sie gern lörke (Kröten) in den Magen anderer, wodurch Krankheiten entstehen. Macht man aber über das Losebrot oder den Apfel, die die Hexe bietet, das Zeichen des Kreuzes, dann springt der Lork heraus.«
Der Hexenglaube im Großherzogtum Oldenburg weist mit dem braunschweigischen viele verwandte Züge auf, ja ist ihm häufig vollständig gleich. Die Hexen fahren auch hier nach ihren Tanzplätzen auf dem Blocksberg und an anderen Orten, wo in der Walpurgis- und in der Johannisnacht die Zusammenkünfte stattfinden Strackerjan, I, 386 f.. Wenn sie sich mit dem Safte des Faulbaumes (rhamno cathartico) beschmieren, können sie durch die Luft fliegen. Sie spielen den Menschen allerlei Schabernack, rauben die Milch, erregen Stürme und Hagelwetter, können sich in Tiere und auch in leblose Dinge verwandeln. »Ich sah einst eine schwarze Katze auf unseren Gründen wildern und lief ins Haus, um ein Gewehr zu holen. Der Hausherr fragte, was ich mit dem Gewehr wolle. Als ich ihm meine Absicht kund gab, rief er: »Um Gottes willen nicht, das Tier könnte eine verwandelte Hexe sein, und ich würde nie wieder mit dem Gewehr ein Wild treffen« Strackerjan, I, 404..
Am Südharz reiten die Knaben auf Steckenpferden aus bunt beringelten Weidenstäben am Walpurgismorgen den Hexen bis an die Flurgrenzen entgegen, um die Flur vor den Schädigungen durch die Hexen zu schützen.
Auf ihrer Fahrt nach dem Brocken führen die Hexen alle nur möglichen Bosheiten aus. Sie nehmen z. B. den heilsamen Frühlingskräutern ihre Wunderkräfte, weshalb diese vor der Walpurgisnacht gepflückt werden müssen. In dem weimarischen Dorfe Hain bei Erfurt wird alljährlich am Sonntag vor dem ersten Mai das »Herrgottsbärtlein« (Allium ursinum) in den umliegenden Wäldern gesammelt, um mit diesem Kraut dem Vieh die sonst durch die Hexen verloren gehende Heilkraft zu wahren Rudolf Reichhardt, Die deutschen Feste in Sitte und Brauch, Jena 1908, S. 141..
Um den einheimischen Hexen in Thüringen die Abfahrt nach dem Brocken unmöglich zu machen, versteckt man noch heute am Abend vor der Walpurgisnacht alle alten Besen, in anderen Gegenden stellt man sie verkehrt aufrecht. Die alten Großmütter aber legen die Strümpfe ihrer Enkelkinder über Kreuz vor das Bett, damit die Hexen den Kleinen nicht Schaden zufügen Reichhardt, S. 142..
In Westfalen war noch in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts die Hexenprobe durch das Schlüsseldrehen im Gebrauch. Die sonderbare Zeremonie spielte sich wie folgt ab: »Um herauszubringen, ob eine Frau eine Hexe sei, setzten sich zwei gegenüber und stritten pro und contra. Zuvor wurde das 53. Kapitel Jesaia aufgeschlagen, ein Schlüssel hineingelegt und dann das Buch zugebunden, so daß es an dem Schlüssel hing. Dann nehmen die Streitenden den Schlüssel zwischen die Finger und lassen ihm nebst seinem Gewichte die freie Bewegung. Nach welcher Seite sich der Schlüssel nun dreht, je nachdem wird der Streit entschieden, ob N. N. eine Hexe sei oder nicht D. Joh. Georg Krünitz, Ökonomisch-technologische Encyklopädie, Berlin, 146. Teil, S. 471..«
Aus dem sächsischen Erzgebirge berichtet E. John in Annaberg Aberglaube, Sitte und Brauch im sächsischen Erzgebirge, Annaberg 1909, S. 196 ff.: »Am Walpurgisabend treiben die Hexen, die noch heute im Volksglauben eine große Rolle spielen, ihr Wesen. Deshalb trifft man allerhand Vorkehrungen, um Haus und Hof, Stall und Vieh vor ihren vermeintlichen bösen und schädigenden Einflüssen zu schützen.« Der Hexenglaube hat sich hier seit Jahrhunderten unverfälscht erhalten, »wie das zur Genüge auch die zahlreichen modernen Hexenprozesse beweisen, mit denen sich die Gerichte jahraus, jahrein zu beschäftigen haben John, S. 133, 138, 153, 196, 221, 234.«.
Vom Königreich Sachsen schreibt Dr. E. Mogk: »Alle möglichen Schutzmittel gegen sie (die Hexen) werden auf der Schwelle des Hauses oder Stalles oder an der Tür angebracht. Selbst in Großstädten wie Leipzig habe ich das abwehrende Hufeisen vor der Haustür gesehen Wuttke, 213, S. 156..« In Württemberg wird oft eine Magd mit Hohn und Haß aus dem Hause gejagt, wenn sie in den Ruf kommt, Hexerei zu treiben. Auch ansässige Leute, die verschrien sind, werden durch die ärgsten Unbilden genötigt, ihre Heimat zu verlassen. Bei Krankheiten und andern für angehext geltenden Übeln werden von den vermeintlichen Kundigen gewöhnlich bestimmte Personen als die Hexen angegeben; vielfach sind dies die nächsten Verwandten. Bettelweiber, besonders alte, gelten oft als Hexen, und man beschenkt sie aus Furcht Dr. Wuttke, Sächsische Volkskunde, Leipzig 1893, S. 324..
Aus Hessen und Nassau erzählt Hermann von Pfister: »Bei Zesberg trägt man keine Milch unbedeckt, keine Butter ohne hineingedrücktes Kreuzzeichen, damit die Hexen – Hegsen schreibt Pfister – ihr nichts antun. Früher brachten auch die Schwälmer Butterführer keinen Kloß nach Kassel zu Markte ohne das heil. Zeichen.« »Wenn man Eier ißt, muß man hinterdrein die Schalen gut zerdrücken, sonst haben die Hexen Anteil daran und gewinnen Macht über einen Herm. v. Pfister, Sagen und Aberglauben aus Hessen und Nassau, Marburg 1885, S. 170 f. Drechsler, Schlesien, II, S. 225 u. a. a. O. m..«
In der Nimptscher Gegend in Schlesien räuchern am Karfreitag die Frauen ihre Ställe, die sie mit einem Topf durchschreiten, in dem siebenerlei heilkräftige Kräuter auf Holzkohlen schwälen. Vor diesem Dampf entweichen alle Hexen Dr. Franz Schroller, Schlesien, Glogau o. J., S. 245.. Kreuzdorn in der Karfreitagnacht stillschweigend geschnitten und über der Stalltüre befestigt schützt in ganz Oberschlesien vor Hexen. Da dieses Mittel aber nicht überall als unfehlbar angesehen wird, so greift man häufig zu probateren. »Man besteckt die Düngerhaufen mit grünen Birken- oder Erlenreisern und mit Mistgabeln, man vergräbt alte Besen unter die Türschwelle, man legt zwei andere Besen kreuzweise innen vor die Schwelle, man befestigt einen Feuerstein mit recht vielen Löchern über der Tür, man nagelt Schlehdorn – der auch sonst von und gegen Hexen Verwendung fand Hovorka-Kronfeld, Vergleichende Volksmedizin, I. Bd., S. 380. – kreuzweise über die Tür. Katholiken machen wohl auch mit geweihter Kreide drei Kreuze über die Tür, endlich, was besonders gut ist, legt man außen vor die Tür ein Stück frischen Rasen, wie dies auch in den Alpenländern gebräuchlich. Wenn die Hexen mitternachts zwischen 12 und 1 Uhr in den Stall eindringen wollen, müssen sie erst alle Blätter an den Reisern und alle Grashalme im Rasen zählen, und dann legen ihnen die andern Schutzmittel neue Hindernisse in den Weg. Mittlerweile schlägt die Uhr 1, und der Hexen Macht ist dahin. Schroller, S. 259. In Kaltern bei Breslau warf eine Frau jedesmal einen Besen vor die Tür, wenn eine neugekaufte Kuh in den Stall geführt wurde. Früher pflegte man außerdem noch dem Vieh neunerlei Kräuter oder einen Hering kleingehackt unter das Futter zu mischen. Um die Flachsfelder vor Hexen zu schützen, steckt man Birkenreiser hinein. Schroller, 460. Paul Drechsler, Sitte, Brauch und Volksglaube in Schlesien, II, Leipzig 1906, S. 145 ff.
Um sich persönlich vor dem Hexeneinfluß zu sichern, gibt es zahlreiche Mittel. Man zieht zweierlei Schuhe an, das Hemd oder einen Strumpf verkehrt; man trägt vierblätterigen Klee bei sich; man hängt eine »Unruhe« an die Stubendecke, einen Distelknopf oder einen »Geist«, die in Taubenform zusammengestellten Knochen des Karpfenkopfs (Kalschen), oder eine ausgeblasene Eierschale mit Kopf und Papierflügeln versehen (Beuthen, Oberschl.). Die stete Bewegung der Unruhe vertreibt die Hexe Drechsler, S. 249..« In der Lausitz verschreibt man noch heute Bannmänner aus Böhmen, um plötzlich erkranktes Vieh von der Behexung zu heilen. Selbst Pfarrfrauen bedienen sich ihrer. Manchmal wird ein Bein gekocht und in einem Topf auf den höchsten Gipfel einer Fichte gehangen Sepp, a. a. O., S. 163..
Die sehr interessante Bibliothek eines modernen Zauberdoktors, des »Medikasters und Geheimkünstlers« Joseph Wetzel von Knollengraben bei Grünkraut in der Nähe von Ravenburg fiel 1895 der Behörde in die Hände. Die Bücherei bestand aus 123 Nummern, darunter zum Teil sehr seltene Werke, zum Teil jene Scharteken, mit denen von spekulativen und gewissenlosen Verlegern die gesunde Vernunft des niederen Volkes in Stadt und Dorf vergiftet wird Paul Beck, in der Zeitschrift des Vereins für Volkskunde, 15. Jahrgang, Berlin 1905, S. 412 ff..
Wie in den Köpfen der Orthodoxen und beim Landvolk, so glimmt der Hexenaberglaube aber auch in den deutschen Städten fort. Das überaus lehrreiche Büchlein »Verbrechen und Aberglaube« von Dr. Albert Hellwig Aus Natur und Geisterwelt, 212. Band, Leipzig 1908, S. 10 f. enthält Hexenprozesse aus Eisenach vom Jahre 1904, Koburg 1905, Groß-Ostheim in Unterfranken. In dem preußischen Städtchen Eilenburg beantragte ein wegen Verleumdung angeklagtes Ehepaar Zeugenvernehmung darüber, daß sich die Klägerin in einen schwarzen Kater verwandeln könne. 1907 behexte in Neustadt in Thüringen eine alte Frau ein Kind. Die Mutter dieses armen Würmchens hatte für diese ihre Überzeugung 15 Mark Strafe von Gerichts wegen zu erlegen.
»Kann man sich wundern, daß der Hexenglaube nicht ausstirbt,« sagt Hellwig, »wenn man erfährt, daß selbst die hohe Obrigkeit in deutschen Landen im Jahre des Heils 1907 den Hexenglauben gewissermaßen legalisiert und von Amts wegen dazu ratet, einen »weisen Mann« zu holen, um den zauberischen Mächten den Garaus zu machen?! Der zweifelhafte Ruhm, der historische Ort dieses kulturhistorischen Kuriosums zu sein, gebührt dem sächsischen Örtchen Schönfeld bei Pillnitz.
Schon seit einigen Jahren klagten die Bewohner dieses Ortes über den Rückgang ihres Viehstandes, viele Milchkühe erkrankten beim Kalben, andere »versetzten« die Kälber, wie es in der landwirtschaftlichen Sprache heißt, und die Viehbesitzer hatten infolgedessen großen Schaden. Kluge Leute im Dorfe hatten nun von einem frommen Mann in Sadisdorf gehört, der imstande sein sollte, die bösen Geister zu bannen und auszutreiben. Man ließ den »Hexenmeister« kommen, der auch versprach, das behexte Vieh zu heilen. Er ließ sich nachts bei den Kühen einschließen und erklärte am anderen Morgen, daß das Vieh enthext sei. Als Lohn für seine Geisterbeschwörung erhielt er so viel »als ein Kalb wert war«. Nun fügte es sich, daß bald darauf im Viehstande eines Nachbarn des Gemeindevorstehers L. ebenfalls eine Kuh erkrankte. Auf Veranlassung des Gemeindevorstandes wurde der Sadisdorfer Hexenmeister abermals geholt, der ob der abermaligen Erkrankung einer Schönfelder Kuh ganz geheimnisvoll tat und dem Besitzer der Kuh erklärte, daß ein Einwohner von Schönfeld die Kuh behext habe. Auf die Frage, wer dies sein könne, erwiderte der Hexenmeister ganz wie sein magyarischer Kollege: »Der erste, der bei dir was pumpt, der ist der Hexer!« Als nun am andern Morgen zufällig ein Gemeinderatsmitglied in die Behausung des Bauern trat, um ein Brecheisen zu leihen, ging ihm die ganze Familie aus dem Wege. Man betrachtete ihn als den Hexer, und als solcher wurde er bald von der ganzen Gemeinde geächtet und gemieden. Der angebliche Zauberer nahm sich diese Behandlung seiner Landsleute sehr zu Herzen. Er war aber nicht imstande, den Leuten den Aberglauben auszutreiben. Sein Groll wendete sich erklärlicherweise gegen den Gemeindevorstand, denn dieser war es ja gewesen, der den Sadisdorfer Hexenmeister hatte holen lassen. Das gespannte Verhältnis zwischen ihnen wurde immer unerquicklicher, und schließlich richtete der Hexenmeister eine Beschwerde an die Amtshauptmannschaft, in der dem Gemeindevorstand verschiedene dienstliche Unregelmäßigkeiten vorgeworfen wurden. Der Beschwerdeführer wurde deshalb von dem hexengläubigen Gemeindevorstand wegen Beleidigung verklagt, aber freigesprochen, da er in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt habe. Ebensowenig Glück hatte der Gemeindevorsteher mit einer Beleidigungsklage gegen den verantwortlichen Redakteur einer sächsischen Zeitung, die einen Artikel über den Hexenglauben der hohen Obrigkeit gebracht hatte. Da der Wahrheitsbeweis im vollen Umfange gelang, wurde auch hier der Angeklagte freigesprochen Hellwig, S. 12 f..«
Hier zwei kleine Nachträge aus einem Feuilleton Hellwigs, das im Jahre 1910 in einer Berliner Zeitung erschienen ist ... »Daß aber auch in Städten der Hexenglaube noch nicht ausgestorben ist, dafür haben wir kürzlich vor den Toren Berlins ein Beispiel erlebt. Eine Arbeiterfrau namens K. kam zur Köpenicker Polizeiverwaltung und wünschte den Polizeiinspektor in einer dringenden Angelegenheit zu sprechen. Sie stellte allen Ernstes das Ansinnen an ihn, ihrer Nachbarin, einer 70 Jahre alten Frau P., den Prozeß zu machen, weil sie eine gefährliche Hexe sei. Das neugeborene Kind der K., das anfangs ganz gesund gewesen, sei behext, so daß es jetzt immer schreie; ebenso habe sie schon viele andere Leute behext, lasse Hexenbücher im Zimmer herumtanzen und verstehe auch allerlei andere Hexenkunst. Auch ihr Mann sei fest davon überzeugt, daß Frau P. das Kind behext habe. Alles gütliche Zureden half nichts; die Frau war von ihrem Glauben nicht zu bekehren und entfernte sich schließlich mit den Worten: ›Sie mögen noch so schlau sein, Herr Inspektor, aber die Hexe ist doch noch schlauer, sie hat ihre alten Bücher, die Sie nicht haben.‹«
»Dem Verfasser dieser kleinen Skizze sind viele solcher Fälle aktenmäßig zugänglich gewesen, und er könnte allerlei aus diesen Hexenprozessen berichten. Es würde aber zu weit führen, wenn wir auch nur einen einzigen Fall aus jeder Kategorie des kriminellen Hexenglaubens ausführlicher schildern wollten. Wir müssen uns damit begnügen, einen einzigen, besonders auf fälligen Fall mit einigen wenigen Strichen kurz zu zeichnen. Es ist der kulturgeschichtlich und psychologisch so überaus bedeutsame und doch so wenig bekannte Hexenmord in Forchheim. Da der Täter und seine Familienangehörigen noch am Leben sind, wollen wir ihre Namen nur durch den Anfangsbuchstaben kennzeichnen. In der Nacht zum 7. Juli 1896 wurde die Witwe Euphrosine G. in dem badischen Dorfe Forchheim bei Endingen erwürgt. Der Verdacht der Täterschaft lenkte sich von Anfang an auf den 21 Jahre alten Landwirt Franz Xaver W., dessen Großmutter väterlicherseits eine Schwester der Ermordeten gewesen war. Ein Raubmord oder Lustmord war der ganzen Sachlage nach ausgeschlossen, auch irgendein anderes Motiv war nicht ersichtlich; daher lenkte der Verdacht sich ohne weiteres auf Franz Xaver W., da er und seine ganze Familie, wie es im ganzen Dorfe bekannt war, die Ermordete für eine sehr gefährliche Hexe gehalten hatten, der sie allerlei Unglück in Haus und Hof, besonders aber die Epilepsie des Franz Xaver W. und die auf hysterischer Grundlage beruhende angebliche Besessenheit seiner Tante Sibylla zuschrieben. Nach langem Leugnen gestand er schließlich, durch erdrückende Zeugenaussagen in die Enge getrieben und von Gewissensqualen gefoltert, daß er ganz allein mit voller Überlegung seine Großtante ermordet habe, um die Welt von dieser Hexe zu befreien, die schon so viel Unheil angerichtet und ihm die fallende Sucht angetan habe. Es fehlt uns hier leider an Raum, um eingehender darzustellen, wie die Tat des Angeklagten gewissermaßen nur die notwendige Folge der ganzen abergläubischen Umgebung gewesen ist, in der er aufgewachsen war, um die psychologische Entwicklung und allmähliche Steigerung des Hexenglaubens, die ihn von Beleidigungen zu Mißhandlungen und schließlich zu der Mordtat führte, zu schildern. Es mag nur bemerkt werden, daß das entscheidende Moment, das ihm den Entschluß eingab, sich und die andern von der böswilligen Hexe zu befreien, seine Erkrankung an der Epilepsie war, die er, einem alten, weitverbreiteten Volksglauben folgend, auf Verhexung zurückführte. Der Staatsanwalt erhob die Anklage wegen Mordes, doch sprachen die Geschworenen den Angeklagten nur des Totschlags schuldig, offenbar weil es ihnen widerstrebte, einen im krassen Hexenglauben Befangenen und so in eingebildeter Notwehr Handelnden ebenso hart zu bestrafen wie einen Lustmörder oder kaltblütigen Raubmörder. Dieses Kulturbild aus dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts, dem kaum minder krasse aus den letzten zehn Jahren angereiht werden könnten, zeigt zur Genüge, daß die hexengläubige Köpenickerin durchaus nicht so vereinzelt dasteht, wie volkskundlich nicht Geschulte vielleicht annehmen möchten.«
Das Land aber, in dem das neunzehnte Jahrhundert – seit dem Jahre 1860 – die eigentlichen Hexenprozesse hat wieder aufblühen sehen, ist die große strenggläubige Republik Mexiko Nippold, Die gegenwärtige Wiederbelebung d. Hexenglaubens, S. 11 f..
Zunächst wurde hier 1860, wie Tylors »Anfänge der Kultur« und nach ihm Peschels Völkerkunde berichten, zu Comargo eine Hexe verbrannt. Genaueres wissen wir aber über die Prozedur vom 7. Mai 1874 zu San Juan de Jacobo (einer von Indianern und Mischlingen bevölkerten Stadt) im Staate Sinaloa, wo Diega Lugo und ihr Sohn Geronimo Porres als Zauberer lebendig verbrannt wurden. Der offizielle Bericht des Richters J. Moreno vom 10. Mai 1874 über die Exekution schließt mit den Worten: »Der Fall war ein sehr trauriger, Herr Präfekt, aber er war notwendig, um den Bosheiten Einhalt zu tun, die zu verschiedenen Zeiten hier vorkamen. Ja, trotz der Hinrichtung wurde mir gestern noch berichtet, daß der Angeklagte J. M. Mendoza gesagt habe, wir würden früher oder später noch büßen, was wir getan. Sie sehen hieraus, wie wenig diese Leute eingeschüchtert sind; aber ich versäume inzwischen keine Vorsicht. Die Angeklagten Mendoza haben aus Furcht sich geflüchtet; – warum fliehen sie, wenn sie sich nicht schuldig wissen? Reine Wäsche bedarf keiner Seife!« Dann folgt die republikanische Schluß- und Grußformel: Libertad e independencia!
In der Tagespresse, die einem Bericht des »New-York Herald« aus Mexiko vom 18. Mai folgte, wurden neben dem genannten Weibe und ihrem Sohne noch Jose Maria Bonilla und dessen Frau Diega genannt, als schon vor jenen um des gleichen Verbrechens willen in Jacobo verhaftet, gerichtlich verhört und lebendig verbrannt, weil, wie es in dem Bericht des dortigen Alcalde an den Präfekten des Bezirks hieß, erwiesen worden wäre, daß sie einen gewissen Schneider Zacarias behext hätten. Die Bundesregierung zu Mexiko schritt zwar dagegen ein, jedoch zu spät. Ein weiterer Bericht hat das gleiche von einem Mädchen gemeldet, das Haare ausgebrochen hatte, das einem Strohkreuz aus dem Wege gegangen war und alle Häuser vermieden hatte, an denen sich ein Hufeisen als Schloß befand. Mit ihr wurde ihr kleiner Bruder verbrannt. – Auch aus der Stadt Concordia wurde dann ein ähnlicher Prozeß konstatiert. Doch fehlen uns hier offizielle Urkunden.
Das wären also von 1860 an wenigstens fünf mexikanische Hexenprozesse! Ein sechster spielte sich am 20. August 1877 zu San Jacobo ab, an welchem Tage daselbst fünf Hexen verbrannt wurden. Der Alcalde Ignacio Castello berichtet darüber an den Distriktspräsidenten: »– – Der Unterzeichnete hat in Übereinstimmung mit der ganzen Bevölkerung befohlen, die Schuldigen zu verhaften und zu verbrennen. Es lebe die Unabhängigkeit und Freiheit!«
Zu dem Vorerwähnten könnten noch die zahlreichen Fälle von Besessenheiten und viele andere Vorkommnisse, die namentlich in der katholischen Kirche hervorgetreten sind, hinzugefügt werden, um zu zeigen, welche Macht der Aberglaube in der katholischen Kirche noch heutigentags ist. Zum öfteren (z. B. in der Blutschwitzer-Prozedur zu Zug im Jahre 1849) hat die Polizei von solchen die Massen erregenden und vom Klerus darum sehr begünstigten Erscheinungen Notiz genommen, und die Gerichte haben dann jedesmal die dahinter steckende Betrügerei und Schwindelei aufgedeckt. Das schlimmste aber ist, daß die Orthodoxie, und nicht die der katholischen Kirche allein, den heidnischen Dämonismus und den Glauben an Hexerei auch noch im zwanzigsten Jahrhundert zu vertreten und zu lehren wagt.