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Dreiundzwanzigstes Kapitel. Bekämpfung und Verteidigung des Glaubens an Hexerei und der Hexenverfolgung während des siebzehnten Jahrhunderts in Deutschland

1. Die drei Jesuiten Adam Tanner, Paul Laymann und Friedrich Spee

Welche Wüste, welche Mördergrube war aus Deutschland, war aus dem gesamten christlichen Abendlande geworden! Überall, in allen Ländern ertönte der Schrei der Verzweiflung in den Folterkammern, und aller Orten rauchten die Scheiterhaufen, auf denen ein dämonischer Aberglaube seine Opfer brachte, – Jahr aus Jahr ein! Und immer von neuem schleppten Gerichte und juristische Fakultäten Opfer herbei, deren Glieder auf der Marterbank mit dem Hexenhammer zerschlagen, deren Leiber zerrissen und in Flammen geworfen wurden! Theologen und Juristen wetteiferten, die Lehre von den Hexen zu verteidigen, zu verfeinern, zu verbreiten, Fürsten und Behörden gaben ihr mit dem Scheiterhaufen Anwendung und Nachdruck. Auf protestantischen wie katholischen Kanzeln hielt man Teufels- und Hexenpredigten, die dann durch den Druck verbreitet wurden. Die immer zahlreicher werdenden Prozesse wirkten ebenso aufreizend wie die Hexenpredigten, der Hexenhammer und die ganze Hexenliteratur. Jede Verfolgung mußte den Wahn weiterverbreiten und verstärken, da sie das Volk vor die Wahl stellte, an aller göttlichen und menschlichen Autorität, ja an der sittlichen Weltordnung irre zu werden, oder dem Glauben zu huldigen, auf dem die Verfolgung beruhte. Die Menge aber strömt immer nach, wohin der Strom sie reißt. »Muß wohl an Hexerei glauben,« sagte der Eichstätter Kaplan im Verhör, »da ja die Hexen hingerichtet werden!« »Sollen wir etwa glauben, daß diese vielen Tausende von Hexen unschuldig verbrannt worden sind?« fragt der Jesuit Drexel Riezler, S. 231 f..

War denn da niemand, der die Greuel des Wahnsinns erkannte und seine Stimme gegen sie zu erheben wagte?

Allerdings gab es einzelne, die es einsahen, daß ein scheußlicher Molochsdienst in der Hexenverfolgung verübt ward, und die vor ihm warnten; und diese einzelnen fanden sich – im Jesuitenorden vor! Allein es war ein schreckliches Zeichen der Zeit, daß, nachdem zwei Ordensmänner an dem System der Hexenverfolgung zu rütteln gewagt hatten, der dritte, vor dessen Geistesauge sich die Unvernunft und Unmenschlichkeit des Wahnes am vollständigsten bloßlegte, und der es darum nicht lassen konnte, seine Stimme laut und vernehmlich gegen das frevelhafte Martern und Morden zu erheben, die Notwendigkeit einsah, dieses nur vom dichtesten Versteck aus zu tun, in dem ihn kein Mensch vermuten konnte.

Der erste dieser Kämpen, dem allerdings nicht das uneingeschränkte Lob gebührt, das man ihm aus naheliegenden Gründen zuteil werden ließ, war der Jesuit Tanner. Adam Tanner, geboren zu Innsbruck 1572, gestorben am 25. März 1632 in Unken bei Salzburg, absolvierte in seiner Vaterstadt und in Dillingen humanistische und philosophische Studien. Er trat 1591 in den Jesuitenorden, machte zu Landsberg das Noviziat ab und studierte dann Theologie zu Ingolstadt. 1596 wurde er Professor des Hebräischen zu Ingolstadt, dann in München Professor der Kontroversen und der Moraltheologie. 1599 veröffentlichte Tanner seine erste Schrift: »De verbo Dei scripto et non scripto et de judice controversarium«. 1601 bis 1603 nahm er an dem von dem Herzog Maximilian von Bayern und dem Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg in Regensburg veranstalteten Religionsgespräch teil, nach dessen Beendigung er den theologischen Doktorgrad erhielt. Er wurde hierauf Professor der scholastischen Theologie in Ingolstadt, ging 1618 in gleicher Eigenschaft nach Wien, kehrte aber schon nach einem Jahre wieder nach Ingolstadt zurück. Bald darauf wurde er vom Kaiser Ferdinand II. als Kanzler an die Prager Universität berufen, legte aber wegen Kränklichkeit diese Würde bald nieder. Er war dann drei Jahre Pater Minister, fünf Monate Rektor zu Hall in Tirol, dann Studienrektor und Professor der heil. Schrift in Ingolstadt. 1632 verließ er seiner Krankheit wegen – er litt an Wassersucht – Ingolstadt, um sich in seine Heimat zu begeben. Auf dem Wege dahin ereilte ihn der Tod.

Er, der so vernünftig für die Hexen eintrat, kam nach seinem Hinscheiden selbst in den Geruch, ein Hexenmeister zu sein. »Nach seinem Tode fanden die Bewohner des Hauses zu Unken, in dem er gestorben war, unter seinen Habseligkeiten ein ihm von seinem Ordensgenossen Christoph Scheiner geschenktes Vergrößerungsglas, in dem eine Mücke eingeschlossen war. Sie hielten das große behaarte Tier in dem kleinen Glase für einen »Glasteufel« und den Verstorbenen für einen Zauberer, der nicht in geweihter Erde begraben werden durfte, wurden aber von dem Pfarrer dadurch beruhigt, daß er die Mücke aus dem Glase herausnahm und ihnen in ihrer natürlichen Größe zeigte und eine andere Mücke in das Mikroskop hineintat, die nun ebenso aussah wie der Glasteufel Rensch, Allg. deutsche Biographie, XXXVII, Leipzig 1894, S. 380 ff.

Schon während seiner Lehrtätigkeit in München wurden ihm, wie er in der »Theologia« erzählt, verschiedene wichtige Fragen vorgelegt, die sich auf die Hexenprozesse bezogen. In seinem Werke sprach er sich nur zu dem Zwecke ausführlich darüber aus, damit »die Gebildeten seiner Zeit und vor allem die Obrigkeit von seinen Ansichten Kenntnis nehmen und sie in reifliche Erwägung ziehen« möchten Janssen, VIII, S. 713..

In der fünften »Disputatio« des ersten Bandes kommt er auf die Engel und Dämonen, wobei er allerlei »Dubia«, namentlich auch die Frage erörtert, »was von der Versetzung der Hexen nach ihren Sammelplätzen zu halten sei und ob sie wirklich getragen würden. Indem er nun dieses für ganz unmöglich erklärt, äußert er seine Meinung dahin, daß die Angaben der Weiber, die durch den Teufel zu den Hexensabbaten gebracht sein wollten, in der Regel auf Träumen und Sinnestäuschungen beruhten. Nichtsdestoweniger ist die entgegengesetzte Meinung wahr und ausgemacht, daß die Hexen nicht selten auch wirklich und körperlich vom Teufel zu ihren Versammlungen getragen werden. »Dies ist jetzt unter den Katholiken die allgemeine Ansicht der Theologen und Juristen.« Allerdings betont er Bedenken gegen die Realität der Ausfahrten. Er bemerkt, daß die meisten dieser Hexen verheiratet seien. Wie wäre es nun möglich, daß sie so viele Nächte hindurch von ihren Männern entfernt wären, ohne daß diese es merkten? Doch vielleicht glaube man, daß der Teufel an die Stelle der Weiber irgendeinen Scheinkörper lege; allein man dürfe nicht annehmen, daß Gott so leicht und so häufig dem Teufel eine solche Täuschung und Berückung unschuldiger Männer gestatte. Viele dieser Weibspersonen, sowohl verheiratete wie unverheiratete, seien auch in ihren Wohnungen durch Türen, Fensterbalken und Riegel so wohl verwahrt, daß sie der Teufel ganz unmöglich entführen könne, ohne Lärm zu machen. Auf die Geständnisse der Hexen sei nichts zu geben; denn deren Aussagen ständen oft miteinander in Widerspruch, und wenn sie behaupteten, daß sie in Gestalt einer Katze, einer Maus oder eines Vogels vom Satan hinweggeführt worden seien, so könne dieses nur als Phantasterei angesehen werden. Deshalb geht seine eigene Ansicht dahin, daß die Hexen häufig Träume für Tatsachen halten, daß aber an dem wirklichen Vorkommen körperlicher Ausfahrten festzuhalten sei. Die Dämonen besäßen auch nicht die Gewalt, aus sich selbst (ohne göttliche Zulassung) und durch angebliche Zauberer Menschen und Tieren zu schaden, ausgenommen den Fall, daß sie giftige Salben oder sonstige Mittel anwendeten, die den Menschen auf natürliche Weise schädlich wären. Ungleich wichtiger als diese verklausulierten Einschränkungen der herrschenden Theorien ist was Tanner im dritten Bande seines Werks, und zwar in der vierten Disputatio (Quaestio 5), von dem Prozesse gegen die crimina excepta, insbesondere gegen das crimen veneficii, sagt. Er verlangt, daß in ihnen nach Vernunft und Billigkeit vorgegangen werde, weshalb die Richter vor allem darauf achten sollen, daß nicht aus einem solchen Prozesse auch für Unschuldige Gefahr erwachse. Denn »wie groß ist die Schmach, wie groß sind die Qualen, denen Unschuldige ausgesetzt sein können, wenn sie jahrelang in Prozesse wegen angeblicher Hexerei verwickelt sind! Wie groß ist der Schaden, der daraus für viele, manchmal auch vornehme Familien erwächst!«

Ferner müsse als Grundsatz gelten, daß die wegen Verdachts der Hexerei Eingezogenen nicht von vornherein als Schuldige angesehen und behandelt werden dürften, weshalb ihnen die Möglichkeit, sich von dem Verdachte zu reinigen, gegeben werden müsse. Die auf der Tortur erpreßten Geständnisse seien ohne allen Wert und jeder sich auf sie gründende Urteilsspruch deshalb nichtig und an sich ungültig.

Hierauf wendet sich Tanner gegen die von vielen »Doctores« vertretene Ansicht, daß, um zur peinlichen Frage schreiten zu können, die Denunziation eines oder mehrerer Mitschuldigen genüge. Habe man keine sicheren Indizien, so dürfe man auf bloße Denunziation hin, und wenn sie auch von noch so vielen ausgehe, Personen, die sich sonst eines guten Rufes erfreuten, weder martern noch verurteilen. Diese Behauptung widerspreche zwar der Ansicht vieler Rechtsgelehrten und der üblichen Praxis der Gerichte, allein sie beruhe auf der Vernunft. Denn entweder seien die Denunzianten wirklich, wie sie von sich selbst aussagen, Hexen und Zauberer oder sie seien es nicht. Sind sie es nicht, so lügen sie, indem sie dann »Mitschuldige« nicht haben können; sind sie aber wirklich, wie angenommen wird, Hexen und Zauberer, so sind sie vermöge der Natur dieses Verbrechens solche Personen, von denen man anzunehmen hat, daß sie allen, zumal unschuldigen Leuten, auf jede Weise, also auch durch eine Verderben bringende falsche Aussage schaden wollen. Wie könnte also ihre Aussage von solchem Gewicht sein, daß sie genüge, um sonst unbescholtene Leute einzukerkern und mit den schrecklichsten Torturen zu peinigen!

Um zu beweisen, wie gefährlich und töricht es sei, auf derlei Denunziationen hin die peinliche Frage zu verhängen, erzählt Tanner, es sei ihm von zwei sehr angesehenen und gelehrten Männern gesagt worden, daß gewisse Personen, von deren Unschuld sie vollkommen überzeugt gewesen, nur um der ihnen gedrohten Tortur zu entgehen, absichtlich allerlei Dinge ausgesagt hätten, weil sie geglaubt, daß sie nach ihnen auf der Folter befragt werden würden. Wie leichtfertig bisweilen die Untersuchung geführt werde, beweise der Fall, der sich unlängst in einer Stadt am Rhein zugetragen, daß nämlich, als dort die Geständnisse der wegen Hexerei Verurteilten öffentlich vorgelesen und unter anderen Verbrechen auch verschiedene Mordtaten und Verzauberungen, die gewissen und mit Namen genannten Personen daselbst zugefügt worden seien, aufgerufen wurden, jene Personen selbst, die gesund und wohlbehalten zugegen waren, die Falschheit der vorgelesenen Geständnisse bezeugt haben.

Weiterhin weist Tanner nach, wie notwendig es sei, daß die Prozeßführung in allen Punkten durch klare Bestimmungen festgestellt und der Willkür der Richter entzogen werde. Auch müsse man den wegen Hexerei Angeklagten, die oft ganz ungebildete, einfältige Personen seien, ordentliche Verteidiger geben, und bei der Anwendung der Tortur müsse man das Maß beobachten und alles vermeiden, wodurch das Schamgefühl verletzt werde. Tanner erzählt, daß ihm ein tapferer, frommer, gelehrter und kluger Mann gestanden habe, er traue sich nicht die Kraft zu, die übliche Folter zu ertragen, selbst wenn es gälte, einen Unschuldigen zu retten. Oft höre man auch von Hexen, daß sie ihr den Tod vorziehen, zumal sie zuweilen auch gegen ihre Scham und Sittsamkeit verstoße Riezler, S. 2533 f..

Den Geistlichen macht es Tanner zur Pflicht, wenn sie sich von der Unschuld Angeklagter überzeugt zu haben glauben, dieses den Richtern in kluger Weise mitzuteilen und diese zu einer Prüfung der Akten zu veranlassen. Der Seelsorger muß sich aber hüten, nicht zu sehr in den Verurteilten zu dringen, sein Geständnis zu widerrufen, noch darf er einen freiwillig geleisteten Widerruf unklug und in ärgernisgebender Weise an die Öffentlichkeit bringen. In den meisten Fällen wird es genügen, den Richter davon in Kenntnis zu setzen Riezler, S. 255 ff. Namentlich aber haben sie jedem Verurteilten einzuschärfen, daß er, wenn er etwa eine unschuldige Person denunziert hat, sub peccato mortali verpflichtet ist, diese falsche Aussage zu widerrufen.

In den folgenden Abschnitten erörtert Tanner die Fragen, auf welche Weise sich der Christ gegen Zaubereien zu schützen habe, und durch welche Mittel sie zu bekämpfen und auszurotten seien. Zur Ausrottung empfiehlt er Abschaffung alles dessen, was dem Teufel Vorschub leistet: der ländlich-unsittlichen Belustigungen, der Tänze, des anstößigen Brauches, Frauen am Kindleinstage mit Ruten zu schlagen Das sogen. Fitzeln, das heute noch in manchen Teilen Norddeutschlands stark verbreitet ist. Über das Fitzeln in der Vergangenheit D. Joh. Georg Krünitz, Encyklopädie, 37. Teil, Berlin 1786, S. 868 f.. Ferner durch Übereinkunft der Fürsten in der ganzen Christenheit einheitliche Organisation der Hexenprozesse. Wiewohl nicht zu hoffen, daß dieses Verbrechen durch Strenge je ausgerottet werden könne, ist solche doch nötig, um Gottes Ehre zu rächen und das Ärgernis zu vermeiden, daß Einfältige glauben, es gebe kein solches Verbrechen. Erfordernisse dieses Universalhexenprozesses wären: gelehrte, kluge, unbescholtene Richter; Beiordnung eines Theologen; endlich überall in Stadt und Land Bestellung von Aufpassern (syndici et exploratores), die auf alle Anzeichen von Hexerei sorgfältig zu achten und diese heimlich zur Anzeige zu bringen hätten. Die Prozesse sollen nicht zu lange dauern, nach Mitschuldigen die Hexen erst dann gefragt werden, wenn sie ihr Todesurteil vernommen und gebeichtet haben. Wahrhaft Reumütigen soll außer Gericht Straflosigkeit versprochen und ihre Namen sollen im Katalog der Angezeigten gestrichen werden. Zuweilen würde es vielleicht nützen, auch gegen Verurteilte so gnädig zu sein und sie nur mit Kirchenbußen zu belegen. Dann durch den Gebrauch geistlicher Mittel. Dämonen, Zauberer und Hexen, sagt er, können ja nur wenn es »ob bonum finem«, mit göttlicher Zulassung geschehe, nicht aber aus sich selbst heraus leiblichen Schaden bringen. Weil darum die ganze Sache von der göttlichen Vorsehung abhängt, sei das beste Mittel zur Abwehr zauberischer Anläufe fester Glaube an Gott, Gebet, Fleiß in der Heiligung, Gebrauch der Sakramente, werktätige Liebe.

Tanner hat durch sein Werk vielfache Verfolgungen erleiden müssen. Zwei Inquisitoren, die seine Äußerungen über die Hexenverfolgung gelesen hatten, erklärten laut, sie würden diesen Menschen, sobald sie ihn in ihre Gewalt bekämen, sofort auf die Folter spannen.

Der zweite Jesuit, der in seinen Vorlesungen wie in seinen Werken der Hexenfrage besondere Aufmerksamkeit schenkte, war Paul Laymann. 1575 zu Innsbruck geboren, war er in München, Ingolstadt und Dillingen Professor des kanonischen Rechts und starb am 13. November 1635 zu Konstanz an der Pest Rapp, S. 69-70.. Sein Hauptwerk ist seine zuerst 1625 in München herausgegebene Theologia moralis. In ihm wirft er (Lib. III de institia Tract. 6, cap. 5) die Frage auf: ob es besser sei, gegen die Zauberer und Hexen vorsichtig und nur dann einzuschreiten, wenn genügende Indizien vorhanden seien, oder ob es geratener sei, wegen der Schwere und Schädlichkeit dieses Verbrechens auch in zweifelhaften Fällen den Prozeß einzuleiten – und entscheidet sich für die Ansicht, daß man nicht leicht Denunziationen Glauben zu schenken habe, wenn nicht die betreffende Person überhaupt verrufen oder der gegen sie rege gewordene Verdacht durch sichere Indizien begründet worden sei. Allerdings stehe es geschrieben: Maleficos non patieris vivere, aber ebenso fest stehe auch das Gesetz: Ne insontem occidas! Habe man daher bezüglich eines Angeklagten zu befürchten, daß er ein Zauberer sei, und falls er nicht justifiziert werde, Gott und den Menschen Unbilden zufüge, und habe man andererseits zu besorgen, daß ihm, als einem vielleicht fälschlich Angeklagten, durch das Gefängnis und die Tortur ungerechterweise an Ehre, Leib und Leben Schaden zugefügt werde, so habe man das kleinere Übel zu ertragen, damit nicht ein größeres entstehe, das durch ein höheres Gesetz verboten sei Riezler, 259, Janssen VIII, 710 f..

siehe Bildunterschrift

Erster Druck der deutschen Uebersetzung von Paul Laymanns Traktat gegen die Hexenverfolgung

Die Zeit war aber noch für solche Mahnungen taub. Man marterte und mordete ruhig weiter, und es schien in Erfüllung gehen zu sollen, worauf Laymann in seiner Theol. mor. (L. III, Tr. 6, P 3) hingewiesen hatte: »Es ist jetzt so weit gekommen, daß, wenn solche Prozesse noch länger fortgesetzt werden, ganze Dörfer, Märkte und Städte veröden, und daß niemand mehr sicher sein wird, auch nicht einmal Geistliche und Priester.«

Da wurde plötzlich eine neue Stimme laut, die noch vernehmlicher, noch gewaltiger als die bisherigen auf den Wahnsinn der Hexenverfolgung hinwies.

Wir reden von der Cautio criminalis, die 1631 anonym zu Rinteln erschien. Ihr Titel lautet: Cautio criminalis, seu de processibus contra sagas liber ad magistratus Germaniae hoc tempore necessarius; tum autem consiliariis et confessariis principum, inquisitoribus, judicibus, advocatis, confessariis reorum, concionatoribus ceterisque lectu utilissimus. Auctore incerto Theologo orthodoxo. Rintelii, typis exscripsit Petrus Lucius, typogr. Acad. MDCXXXI. – Schon 1632 wurde das Buch von Gronäus in Frankfurt a. M. neu aufgelegt. Eine dritte Auflage erschien 1695 zu Sulzbach, die letzte wohl zu Augsburg, 1731. Eine deutsche Übersetzung im Auszug wurde 1647 unter dem Titel »Gewissensbuch von Prozessen gegen die Hexen« von dem schwedischen Feldprediger J. Seiffert zu Bremen herausgegeben. Eine vollständige Übersetzung veranstaltete der Sekretär und Rat des Grafen Moritz zu Nassau-Katzenellenbogen, Hermann Schmidt. Doch wagte er erst 1648 das schon 1642 abgeschlossene Manuskript der Öffentlichkeit zu übergeben. Die Übersetzung trägt den Titel: »Hochnotpeinliche Vorsichtsmaßregel oder Warnungsschrift über die Hexenprozesse, gerichtet an alle Behörden Deutschlands, an die Fürsten und ihre Räte, an die Richter und Advokaten, Beichtiger, Redner und an das ganze Volk.« Eine andere Übertragung gab Reiche in seinen »Unterschiedlichen Schriften vom Unfug des Hexenprozesses« (Halle 1703) heraus. Eine französische Übersetzung wurde zu Lyon 1660 veröffentlicht. Die Cautio criminalis wurde so schnell vergriffen, daß schon im folgenden Jahre eine zweite Auflage nötig war. Ihr Herausgeber, Gronäus, bezieht sich für sein Unternehmen auf den ausdrücklichen Wunsch einiger Glieder des Reichskammergerichts und des Reichshofrats. Späterhin erschienen noch mehrere Abdrücke und verschiedene Übersetzungen, und es ist darum keinem Zweifel unterworfen, daß das Werk Aufsehen gemacht habe. Um so wunderbarer ist's, daß wir es von den ersten Kriminalisten des Jahrhunderts, einem Carpzov, Berlich und Brunnemann, gar nicht erwähnt finden, und daß auch Thomasius, als er sein erstes Schriftchen über die Zauberei herausgab, annahm, die Cautio criminalis sei ein ganz neues Buch, weil er nur von deren letzter Ausgabe Kenntnis hatte. Hauber vermutet, vielleicht nicht mit Unrecht, daß die ersten Ausgaben von den an den Pranger gestellten Hexenrichtern möglichst unterdrückt worden seien; wenigstens waren Exemplare schon zu seiner Zeit sehr selten geworden Bibl. mag., Teil III, S. 10 f..

siehe Bildunterschrift

Titelblatt der ersten Ausgabe von Friedrich von Spees
Cautio Criminalis

Der Verfasser dieser Schrift war der Jesuit Friedrich Spee Alex. Baldi, Die Hexenprozesse in Deutschland und ihr hervorragendster Bekämpfer, Würzburg 1874; Hölscher, Friedrich Spee von Langenfeld (Düsseldorfer Realschulprogramm von 1871); J. B. M. Diel, Friedrich v. Spee, eine biographische und literar-historische Skizze, Freiburg 1872, F. J. Micus, Friedrich Spee in der Zeitschrift des Vereins für Geschichte und Altertumskunde Westfalens, B. XIII, Münster 1852, S. 59-76; Gebhardt, Friedrich Spee von Langenfeld, Hildesheim 1893., der unsterbliche Verfasser der »Trutznachtigall«, der Sprosse des adeligen, jetzt gräflichen Geschlechts der Spee von Langenfeld. Im Jahre 1591 zu Kaiserswerth im Kölnischen geboren, war er als neunzehnjähriger Jüngling bei den Jesuiten in Trier als Novize eingetreten, von wo er in das Ordenshaus nach Köln übersiedelte. Hier 1621 in die Gesellschaft aufgenommen, wurde er mit der Professur der Philosophie und Moral betraut, 1624 aber in das Jesuitenkolleg zu Paderborn versetzt, von wo aus er dem in die Gemeinden und namentlich in den Adel der Diözese Paderborn eingedrungenen Protestantismus entgegenarbeiten sollte. Durch seine Klugheit und Geschicklichkeit soll es ihm auch gelungen sein, den größten Teil des Paderborner Adels in die katholische Kirche zurückzuführen. Die großen Erfolge seiner Missionsarbeit in Paderborn veranlaßten den Orden, ihn zu gleichem Zwecke 1627 nach Bamberg und Würzburg zu berufen. Hier jedoch, wo eben damals die grausigsten Hexenverfolgungen im Gange waren, sah sich Spee beauftragt, als Beichtvater der zum Tode verurteilten Hexen zu fungieren. Diese neue Tätigkeit ließ ihn tief in den Abgrund sehen, der so viele Tausende verschlang. Bald fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und es trieb ihn zu kühner, männlicher Tat. Er schrieb seine Cautio criminalis, eine Warnungsschrift, die er jedoch erst, nachdem er aus Franken in das Paderborner Land zurückgekehrt war, drucken zu lassen wagte, – und zwar anonym. Die Annahme des Chefredakteurs der klerikalen »Köln. Volkszeitung«, Dr. Cardauns, der da schreibt: »Die Approbation der Ordensoberen trägt das Buch (Spees) nicht, indes steht zu vermuten, daß die Cautio bei ihnen wohlwollend aufgenommen wurde« Frankfurter zeitgemäße Broschüren, 1894, V. Nr. 4, S. 125., hat auch nicht den Schein von Berechtigung. Spee hat seine wohlwollenden Oberen besser gekannt als Herr Dr. Cardauns sie zu kennen vorgibt.

siehe Bildunterschrift

Friedrich von Spee
Nach dem Gemälde im Kölner Marzellen-Gymnasium

Schon binnen wenigen Monaten waren alle Exemplare vergriffen. Niemand ahnte, wer der Verfasser sei, und sogar noch vierzehn Jahre nach Spees Tode war selbst dem Übersetzer des Buches dessen Autor unbekannt. Erst Leibnitz hat den Namen Spees als Urhebers der Cautio criminalis der Welt verkündet Theodicee, Bd. I. §. 96 u. 97. Herausgegeben von Rob. Habs, Leipzig o. J., S. 244 f..

»Dieser ausgezeichnete Mann – sagt Leibnitz von Spee – verwaltete in Franken das Amt eines Beichtvaters, als man im Bambergischen und Würzburgischen viele Personen wegen Zauberei fing und verbrannte. Johann Philipp von Schönborn, später Bischof von Würzburg und zuletzt Kurfürst von Mainz, lebte damals in Würzburg als junger Kanonikus und hatte mit Spee eine vertraute Freundschaft geschlossen. Als nun einst der junge Mann fragte, warum wohl der ehrwürdige Vater ein graueres Haupt habe, als seinen Jahren gemäß sei, antwortete dieser: das rühre von Hexen her, die er zum Scheiterhaufen begleitet habe. Hierüber wunderte sich Schönborn, und Spee löste ihm das Rätsel folgendermaßen: Er habe durch alle Nachforschungen in seiner Stellung als Beichtvater bei keinem von denjenigen, die er zum Tode bereitet, etwas gefunden, woraus er sich hätte überzeugen können, daß ihnen das Verbrechen der Zauberei mit Recht wäre zur Last gelegt worden. Einfältige Leute hätten sich auf seine beichtväterlichen Fragen, aus Furcht vor wiederholter Tortur, anfänglich allerdings für Hexen ausgegeben, bald aber, als sie sich überzeugten, daß vom Beichtvater nichts zu besorgen sei, hätten sie Zutrauen gefaßt und aus ganz anderem Tone gesprochen. Unter Heulen und Schluchzen hätten alle die Unwissenheit oder Bosheit der Richter und ihr eigenes Elend bejammert und noch in ihren letzten Augenblicken Gott zum Zeugen ihrer Unschuld angerufen. Die häufige Wiederholung solcher Jammerszenen habe einen so tiefen Eindruck auf ihn gemacht, daß er vor der Zeit grau geworden. Als Schönborn mit Spee immer vertrauter geworden war, gestand ihm dieser, daß er der Verfasser der Cautio criminalis sei. In der Folge wurde Schönborn Bischof und Reichsfürst, und so oft eine Person der Zauberei bezichtigt wurde, unterzog er, eingedenk der Worte des ehrwürdigen Mannes, die Sache seiner eigenen Prüfung und fand die von jenem ausgesprochenen Warnungen nur allzu begründet. So hörten in jener Gegend die Menschenbrände auf.«

Aus dem Erwähnten ist zu ersehen, was Spee mit seiner Schrift bezweckte. Er hatte aus der nächsten Nähe den Hexenprozeß in seiner furchtbarsten Übertreibung kennen gelernt und wollte dem Unwesen entgegentreten. Indessen ist es nicht das Prinzip selbst, was er bekämpft, sondern die Praxis. Er räumt die Existenz der Hexerei und die Notwendigkeit eines Verfahrens gegen sie ein; aber unter seinen Händen schmilzt der Hexenglaube so sehr zusammen und erhält das Verfahren eine so vollkommene Umgestaltung, daß bei gewissenhafter Durchführung seiner Grundsätze Deutschland schwerlich wieder einen einzigen Hexenbrand gesehen hätte. Seine scharfe Kritik ergießt sich über den Aberglauben und die Gehässigkeit des Pöbels, die Habsucht, Voreingenommenheit und geistige Unselbständigkeit der Richter, den Leichtsinn der Fürsten, die Beschränktheit und den Fanatismus der Geistlichen, die Trüglichkeit der sogenannten Beweise, die Grausamkeit der Tortur und überhaupt über die Unregelmäßigkeit und Nichtigkeit des ganzen Verfahrens. Die Hervorhebung einzelner Stellen seines Werkes wird auch Spee und seine Zeit am besten charakterisieren.

»Erste Frage. Ob auch in Wahrheit Zauberer, Hexen und Unholden seien?

Ja. Dann ob mir zwar nicht unbewußt, daß etliche, und darunter auch einige katholische Gelehrte, die ich eben nicht nennen mag, dasselbige in Zweifel gezogen; obs auch zwar etliche davor halten oder muthmaßen wollen, daß mans in der katholischen Kirchen nicht allzeit geglaubt habe, daß die Hexen und Unholden ihre leiblichen Zusammenkünfte hielten; ob auch wohl endlich ich selbst, als ich mit unterschiedlichen dieses Lasters Schuldthätigen in ihren Gefängnissen viel und oft umgegangen und der Sachen nicht allein fleißig und genau, sondern fast vorwitzig nachgeforschet, mich nicht ein-, sondern etlichemal so betreten gefunden, daß ich fast nicht gewußt, was ich dießfalls glauben sollte. Nichtsdestoweniger nachdem ich meine hierbei sich ereignende zweifelhafte und verwirrte Gedanken kürzlich zusammenfasse und erwäge, so halte ich's gänzlich davor, daß in der Welt wahrhaftig etliche Zauberer und Unholden seien und daß dasselbig von Niemandem ohne Leichtfertigkeit und groben Unverstand geleugnet werden könne. – – Daß aber deren so viel, oder auch, daß die alle miteinander, welche bisher unterm Prätext dieses Lasters in die Luft geflogen, Zauberer oder Hexen seien oder gewesen sein sollen, das glaube ich nicht, und glauben's auch andere gottesfürchtige Leute mit mir nicht. Und wird mich auch Keiner, der nur nicht etwan auf des gemeinen Pöbels Geschrei oder Ansehen der Personen zuplatzen, sondern dem Handel mit Witz und Vernunft nachdenken wird, leichtlich überreden, daß ich dasselbige glauben soll.« – –

»Die andere Frage. Ob's in Deutschland mehr Zauberer, Hexen und Unholden gebe, als anderswo?

Diese Frage trifft eine Sache an, so ich nicht weiß; ich will aber für die Langeweile mit einem Worte dasjenige sagen, was mir vorkommt: Man meinet und hält's einmal davor, daß in Deutschland mehr Zauberer seien, als anderswo. Ursach ist diese: Es rauchet ja in Deutschland fast allenthalben. Wovon und warum? Darum, weil man in Arbeit ist, die Zauberer und Zauberinnen zu verbrennen und auszurotten; ist denn nicht hieraus klärlich abzunehmen, daß dieses Unheil in Deutschland weit eingerissen sei? Und zwar dieß Rösten, Sengen und Brennen ist eine Zeitlang in unserem lieben Vaterlande so groß gewesen, daß wir die deutsche Ehre bei unsern ausländischen Feinden nicht um ein Geringes verkleinert und unsern Geruch bei Pharaone stinkend gemacht haben.« Als Ursachen des Wahnes, dass es so viele Zauberer geben solle, betrachtet Spee: 1) den Aberglauben des Volks, das sich Hagel, Seuchen etc. nicht aus natürlichen Ursachen zu erklären wisse, und 2) Mißgunst und Bosheit des Pöbels, welcher Reichtum und Ansehen anderer gerne aus verbotenen Künsten herleite.

Ein anschauliches Gesamtbild des damaligen Hexenprozesses gibt Spee in der

»Einundfünfzigsten Frage: Nun sage mir die Summa und kurzen Inhalt des Prozesses im Zaubereilaster, wie derselbige zu dieser Zeit gemeiniglich geführet wird.

§ 1. Das will ich thun. Du mußt aber zum Eingange merken, daß bei uns Teutschen, und insonderheit (dessen man sich billig schämen sollte) bei den Katholischen der Aberglaube, die Mißgunst, Lästern, Afterreden, Schänden, Schmähen und hinterlistiges Ohrenblasen unglaublich tief eingewurzelt sei, welches weder von der Obrigkeit nach Gebühr gestraft, noch von der Kanzel der Nothdurft nach widerlegt und die Leute davor gewarnt und abgemahnet werden; und eben daher entsteht der erste Verdacht der Zauberei, daher kommt's, daß alle Strafen Gottes, so er in seinem heiligen Worte den Ungehorsamen gedrohet, von Zauberern und Hexen geschehen sein sollen, da muß weder Gott oder die Natur etwas mehr gelten, sondern die Hexen müssen alles gethan haben.

§ 2. Dahero erfolgt dann, daß Jedermann mit Unvernunft ruft und schreit: die Obrigkeit soll auf die Zauberer und Hexen inquiriren (nämlich deren sie mit ihren Zungen so viel gemacht haben). Hierauf befiehlt die hohe Obrigkeit ihren Richtern und Räthen, daß sie gegen diese beschreite lasterhafte Personen prozediren sollen. Dieselbigen wissen nun nicht, wo und an wem sie anheben sollen, weil es ihnen an Anzeigungen und Beweisthum ermangelt und ihnen gleichwohl ihr Gewissen sagt, daß man hierinnen nicht unbedachtsam verfahren solle. Inmittelst kommt der zweite und dritte Befehl von der Obrigkeit, daß sie fortfahren sollen, und darf sich Herr Omnes vernehmen lassen, es müsse nicht klar mit den Beamten sein, daß sie nicht wollten, und dessen dürfen auch wohl die Obrigkeiten selbst sich von Andern überreden lassen. Sollte man nun der Obrigkeit hierinnen in etwas widerstreben und nicht stracks zu Werke greifen, das würde vorab bei uns Teutschen sehr übel gedeutet werden, angesehen, daß fast männiglich, auch die Geistlichen, alles vor recht und gut halten, was den Fürsten und der Herrschaft gefället, da sie, die Geistlichen, doch nicht wissen, von was Leuten Fürsten und Herren (ob sie sonst wohl von Natur sehr gut seien) oft angereizt werden. Also gehet dann der Herrschaft Wille vor, und macht man den Anfang des Werkes auf Gerathewohl.

§ 3. Ziehet aber der Magistrat diese Sache als ein schwer und gefährlich Werk weiter in Bedenken, so schickt die Obrigkeit einen Inquisitorem oder Commissarium; ob dann gleich derselbige aus Unverstand oder erhitztem Gemüte der Sachen etwas zu viel thut, so muß dennoch dasselbige nicht unrecht gethan heißen, sondern dem gibt man den Namen eines gottseligen Eiferers zu der Gerechtigkeit, und derselbe gerechte Eifer wird durch die Hoffnung des guten Genusses oder Salarii so viel mehr entzündet und unterhalten, sonderlich wann der Commissarius bedürftig ist und ihm auf jedes Haupt eine gewisse Summa von Thalern pro salario zugelegt wird und ihm außerdem noch frei stehet, von den Bauern ein und andere Steuer zu fordern. Trägt sich's dann zu, daß etwa ein besessener oder wahnwitziger Mensch von einer armen Gaja ein verdächtiges Wort geredet, oder das heutige allzu gemeine lügenhaftige Gespräch auf sie fället, so ist der Anfang gemacht und muß dieselbe herhalten.

§ 4. Damit es aber nicht scheine, als ob man auf dieß bloße Geschrei und ohne andere Indicia also prozedire, so ist alsbald ein unfehlbar Indicium vorhanden, und das aus diesem Fallstrick: Entweder Gaja hat ein böses, leichtfertiges oder ein frommes, gottseliges Leben geführt. Ist jenes, so ists ein großes Indicium, dann wer böse ist, kann leicht böser und je länger je weiter verführet werden; ist dieses, so ists kein geringer Indicium, dann sagen sie: so pflegen sich die Hexen zu schmücken und wollen allezeit gerne vor die Frömmsten gehalten sein. Da ist dann der Befehl, daß man mit der Gaja zu Loch solle. Und ist stracks wieder ein neues Indicium, abermals per dilemma: Entweder die Gaja gibt durch die Anlaß, Wort oder Werk zu verstehen, daß sie sich fürchte, oder gebärdet und erzeigt sich unerschrocken. Spüret man dann einige Furcht oder Schrecken bei ihr (dann wer wollte sich nicht entsetzen, der da weiß, wie jämmerlich sie dero Orts gemartert werden?), so ist's abermal ein Indicium; dann (sagen sie) das böse Gewissen macht sie bang. Fürchtet sie sich nicht, sondern trauet ihrer Unschuld, so ists wieder ein Indicium; dann (geben sie vor) das pflegen die Hexen zu tun, daß sie die Unschuldigen sein wollen, und der Teufel macht sie mutig. Damit es aber an mehreren Indicien nicht mangele, so hat der Inquisitor oder Commissarius seine Jagdhunde zur Hand, oftmals gottlose, leichtfertige, beschreite Leute, die müssen dann auf der armen Gaja ganzes Leben, Handel und Wandel inquiriren, da es dann nicht wohl sein kann, daß man nicht etwas finden sollte, welches argwöhnische Leute nicht aufs Ärgste auslegen und auf Zauberei deuten möchten. Sein dann auch vielleicht etliche, so der Gaja vorhin nicht viel Gutes gegönnt haben, die tun sich alsdann herfür, bringen quid pro quo, und ruft Jedermann: die Gaja hat gleichwohl schwere Indicia gegen sich. Darum muß die Gaja auf die Folterbank (wofern sie anders nicht selbigen Tages, da sie gefänglich angenommen, sobald ist gefoltert worden).

§ 5. Denn bei diesen Prozessen wird keinem Menschen ein Advocatus oder auch einige Defension, wie aufrichtig sie auch immer sein möchte, gestattet; dann da rufen sie, dieß sei ein crimen exceptum, ein solch Laster, das dem gerichtlichen Prozeß nicht unterworfen sei; ja da einer sich darinnen als Advocatus wollte gebrauchen lassen, oder der Herrschaft einreden und erinnern, daß sie vorsichtig verfahren wollte, der ist schon im Verdacht des Lasters und muß ein Patron und Schutzherr der Hexen heißen, also daß Aller Mund verstummen und alle Schreibfedern stumpf sein, daß man weder reden, noch schreiben darf. Insgemein haben gleichwohl die Inquisitores den Brauch, damit ihnen nicht nachgesaget werde, als ob sie der Gaja ihre Defension nicht zugelassen hätten, daß sie dieselbige vorstellen und sie über die Indicia examiniren (soll man's anders examiniren heißen). Ob dann gleich die Gaja die gegen sie vorhandenen Indicia samt und sonders genugsam ablehnet, so passet man doch darauf nichts, ja man schreibt's auch wohl nicht einst an, sondern die Indicia bleiben nichtsdestoweniger auf ihrem Valor und muß die obstinata Gaja wieder zu Loch und sich besser bedenken; denn weil sie sich wohl verantwortet, so ist's ein neu Indicium; dann, wann diese keine Hexe wäre (sagen sie), so könnte sie so beredt nicht sein.

§ 6. Wann sie sich nun über Nacht also bedacht hat, stellet man sie des folgenden Morgens wieder für, und da sie bei ihrer gestrigen Antwort bleibet, so lieset man ihr das decretum torturae für, nicht anders, als ob sie gestern nichts geantwortet, noch die Indicia im Geringsten widerleget hätte. Ehe sie aber gefoltert wird, führet sie der Henker auf eine Seite und besiehet sie allenthalben an ihrem bloßen Leib, ob sie sich etwan durch zaubersche Kunst unempfindlich gemacht hätte. Damit ja nichts verborgen bleibe, schneiden und sengen sie ihr die Haare allenthalben, auch an dem Orte, den man vor züchtigen Ohren nicht nennen darf, ab und begucken Alles aufs Genaueste, haben doch bisher dergleichen noch wenig gefunden. Und zwar, warum sollten sie solches den Weibern nicht thun, da sie doch der geistlichen Priester hierinnen nicht schonen? Und zwar der geistlichen Bischöfe und Prälaten Inquisitores sein in diesem Fall die besten Meister, und achtet man die päpstliche Bullam Coenae, so Päpstl. Heiligkeit gegen die ausgelassen, welche ohne Ihrer Heiligkeit Spezialbefehl gegen die Geistlichen prozediren, vor Blitz ohne Donnerschläge, und damit ja fromme Fürsten und Herren dasselbige nicht erfahren, und also dergleichen Prozeß einen Zaum anwerfen, wissen Inquisitores dasselbige fein zu verhehlen.

§ 7. Wann nun die Gaja also gesenget und enthäret ist, so wird sie gefoltert, daß sie die Wahrheit sage, d. i. sich schlecht vor eine Zauber'sche bekennen soll. Sie mag anders sagen, was sie wolle, so ist es nicht wahr und kann nicht wahr sein. Man foltert sie aber erst auf die schlechteste Manier, welches du also verstehen mußt, als ob sie gleich zum Schärfsten torquiret wird, so heissts doch die schlechteste Art in Respekt und Erwägung deren, die nachfolgen sollen. Bekennet nun die Gaja auf solche Manier, so geben sie vor, sie habe gutwillig und ohne Folter bekennet. Wie kann denn ein Fürst oder Herre vorüber, daß er diejenige Person nicht vor eine Hexin halten sollte, die so gutwillig und ohne Tortur bekennet hat, daß sie eine sei? Und macht man sich demnach keine ferneren Gedanken oder Beschwernung, sondern man führet sie zum Tode, wie man doch würde getan haben, wenn sie schon nichts bekennet hätte, sintemal, wenn der Anfang des Folterns gemacht ist, so ist das Spiel gewonnen, sie muß bekennen, sie muß sterben. Sie bekenne nun oder bekenne nicht, so gilt's gleich. Bekennet sie, so ist die Sache klar, und wird sie getödtet, denn Widerrufen gilt hier nichts; bekennet sie nicht, so torquiret man sie zum zweiten, dritten und vierten Mal, denn bei diesem Prozesse gilt, was nur dem Commissario geliebt, da hat man in diesem excepto crimine nicht zu sehen, wie lang, wie scharf, wie oftmalig die Folter gebraucht werde, hier meinet Niemand, daß man etwas verbrechen könnte, darvon man hiernächst Rechnung geben müsse. Verwendet nun etwa die Gaja in der Folter vor Schmerzen die Augen, oder starrt mit offenen Augen, so sein's neue Indicia; denn verwendet sie dieselbigen, so sprechen sie: Sehet, wie schauet sie sich nach ihrem Buhlen um. Starret sie dann, so hat sie ihn ersehen; wird sie denn härter gefoltert und will doch nicht bekennen, verstellet ihre Gebärden wegen der großen Marter, oder kommt gar in eine Ohnmacht, so rufen sie: die lachet und schläft auf der Folter, die hat etwas gebraucht, daß sie nicht schwatzen kann, die soll man lebendig verbrennen, wie denn ohnlängsthin Etlichen widerfahren. Und da saget männiglich und auch die Geistlichen und Beichtväter, die habe keine Reue gehabt, habe sich nicht bekehret, noch ihren Buhlen verlassen, sondern demselben Glauben halten wollen. Begibt sich's denn, dass Eine oder die Andere auf der Folter stirbt, so sagt man, der Teufel habe ihr den Hals gebrochen. Derohalben so ist dann Meister Hans Knüpfauf her, schleppt das Aas hinaus und begräbt's unter den Galgen.

§ 8. Kommt aber die Gaja auf der Folter davon und ist etwan der Richter so nachdenklich, daß er sie ohne neue Indica nicht weiter torquiren, auch nicht unbekennet hinrichten lassen darf, so läßt man sie dennoch nicht los, sondern legt sie in ein härter Gefängniß, da sie denn wohl ein ganz Jahr liegen und gleichsam einheizen muß, bis sie mürbe werde. Denn hier gilt kein Purgirens durch die ausgestandene Tortur, wie zwar die Rechte wollen, sondern sie muß des Lasters einen Weg, wie den andern schuldig bleiben; denn das wäre den Inquisitoren eine Schande, daß sie eine Person, so sie einmal zur Haft gebracht hätten, loslassen sollten. Welchen sie einmal in's Gefängniß gebracht, der muß schuldig sein, es geschehe mit Recht oder Unrecht. Inmittelst schickt man ungestüme Priester zu der Gefangenen, welche ihr oft verdrießlicher sein, als der Henker selbst. Die plagen denn das arme Mensch so lange und viel, bis sie bekennen muß, Gott gebe, sie sei eine Hexe oder nicht, rufen und schreien, daß, wenn sie nicht bekennen werde, so könne sie nicht selig oder der heil. Sakramente theilhaftig werden. Und darum hüten sich die Herren Inquisitores mit allem Fleiß, daß sie keine solchen Priester bei diesen Sachen und Prozeß gebrauchen, die etwas sittsam seien, Verstand im Herzen und Zähne im Munde haben, wie ingleichen, damit ja niemand bei das Gefängniß komme, der denen Gefangenen guten Rath mittheile, oder den Fürsten von dem Handel unterrichte. Denn ihnen ist vor nichts mehr bange, als daß etwan ihre Unschuld auf eine oder andere Weise zu Tage kommen möchte.

§ 9. Mittlerweile also die Gaja im Stankloch sitzet und von denen, die sie trösten sollten, gequälet wird, so haben hurtige und geschwinde Richter schöne Griffe und Fundament, wie sie auf sie neue Indicia zu Wege bringen und womit sie sie dermaßen in's Gesicht überweisen (verstehe hinter sich), daß sie auch durch der Juristen-Fakultäten Responsum lebendig verbrennet zu werden schuldig erkennet werden muß. Etliche lassen die Gajam beschwören und bannen und setzen sie demnach in ein ander Gefängnis und lassen sie also noch eins torquiren, ob man auf solch Exorcisiren und Veränderung des Orts den stummen Teufel (wie sie meinen) von ihr bringen möchte. Bekennet sie alsdann noch nicht, so muß sie lebendig verbrennet werden. Nun möchte ich (weiß Gott!) gerne wissen, weil sowohl die, so nicht bekennet, als auch welche bekennet, Hexen sein und sterben müssen, wie doch ein Mensch, er sei so unschuldig, wie er immer wolle, sich allhier retten könne, oder wolle? O du elende Gaja, Worauf hast du doch gehofft? Warum hast du nicht, sobald du das Gefängniß betreten, gesagt, du wärest des Lasters schuldig? O du thörichtes Weib! Warum willst du so oft sterben, da du Anfangs mit einem Tode hättest bezahlen können? Folge meinem Rath und sage stracks zu, du seiest eine Hexe, und stirb; denn vergebens hoffest du, los zu werden, solches lässet der Eifer der Gerechtigkeit bei uns Teutschen nicht zu.

§ 10. So nun eine aus Unleidsamkeit der Marter fälschlich über sich bekennet, so gehet das Elend erst an, sintemalen hier ist insgemein kein Mittel sich loszuwirken, sondern die Gaja muß Andere, ob sie schon von ihnen nichts Böses weiß, anzeigen, und oftmals die, welche ihr von den Inquisitoren oder Schergen in den Mund gegeben werden, oder wovon sie wissen, daß sie vorhin ein böses Geschrei haben, oder vorhin besagt oder im Gefängniß gewesen und dessen wiederum entlassen seien. Werden dann diese auch gefoltert, so müssen sie wieder Andere besagen und die aber Andere, und ist hier also kein Ende oder Aufhören. Und kommt's auf solche Manier so weit, daß die Richter entweder den Prozeß fallen lassen und ihre Kunst begeben, oder aber die Ihrigen, ja sich selbst und alle Leute verbrennen müssen. Denn da fehlet's nicht, die falschen Besagungen werden sie endlich alle miteinander treffen, und werden sie auch, wann's nur zum Foltern mit ihnen kommt, alle schuldig machen. Da kommen dann deren viele mit in's Spiel, die Anfangs so hart gerufen und getrieben, daß man brennen und brühen sollte, und haben die guten Herren im Anfang sich nicht besinnen können, daß die Reihe auch an sie kommen würde, und die haben denn ihren gerechten Lohn von Gott, weil sie uns mit ihren giftigen Zungen so viel Zauber gemacht und so viele unschuldige Menschen dem Feuer hingegeben haben. Doch thun sich nunmehr etliche Verständigere und Gelehrtere hervor, die, gleichsam aus dem tiefen Schlafe erwachend, ihre Augen aufthun, den Sachen besser nachdenken und nicht so unbesonnen ins Tausendste hineintoben.

§ 11. Und obwohl die Richter und Commissarii insgesammt leugnen, daß sie nicht auf die bloßen Besagungen gehen, so ist's doch nichts damit, und ist's droben im Traktat erwiesen, daß sie damit nur ihren Fürsten und Herren einen blauen Dunst für die Nase machen; dann die Fama oder das böse Gerüchte, so sie gemeiniglich bei die Besagung ziehen, ist allezeit unkräftig und nichtig, weil dieselbe nimmermehr zu Recht erwiesen wird und verwundert mich's, daß es noch von keinem Richter in Acht genommen worden, daß dasjenige, was Viele von den zauberischen Zeichen plaudern, gemeiniglich ein Betrug der Henker sei. Unterdessen aber und immittelst, daß die Hexenprozesse noch mit Ernste fortgetrieben und diejenigen, welche gefoltert werden, aus Unleidsamkeit der Pein auf Andere und diese wieder auf Andere bekennen müssen, da kommt's stracks aus, daß diese oder jene besagt seien (denn so heimlich pflegen's die zu halten, die bei der Folter adhibiret und gebrauchet werden) und das nicht ohne ihren Vortheil; denn daraus können sie stracks Indicia ergreifen. Und das abermals durch diese zweifache Fallthür: denn diejenigen, welche es vernehmen, daß sie besagt seien (wie es dann stracks ein offen Gerüchte wird), die nehmen entweder die Flucht zur Hand, oder halten Fuß beim Male und warten des Ihrigen. Fliehen sie, so hat sie ihr böses Gewissen fortgetrieben; bleiben sie aber, so hält sie der Teufel, daß sie nicht können wegkommen. Gehet aber Einer zu den Inquisitoren und fragt, ob's wahr sei, daß er beschwätzt sei, damit er sich bei Zeiten mit seiner rechtmäßigen Defension verantworten möge, so ist's abermal ein Indicium; denn er weiß sich nicht sicher und fürchtet sich für seinen eigenen Schatten. Es mache es nun, wie er wolle, so hat er eine Klette davon, und läßt er dieses also stille hingehen, so ist's über ein Jahr ein gemein Geschrei, welches alt und stark genug ist, wann nur etliche Besagungen dazu kommen, daß man ihn deßwegen zur Folter erkenne, da doch dieß Geschrei erst aus der neulichen Besagung entsprossen ist.

§ 12. Auf eben die Manier geht's denen, welche etwan von einem leichtfertigen Buben oder einer leichtfertigen Pletzen vor einen Zauberer oder Zauber'sche gescholten werden. Dann entweder er vertheidigt sich mit Recht, oder laßt's anstehen. Vertheidigt er sich nicht, so ist er des Lasters schuldig, sonst würde er nicht stille schweigen: vertheidigt er sich mit Recht, so kommt die Sache je länger je mehr und weiter aus, und kitzelt sich hie Einer, dort ein Anderer damit und tragt's also weiter fort, bis es endlich allenthalben auskommen, und das ist denn ein böses Gerüchte, das nimmermehr wieder ausgetilget werden kann. Und was ist denn leichters, als diejenigen, welche hierzwischen torquiret und auf ihre Complices gefragt werden, eben diese anzeigen? Folget demnach schließlich dieses (welches man billig mit rother Tinte anzeichnen sollte), daß, wenn dieser Prozeß bei jetziger Zeit fortgetrieben werden sollte, kein Mensch, was Geschlechts, Vermögens, Stands, Amts und Würden er immer sein möge, von diesem Laster oder Verdacht des selben sicher sein und bleiben würde, wenn er nur so viel Feinds hat, der ihn in der Zauberei bezüchtigen oder ihn davor schelten dürfte. Wannenhero ich, ich wende mich auch, wohin ich immer wolle, einen armseligen Zustand um mich her sehe, wann diesem Wesen nicht in andere Wege sollte vorgebauet werden. Ich hab's droben gesagt und sage es nochmals mit einem Worte, daß dieses Übel oder Laster der Zauberei mit Feuer nicht, sondern auf eine andere Weise, ohne Blutvergießen, ganz kräftig ausgetilgt werden könne. Aber wer ist's, der solches zu wissen begehret? Ob ich zwar Willens gewesen, ein Mehreres hiervon zu schreiben und die Summa oder Auszug aus dem Grunde auszuführen, so kann ich's vor Herzeleid nicht thun; vielleicht möchten sich Andere finden, welche aus Liebe des Vaterlandes solche Mühe auf sich nehmen. Dieses will ich endlich alle und jede gelehrte, gottesfürchtige, verständige und billigmäßige Urtheiler und Richter, (denn nach den andern frage ich nicht viel) um des jüngsten Gerichts willen gebeten haben, daß sie dieses, was in diesem Traktat geschrieben ist, mit sonderbarem Fleiße lesen und aber lesen und wohl erwägen wollen. In Wahrheit, alle Obrigkeiten, Fürsten und Herren stehen in großer Gefahr ihrer Seligkeit, wofern sie nicht sehr fleißige Aufsicht bei diesem Handel anwenden. Sie wollen sich auch nicht verwundern, wenn ich hierinnen bisweilen etwas hitzig gewesen und mich bisweilen der Kühnheit gebraucht, sie zu warnen: denn es gebühret mir nicht, unter derjenigen Zahl gefunden zu werden, welche der Prophet verwirft, daß sie stumme Hunde seien, so nicht bellen können. Sie mögen nun wohl Acht haben auf sich und ihre Herde, welche Gott der Allmächtige dermaleinst von ihrer Hand wieder fordern wird.«

Spee starb zu Trier vier Jahre nach dem Erscheinen seiner merkwürdigen Schrift, am 7. August 1635. Er hatte sich aufgeopfert in der Verpflegung verwundeter und kranker Soldaten.

Ehre diesem Jesuiten, dem die Kultur- und die Literaturgeschichte den Kranz der Unsterblichkeit geflochten haben!

Aber so wenig stichhaltig es ist, den Jesuiten das Verdienst Spees zuzuschreiben, so ungerecht wiederum ist es, die Priester Societatis Jesu mehr als andere Geistliche, gleichviel ob katholischen oder protestantischen Glaubens, zu verdammen. Die Patres waren nicht schlechter als die Pastoren. »Es wäre geradezu unbegreiflich, wenn eine religiöse Genossenschaft in Deutschland, die mitten in dem Volkswahn und in der Hinrichtungswut lebte, nicht gleich der Masse der katholischen und protestantischen Gebildeten von denselben Ideen wäre beeinflußt worden. Ein solches Wunder darf man auch bei den Jesuiten nicht suchen. Die Jesuiten sind und waren Kinder ihrer Zeit und als solche den herrschenden Irrtümern ausgesetzt und unterworfen«, sagt Duhr sehr richtig B. Duhr, Die Stellung der Jesuiten in den deutschen Hexenprozessen, Köln 1900, S. 22., wenn auch die jesuitenfreundlichen Schlußfolgerungen, die er an diese Sätze knüpft, um so weniger den Beifall aller finden dürften, da sie unrichtig sind. Um dies zu beweisen, darf nur an den Galgenpater Gaar erinnert zu werden, der mit Erlaubnis der Oberen noch 1749 für die Verbrennung der Klosterhexe Maria Renata in zwei Predigten eintrat.

Daß man, vielleicht um die Priorität für die Protestanten zu retten, die ihnen durch Weyer ohnehin bleibt, auch den tübingischen Theologen Theodor Thummius als wackeren Bekämpfer der Hexenprozesse gerühmt hat, ist unrecht. Seine hierher gehörige Schrift De sagarum impietate, nocendi imbecillitate et poenae gravitate, zuerst Tübingen 1621, dann 1667. bezweckt allerdings zum Teil eine mildere Behandlung der Angeklagten; aber sie ist so voll vom Glauben an die Gewalt des Teufels, räumt den Hexenverfolgern im wesentlichen alle Gewalt ein und verliert sich in so viele scholastische Spitzfindigkeiten, daß sie auch da, wo sie zum Guten redet, ihre Wirksamkeit durch klägliche Befangenheit erstickt. Mit Spees Sicherheit, Anschaulichkeit und Wärme hält Thummius keine Vergleichung aus.

Mit größerem Rechte ist dagegen den vorgenannten drei Jesuiten gegenüber auf protestantischer Seite ein Prediger hervorzuheben, der zwar nicht unmittelbar gegen die Hexenverfolgung, aber gegen dasjenige Institut aufgetreten ist, mit dem diese stehen und fallen mußte, – nämlich gegen die Folter. Es war dieses der Prediger Johannes de Greve Van Slee, Allg. deutsche Biographie, IX, S. 647 f., aus dem Clevischen Orte Büderich gebürtig, der 1605 Pfarrer zu Arnheim geworden war, aber als Schüler des Conrad Vorstius und Anhänger des Arminius die Dogmatik der Dortrechter Synode nicht anerkennen wollte, weshalb er seines Amtes entsetzt und des Landes verwiesen wurde. Er begab sich nach Emmerich, von wo aus er heimlich die Glaubensgenossen in Kampen zu besuchen und ihnen zu predigen pflegte. Darüber wurde er jedoch ertappt, in Emmerich verhaftet und zuerst nach dem Haag, dann nach Amsterdam geführt, wo er anderthalb Jahre lang in einem entsetzlichen Kerker zusammen mit gemeinen Verbrechern schmachten mußte. Mit Hilfe treuer Freunde gelang ihm endlich ein kühner Fluchtversuch. Herzog Friedrich von Schleswig-Holstein gab dem Verfolgten eine Zufluchtsstätte, und zum Dank dafür widmete ihm Grevius am 12. Januar 1624 sein Werk über die Folter, das »Tribunal reformatum« J. Diefenbach, Der Zauberglaube des 16. Jahrh. nach den Katechismen Dr. Martin Luthers und des P. Canisius, Mainz 1900. S. 160 f. Binz, Weyer, 2. Aufl., S. 117 ff.. Während seiner Kerkerhaft hatte aber de Greve sich fast ausschließlich mit dem Gedanken beschäftigt, daß die Folter eine der größten Plagen sei, unter denen die Menschheit zu leiden habe. Unmittelbar nach seiner Freilassung (1621) arbeitete er daher ein sehr ausführliches Werk aus, worin er nachwies, daß die Folter dem deutschen Rechtsverfahren von Haus aus fremd, daß sie mit dem Naturrecht und mit dem Gesetz der christlichen Liebe durchaus unverträglich, daß sie, wie man namentlich an der englischen Kriminaljustiz sehen könne, völlig unnütz und entbehrlich und durchaus trügerisch und verderblich sei, indem ermarterten Bekenntnissen kein Wert beigelegt werden könnte und auf Grund solcher Geständnisse gar oft Unschuldige in gräßlichster Weise gepeinigt, verurteilt und hingerichtet würden. Zur Begründung seiner Sätze teilt Grevius eine ganze Anzahl von Prozessen mit. Die Schilderungen de Greves von den gebräuchlichen Folterungen sind Entsetzen erregend. »Es gibt jetzt mehr Arten von Foltern als Glieder am menschlichen Leibe«, sagt er. »Oft kommt es vor, daß man sie an einem Menschen fast alle zusammen in Anwendung bringt.« De Greve erwähnt von den Arten der Folter: Anbrennen des ganzen Körpers; Einschließen in den sogenannten ehernen Stier, der glühend gemacht wurde; Eingießen großer Mengen von Urin in den Mund des Delinquenten; erzwungene Schlaflosigkeit; Quälen des bereits gefolterten Körpers durch Bienen- und Wespenstiche; Auflegen von Essig, Salz und Pfeffer auf die Wunden; Schwefeleinguß in die Nase; Ablecken der mit Salzwasser bestrichenen Fußsohlen durch eine Ziege Janssen, VIII, S. 508.. Doch damit sind die verschiedenen Folterungen keineswegs erschöpft. Zahlreiche Juristen setzten einen Stolz darein, neue Torturen zu erfinden, wie auch Henker nicht müßig waren, neuerdachte Torquierkünste an wehrlosen Opfern zu zeigen. Im Jahre 1622 erschien die mit großem Geschick und in schönem Latein abgefaßte Schrift im Druck und machte natürlich großes Aufsehen; aber wirklichen Erfolg konnte sie erst nach Ablauf eines Jahrhunderts haben, wo sie aufs neue aufgelegt wurde Im Jahre 1737 zu Wolfenbüttel..

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Johann Geiler von Kaisersberg
Straßburg 1522

In seinem Kampf gegen die Folter hatte de Greve Vorgänger, die den Krebsschaden am Körper der Justiz erkannten, ohne ihn beseitigen zu können.

Schon Geiler von Kaisersberg, sonst so finster wie nur ein Sohn seiner Zeit sein konnte, beschwert sich über »die Schmach und Torheit«, »daß man immer noch zur Erforschung der Wahrheit die Folter anwendet Dr. Philipp de Lorenzi, Geiler von Kaisersberg, ausgewählte Schriften, Trier 1881, 1. Bd., S. 46..« Der Jurist Petrus von Ravenna befürwortete 1511 die Abschaffung der Tortur Janssen, VIII, 503.. Ludwig Vives, der berühmte spanische Humanist und Gottesgelehrte († 1540) eiferte gegen die heidnische Folter. »Es gibt viele wilde Völker, die es für grausam und unmenschlich erachten, einen Menschen zu foltern, dessen Verbrechen noch im Zweifel steht. Wir aber, geschmückt mit aller Bildung, die eines Menschen würdig ist, wir quälen die Menschen, damit sie nicht unschuldig hingerichtet werden, in einer Weise, die sie bemitleidenswerter macht, als wenn sie hingerichtet würden.« Vives faßt seine Ansicht in die Worte zusammen: »Sehr gewichtig sind alle Gründe, die man gegen die Folter vorbringt; was man indes zu ihrer Verteidigung sagt, ist nichtig, eitel, haltlos Janssen, VIII, 513.

Das erste Land übrigens, in dem als Frucht der Bemühungen Spees die Einstellung der Hexenprozesse erfolgte, war das Kurfürstentum Mainz unter der Regierung Johann Philipps von Schönborn (1647-1673). Auch im Bistum Bamberg legte sich seit 1631 die Wut der Hexenverfolgung.

Die römische Kurie ließ sich natürlich durch alle diese Vorkommnisse in ihrer Stellung zur Hexenverfolgung anfangs nicht im entferntesten beeinflussen. Noch unter dem 20. März 1623 verfügte Gregor XV.: Wer einen Pakt mit dem Satan eingegangen ist, aus dem Impotenz oder Verlust von Tieren oder Schaden an Feldfrüchten hervorgegangen sei, der solle von der Inquisition lebenslänglich eingekerkert werden. Doch konnte schon in diesem Breve des Papstes ein Einlenken in andere Bahnen wahrgenommen werden.

Noch bemerkenswerter ist aber die neue Instruktion zur Führung- der Hexenprozesse, die von der römischen Inquisition im Jahre 1657 erlassen wurde Instructio pro formandis processibus in caussis strigum, sortilegorum et maleficorum. Rom 1657. Carena, De offic. Inquis., im Anhange Pignatelli, Consultat. noviss., I, S. 123.. In ihr wurde geradezu das Geständnis abgelegt, daß seit langer Zeit nicht ein einziger Prozeß von den Inquisitoren in korrekter Weise geführt worden sei, daß die Hexenrichter sich durch übermäßige Anwendung der Folter und andere Unregelmäßigkeiten arg vergangen hätten, und daß noch täglich sowohl von den Inquisitoren wie von den anderen geistlichen Gerichten die gefährlichsten Irrungen begangen und auf solche Weise fälschliche Todesurteile gefällt würden. Namentlich wurde vor der Anwendung von Quetschmaschinen in der Tortur gewarnt.

Wenige Jahre vorher waren zu Rom einige Mönche zum Tode geführt worden, weil sie den Papst durch zauberische Wachsbilder zu töten versucht haben sollten Theatr. Europ., III, S. 456.. Sonst ist in Rom aus dem fünfzehnten Jahrhundert nur ein Hexenbrand sicher nachweisbar Ludwig Pastor, Geschichte der Päpste, Freiburg, 4. Aufl., I. Bd., S. 231. Janssen, VIII, S. 546. Paulus, S. 260 ff.. Am 8. Juni 1428 bestieg die Hexe Finicella den Scheiterhaufen. Sie hatte in teuflischer Weise viele Kreaturen getötet und andere beschädigt. Vordem soll ein altes Weib verbrannt worden sein, das sich in Gestalt einer Katze an Wiegen schlich und die darin liegenden Kinder tötete Riezler, S. 68 f..

2. Theologen, Juristen und juristische Fakultäten im siebzehnten Jahrhundert

Dem Vorgange der erwähnten Jesuiten wagten oder vermochten im siebzehnten Jahrhundert nur wenige Theologen zu folgen. Vor allem der 1590 zu Jena geborene Erfurter Professor der Theologie Johann Mathias Meyfart Janssen, VIII, 513, 590, 666 f. Bärwinkel, Joh. Math. Meyfart, Erfurt 1897.. In seiner »Christlichen Erinnerung an gewaltige Regenten« erwies er sich als warmer Fürsprecher der Gefolterten. Er erzählt als Augenzeuge von scheußlichen Folterungen, »welcher Gestalt ein Martermeister mit einem Schwefelkopf die in der Marter hangende Person an heimlichen Orten gebrannt« habe, während die Richter »gefressen und gesoffen, auch wohl gespielet und den Reum allein unter der Hand der grausamen Scharfrichter gelassen, bis ihnen gesagt worden, jetzt wolle der Inquisit bekennen oder er wäre gar wohl auf der Folter gestorben.« »Unser Volk hat die Gerechtigkeit verändert um einen schnöden Eifer«, sagte Meyfart. Allein der Glaube an die Wirklichkeit und an die Strafbarkeit der Hexerei stand doch im allgemeinen in dieser Zeit ebenso bei den evangelischen wie bei den katholischen Geistlichen fest. Es war nichts Unerhörtes, daß ein evangelischer Prediger im Gottesdienst auf der Kanzel seine Gemeindeglieder vor dem greulichen Verbrechen der Hexerei warnte und diese Warnungen im Druck festlegte. Im Gegenteil!

Bereits im selben Jahre, in dem Weyers Werk erschien, hatte der Prediger Ludwig Milichius in seinem »Zauberteufel«, einem Volksbuch über »Zauberei, Wahrsagung, Beschwören, Aberglauben und Hexerei« ausdrücklich verlangt, daß das Volk auch von den Kanzeln herab darüber näher unterrichtet werde. Milichius gibt genau an, an welchen Sonntagen über Schwarzkünstler, Beschwörer, Zauberer, Hexen, Milchdiebe, Wettermacherinnen und andere Teufelsbündler gepredigt werden sollte. »Am Leben sind zu strafen alle, die mit dem Teufel Bündnis haben, sie seien Männer oder Weiber.« Auch die ungetreuen Hebammen, zauberische Spieler und Pfeilschützen (Freischützen) rechnet er dazu. Die Folter erscheint ihm unentbehrlich Janssen, VIII, 635. Längin, Religion, S. 222 f.. Milichius Worte fanden bei seinen Amtsbrüdern Würdigung, und die Kirchen widerhallten von flammenden Protesten gegen das überall anwachsende Hexen- und Zauberwesen Diefenbach, 204 f., 304 f. Paulus, 101 ff. Längin, Religion, 228 f., an das die Pastoren felsenfest glaubten, ganz gleich, ob sie Vielwisser wie die Humanisten oder so ungebildet waren wie jener im Pfarrstand altgewordene Seelsorger in dem thüringischen Elsnig, der »Vaterunser und Glauben nur mit gebrochenen Worten beten konnte; dagegen verstand er Teufel zu bannen, und er genoß darin einen so großen Ruf, daß er nach Leipzig geholt wurde« Paul Drems, Der evangelische Geistliche, Jena 1905, S. 14 f..

siehe Bildunterschrift

Werwölfe und Hexen im Fürstentum Jülich, 1591
Titelkopf eines Augsburger Flugblattes vom Jahre 1591

Von katholischen Hexenpredigten liegen nur zwei vor Janssen, VIII, 659.. Dies beweist nur, daß nicht mehr gedruckt, nicht aber, daß nicht mehr gehalten wurden. Daraus Schlüsse auf den geringeren Aberglauben der katholischen Priesterschaft zu ziehen, geht daher nicht wohl an.

Außerdem suchten einzelne Prediger auch in besonderen mehr oder weniger ausführlichen Schriften über das Wesen der Hexerei, das die Seele aller diesem satanischen Treiben Ergebenen notwendig der ewigen Verdammnis zuführe, wissenschaftlich aufzuklären und zu belehren; so der Tübinger Theologie-Professor Martin Plantsch, der 1505 eine Reihe von Predigten hielt, die er 1507 in lateinischer Sprache der Öffentlichkeit übergab. Nach ihm hilft nur ein christliches, tugendhaftes Leben, die Sakramentalien der Kirche, die kirchlichen Segnungen und Weihungen, das mit Gottes Zulassung geübte Hexenwerk unschädlich zu machen Paulus, S. 101 f.. Heinrich Bebel, der bekannte Tübinger Humanist und berühmte Verfasser der Schwänke Heinrich Bebels Schwänke. In vollständiger Übertragung herausgegeben von Albert Wesselski, 2 Bände, Georg Müller, München und Leipzig 1907., konnte das Buch Plantsch' nicht genug loben. Ein derartiges Elaborat wurde ferner im Jahre 1597 von dem katholischen Pfarrer Franz Agricola zu Sittart im Fürstentum Jülich unter dem Titel veröffentlicht: »Gründtlicher Bericht, ob Zauberey die ärgste und grewlichste sünd auff Erden sey; zum Andern, ob die Zauberer noch Bussthun vnd selig werden mögen; zum Dritten, ob die hohe Obrigkeit die Zauberer vnd Hexen am Leibe vnd Leben zu straffen schuldig. Mit Ableinung allerley Einreden« Janssen, VIII, S. 657..

Alle drei auf dem Titel angegebenen Fragen werden natürlich auf das entschiedenste bejaht. An die Spitze der ganzen Ausführung wird nämlich der im Hexenhammer entwickelte Begriff der Hexe gestellt. 1574 verteidigte an der Universität Ingolstadt ein Pfarrer Wegmann Thesen über die Zauberei. Der dortige Professor Hieronymus Ziegler übersetzte 1555 die Antwort des Trithemius auf die acht Fragen des Kaisers Maximilian Riezler, S. 140.. Der Wormser Pfarrer Konrad Distel hielt in einer Versammlung von Geistlichen eine lateinische Rede gegen die Unholden, die erbarmungslos ausgerottet werden müßten. 1570 hielt es Reinhard Lutz, Pfarrer zu Schlettstadt, für »billich«, einen vierfachen Hexenbrand anschaulich zu schildern Janssen, VIII, 682..

Ungleich gewichtiger, ausführlicher und verbreiteter waren die protestantischen Unterweisungen über das Hexenwesen. Sie mischen Bekanntes, allgemein Verbreitetes mit von den Autoren selbst Erdachtem, womit sie ihre Leser zur Hexenspürerei aufzustacheln suchten.

So das 1576 erschienene »Hexenbüchlein«. Ein Doktor Jakob Wecker war sein Verfasser. Auf dem »General-Konzilium«, das der Teufel mit den Hexen abhält, heißt es in diesem stupiden Machwerk, werden sie belehrt »wie sie Donner, Hagel, Reifen, Schnee, Wetter, Luft machen, zaubern und verzaubern sollen, item in Katzen, Tier, Wölf, Geiße, Esel, Gänse, Vögel sich verändern, auf Stecken, Gabeln reiten, von einem Ort an das andere fahren, die Leut erlähmen und das wütisch Heer zurichten sollen«. Hat die Teufelsbuhlschaft mit den Hexen Folgen, so kommen sie zum »wütisch Heer«. »Alle zusammen von allen Nationen, führt sie der Teufel über Staud und Höck, Dörfer, Städte, Land, Leute, Berg und Tal mit greulichem Geschrei, erschrecklichem Greuel; der Teufel fahret ihnen vor und nach, bis sie kommen auf den Platz, den sie verordnet haben; da genesen sie ihrer Kinder Janssen, VIII, 642, Theatrum de veneficiis, S. 306 ff

Vom gleichen Kaliber ist die »Richtige Antwort auf die Frage: ob die Zäuberer und Zäuberin mit ihrem Pulver Krankheiten oder den Tod selber bringen können« Erford 1593, 1594. von Siegfried Thomas. Er kennt alle Abscheulichkeiten des Verkehrs zwischen Hexen und Teufel, als ob er sie selber durchgemacht. Sein Glaube an Teufelswerk vermag Berge zu versetzen. So erzählt er von dem Gebrauch, eine Hostie zu stehlen, diese »einem Esel zu essen geben, welchen sie hernach lebendig bei der Kirchtüre begraben: darauf erfolget ein Regen wie eine Sintflut«. »Es hat mich einer«, fügt Thomas hinzu, »einsmals bereden wollen, als sollte solcher Esel ein Mensch sein, wie man denn lieset, daß ihrer viel also in Esel verwandelt worden. Aber ich sehe keine genügsame Ursache, warumb allhie nicht ein rechter Esel zu verstehen sein sollte, weiß sonst wohl, daß der Satan die Elementaria, Corpora in andere Körper und Leibe verwandeln kann, wenn es ihm Gott verhänget und zuläßt.« Er ist natürlich unbedingt für Folter und Scheiterhaufen Janssen, VIII, 643 ff..

Derartige Auslassungen und Kundgebungen der Geistlichen waren insofern sehr vom Übel, als sie den Glauben an das Hexenwesen im Volke immer mehr befestigen halfen und dadurch indirekt das Ihrige zur Fortsetzung der Hexenverfolgung beitrugen. Weit schlimmer und verderblicher wirkte jedoch in letzterer Beziehung die Stellung der Juristen und der juristischen Fakultäten zur Hexereifrage, indem diese durch ihre Autorität unmittelbar auf die Hexenverfolgung einwirkten und nicht allein ihr Erlöschen verhinderten, sondern auch deren Fortführung und Steigerung veranlaßten.

Unter den Rechtsgelehrten des siebzehnten Jahrhunderts gibt es keinen, der bezüglich aller Fragen des Kriminalrechts dem Leipziger Professor Benedikt Carpzov (1595 bis 1666) an Autorität auch nur annähernd gleichkäme R. v. Stinzing, Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, I, 2, München 1884, S. 54 ff.. Die Theologen kennen ihn ebensowohl wie die Juristen. Denn Carpzov war ein frommer Christ im Stil der lutherischen Orthodoxie des siebzehnten Jahrhunderts. Er ging regelmäßig an jedem Sonntag zur Kirche, allmonatlich auch zur Beichte und zum Abendmahl und las daheim die Bibel mit unglaublichem Fleiße, so daß er am Abend seines Lebens von sich rühmen konnte, daß er die heil. Schrift nunmehr dreiundfünfzigmal durchgelesen habe. Auch war er ein sehr ernster, strenger Jurist. Oldenburger Ph. Andr. Oldenburger, Thesaurus rerum publicarum, Genevae 1675, IV, 816. rühmt von ihm, daß er zwanzigtausend Todesurteile unterzeichnet habe. Selbst im höchsten Grade autoritätsgläubig, ist er mit seiner »Practica nova rerum criminalum Imperialis, Saxonica in tres partes divisa«, Witeberg. 1635, für die Juristen seiner und der nächstfolgenden Zeit zur höchsten Instanz des Kriminalrechts geworden. Diese Anerkennung verdankte er aber nicht etwa seiner geistigen Bedeutung. Vielmehr fußte sie lediglich auf dem Umstande, daß er es verstand, gerade das Starrste im Positiven in wissenschaftlicher Form vorzuführen und selbst längst bestehende Mißbräuche durch Berufung auf die Meinung der Rechtslehrer mit dem Scheine des Regelmäßigen zu bekleiden. Durch ihn gewannen Bestimmungen, die zunächst nur in der sächsischen Kriminalordnung bestanden, allgemeinere Verbreitung, und daß namentlich im Punkte der Hexerei das sächsische Recht engherziger, härter und unbarmherziger war als die Karolina, ist bereits erwähnt worden Paulus, a. a. O., S. 144 ff..

Was den Glauben an die Hexengreuel anbelangt, so bekennt sich Carpzov ganz zur striktesten Observanz. Bodin, Remigius, Jakob I. und Delrio sind seine Gewährsleute. Er steht ganz auf dem Boden des Hexenhammers, dessen Verfasser er den wichtigsten Autoritäten wie Augustinus, Hieronymus und Isidorus zuzählt. Bei den Hexenurteilen hatte »sein blinder und zuweilen dummer Religionseifer seinen Verstand umnebelt« Malblanc, Geschichte der peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V., Nürnberg 1783.. Weyer wird umständlich bekämpft; kaum daß neben der regelmäßigen körperlichen Hexenfahrt ausnahmsweise auch eine phantastische zugegeben wird. In den Strafbedingungen hält sich Carpzov natürlich an das sächsische Recht, dessen Bestimmungen er gern in die Karolina hineininterpretieren möchte.

siehe Bildunterschrift

Benedikt Carpzow.
Kupfer von Johann Dürr

Auch im Verfahren hat Carpzov nichts Neues aufgestellt; er suchte nur die sächsische Praxis seiner Zeit durch Nachweisung ihrer Gesetzmäßigkeit und, wo dieses nicht ging, durch die Autorität der Rechtslehrer zu schirmen. Hierdurch bewirkte er freilich eine allgemeinere Anerkennung für manches, was bisher bestritten war, und darin besteht hauptsächlich seine Bedeutung für die Fortbildung des peinlichen Rechts. Bei allen größeren, die öffentliche Ruhe störenden Verbrechen betrachtete er den inquisitorischen Prozeß als den ordentlichen Part. III, Qu. 103, n. 50. Processus inquisitorius an hodie sit remedium ordinarium. Vgl. Quaest. 107, n. 22. und faßte ihn als ein summarisches Verfahren auf Inquisitorius vero est processus, quando nullo existente accusatore judex per viam inquisitionis summarie et sublato (quod dicitur) velo absque longo litis sufflamine procedit etc. Part. III, Qu. 103, n. 18.. Durch ihn besonders fixierte sich in der Wissenschaft der bisher schon im geistlichen Gerichtswesen und in der weltlichen Praxis einheimische Grundsatz, daß bei schweren und verborgenen Verbrechen der Richter nicht verbunden sei, sich an den strengen Gang des ordnungsmäßigen Beweisverfahrens zu halten. Die Behandlung der sogenannten crimina excepta war es gerade, wogegen Spee seinen Hauptangriff gerichtet hatte, und nun bewies Carpzov wieder, wie z. B. in der Zauberei das corpus delicti nur in der Vermutung vorzuliegen brauche und wie die leichtesten Indizien zur Tortur und endlichen Verurteilung ausreichen. Carpzov schwamm also ganz mit dem Strome, und darum trug ihn der Strom empor, während der widerstrebende Spee unter den Wellen begraben und vergessen ward.

Für die Masse der Juristen war nun Carpzov das Orakel, von dem man eine absolut sichere Wahrheit empfangen hatte, weshalb ihm alle blindlings folgten. Als Zeugen dieser Tatsache wollen wir aus Norddeutschland einen Rechtslehrer Carpzovscher Richtung anführen. In Hitzigs Annalen (XXV. S. 309 ff.) wird nämlich ein Auszug aus des Nikolaus v. Bekmann Schrift Idea iuris von 1688 mitgeteilt, worin sich dieser S. 426 ff. ausspricht: »daß es Hexen gibt, und man von ihnen viele wunderliche Sachen erfährt, ist aus folgenden Argumentis zu entnehmen: denn 1) ist's wahr, wir verordneten Commissarii haben es in der Tat befunden, daß der beschuldigten Hexen Herzen so sehr verstockt seien, daß sie keine Thränen vergießen können, ob sie auch noch so gern wollten. 2) Haben sie insgesamt gar verwirrte und verdächtige Gesichter und stellen sich dabei über die Maßen unschuldig und sehr andächtig an. 3) Geben sie sich bei allem halsstarrigen Verneinen doch in gewissen Fällen zum Theil selber schuldig, wenn man sie etwas genauer examinirt, da eine solche selber vor uns dubitative gesagt, es könnte wohl sein, daß sie mit in der teuflischen Gesellschaft gewesen etc., allein sie wüßte es nicht. Wie wir dann auf sothane verdächtige Rede das geweihte Wasser zu trinken gegeben, da hat sie angefangen mit den Händen, Füßen und mit dem ganzen Leibe grausam zu zittern, ist ganz bleich – im Gesicht geworden und hat den Kopf mit beiden Händen gehalten, laut rufend: Ach wie ist mir etc. – Wie nun das heil. Wasser so große und wunderbare Kraft und Wirkung wider den Teufel – verrichtet hat, so hat die arme Person hierauf selber in Etwas vor uns bekannt, es wäre ihr schon viel leichter; sie glaube, der Teufel habe ihr das Maul verstopft gehabt u. s. w., hat dennoch wenig oder nichts bekennen wollen, weßhalb wir sie von dem Freimann besichtigen lassen, der dann freilich allsofort das Teufelszeichen in unserer Präsenz auf dem Rücken gefunden, und eine große Nadel eines ganzen Fingers lang über die Hälfte bis auf den Knochen in das Teufelszeichen hineingestochen, welches die Inquisita nicht empfunden, ist auch kein Blut daraus gegangen, daher wir billig bewogen worden, diese und andere mehr denunzirte Personen rebus sie stantibus durch den Freimann zur Peinbank zu führen, wo sie dann sämmtlich ihre delicta abominanda circumstantialissime in der Pein bekannt und selbige hernach folgenden Tages confirmirt haben.« Noch mehr als ein Menschenalter nach Carpzovs Tod genügte sein Urteil, ein armes Weib, die Anna Maria Rosenthal in Winterberg, in den Tod zu schicken. Der fiskalische Anwalt in diesem westfälischen Prozeß von 1728 beruft sich auf den genügenden »Vermutungsbeweis« nach der Lehre des »berühmten Criminalisten« Carpzov und auch der Referent am Arnsbergschen Kollegium führt gegen die Karolina Delrio und Carpzov als ausschlaggebende Autoritäten auf. Pollack, S. 26 ff.

siehe Bildunterschrift

Der behexte Stallknecht
Kupfer von Hans Baldung-Grien, Kgl. Kupferstich-Kabinett Berlin

Nicht lange nach Carpzov trat in Osterreich unter den Juristen ein Gelehrter auf, der Innsbrucker Professor Joh. Christoph Frölich von Frölichsburg, den man fast den österreichischen Carpzov nennen könnte. Im Jahre 1657 zu Innsbruck geboren, war Frölich nach Beendigung seiner Studien Advokat, dann Landrichter zu Rattenberg geworden, worauf er 1695 die Professur der Institutionen und 1698 die des bürgerlichen und Lehenrechts an der Universität zu Innsbruck übertragen erhielt. Im Jahre 1706 wurde er zum wirklichen Rat bei der oberösterreichischen Regierung und später zum Kanzler ernannt. Er starb im Mai 1729. de Luca, Versuch einer Geschichte der k. k. Leopold-Universität zu Innsbruck. Grenzboten 1906, S. 300 ff. Frölich galt für einen der gelehrtesten Juristen des Landes, und seinen Schriften wurde eine ungewöhnliche Autorität beigelegt. Unter ihnen gehört hierher seine 1696 zu Innsbruck unter dem Titel »Nemesis Romano-Austriaco-Tyrolensis d. i.« etc. herausgegebene Anweisung zur Führung des Inqusitionsprozesses, die 1714 in neuer Auflage unter dem Titel erschien: »Joh. Chr. Frölichs de Frölichsburg, der Röm. Kayserl. Majest. Ober-Oesterreichischer Regiments-Rath zu Innsprugg etc. Commentarius in Kayser Carl des Fünfften und des H. Röm. Reichs Peinliche Hals-Gerichts-Ordnung« (zwei Bände in 4°).

Im zweiten Teile seines Werks (Buch I, Tit. 3) handelt der Verf. sehr weitläufig »von dem Laster Sortilegii, Magiae oder der Zauberey«. Nach ihm sind Zauberer oder Schwarzkünstler diejenigen, die »wissentlich mit dem Teufel ein Pact begehen, den Teufel für ihren Gott halten, dessen Hülfe und Rath ansuchen, und ihn mit unterschiedlichen bekannten und unbekannten Worten, Brummeln, verwunderlichen Zeichen, Kreisen, auch Verfluchung, aus dem Abgrund herauf fordern«. – »Es gibt allerdings Schriftsteller, die der Hexen Ausfahrt und Buhlschaft bezweifeln und sich vermessen zu behaupten, es sei dieses Alles nur eine Einbildung unglücklicher Weiber, die deßhalb nicht zum Scheiterhaufen zu verurtheilen seien.« Allein die »Hexenpatrone« sind »durch andere gelehrte Leute, sowohl Theologos als Juristen fundamentaliter widerlegt«. – Bei einer solchen Auffassung der Hexerei begreift es sich, daß Frölich sich für das strengste Verfahren gegen Hexen und Zauberer ausspricht. Da die Zauberei »eine der erschröcklichsten Missethaten ist und billich unter die delicta excepta gerechnet wird, sonderlich unter diejenigen, so einer sehr schweren Beweisung seynd«, so sind sowohl zur Inquisition als zur Tortur nur »geringere Anzeigungen« erforderlich. Insbesondere muß schon das »gemeine Geschrei« zur Einleitung eines Prozesses genügen. Andere Verdachtsgründe, die zur Einziehung rechtfertigen, sind: wenn eine Person von zauberischen Eltern geboren ist, wenn jemand andere Leute nicht »redlich« anschauen kann oder gewisse Zeichen am Körper trägt. Der Untersuchungsrichter muß außerhalb der Tortur auch durch allerlei Vorspiegelungen, so von Begnadigung etc., die Wahrheit herauszubringen suchen. Bezüglich der über Hexen und Zauberer zu verhängenden Strafen lehrt Frölich folgendes: 1. Jene, die einen wirklichen Bund mit dem Teufel aufgerichtet und sich ihm mit Leib und Leben ergeben haben, sind einfach zu verbrennen, auch wenn von ihnen Menschen oder Vieh kein Schaden zugefügt worden ist. 2. Jene, die ohne eigentliches Bündnis mit dem Satan Menschen oder Vieh durch teuflische Zauberkünste Schaden zufügen, sind mit dem Schwerte hinzurichten. Derselben Strafe verfallen die »Segensprecher, Brunnengräber, Schatzgräber, Wahrsager und Teufelsbeschwörer«. Wer aber ohne dergleichen Beschwörungen sich unterschiedlicher abergläubischer Possen bedient, ist nach Beschaffenheit der Sache in anderer Weise zu bestrafen, z. B. mit Gefängnis, Rutenstreichen, Landesverweisung und »beim einfältigen Bauernvolk mit einer heilsamen Geldbuße, daran sie am längsten denken«. – Es steht in keines Richters Gewalt, einen Zauberer oder eine Hexe, wenn sie überführt sind, von der Strafe des Feuers oder des Schwertes zu befreien, mögen sie auch von Adel oder sonst von Stand und Würden sein. Die Feuerstrafe kann jedoch in Enthaupten umgewandelt werden, wenn ein Zauberer oder eine Hexe wahre Reue und Buße bekundet haben, bevor sie wegen ihrer Übeltaten zur Verantwortung gezogen wurden. Denn die nach der Einziehung sich zeigende Reue ist ohne Wert und verdient keine Beachtung.

Die Einwendung, daß die tirolische Landesordnung solche harte Strafen gegen Hexen und Zauberer nicht kennt, sucht Frölich durch die kühne Behauptung zu entkräften, daß in der Polizeiordnung Ferdinands II. von 1573 bloß jene Zauberei gemeint sei, die nicht mit einem Teufelsbündnis und Abfall vom christlichen Glauben in Zusammenhang steht. Liege aber wirklich ein Pakt mit dem Teufel vor, so trete ebendieselbe Strafe ein, die von der Tiroler Landesordnung über die Verleugnung des christlichen Glaubens verhängt werde, nämlich: der Tod durch Feuer und die Konfiskation des dritten Teiles alles Vermögens, das der Verurteilte hinterlasse Riezler, 1272..

So dachten und redeten die Koryphäen der Rechtswissenschaft im siebzehnten Jahrhundert über die Hexerei und über die Hexenverfolgung. Die Jurisprudenz war eben von dem Wahn der Hexerei vollständig befangen und geknechtet.

Bewiesen wird dieses durch die Menge der Gutachten, die im siebzehnten Jahrhundert in den Hexenprozeßsachen von juristischen Fakultäten abgegeben worden sind.

Aus der großen Menge dieser Gutachten greifen wir zunächst das Responsum heraus, das die Rechtsgelehrten zu Marburg in Hessen in einer Hexenprozeßsache unter dem 19. Juli 1631 abgaben. Aus den Akten ersahen die Professoren, daß Angeklagter H. Sangen aus Biedenkopf »sowohl in- als außerhalb des Gerichts ohne einigen Zwang bekannt und gestanden, daß er Gott abgesagt und sich dem Teufel ergeben, sich auch mit demselbigen verbunden und in dessen Namen taufen und einen anderen Namen geben lassen, auch mit dem Teufel zu verschiedenen Malen Sodomiam begangen, dazu die hochwürdigen Sakramente schändlich gemißbraucht, und sonderlich, welches schrecklich zu hören ist, im heil. Abendmahl das gesegnete Brot iterato in des Teufels Namen empfangen, auch mit Füßen getreten, und den gesegneten Wein durch Gebrauch einer süßen, ihm von dem Teufel gegebenen Wurzel per vomitum von sich gegeben und ausgewürgt und also von Gott, den er in vielen Wegen gelästert und geschmähet, allerdings abgefallen«. – Es könnte nun wohl gefragt werden, ob es nicht möglich sei, mit Verschiebung der Strafe die Befreiung des Frevlers aus der Gewalt des Teufels zu versuchen. Allein die Fakultät erklärt, daß sie dazu nicht raten könne. Denn die tägliche Erfahrung beweise, »daß der Teufel denen, so er einmal in seine Stricke gebracht, keine Rast noch Ruhe läßt, daß sie auch lieber tot als lebendig sein wollen«. Daher schließt die Fakultät ihr Gutachten mit den Worten: »Es will bei diesen Dingen Ernst gebraucht sein, daß Gottes Ehre gerettet und dem Teufel sein Reich zerstört werde« usw.

Außerdem teilen wir aus den Akten der juristischen Fakultät bezüglich eines im Jahre 1639 zu Arnum im Fürstentum Calenberg vorgekommenen Prozesses folgendes mit G. E. v. Rüling, Auszüge einiger merkwürdigen Hexenprozesse aus der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts im Fürstentum Calenberg geführt. Göttingen, 1786, S. 16 ff.: Katharine Holenkamp, verwitwete Lükken, war hier auf die vagsten Aussagen einiger unbeeidigten Zeugen hin verhaftet worden. Der Juristenfakultät zu Helmstedt wurde von den Zeugenaussagen Mitteilung gemacht, und diese erkannte ohne weiteres auf Tortur, die am 12. Sept. 1630 vollzogen ward. Nun weiter! »Sobald«, heißt es in dem Bericht, den der Amtmann an die Juristenfakultät zu Helmstedt einschickte, »der Scharfrichter ein wenig mit den Beinschrauben angegriffen, hat sie zwar anfangs Schmerzen gefühlt, dennoch aber nichts bekennen wollen, bald darauf ein schreckliches und abscheuliches Gesicht gemacht, dem Gehör nach mit dreien verschiedenen Zungen, und sonderlich hochdeutsch, geredet, alsbald eingeschlafen und nachgehends von der Tortur nichts gefühlt, sich auch also dabei bezeigt, daß sie in Sorgen gestanden, das Weib wäre gar tot. Dero Ursachen ich dem Nachrichter befohlen, das Weib gänzlich zu lassen und auf die Erde niederzulegen. Etwa nach Ablauf einer halben Stunde ist sie wiederum erwacht und in die Custodie gebracht worden.«

Auf diesen Bericht entgegnete die Juristenfakultät zu Helmstedt unter dem 10. Oktober 1639 an den Amtmann: »Da Inquisitin sich bei der Tortur ganz wunderlich und übernatürlich betragen, so solle er sie in ein anderes Gefängniß bringen und durch den Scharfrichter fleißig besichtigen lassen, ob etwas Verdächtiges bei ihr zu finden, dadurch sie ihr Bekenntnis hinterhalten könnte. Auch habe er sie zu befragen, woher es komme, daß sie wider alle Vernunft gleichsam mit dreien Zungen geredet, sich so ungeberdig bezeigt und nichts bekennen wollen, ferner auch sie zu richtigem Bekenntniß anzumahnen. Sollte sie aber also noch nicht richtig zugehen und bei ihrem Leugnen verharren, dann dießfalls Beschaffenheit nach die scharfe peinliche Frage auch wohl mit anderen Instrumenten, als wie vorhin gebraucht, ziemlicher Weise zu repetiren sei.«

Nach dieser bestialen Weisung der Helmstedter Juristenfakultät wurde das arme Weib am 26. Novbr. 1639 abermals auf die Folter gespannt. In dem Torturprotokoll heißt es: »Verstriktin ist einen Weg wie den anderen bei ihrem Verleugnen geblieben, und daß sie ein redlich Weib, auch von nichts anderem zu reden wisse als von dem lieben Gott; gestalt sie dann immer den Namen des lieben Gottes im Munde führt, unterdessen aber ihrer vorigen Art nach in der Tortur eingeschlafen (!), ungeachtet der Scharfrichter sie aufgezogen und mit lebendigem Schwefel beworfen und mit Ruthen gehauen, welches aber Verstriktin alles nicht geachtet und sich deßwegen nicht einmal bewegt (!), daß auch der Scharfrichter sich darüber verwundert und gesagt: er hätte ein solch Weib noch nie vor sich gehabt. – Etwa über eine halbe Stunde hat der Scharfrichter mit den Beinschrauben abermals hart angegriffen, da dieselbe dann überlaut gerufen, sie wäre eine Zauberin, als aber Verstriktin erlassen und derselben ihre Aussage wieder vorgehalten, hat sie Alles revociret, wäre unschuldig und ein ehrlich Weib.«

Auf diesen Bericht erkannte nun die Juristenfakultät zu Helmstedt unter dem 17. Dezbr. 1639: »daß Verstriktin gestalten Sachen nach, da vermuthlich, daß ihr muß vom Teufels ein angethan, daß durch die Pein und Marter zum andern Mal nichts hat können gebracht werden, und man sich ihrethalben weiter nichts zu befahren habe, auch andere Leute dieses Ort nicht ärgern mögen, des Landes zu verweisen. Von Rechts wegen.« Der Rat von Röbel in Mecklenberg trat besonders scharf gegen die Hexenbrut auf. Er brannte zahlreiche Weiber, aber ein ganzer Teil entfloh, starb nach der Tortur oder brachte sich selbst um. Als er 1659 wiederholt Gutachten von Greifswald erbat, schloß er sein Schreiben mit dem naiven Ersuchen, endlich auf Tortur der Angeklagten zu erkennen, »da das Verschicken der Akten sonst zu viel Geld koste C. Bayer, a. a. O., S. 89.«.

Meist war es der krasseste Aberglaube, der die Fakultäten ihre Erkenntnisse abfassen ließ. Mit diesem Aberglauben tritt oft zugleich eine Roheit der Gesinnung zutage, die die Fakultäten zu geradezu rechtswidrigen Urteilen verleitete. So erkannte z. B. die Juristenfakultät zu Rinteln unter dem 20. Juni 1653 in einem Fall, wo nichts als das einfältige Geschwätz eines Kindes, der Tod eines Hundes und die Erblindung zweier Kühe vorlag, und wo die Zeugenaussagen ganz verschieden lauteten, ohne weiteres auf Anwendung der Tortur v. Rüling, Auszüge, S. 63.! – Innerhalb der juristischen Fakultät zu Helmstedt machte sich, wie Raumer in den Märkischen Forschungen, I, S. 258 richtig sagt, ein erster »Fortschritt zum Vernünftigem« bemerklich, als diese 1671 bezüglich einer auf Zauberei angeklagten armen Magd aus einem brandenburgischen Dorfe erkannte, »daß man sie zuvor zur Beredung mit einem Geistlichen verstatten solle. Beharre sie dann noch bei dem Bunde mit dem Teufel, so sei sie am Leben zu strafen«.

Mit diesen Gutachten der juristischen Fakultäten stimmt bezüglich der Auffassung des Hexereiglaubens eine Menge von Dissertationen überein, die von juristischen Fakultäten approbiert wurden. Wir heben unter ihnen hervor: nämlich 1. die Dissertation des Tübinger Doktors Christoph Dauer De denuntiatione sagarum von 1644; 2. das Examen juridicum judicialis lamiarum confessionis, se ex nefando cum Satana coitu prolem suscepisse humanam, die Nicolaus Pütter 1698 vor der Juristenfakultät zu Rostock verteidigte; 3. die Disputatio inauguralis de fallacibus indiciis magiae, quam praeside Domino H. Bodino – die 22. Oct. 1701 – eruditorum disquisitioni submittit Felix Martinus Braehm »Der Hexenglaube in der Universitätsaula« in Robert Prutz' »Deutsches Museum«, 1857, S. 465 ff..

Die erstgenannte Abhandlung enthält eine ziemlich allgemein gehaltene Besprechung der Hexenprozesse. Das Wesen der Hexerei findet der Verfasser in der abnegatio Dei et religionis, weshalb sie verfolgt werden muß. Wer überhaupt mit »verdächtigen Dingen, Gebärden, Worten und Wesen umgeht«, ist als der Zauberei verdächtig anzusehen. Zu den verdächtigen Dingen gehört aber vor allem der Umgang mit der Natur und die Kenntnis ihrer Kräfte, da sie eine »einem Christenmenschen nicht geziemliche Kenntnis« ist.

Über die zweite Abhandlung läßt sich nicht gut etwas mitteilen, weil in ihr sich nur die obszönsten Untersuchungen über das Bündnis und den Koitus der Hexen mit dem Satan vorfinden. Gleichwohl ist sie »Deo, patriae et parenti« dediziert. Veranlaßt war die Schrift übrigens, wie der Verfasser sagt, durch ein vom Spruchkolleg der Rostocker Fakultät im Oktober 1698 gefälltes Urteil. Eine Weibsperson hatte sich das Geständnis abfoltern lassen, daß sie mit dem Teufel, der in der Gestalt eines feingekleideten Ritters mit Federbusch zu ihr gekommen, Unzucht getrieben habe. Auf dieses Geständnis hatte die Fakultät erkannt, »die Gefangene sei wegen solcher mit dem Teufel gehabten Gemeinschaft mit dem Feuer vom Leben zum Tode zu führen«.

Der Verfasser der dritten Abhandlung, F. M. Brähm, der sie am 22. Oktober 1701 unter dem Vorsitz des Professors der Jurisprudenz Heinrich Bodin zu Halle verteidigte, weist zwar die Unhaltbarkeit der meisten bisher gültig gewesenen Indizien nach, aber sein Bekenntnis lautet wörtlich: »Mit einem Worte, es gibt wahrhaftig Zauberer und Hexen, welche wissentlich ein Bündnis mit dem Teufel machen und anderen Schaden tun, aber, wie ich dafür halte, nicht in so großer Menge.«

Unter den wenigen juristischen Fakultäten, deren Intelligenz und Urteil sich über den Aberglauben der Zeit erhob, ist insbesondere die Straßburger Fakultät zu nennen. Als z. B. eine Frau in dem württembergischen Orte Deizisau von einem fremden Bettelweib der Bezauberung ihres Kindes angeklagt war, und, da sie leugnete, die juristische Fakultät zu Straßburg um ihr Gutachten angegangen wurde, erklärte diese: Auf die Aussage des Bettelweibes hin könne man die Frau nicht verhaften. Es wäre gut, wenn man die Leute belehrte, daß nicht jede Krankheit ein Werk des Teufels sei. Ganz ungereimt auch sei es, daß der Pöbel sie darum für eine Hexe halte, weil sie in der Kirche beim Beten nicht wie andere Weiber die Lippen bewege. Überdies erfreue sie sich ja eines guten Rufs, und wenn sie früher sich eine Zeitlang wunderlich gebärdet und gesagt habe, sie wolle sich das Leben nehmen, so sei dieses aus Melancholie geschehen. Man solle sie daher in Ruhe lassen etc. – In einem dem Hofgerichte zu Marburg 1659 erteilten Gutachten empfiehlt die Straßburger Juristenfakultät, was bisher unerhört war, die Angeklagte zum Reinigungseid zuzulassen und von der Tortur abzustehen.

siehe Bildunterschrift

Der Teufelspakt
Kupfer aus Nic. Remigii Daemonolatria
Hamburg 1693


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