Karl Simrock
Die Edda
Karl Simrock

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38. Grottenlied.

                     

Nun kamen wir her   zu des Königs Haus
Vorwißende Frauen,   Fenja und Menja.
Bei Frodi werden,   Fridleifs Sohne,
Die mächtigen Maide   als Mägde gehalten.

Man führte zur Mühle   die Frauen alsbald,
Die Schrotsteine   sollten sie rühren.
Er ließ ihnen länger   nicht Ruhe laßen
Als solang er hörte   die Mägde singen.

Da ließen sie knattern   die knarrende Mühle:
»Umschwingen wir Starken   den leichten Stein.«
Nur mehr zu malen   bat er die Mägde.

Sie sangen und schwangen   den schnaubenden Stein
Bis Frodis Volk   in Schlaf verfiel.
Da sang Menja,   die malen sollte:

»Wir malen dem Frodi   Macht und Reichtum
Und goldenes Gut   auf des Glückes Mühle.
Er sitz ihm im Schooß   und schlaf' auf Daunen
Nach Wunsch erwachend:   das ist wohl gemalen.

»Nie soll hier Einer   dem Andern schaden,
Hinterhalt legen,   Unheil ersinnen,
Mit scharfem Schwerte   nicht Wunden schlagen,
Und fänd er gebunden   des Bruders Mörder.«

Da war es das erste   Wort, das er sprach:
»Haltet nicht länger ein   als der Hauskuckuck schläft
Oder nur während   eine Weis ich singe.«

»Nicht warst du, Frodi,   vorsichtig genug,
Den Mannen holdselig,   als du Mägde kauftest:
Auf Stärke sahst du   und schönes Antlitz;
Achtetest ihrer   Abkunft nicht.

»Hart war Hrungnir   und hart sein Vater,
Doch stärker als sie   scheint mir Thiassi.
Idi und Oernir   sind unsere Väter,
Der Bergriesen Brüder,   die uns beide zeugten.

10 

»Nicht wär Grotti gekommen   aus grauem Felsen,
Nicht der schwere Schrotstein   aus dem Schooß der Erde,
Nicht rührte den Mandel   des Bergriesen Tochter,
Wäre das Wem   der Menschen bewust.

11 

»Wir waren Gespielen   neun Winter lang,
Da unter der Erde   man uns erzog:
Da übten wir Mägde   schon manche Großthat,
Faßten Felsen   sie fort zu rücken.

12 

»Wir wälzten die Steine   zu den Riesenwohnungen:
Die Erd im Grunde   begann zu zittern.
Wir stießen und stürzten   den Stein, daß er ächzte,
Die ragende Felswand   ward Menschen erreichbar.

13 

»Seitdem geschahs,   daß in Schweden wir
Vorwißende Frauen   die Heerschar führten,
Bären birschten,   Schilde brachen,
Entgegen gingen   grau geschientem Heer.
Wir stürzten Stammfürsten,   stützten Andre:
Gutthorm dem guten   gaben wir Beistand,
Feierten nicht früher bis Knui fiel.

14 

»Solcherlei schufen wir   Sommer und Winter
Bis wir als Kämpen   wurden bekannt.
Mit scharfen Speren   schlugen wir Wunden
In Fleisch und Gebein   und färbten die Klingen.

15 

»Nun sind wir gekommen   zu des Königs Haus
Und werden unmenschlich   als Mägde behandelt:
Grus (Sand) frißt die Sohlen   und Kälte die Glieder;
Wir malen dem Feinde:   schlimm ists bei Frodi.

16 

»Ruhet nun, Hände,   raste nun, Stein,
Genug von Mir   gemalen ist nun.
Doch haben die Hände   hier nicht Ruhe
Bis Frodi meint   genug sei gemalen.

17 

»So greifet nun, Helden,   zu harten Geeren,
Zu triefenden Waffen.   Erwache, Frodi!
Erwache, Frodi!   willst du lauschen
Unserm Singen   und alten Sagen.

18 

»Feuer seh ich brennen   östlich der Burg,
Kriegsbotschaft kommt,   das verkündet die Glut.
Ein Heer ist im Anzug,   eindringt es hier,
Und verbrennt alsbald   die Burg dem Fürsten.

19 

»Nicht magst du mehr halten   den Stuhl in Hledra
Mit rothen Spangen   und spähem Gestein.
Mächtiger malen   wir Mägde noch.
Noch weilst du, Walmaid,   dem Walfeld fern.

20 

»Tapfer malt   meines Vaters Tochter,
Denn vieler Fürsten   Fall sieht sie nahn.
Schwere Stücke   springen von der Mühle,
Eisen beschlagene:   doch immer gemalen!

21 

»Nur immer gemalen!   Yrsas Sohn,
Halfdans Enkel   wird Frodi rächen.
Er wird von ihr   geheißen werden
Sohn und Bruder;   wir beide wißens!«

22 

Die Mägde malten   aus aller Macht:
Die Jungen waren   im Jotenzorn.
Die Malstange brach,   die Mühle riß,
Der mächtige Mühlstein   fuhr mitten entzwei.

23 

Die Bergriesen-   bräute sprachen:
»Nun finden wir, Frodi,   wohl Feierabend:
Genug gemalen   haben wir Mägde.«


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